E_1935_Zeitung_Nr.073
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3m £<br />
Bei London Bridge, der letzten Themsebrücke,<br />
hört das London, das die Welt kennt,<br />
auf. Hier liegt das Ende der Stadt, die sich<br />
um Parks und Schlösser, um Banken und<br />
Kirchen gruppiert Ostwärts beginnt ein<br />
andres London, eine unbekannte Großstadt,<br />
deren Herz hinter hohen Backsteinmauern<br />
schlägt, hinter gewaltigen, eisernen Portalen.<br />
Kein Fremder dringt in diese verbotene<br />
Stadt ein, es sei denn mit Empfehlungsbriefen<br />
und einem kundigen Führer. Bei London<br />
Bridge beginnt der Hafen, die Stadt der<br />
Docks und Lagerhäuser, der Grosshandelsmärkte<br />
und der Arbeitervorstädte. Hier<br />
herrscht uneingeschränkt der Fluss, der<br />
plötzlich zum breiten Strom geworden ist.<br />
Die Themse, in ihrem Oberlauf der idyllische<br />
Schauplatz von Regatten und Bootspartien,<br />
beginnt bei London Bridge ein geheimnisvolles<br />
Eigenleben zu führen. Millionen<br />
von unbekannten Soldaten der Arbeit<br />
leben auf dem Fluss, für den Fluss, durch den<br />
Fluss. Flut und Ebbe schlagen der Schiffahrt<br />
den Takt, und die Schiffahrt den Takt, und<br />
die Schiffahrt setzt ungezählte Kräne, Güterzüge<br />
und laufende Bänder in Bewegung.<br />
Es ist kaum zu glauben, dass Rieses London<br />
nur wenige tausend Meter von den eleganten<br />
Geschäften, den Vergnügungslokalen und<br />
Theatern des Piccadilly entfernt ist Von einer<br />
Rundfahrt durch den Londoner Hafen<br />
kehrt man wie von einer Weltreise zurück:<br />
um eine neue Welt bereichert. Bei Gravesend,<br />
wo die Lotsen die einfahrenden Schiffe<br />
empfangen, mischt sich schon Salzwasser<br />
in die Themseströmung. Der Fluss ist beinahe<br />
zwei Kilometer breit, und während der<br />
Ebbe ist die riesige Wasserfläche fast verödet.<br />
Aber kaum beginnt die Flut zu steigen,<br />
da richten sich von allen Seiten die braunen<br />
Segel der Barken auf, Schlepper eilen emsig<br />
hin und her, und am östlichen Horizont<br />
taucht eine breite Front von Dampfern auf.<br />
«Sie reiten auf der Flut>, sagen die Hafenleute.<br />
Kleine Frachtdampfer mit Wein aus<br />
Frankreich, Marmor aus Italien, Eisen aus<br />
Belgien. Fischerdampfer mit dem Fang einer<br />
Woche, den sie auf hoher See von ihren<br />
Flotten eingesammelt haben: Schollen und<br />
Seezungen, Austern und Hummer, Kabeljau<br />
und Heringe für den Fischmarkt in Billingsgate.<br />
Bananendampfer aus Westindien,<br />
grosse Frachter von der Goldküste mit Kautschuk,<br />
Kaffee und Elfenbein. Blitzblanke<br />
«Eisschrankschiffe> mit Gefrierfleisch aus<br />
Südamerika, mit Lachs aus Neuseeland, mit<br />
Früchten aus Südafrika. Australier mit Wolle,<br />
Russen, mit der roten Sowjetflagge am<br />
Mast, mit Holz aus dem Norden oder Getreide<br />
vom Schwarzen Meer. Wer zählt die<br />
Völker... Flussaufwärts, bei Woolwich, beginnen<br />
die Docks. Die Beute der Welt verteilt<br />
sich durch die Schleusentore nach beiden<br />
Flussufern hin, um in Lagerhäusern Aufnahme<br />
zu finden. Die «Insel der Hunde», wo<br />
König Charles II. seine Jagdmeute hielt, ist<br />
ein Gewirr von Kanälen und Hafenanlagen.<br />
Hier liegen die berühmten Rumkellereien, in<br />
denen der Jamaikarum gelagert wird; 15<br />
Millionen Liter werden alljährlich eingeführt.<br />
Getreidesilos arbeiten ununterbrochen und<br />
erinnern daran, dass England sein Brot aus<br />
fernen Gegenden einführen muss:dergrösste<br />
Teil kommt aus Kanada und Argentinien.<br />
Gegenüber, auf der Südseite des Flusses,<br />
liegen die grossen Holzhäfen, die Joseph<br />
Conrad wundervoll beschrieben hat Im<br />
St. Katharinendock liegt wieder ein Sowjetdampfer.<br />
Was bringt er? « Mammutzähne >,<br />
sagt der Führer, und das ist kein Scherz!<br />
Zum Beweise führt er mich in den Elfenbeinspeicher<br />
und zeigt mir ein Paar Stosszähne,<br />
die doppelt so gross sind wie die grössten<br />
Elefantenhauer. Sie kommen aus Sibirien,<br />
wo man in den letzten Jahren beim Ausbau<br />
von Bergwerken viel Mammutskelette gefunden<br />
hat. Das Elfenbein ist steinhart und<br />
an der Oberfläche brüchig, aber im Innern<br />
ist es glatt und rein; es wird gern gekauft<br />
und erzielt hohe Preise. Das. gewöhnliche<br />
Elfenbein kommt ausschliesslich aus Afrika;<br />
es wird mit dem schnellen Aussterben der<br />
Elefanten immer seltener und die Preise<br />
steigen von Jahr zu Jahr.<br />
London ist der Weltmarkt für Elfenbein,<br />
der Umschlagsplatz, wo das kostbare Material<br />
sortiert, gereinigt und versteigert wird,<br />
um dann in alle Teile der Erde versandt<br />
zu werden. Die Arbeit ist nicht immer leicht:<br />
man zeigt mir einen Zahn, der das ungeheure<br />
Gewicht von zwei Zentner hat, und<br />
der Lagermeister lacht über mein Erstaunen:<br />
«Die Schwarzen haben Steine und Metall in<br />
die Höhlung einzementiert», erklärt er, «um<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1935</strong> — N& 78<br />
das Gewicht zu erhöhen». An andrer Stelle<br />
des Hafens ist unterdessen ein seltener Gast<br />
angekommen: ein finnischer Segler, ein<br />
richtiger Viermaster alten Stils, der mit<br />
Wolle aus Australien kommt. Es ist ein.<br />
wundervolles Bild, die Sonne auf den weissen<br />
Segeln, die Matrosen in den Masten —*<br />
die Leinwand wird eingeholt, und ein Teil<br />
der Mannschaft steht schon im besten Anzug<br />
bereit, um an Land zu gehen. Ringsum<br />
stockt die Arbeit für ein paar Augenblicke,<br />
während sich bewundernde Blicke auf den<br />
Segler richten.<br />
Es gibt nur noch wenige Segelschiffe, die<br />
sich ohne Anlehnung an den Film rentieren;<br />
aber die finnische Seglerflotte, der dieses<br />
Schiff angehört, hält sich noch immer * mit<br />
Frachten aufrecht. Wie lange noch? Einmal<br />
bin ich bei Nacht im Hafen gewesen. Das<br />
ist natürlich nicht erlaubt und sogar vollkommen<br />
unmöglich, denn die Kais sind von<br />
mächtigen Backsteinmauern umgeben, und<br />
die fünf Meter hohen Portale sind fest verschlossen.<br />
Aber es gibt Leute, die einen-<br />
Schlüssel haben, und sie sind nicht immer<br />
hartherzig... Es war ein unvergesslicher<br />
Anblick: die Docks mit ihren Kränen im<br />
grellen Licht der Bogenlampen, die grotesken<br />
Schatten der Masten und Schornsteine;<br />
der Schauplatz höchster Energie — verlassen,<br />
leblos, menschenleer. Vom Bug eines<br />
grossen Dampfers herab die Stimme des verschlafenen<br />
Wächters, sonst kein Lebenszeichen.<br />
Schwarz dehnt sich der Fluss; das<br />
Heer der Schifflichter geht unmerklich in<br />
den Sternenhimmel über. Ein leises Surren<br />
durchbricht die Stille, ein Licht bewegt sich:<br />
das Polizeiboot! Tag und Nacht kreuzen "die<br />
schnellen Motorboote der Hafenpolizei auf<br />
dem Fluss, um die Arbeit der Piraten zu<br />
erschweren. Der Hafendiebstahl, diese moderne<br />
Spielart der Seeräuberei, blüht und<br />
gedeiht trotz aller Vorsichtsmassregeln. Die<br />
Piraten sind in Banden organisiert und haben<br />
Motorboote, mit denen es die Polizei<br />
nur selten aufnehmen kann. Sie haben ihre<br />
Vertrauensleute unter den Wächtern der<br />
Leichter und wissen genau, wenn eine wertvolle<br />
Ladung über Nacht unbewacht bleibt.<br />
Die Hafenbehörde beschäftigt eine Legion<br />
von Wächtern, aber die Maschen des Netzes<br />
sind noch immer zu weit. Der Morgen graut.<br />
Die ersten Lastwagen donnern durch die<br />
Strassen. Die «Kaffeewagen>, auf denen man<br />
die ganze Nacht hindurch essen und trinken<br />
kann, schliessen und ziehen ab. Im angrenzenden<br />
Chinesenviertel herrscht Totenstille.<br />
Tlactkt in de* Stadt<br />
Giebel vom Mondlicht umsponnen<br />
streben empor in die Nacht;<br />
des Tages Lärm ist zerronnen,<br />
das Leben schlief ein ganz sacht.<br />
Nur hier and dort in den Gassen<br />
ein Flüstern, ein Liebeswort;<br />
zwei Menschen, die sich verlassen<br />
der Wind trug ihr Flüstern fort<br />
Wie Menschen, die müd begreifen:<br />
Leben, heisst — einsam sein,<br />
stehen Laternen und greifen<br />
blinkend ins Dunkel hinein.<br />
Nur zwei grosse, elegante Automobile, versteckt<br />
in dunkler Gasse, erinnern daran,<br />
dass es hier herum auch heute noch Opiumlokale<br />
geben soll. Aus der Seemannsherberge<br />
kommen ein paar arabische Matrosen,<br />
mit bunten Turbanen und schweren Mänteln.<br />
Es wird noch eine Stunde dauern, ehe das<br />
unbekannte London zu seiner monotonen,<br />
lärmvollen Tagesarbeit erwacht. Weiter westlich,<br />
hinter den hellgrauen Türmen des Tower,<br />
beginnt der Tag erst drei Stunden<br />
später. Die tiefen Steinspalten der Citystrassen<br />
liegen noch verödet im ersten<br />
Schimmer des Morgens. Bei der Pauluskathedrale<br />
künden die ersten Bäume die<br />
Grenze der bürgerlichen Stadt an: westwärts<br />
beginnen Gärten und Wohnstrassen. Vom<br />
Hafen her klingt der Bass einer Dampfersirene,<br />
und in .ihrem Ton schwingt die Erinnerung<br />
an das Meer.<br />
JjU&tessante £cke<br />
Grüne Blätter leuchten rot.<br />
Grüne Blätter leuchten rot auf, wenn sie<br />
mit unsichtbarem ultraviolettem Licht bestrahlt<br />
werden. Die Untersuchung dieser<br />
Leuchterscheinung ist von Bedeutung für die<br />
Erforschung der sogenannten Assimilation,<br />
also für die Umwandlung der Kohlensäure<br />
in die für den Aufbau der Pflanze notwendigen<br />
Zuckerarten.<br />
DIE GROSSE NEUHEIT<br />
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Geschmack zu verlieren. Sie wird Ihrem<br />
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Welche Freude ist es doch,<br />
nach einem langen und<br />
mühseligen Aufstieg eine<br />
erfrischende Cigarette zu<br />
rauchen.<br />
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