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E_1933_Zeitung_Nr.090

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Bern, Dienstag, 31. Oktober <strong>1933</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" No. 90<br />

Gra binsch riften<br />

grosser Männer<br />

Zu Allerseelen.<br />

P. O. Grabinschriften sind Zeichen der<br />

Erinnerung, Dankbarkeit und Liebe. Das<br />

schlichte Wort «Meine unvergessliche Mutter»<br />

kann ebenso erschütternd sein wie ein<br />

Bibelspruch, der Vers eines Psalmes oder<br />

der Lebensgrundsatz eines aufrechten Menschen,<br />

den ihm die Nachwelt dankbar aufs<br />

Grab setzt. Nicht in der Absonderlichkeit der<br />

Inschrift liegt der Sinn und der Wert für die<br />

Mitwelt; einer so einfachen Widmung wie<br />

«Dem unbekannten Soldaten» kann sich kein<br />

menschlich fühlendes Herz verschliessen.<br />

Tiefe Dankbarkeit drücken Michelangelos<br />

Worte aus, die er für Dantes Grab geschrieben:<br />

Wie gross er war, ist nimmer auszusagen,<br />

Zu hell den Blinden ward sein Licht<br />

entzündet...<br />

Er stieg hinunter zu des Irrtums Reichen,<br />

Uns zu belehren, dann empor zu Gotte.<br />

Der Himmel wehrt ihm nicht die hohen Tore,<br />

Dem seine Vaterstadt die ihren zuschloss.<br />

Danklose Vaterstadt, die sich zum Schaden<br />

Ward seines Unglücks Amme. Recht<br />

bezeugt das.<br />

Wie Gott den Besten gibt das meiste Leiden.<br />

Steh' hier für tausend Zeugnisse dies eine:<br />

Dass nie ein Gleicher so unwürd'gen Bann<br />

trug,<br />

Aus welchem die Blätter gerissen.<br />

Dessen Einband abgebraucht ist.<br />

Aber das Werk wird nicht verloren sein,<br />

Denn es wird wieder erscheinen, so hofft er,<br />

In einer neuen Auflage,<br />

Durchgesehen und verbessert<br />

vom<br />

Verfasser.<br />

Auf dem Kirchhof zu Bagneux findet man<br />

auf dem Stein Oscar Wildes Hiobs Worte:<br />

Verbis meis addere nihil audebant et<br />

super illos stillabat eloquium meum.<br />

(Nach meinen Worten redete niemand mehr<br />

und meine Rede troff auf sie.)<br />

Die Grabtafel des in Berlin verstorbenen<br />

Herausgebers der «Deutschen Rundschau»,<br />

Julius Rodenberg, trägt folgende Verse:<br />

Was das Schicksal schickt, ertragen,<br />

Auch im Leide nicht verzagen,<br />

Für eine Stunde bin ich dem Hause entronnen,<br />

dem kühlen schattigen Zimmer, wo<br />

am Boden mein grosser alter Reisekoffer<br />

liegt, schon mehr als halb vollgepackt mit<br />

Wäsche, Büchern, Schreibzeug, Malzeug,<br />

Briefschaften und all dem gewohnten Kram;<br />

denn es ist tiefer Herbst geworden, es beginnt<br />

in meinem kleinen Dorf und in meinem<br />

~ 7 ie nie ein gröss'rer Mann als er erschienen!<br />

Sommerhause unwirtlich zu werden, und ich<br />

will, wie jedes Jahr, die Flucht vor dem<br />

Auf Albrecht Dürers Grab auf dem Nürnberger<br />

Johannesfriedhof liest man:<br />

mern Sonne, sondern nordwärts zu den<br />

Winter antreten — nicht südwärts zur wär-<br />

Streue ihm Blumen, o Wanderer, Blumen.<br />

Städten und Häusern, wo man warme Oefen<br />

und warme Badezimmer findet, wo es zwar<br />

Goethe und Schiller schrieben für Lessings<br />

Nebel, Schnee und andere Uebel gibt, dafür<br />

aber auch befreundete Menschen, Aufführungen<br />

von Mozart und Schubert und derglei-<br />

Ruhestätte: •<br />

Vormals im Leben ehrten wir dich wie einen<br />

der Götter.<br />

chen geliebte Dinge.<br />

Nun du gestorben, so herrscht über die Geister O wie schnell ist das wieder gegangen<br />

dein Geist.<br />

mit dem Herbstwerden ! Dies Jahr war es<br />

wieder ein wunderbar schöner Spätsommer,<br />

William Penn, dem Gründer Pennsylvaniens,<br />

setzte man einfach und herzlich einen Tag um Tag wartete man, nach scheinbar<br />

er schien nie ein Ende nehmen zu- können,<br />

Stein: «Er war ein guter Mensch.»<br />

sicheren Anzeichen, auf Regen, auf Wind,<br />

auf Nebe], aber Tag um Tag stieg klar, golden<br />

und warm aus dem Luganeser Seetal<br />

Benjamin Franklin, einer der grössten Präsidenten<br />

Amerikas, schrieb sich selbst, nach herauf, nur dass die Sonne Tag für Tag um<br />

seinem an Erfolgen und Ehrungen unendlich<br />

ein Unmerkliches später kam, sie kam nun<br />

"wichen Leben, diese Grabschrift:<br />

nicht mehr über die selben Berge herangestiegen<br />

wie die Sommersonne, sondern ihr<br />

Hier ruht,<br />

Aufgangspunkt war weit vorgeschoben, gegen<br />

Como hin — aber all dies bemerkte man<br />

Speise der Würmer,<br />

Der Körper von<br />

nur, wenn man nachrechnete und kontrollierte,<br />

die Tage selbst waren einer wie der<br />

Benjamin Franklin,<br />

Buchdrucker,<br />

andere, Sonnentage, die Morgen kräftig<br />

Gleich dem Deckel eines alten Buches, leuchtend, die Mittage heiss und brennend,<br />

Ob in Freude, ob in Trauer,<br />

Glaube niemals an die Dauer,<br />

Trachte nur, dass vor dem Ende<br />

Sich dein inneres Sein vollende.<br />

Bächmanns, des Verfassers der « Geflügelten<br />

Worte », Grabinschrift lautet:<br />

« Eines Schatten Traum ist der Mensch.»<br />

Adolf von Harnacks Grab schmücken die<br />

Worte:<br />

Vera Creator Spiritus.<br />

Schon wieder Herbst<br />

die Abende farbig verglühend. Und dann<br />

kam, nach einem ganz kurzen Wetterwechsel,<br />

der bloss zwei Tage dauerte, dennoch<br />

auf einmal der Herbst herangeschlichen, und<br />

es kann nun am Mittag noch so warm und<br />

am Abend noch so strahlend farbig werden,<br />

es ist doch längst kein Sommer mehr, es ist<br />

Sterben und Abschied 1 in der Luft, und die<br />

Nächte sind kalt.<br />

Abschied nehmend — denn morgen will<br />

ich für Monate fortreisen — schlenderte ich<br />

durch den Wald. Von weitem sieht dieser<br />

Wald noch beinahe grün aus. in der Nähe<br />

aber sieht man wohl, dass auch er alt geworden<br />

und nah am Sterben ist, das Laub<br />

der Kastanien knistert trocken und wird immer<br />

gelber, das feine spielende Laub der<br />

Akazien blickt zwar an manchen feuchten,<br />

kühlen Waldstellen und Schluchten noch tief<br />

und bläulich, aber überall schon durchstreift<br />

und durchglänzt von welken Zweigen, an<br />

denen die grellgoldenen Blättchen einzeln<br />

schimmern, und bei jedem Windhauch herab<br />

zu tropfen beginnen.<br />

Hier beim Graben, wo das welke Laub<br />

sich schon häuft, obwohl die Wipfel alle noch<br />

voll scheinen, hier habe ich im vergangenen<br />

Frühling, in der Zeit vor Ostern, die ersten<br />

zweifarbigen Blüten des Lungenkrauts gefunden,<br />

und grosse Flächen voll Waldanemonen,<br />

wie roch es damals feucht und krautig<br />

hier, wie gärte es im Holz, wie tropfte und<br />

keimte es in den Moosen ! Und jetzt ist alles<br />

knisternd trocken, tot und starr verbrannt,<br />

das welke holzige Gras und die welken dürren<br />

Brombeerranken, alles klirrt, wenn der<br />

Von Emil HügU.<br />

Rauhreif liegt auf den entfärbten Matten,<br />

Erster weisser Schnee schon auf den<br />

Bergeshöh'n;,<br />

Früh schon wirft der Abend seine Schatten<br />

Uebers Land und kühle Winde weh'n...<br />

Lebensmüde, todesmatt<br />

Fällt vom Baum das letzte, dürre Blatt.<br />

So gemahnt Natur uns an das Sterben,<br />

Das Grab G. S. Schäfers, des Gründers und An den ungehemmten ew'gen Lauf der Zeit,<br />

Sprechers der humanistischen Gemeinde, zieren<br />

folgende Worte:<br />

Gruss entböte der Vergänglichen:<br />

Und es ist, als ob der Tod uns herben<br />

Aus stillem Denken kommt ein wachsend « Müdes Menschenkind, auch du<br />

Leben, Findest einst in deinem Grabe Ruh'!»<br />

Das wird die Welt aus ihren Angeln heben.<br />

Und war" es auch nach Hunderten von Jahren: Und so lasst ans zu den Gräbern wallen<br />

Ein Tag erscheint dem ausgesprochenen Unsrer Lieben — heut' am Allerseelentag,<br />

Wahren. Lasst uns fromme Grüsse bringen allen,<br />

Die kein Wunsch zu wecken mehr vermag,<br />

Die da schlafen tief und gut<br />

In der Mutter Erde treuer Hut.<br />

Von Hermann Hesse.<br />

Liebendes Gedenken sei gegeben<br />

Denen, die da in den stillen Grüften ruh'n...<br />

Doch dann: Kehren wir zurück ins Leben<br />

Um Lebend'gen Liebe anzutun!<br />

Lieb' tut jeder Seele not,<br />

Liebe überwindet noch den Tod.<br />

Wind anhebt, dünn und spröde aneinander.<br />

Nur pfeifen überall in den Bäumen noch die<br />

Siebenschläfer; die werden im Winter<br />

schweigen.<br />

Ah, da rieche ich etwas, das Freude macht<br />

Ein feuchter, dicklicher, etwas dumpfer,<br />

nahrhaft fetter Geruch zeigt mir Pilze an,<br />

Steinpilze. Sie wachsen hier nicht eben selten,<br />

doch findet man sie nicht leicht, denn<br />

auch der Tessiner fest Steinpilze sehr gern<br />

(im Risotto schmecken sie wundervoll) und<br />

sucht sie mit Leidenschaft. Eben habe ich<br />

einen Mann angetroffen, es war der Cavadini<br />

von Certenago, der schlich gespannt und<br />

lauernd wie ein Jäger an mir vorbei durchs<br />

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Der geheime Kampf<br />

Von Philipp Klein.<br />

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)<br />

Nach drei Tagen kehrte Oberst von Mjassojedow<br />

wieder zurück. Er sandte Mercedes<br />

zunächst ein sehr schönes und kostbares<br />

Blumenarrangement, das sie nicht gut zurückweisen<br />

konnte. Sie vermied es aber,<br />

mittags in den Speisesaal zu gehen und kam<br />

auch nicht um die gewohnte Stunde in das<br />

Lesezimmer. Gegen vier Uhr nachmittags<br />

pochte es plötzlich an ihre Tür, und Mercedes,<br />

in der Meinung, es käme jemand vom<br />

Hauspersonal mit irgendeiner Botschaft, rief<br />

herein.<br />

Der Oberst trat ins Zimmer.<br />

Er sah noch elender aus als gewöhnlich,<br />

aber in seinen grauen Augen glühte ein unheimliches<br />

Feuer.<br />

«Da Sie mir ausweichen, Madame, bleibt<br />

mir nichts anderes übrig, als Sie aufzusuchen.<br />

Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich bei<br />

Ihnen eindringe — ich musste Sie heute noch<br />

sehen und sprechen!»<br />

«Herr Oberst — Sie sehen mich ausserordentlich<br />

überrascht! Wenn Sie unbedingt<br />

darauf bestehen, bin ich bereit, ins Lesezimmer<br />

zu kommen. Aber mein Zimmer<br />

muss ich Sie dringend bitten, zu verlassen!»<br />

«Das Lesezimmer, das jeden Augenblick<br />

von einem Fremden betreten werden kann!<br />

Nein, Madame! Ich bin hier und bleibe hier!<br />

Was ich Ihnen zu sagen habe, ist nicht für<br />

die Ohren Fremder bestimmt!»<br />

«Herr Oberst — ich bitte Sie dringend, das<br />

Zimmer zu verlassen! Was Sie mir zu sagen<br />

haben, will ich nicht anhören!»<br />

«Sie müssen, schöne Frau! Sie müssen!»<br />

Er hatte sich ihr genähert. Als er keuchend<br />

diese Worte heryorstiess, schlug Mercedes<br />

ein schwerer Alkoholdunst ins Gesicht. Der<br />

Mann war offenbar total betrunken. Mercedes<br />

wich hinter einen kleinen Tisch zurück.<br />

«Ich werde um Hilfe rufen, Herr Oberst,<br />

wenn Sie nicht sofort gehen!»<br />

«Das wird Ihnen nichts nützen, Madame.<br />

Denn in diesem Hotel wird es niemand<br />

wagen, gegen mich vorzugehen. Wollen Sie<br />

das, bitte, nicht vergessen. Warum wollen<br />

Sie mich denn nicht hören, schöne Frau?<br />

Ich liebe Sie! Verstehen Sie das? Ich liebe<br />

Sie! Ich begehre Sie! Man hat Ihnen das<br />

vielleicht schon oft gesagt, aber Sie haben<br />

es vermutlich noch von keinem Asiaten gehört!<br />

Aus meinem Munde haben diese Worte<br />

eine andere Bedeutung als aus dem eines<br />

Europäers. Ich bettle nicht um ein wenig<br />

Gegenliebe —: Sie müssen mein werden!<br />

Müssen! Weil das Feuer in meinem Blut<br />

gestillt werden muss, wenn es nicht mich und<br />

Sie verbrennen soll! Ich bin kein schmachtender<br />

Jüngling, Madame, der sich damit begnügt,<br />

gelegentlich Ihre Hand küssen zu dürfen<br />

— Sie müssen mein werden oder — ich<br />

werde Sie zerbrechen!»<br />

Mercedes war tief erblasst. Aus diesem<br />

von Leidenschaft und Alkohol geschüttelten<br />

Körper schlug eine Flamme, die sie und<br />

Eberhard vernichten konnte. «So nehmen Sie<br />

doch Vernunft an, Herr Oberst,» sagte sie<br />

mit bebenden Lippen. «Was Sie wollen, das<br />

ist doch unmöglich. Jeden Augenblick kann<br />

mein Mann kommen...»<br />

Der Oberst lachte laut auf. «Ihr Mann!<br />

Ihr Mann! Wollen Sie mir vielleicht die Komödie<br />

der liebenden und getreuen Gattin vorführen,<br />

Ata Bari? Oder Mercedes Farere<br />

oder wie Sie sonst heissen mögen? Das können<br />

Sie sich sparen! -Ich weiss, wer Sie sind,<br />

schöne Frau! Ich bin genau unterrichtet. Ich<br />

weiss auch, wie gefährlich Sie sind. Aber das<br />

ist es gerade, was mich an Ihnen vielleicht<br />

noch mehr reizt als Ihre Schönheit. Was<br />

wollen Sie denn von dem Menschen, in dessen<br />

Gesellschaft Sie sich befinden? Dieser<br />

blutige Dilettant, dieser lächerliche Patriot,<br />

den ich mit einem Knipsen des Fingers in<br />

die Luft gehen lasse, wenn es mir gefällt —<br />

das ist doch kein Partner für Sie, Ata Bari!»<br />

«Ich liebe ihn! Ich liebe ihn!»<br />

«Pah! Erzählen Sie das, wem Sie wollen,<br />

aber nicht mir! Eine Frau von Ihren Qualitäten<br />

kann sich nicht an solche Mittelmässigkeit<br />

verlieren. Zu mir gehören Sie, zu mir!»<br />

Es war ihm gelungen, ihre Hand zu fassen.<br />

Er suchte sie an sich zu reissen; der Tisch,<br />

an den sie sich klammern wollte, fiel um.<br />

In diesem Augenblick trat Eberhard ins<br />

Zimmer. Er sah den Obersten keuchend und<br />

vornübergebeugt, noch immer Mercedes Hand<br />

in der seinen. Er sah die Angst in den Augen<br />

der geliebten Frau. Er hatte merkwürdigerweise<br />

plötzlich die Impression, auf der Bühne<br />

zu sein, in einem banalen, lächerlichen Stück<br />

eine banale, lächerliche Rolle zu spielen. ,Was<br />

geht hier vor?', hatte er zu sagen, und dann<br />

kam die Auseinandersetzung. Aber ebenso<br />

plötzlich wie sie gekommen' war, schwand<br />

diese Impression. Was hier vorging, das<br />

brauchte er wahrhaftig nicht zu fragen.<br />

«Herr Oberst — lassen Sie, bitte, die Hand<br />

meiner Frau los!» Er sagte es ganz ruhig,<br />

Hit<br />

Kaffee Hag sind Sie<br />

stets restlos zufrieden

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