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E_1934_Zeitung_Nr.005

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diese mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen<br />

übereinstimmen, sondern ihre Aufmerksamkeit<br />

auch auf die Reflektoren der Fahrräder<br />

zu konzentrieren. Nur dann erfüllen<br />

diese ihren Zweck, wenn sie die Lichtstrahlen<br />

der Scheinwerfer vertikal auffangen, nicht<br />

aber wenn sie schräg gestellt oder durch den<br />

Rock des Velofahrers verdeckt werden.<br />

Bei den Scheinwerfern der Motorräder ist<br />

es vor allem die oft noch-zu beobachtende<br />

federnde Aufhängung der Lampen, die eine<br />

starke Unruhe des Lichtkegels bewirkt, wodurch<br />

die Blendwirkung verschlimmert wird.<br />

Es sind der Fragen viele, die das Fahren<br />

mit beleuchteten Transportmitteln mit sich<br />

bringen. Immer aber muss sich der Automobilist<br />

bewusst sein, dass das Gesetz auch<br />

demjenigen Fahrer bestimmte Pflichten auferlegt,<br />

die zu den Passiven, d. h. zu den<br />

Geblendeten gehören. Man kann sich nicht<br />

hinter die Ausrede des Blendens seitens des<br />

entgegenkommenden Fahrzeuges verbergen,<br />

wenn einem das Missgeschick eines Unfalles<br />

zustossen sollte. Wenn wir die Fahrbahn<br />

nicht mehr voll übersehen können, muss der<br />

Lauf des Wagens verlangsamt oder gegebenenfalls<br />

sogar abgestoppt werden. Dies<br />

dürfte auch dann gelten, wenn trotz Signalisierung<br />

der entgegenkommende Automobilist<br />

keine Anstalten zum Abblenden trifft, ein<br />

Fall, der des öftern noch vorkommt. Verfügt<br />

man aber zufälligerweise selber über stärkere<br />

Scheinwerfer als der Gegenfahrer, so ist es<br />

wohl möglich, diesen zur Vernunft zu bringen,<br />

indem durch Fernlicht dem Gegner das<br />

Gesetz des Handelns diktiert werden kann.<br />

In hohem Masse besteht aber eine Pflicht zur<br />

Oeschwindigkeitsreduktion, wenn namentlich<br />

bei Regen- oder Schneewetter und spiegelnder<br />

Fahrbahn die Blendung schon durch kleinere<br />

Lichter gefahrdrohend im Hintergrund<br />

steht.<br />

Wie aus der Entwicklung der Beleuchtungsanlage<br />

für Motorfahrzeuge während den<br />

letzten Jahren hervorgeht, ist die Technik<br />

ununterbrochen mit dem Abblendproblem beschäftigt.<br />

Im Ausland sind vielfach Versuche<br />

mit gelben Lichtern im Gange, und es ist<br />

nicht ausgeschlossen, dass die Vollziehungsverordnung,<br />

welche nur die Verwendung<br />

weissen Lichtes gestattet, in diesem Punkt<br />

schon in Bälde revidiert werden muss. Wohl<br />

geht das Gesamtinteresse vor, so dass von<br />

den Scheinwerferfabrikanten gefordert werden<br />

darf, die Beleuchtungsanlagen hinsichtlich,<br />

der Stärke des ausgestrahlten Lichtes<br />

nicht zu überspannen, doch müssen auch die<br />

Strasseneigentümer an der Lösung mithelfen.<br />

Das Kernproblem der Beleuchtungseinrichtung<br />

liegt in der verdunkelten Fahrbahn des<br />

abgeblendeten Fahrzeuges. Weil zur Verhütung<br />

etwaiger, in dieser Zone liegender<br />

Gefahren eine fühlbare Drosselung der Geschwindigkeit<br />

unumgänglich stattfinden muss,<br />

hat wiederum die Verkehrsflüssigkeit zu<br />

leiden.<br />

In Kenntnis der noch vorhandenen Unzulänglichkeiten<br />

beim Fahren in der Dunkelheit,<br />

speziell aber in Berücksichtigung der<br />

hohen Geschwindigkeiten, die heute einmal<br />

dem Strassenverkehr den Stempel aufdrükken,<br />

sollte sich jeder Strassenbenützer einer<br />

tadellosen Verkehrsdisziplin befleissen. Gerade<br />

auf nächtlichen Strassen kann der Automobilist<br />

beweisen, ob er sich seiner Stellung<br />

als Verkehrsförderer bewusst ist, öder ob er<br />

sich um eines vermeintlichen Vorteils willen<br />

über die Regeln des Anstandes und des<br />

Taktes hinwegsetzen will. Es hat schon stark<br />

gebessert unter den «Lichtkünstlern der<br />

Landstrassen», doch ist immer noch manches<br />

nachzuholen.<br />

Wy.<br />

Auto und Eisenbahndefizite.*<br />

Wenn auch der Autoverkehr den Eisenbahnen<br />

nicht so grosse Transuortquoten<br />

wegnimmt, wie man allgemein anzunehmen<br />

geneigt ist, so macht sich die Abwanderung<br />

der Güter und Personen auf die Strasse doch<br />

in einem Umfange bemerkbar, der ungefähr<br />

15 % des totalen Eisenbahnverkehrs ausmacht.<br />

Niemals aber sind die Verluste derart<br />

schwerwiegend, wie seitens der Bahngesellschaften<br />

glaubhaft zu machen versucht<br />

wird. Demgegenüber wird aber für die rest-<br />

*) Vergleiche «Automobil-Revue» Nr. 4<br />

lichen 85 Prozent durch die seitens der Automobilwirtschaft<br />

verursachte allgemeine<br />

Verkehrsbelebung ein wesentlich höherer<br />

Ausgleich geschaffen. Aus diesen Ueberlegungen<br />

heraus ist deshalb in Amerika die<br />

Auffassung weit verbreitet, dass das Automobil<br />

nicht in dem Masse als Konkurrenz<br />

anzusehen ist, als wie man es darstellt, garantiert<br />

es doch dank seiner technischen<br />

Vorteile überall da, wo der Bahnbetrieb zu<br />

schwerfällig ist, eine sinngemässere Betriebsführung<br />

und bietet zudem manchem<br />

Bahnunternehmen die Möglichkeit, verlustbringende<br />

Strecken aufzuheben und durch<br />

das wirtschaftlicher arbeitende Automobil zu<br />

ersetzen.<br />

Nach den Untersuchungen der Interstate<br />

Commerce Commission über den amerikanischen<br />

Gesamtgüterverkehr stellen die<br />

Strassen nicht einmal 4 Prozent des Warenverkehrs<br />

sicher. Ein Viertel aller Lastwagen<br />

dient, den Farmern, während ein Drittel<br />

oder noch mehr im Stadtverkehr eingesetzt<br />

sind. Im weitern wurde festgestellt dass nur<br />

2,5 Prozent des Effektivbestandes an Lastwagen<br />

über eine Tragfähigkeit von mehr als-<br />

3,5 t verfügen. Die Hauptfunktion der amerikanischen<br />

Camionsdienstes besteht im Zuund<br />

Wegtransport landwirtschaftlicher Produkte<br />

und Tiere zu und von den Bahnstationen.<br />

Im allgemeinen unterstützen die<br />

Lastwagen die Eisenbahnen weit eher als<br />

dass sie denselben Schaden zufügen.<br />

Das Hauptgebiet der Lastwagenverwendung<br />

liegt im. Transport von Colis, doch<br />

betragen unter normalen Verhältnissen diese<br />

Transporte nur 2,5 Prozent aller den Bahnen<br />

übergebenen Warentransporte. Zweifellos<br />

stellt der Lastwagen ein an Wichtigkeit<br />

im Güterverkehr des Landes stets an Bedeutung<br />

zunehmender Faktor dar, doch steht<br />

das heute von ihm beanspruchte Transportvolumen<br />

in einem bescheidenen Verhältnis<br />

gegenüber demjenigen, das von den Eisenbahnen<br />

bewältigt wird.<br />

Ueberall drücken enorme Schulden auf die<br />

gegenwärtige Finanzlage der BahngeseHschaften.<br />

Ununterbrochen sind in allen Ländern<br />

die festen Schulden angewachsen, so<br />

dass der Zinsendienst bei den amerikanischen<br />

Bahnen für diesen Posten allein 25<br />

Prozent der Bruttoeinnahmen verschlingt.<br />

Hier gilt es vor allem durchzugreifen und<br />

nicht Immer die Schuld bei andern zu suchen.<br />

In allen Staaten gruppieren sich die von<br />

den Bahnen an das Auto gerichteten Vor-r.<br />

würfe um die deichen Punkte. In Europa<br />

wie in Amerika versucht man, dem motorisierten<br />

Strassenverkehr die Schuld für den<br />

Verkehrsschwund der Eisenbahnen zuzuschreiben<br />

und diesen für die gewaltigen Defizite<br />

haftbar zu machen. Das Automobil<br />

wird angeklagt, den Bahnen die lohnendsten<br />

Transporte wegzunehmen und das Eisenbahntarifsystem<br />

erschüttert zu haben, von<br />

dem sie nicht aufhören zu behaupten, dass<br />

es dem höchsten Wohle der Allgemeinheit<br />

dient.<br />

Diesen Vorwürfen gegenüber haben sich<br />

die mit dem Automobil verbundenen Zweige<br />

zur Wehr gesetzt und den Beweis geleistet,<br />

dass d'e Schwarzmalerei der Bahnen um ein<br />

Vielfaches übertrieben ist. Vor allem kann<br />

der Automobilismus, selbst wenn er der<br />

AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> - N°5<br />

Schiene nur die Transportmenge streitig<br />

machen würde, die er heute besitzt, niemals<br />

als Grund für die enormen Verluste, welche<br />

heute alle Bahnen in allen Staaten zu tragen<br />

haben, verantwortlich gemacht werden. Weder<br />

das sresenwärtisje Güter- noch Personenverkehrsvolumen<br />

des Autos ist so umfangreich,<br />

um daraus die Eisenbahndefizite abzuleiten.<br />

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen,<br />

dass das Automobil die Eisenbahnen<br />

nicht eenerell sondern nur in Ausnahmefällen<br />

konkurrenziert. Zudem ist durch statistische<br />

F,rhebungen schon längst die BedeutuTK<br />

des Automobils als Warenzubringer<br />

und -Wegführer bewiesen. Mit Bezug auf<br />

die jetzigen Verhältnisse ist besonders die<br />

obenskizzierte amerikanische Entwicklung<br />

recht lehrreich, geht doch aus derselben eindeutisr<br />

hervor, dass im Lande des höchstentwickelten<br />

Straßenverkehrs das Automobil<br />

noch weit davon entfernt ist. 'die Eisenbahnen<br />

zu ruinieren, sondern diesen umgekehrt<br />

eine Belebung brachte, ansonst die Defizite<br />

noch gewaltigere Dimensionen angenommen<br />

hätten.<br />

Aber auch in der Schweiz beginnt sich allmählich<br />

eine Entwicklung anzubahnen, die<br />

das Automobil nicht mehr generaliter zum<br />

Sündenbock für die Finanzmisere bei den<br />

Bahnen zu stempeln versucht, sondern demselben<br />

auch seine guten Seiten anzuerkennen<br />

gewillt ist. In der Begründung des Postulates<br />

Gelpke zur Frage der Senkung der Betriebskosten<br />

der S. B. B. in der Nationalratssitzung<br />

vom 7. Dezember 1933 präzisierte der baselstädtische<br />

Rheinschiffahrts-Pionier seine Auffassung<br />

über das gegenseitige Verhältnis der<br />

beiden Transportmittel Eisenbahn und Auto<br />

dahin, dass der Wettbewerb des Automobils<br />

nicht imstande war, die Aufwärtsentwicklung<br />

der Transportleistung der S.B.B, aufzuhalten.<br />

Und weiterhin hat die schweizerische<br />

Reisewoche schlagender als in verantwortlichen<br />

Kreisen lieb gewesen war, bewiesen,<br />

dass nämlich die bisherige Tarifpolitik und<br />

nicht die Automobilkonkurrenz am meisten<br />

zum Verkehrsrückgang der letzten Jahre beigetragen<br />

hat.<br />

Bei dieser Sachlage muss man sich allerdings<br />

die Frage stellen, aus welchem Grunde<br />

die Eisenbahnen bei ihrer antiautomobilistischen<br />

Einstellung dem Strassenverkehr alle<br />

möglichen Hindernisse in den Weg legen,<br />

weshalb auf die öffentliche Meinung ein politischer<br />

Druck ausgeübt wird, um die heute<br />

in vielen Ländern kaum mehr tragbare Belastung<br />

auf Motorfahrzeugen zu erhöhen? Es<br />

sind im grossen und ganzen Ablenkungsmanöver,<br />

die dabei verfolgt werden, denn den<br />

Eisenbahndefiziten liegen bedeutend schwerwiegendere<br />

Ursachen zu Grunde, als die Entwicklung<br />

des motorisierten Strassenverkehrs.<br />

Die Netzdichte ist mancherorts zu<br />

gross, und zwar wurden vielfach Linien gebaut,<br />

nur um gewisser Kirchturmpolitik gerecht<br />

zu werden, und oft wurde eine Linienführung<br />

gewählt, die nicht nach eisenbahnoder<br />

verkehrstechnischen Gesichtspunkten<br />

erfolgte, sondern aus bestimmten Rivalitätsgründen<br />

festgelegt wurde. Beim Bau der<br />

Eisenbahnen ist man seinerzeit vom Grundsatz<br />

ausgegangen, als ob dieses Verkehrsmittel<br />

ein und allemal Gültigkeit habe und<br />

dass durch seinen Monopolcharakter ihm<br />

auch die Herrschaft über den Verkehr gehöre.<br />

Die politischen Bindungen verhinderten<br />

die Eisenbahnverwaltungen schon längst,<br />

eine wahrhaft wirtschaftliche Verwaltung<br />

ihrer Betriebe durchzuführen. Gestützt auf<br />

ihr Monopol sind sie verbürokratisiert worden<br />

und können sich heute nur unter den<br />

schwierigsten Verhältnissen aus dieser Sackgasse<br />

herausziehen: dafür aber suchte und'<br />

fand man einen geduldigen Prügeljungen, den<br />

man glaubte, für die eigene Umklammerung<br />

verantwortlich machen zu können. -my-<br />

Schweizerische Rundschau<br />

Strassenbahn oder Autobus. Im Jahre 1928<br />

erhielt Herr Ing. Hohl, Vizedirektor der<br />

Sesa, den Auftrag, zu prüfen, ob nicht die<br />

Appenzeller Strassenbahn wirtschaftlich<br />

durch einen Autobusbetrieb ersetzt werden<br />

könnte. In seinem umfangreichen und ausserordentlich<br />

gut dokumentierten Gutachten<br />

kam er zum Schluss, dass der Ersatz der<br />

Bahn möglich sei, die Betriebsumstellung der<br />

bedienten Gegend Vorteile biete, der Güterverkehr<br />

vereinfacht und verbilligt werden<br />

könne und die neue Betriebsart die Möglichkeit<br />

gebe, nicht nur die nötigen Abschreibungen<br />

vorzunehmen, sondern auch die Prioritätsaktien<br />

mit 5% zu verzinsen.<br />

Es ging Herrn Hohl wie andern Fachleuten,<br />

die die Kühnheit haben, am Bestand<br />

einer Strassenbahn rütteln zu wollen. Man<br />

fiel in der Presse über ihn her, riss seine<br />

Arbeit herunter und beschloss, allen nicht<br />

widerlegbaren Argumenten zum Trotz, die<br />

nötigen Summen für die Elektrifikation zu<br />

bewilligen. Heute muss die Leitung der<br />

Bahn den Gläubigern mitteilen, dass sie<br />

nicht in der Lage ist, den Januarcoupon <strong>1934</strong><br />

der Obligationenanleihe einzulösen. Sie<br />

schlägt ihnen eine Stundung bis zum Mai<br />

oder Juni vor und hofft, bis dahin positive<br />

Vorschläge machen zu können. Diese dürften<br />

die Gläubiger vor die Alternative stellen,<br />

sich mit einem variablen Zinsfuss, d. h. mit<br />

einem Verzicht auf die Zinsen zufrieden zu<br />

geben oder dann einer Sanierung mit ent-><br />

sprechendem Kapitalverlust zuzustimmen.<br />

Im Rundschreiben an die Obligationäre<br />

gibt die Bahn zu, dass man sich in bezug auf<br />

die finanziellen Auswirkungen der Elektrifikation<br />

getäuscht habe. Wohl konnten die<br />

Betriebsausgaben vermindert werden, aber<br />

die neue Ausgabe für die Verzinsung und<br />

die Abschreibung des Elektrifikationsanleihens,<br />

die die Bahn mit jährlich Fr. 90,000 belastet,<br />

konnte damit nicht ausgeglichen werden.<br />

Der Personenverkehr brachte, trotz allen<br />

optimistischen Berechnungen, keine Zunahme<br />

und der Güterverkehr, wie bei allen<br />

andern Bahnen, eine Abnahme. Dass diese<br />

der Autokonkurrenz zugeschrieben wird, ist<br />

beinane natürlich, denn diese muss an allen<br />

gemachten Fehlern schuld sein.<br />

Die Gläubiger werden sich also jetzt bei<br />

jenen bedanken können, die sie vor fünf Jahren<br />

so gut beraten haben. Statt bei der Einrichtung<br />

eines Autobusbetriebes mit sichern<br />

Abschreibungen und mit der Verzinsung des<br />

Kapitals rechnen zu können, werden sie sich<br />

mit dem Gedanken an eine Sanierung befreunden<br />

müssen. Dabei zeigt die Prüfung<br />

der Rechnung von Herrn Hohl, dass dieser<br />

damals eher pessimistisch eingestellt war.<br />

Er nahm beispielsweise eine Ausgabe von<br />

22 Rp. pro Fahrkilometer für Brennstoffkosten<br />

an, während man heute mit 5—6 Rp.<br />

auskommt. Auch die übrigen Ausgabenposten<br />

hat er Teichlich hoch gerechnet und es lässt<br />

sich erkennen, dass selbst bei abflauendem<br />

Verkehr ein günstiger Abschluss hätte, erreicht<br />

werden können. Für Herrn Hohl mag<br />

die Entwicklung der Dinge eine Genugtuung<br />

darstellen, besonders wenn aus dieser Erfahrung<br />

die nötigen Lehren gezogen würden.<br />

Dass dies zutrifft, ist keineswegs anzunehmen.<br />

Die Entwicklung der Dinge bei der Appenzeller<br />

Strassenbahn dürfte auch den Anhängern<br />

der Bahn am rechten Thunerseeufer<br />

die Augen öffnen. Man wird zwar, nach<br />

allgemein schweizerischem Rezept, sofort<br />

behaupten, die Verhältnisse bei den beiden<br />

Bahnen seien verschiedene. Aber hat man<br />

nicht bei der Appenzeller-Bahn den Gläubigern<br />

alle möglichen Hoffnungen gemacht, wie<br />

man es am rechten Thunerseeufer tut? Hat<br />

man nicht mit den gleichen Argumenten<br />

den Autobus bekämpft und sieht sich jetzt<br />

um sein Geld kommen? Durch Schaden wird<br />

man klug, heisst das Sprichwort. Leider<br />

muss aber erwartet werden, dass in der<br />

Schweiz jeder die Probe aufs Exempel machen<br />

und sich diese Klugheit durch Qeldopfer<br />

erkaufen will.<br />

Den unentwegten Anhängern unrentabler<br />

Strassenbahnen sei aber trotzdem empfohlen,<br />

die <strong>Zeitung</strong>sartikel des Jahres 1928 über<br />

die Appenzeller-Bahn und ihre Umstellung<br />

auf den Autobusbetrieb nachzulesen. Sie<br />

werden dann Behauptungen und Tatsachen<br />

vergleichen und in Uebereinstimmung zu<br />

bringen versuchen können. Den Behörden<br />

aber gibt dies vielleicht Anlass, mit der Bewilligung<br />

öffentlicher Mittel für den Ausbau<br />

von Bahnen vorsichtiger zu sein und sich<br />

nicht einseitig bahnschützlerische Ideen zu<br />

eigen zu machen.<br />

In der Märzsession der eidg. Räte kommt<br />

die Frage der Verkehrsteilung zwischen<br />

Bahn und Auto zur Sprache. Wäre die Aopenzeller-Bahn<br />

damals auf den Autobusbetrieb<br />

umgestellt worden, so wäre das Problem<br />

der direkten Haus-Hausbedienung heute<br />

im Appenzellerland gelöst. Wie will aber die<br />

Bahn, die ihren Verpflichtungen den Gläubigern<br />

gegenüber nicht mehr nachkommen<br />

kann, die Verpflichtung der Einrichtung des<br />

Haus-Hausdienstes erfüllen? Fast ist zu befürchten,<br />

dass mit der Elektrifikation nicht<br />

nur die durch sie neu festgelegten Gelder<br />

verlorengehen, sondern auch der Fortschritt<br />

gehemmt wird. Und dies nur, weil man damals<br />

wie heute den Zug der Zeit nicht erkennen<br />

will und jedem, der ihn predigt, ein<br />

«kreuzigt ihn» zuruft. 31<br />

eine zerschlagene Aluminiumkiste finden und<br />

einen Brei, aus dem vielleicht noch das Erkennungszeichen<br />

und die Legitimation des<br />

Infanteristen Gottfried Bauer vom hundertelften<br />

Regiment herauszukratzen war. Und<br />

würden sich wundern, wie dieser als vermisst<br />

gemeldete Gottfried Bauer in die<br />

Aluminiumkiste gekommen war!<br />

Mercedes!<br />

Nun war die Reihe an ihm. Ob es drüben<br />

ein Wiedersehen gab?<br />

Merkwürdig, merkwürdig, wie klar plötzlich<br />

sein ganzes Leben vor ihm lag. Ein<br />

Filmstreifen, der mit ungeheurer Schnelligkeit<br />

vor seinen Augen abrollte! Nur die<br />

letzten Jahre, da wurde der Film undeutlich,<br />

und schliesslich ganz dunkel. ,Zu wenig belichtet',<br />

dachte Eberhard.<br />

Ein Ruck — warf der Pilot eben den Hebel<br />

herum?<br />

Schrie er nicht in das Surren des Propellers<br />

hinein: «Au revoir!» Und lachte?<br />

Den Bruchteil einer Sekunde: nichts. Kein<br />

Herzschlag, kein Gedanke. Dann plötzlich<br />

ein Empfinden: Anprall! Gegen eine Marmorwand<br />

geworfen! Alle Knochen mussten<br />

aus den Fugen sein. Dann: ein rasches Abwärtsgleiten<br />

wie auf einem Schlitten auf<br />

steiler Bahn. Es wird langsamer, ruhiger.<br />

Das Surren des Propellers klingt fern und<br />

ferner.<br />

Ich gleite zwischen den Welten und den<br />

Zeiten, empfindet Eberhard. Dann fühlt er<br />

plötzlich einen stechenden Schmerz in den<br />

Beinen, im ganzen Körper, etwas Weiches,<br />

Leichtes senkt sich auf seinen Kopf, hüllt ihn<br />

ein. Einen Augenblick ist er bewusstlos von<br />

dem Anprall, dann richtet er sich auf, befreit<br />

sich aus der Hülle des Fallschirms. Die<br />

Aluminiumkiste ist entzweigegangen, aber der<br />

Käfig mit den beiden grauen Tierchen ist<br />

ganz, und er selbst auch.<br />

Oder ist das nur eine Illusion, — die letzte<br />

vor dem gänzlichen Erlöschen? Nein. Es ist<br />

alles ganz klar. Der Fallschirm hat sich<br />

wider Erwarten geöffnet; er ist im Gleitflug<br />

zur Erde" gekommen. Seine Beine sind durch<br />

das Aufstossen ein wenig geprellt worden,<br />

aber er kann stehen, gehen! Es ist also ein<br />

Wunder geschehen — aber warum? Wozu?<br />

Ich sollte jetzt beten, denkt Eberhard, sollte<br />

Gott auf den Knien danken. Denn allem Anschein<br />

nach bin ich gerettet. Allem Anschein<br />

nach befinde ich mich wirklich hinter den<br />

deutschen Linien. Aber ich kann es nicht Ich<br />

kann nicht danken. Man hat mir etwas geschenkt,<br />

das ich gar nicht haben will, mit<br />

dem ich nichts anzufangen weiss. Wofür<br />

leben? Mercedes ist tot. Und das Vaterland?<br />

Am Erliegen!<br />

Nein! So wollte er doch nicht denken! Er<br />

war gerettet — irgendeinen Sinn musste das<br />

doch haben! Und plötzlich war ihm klar, was<br />

er musste. Ausharren bei den Seinen, die<br />

den letzten Kampf kämpften! Das war es!<br />

Sterben — schliesslich ja! Aber das Leben,<br />

obgleich es nichts wert war, so teuer verkaufen<br />

als irgend möglich.<br />

Er besann sich, was er zunächst zu tun<br />

hatte. Es war Nacht. Nicht allzuferne rauschte<br />

ein Fluss. Vor ihm, im Westen offenbar,<br />

zuckte ab und zu ein Blitz empor; man hörte<br />

das Rollen der schweren Geschütze.<br />

(Fortsetzung folsO

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