E_1935_Zeitung_Nr.087
E_1935_Zeitung_Nr.087
E_1935_Zeitung_Nr.087
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
N» 87 - <strong>1935</strong> ATTTOMOBIL-REVUE<br />
F E U I L L E T O N<br />
Blumenhölle am Jacinto.<br />
Urwalderlebnis.<br />
Fortsetzung von Seite 2 \<br />
Caripunhas.<br />
Den Madeira aufwärts ! Unzählige Tage<br />
lang! Eine Woche haben wir uns in Serto<br />
ausgeruht. Es besteht aus einer Anzahl Hütten,<br />
die auf Pfählen balancieren, und einem<br />
langen Schuppen, der dem Urwaldhändler<br />
Geronimo Potro gehört. Die ganze, ruppige<br />
Ansiedlung, die von fünf Familien, einem<br />
Dutzend Hunden und vielen Schweinen bewohnt<br />
wird, liegt auf einer langgestreckten<br />
Insel unweit- der Stelle, wo der Madeira sich<br />
mit dem San Jacinto vereinigt. Viele, viele<br />
Tage ruderten wir erst den Madeira hinauf;<br />
nun den schmäleren, aber auch trägeren San<br />
Jacinto. Diese Ströme bilden mit vielen andern<br />
das Zuflussnetz des grossen Amazonas.<br />
Menschen sahen wir schon lange nicht<br />
mehr. Nur Krokodile, Schlangen, 'Wasserschweine,<br />
Affen, bunte Vögel, die allesamt<br />
in einem strotzenden, farbenfreudigen Lianen-<br />
und Blumenparadiese hausen — oder<br />
ist es eine Blütenhölle ? — sind die Lebewesen,<br />
die unser Auge erblickt. Und die<br />
wir teils erlegen, uns zur Nahrung, oder von<br />
denen wir belauert und umspäht werden.<br />
Es soll Indianer geben in dieser Gegend,<br />
wir sahen aber noch keine. Und das ist gut.<br />
Kleine schwächliche Burschen sind's, die in<br />
primitiver Nacktheit die Urwälder durchstreifen<br />
und aus zwei Meter langen Blasrohren<br />
winzige Dornenpfeile aus dem Hinterhalt<br />
schiessen. Jeder Stamm hat sein besonderes<br />
Geheimnis bei der Zubereitung der<br />
Pfeilgifte, und tödlich sind sie alle. Tückisch<br />
sind die Pfeile, und tückisch, unberechenbar<br />
wie launische Kinder, sind auch die Blasrohrmänner,<br />
die gleich wesenlosen Schatten<br />
ihre feuchte Dschungelheimat durchstreifen.<br />
Wir nähern uns nun bald jenen teuflischen<br />
Sümpfen, die dem Gebiete der Caripunhas<br />
vorgelagert sind. Sümpfen, die von unermesslicher<br />
Grosse den Jacinto und Madeira<br />
in ein Durcheinander von Seen verwandeln.<br />
Seen, flach wie Suppenteller, die von Schilf<br />
bedeckt und mit modernden Baumleichen gefüllt<br />
sind. Das Vorwärtskommen des Kanus<br />
muss jetzt mit harten Schlägen des schwertähnlichen<br />
Machetemessers erkämpft werden.<br />
Hinter den Seen und Sümpfen, oh — noch<br />
liegt alles in weiter, unwirklicher Ferne,<br />
und nur Hitze, faulende Dünste und furchtbare<br />
Strapazen bilden die : greifbare, augenscheinliche<br />
Gegenwart — bueno, dahinter<br />
sind die dichten Urwaldregionen, wo die<br />
seltsamen, kostbaren Blumen an den Bäumen<br />
schmarotzen, um derentwillen wir auszögen.<br />
Viele herrliche Orchideen sah ich bereits<br />
in den letzten Wochen! Blüten von unheimlicher,<br />
gespenstischer und höllischer Form;<br />
wie offene Mäuler, aus denen die Staubfäden<br />
als widerliche Schlangen hervorringelten,<br />
und die in ihrer blassen Farbe leichenhaft<br />
wirkten. Ihre Düfte gemahnten an<br />
Schlachtfelder oder unsaubere Metzgereien!<br />
Klebrig und schleimig fassen sie sich an. An<br />
ihren zackigen Spinnenbeinblättern hafteten<br />
viele arme Insekten und zappelten sich langsam<br />
und qualvoll zu Tode. Ja, solche sah<br />
ich!<br />
Und andere, die Märchengebilden aus<br />
süssen Traumnächten ähnelten. Schneeig<br />
weiss, brennend purpurn, leuchtend blau und<br />
golden schillernd! 1 Mit Blüten wie Amphoren<br />
! Mit Blüten gleich prachtvollen, farbensatten<br />
Schmetterlingen und abenteuerlichen,<br />
metallisch glitzernden Käferleibern ! Riesengross<br />
und zwergenklein. Duftend, stinkend<br />
oder von kalter, herber, unnahbarer Schönheit.<br />
Oft wies meine Hand hierhin, dorthin, und<br />
entzückte Ausrufe quollen über meine Lippen,<br />
wenn diese Blumenwunder meine<br />
Blicke fesselten. Aber jedesmal lachten die<br />
beiden anderen und meinten: «Das ist alles<br />
nichts, pures Nichts. Für solche Blumen, die<br />
jeder Ziergärtner für ein paar Pfund Sterling<br />
auf den Markt wirft, setzen wir unser<br />
Leben nicht aufs Spiel; No> mein Herzchen,<br />
seltenes, unentdecktes Orchideenblut, das<br />
mit anderen Rassen gekreuzt werden kann,<br />
suchen wir. Diese Gegend hier haben wir<br />
schon abgeklopft. Und nichts über Durchschnitt<br />
ist hier zu holen ! »<br />
Nun rudern wir wieder weiter, und die<br />
drei Indianer, die wir in Serto mitgenommen<br />
haben, damit sie später unsere Packen<br />
tragen, sitzen wie stumme, hässliche Bronze-.<br />
götter da. Ihre samtbraunen Oberkörper<br />
glänzen, die dürren Arme führen die Paddel,<br />
und ihre gfössen dunklen Augen, in denen<br />
eine unsägliche Hilflosigkeit dem Schicksal<br />
gegenüber irrlichtert, fahren ruhelos hin und<br />
her. Ja, Hilflosigkeit ist's, die in den Augen<br />
der Amazonasindianer liegt, wie ein ewiges<br />
Vermächtnis zaghafter Auflehnung und dann<br />
wieder wie "sklavische Demut vor einer gewaltigen,<br />
mit hunderttausend grünen Sprossen,<br />
Blumen und Bäumen prangenden Natur,<br />
die sie umgibt Eins mit der Natur, in deren<br />
Schosse sie wohnen, leben und vergehen,<br />
ahnen diese Indianer trotzdem ihre Ohnmacht<br />
gegenüber der Natur wie. einem bösen<br />
Geiste.<br />
Sind das Menschen oder halbe Tiere ?<br />
Waren es einst kraftvolle, den Urwald besiegende<br />
Geschöpfe, die nun degenerierten ?<br />
Ach, ich weiss es nicht. Mit allen Völkern<br />
der Erde, zu denen ich ruhelos eilte, getrieben<br />
von dunkeln, sehnsüchtigen Wünschen,<br />
denen ich zu entkommen versuche, fand ich<br />
seelische-Berührung. Aber mit den brasilianischen<br />
Ureinwohnern nie und nimmer!<br />
Geheimnisvoll wie die Sphinx, vielsagend<br />
und 'doch nichts enträtselnd wie Buddhastatuen,<br />
ist das Leben der Wilden am grossen<br />
Amazonas und den, vielen Strömen,/ die<br />
seine Kinder sind, und die ihn mächtig<br />
machen.' . . , '<br />
Der Zulu und der Dinka, 4er Massai und<br />
der Betschuane in Afrika — sie alle stehen<br />
dem Löwen, dem Büffel und dem Leoparden<br />
furchtlos mit dem breiten Speere gegenüber.<br />
Der Indianer Nordamerikas, der Südseeinsulaner<br />
und alle die andern barbarischen<br />
oder halbwilden Stämme haben jene Sicherheit,<br />
die ihnen stets das Uebergewicht und<br />
die Herrschaft über die sie umgebende, ewig<br />
bedrohende Natur gewährt.<br />
Aber der Amazonasindianer ? Scheu und<br />
bedrückt, schemenhaft durchschleicht er<br />
seine Wälder. Er kämpft nicht um sein Dasein.<br />
Seine Hand — die des Mannes oder<br />
des Knaben — führt das tödliche Blasrohr,<br />
die Waffe des Feiglings, des Kindes, und damit<br />
gewinnt er seinen kargen Lebensunterhalt.<br />
Schmarotzend von der Natur, harmlos<br />
und doch furchtbar gefährlich zu gleicher<br />
Zeit, ist dieser Indianer vielleicht das einzige<br />
Geschöpf, bei dem die Natur langsam<br />
zerstört, statt aufzubauen. Entartet kann<br />
man wohl auch diesen ganzen, vermeintlich<br />
grandiosen, brasilianischen Urwald nennen,<br />
wie er ununterbrochen stirbt und entsteht<br />
und in fortwährendem Taumel seinen ewi-<br />
:gen, Kreislauf vollendet.<br />
i Eine tiefe Stimme ruft, — wie ruhig doch<br />
diese, Menschenworte in scharfem Gegensatz<br />
zu der üppigen Urwaldszenerie um uns<br />
Wirken! « Da ist die Hütte des Käfersamm-<br />
ters ! »<br />
j Williszeigt nach dem rechten Ufer, wo<br />
e5ne winzige, schon wieder halb bewucherte<br />
Lichtung hinter einer verfaulten, hölzernen<br />
Anlegestelle in den Urwald einschneidet.<br />
«Hm, das Boot ist weg. Der komische<br />
Kauz scheint also auf der Jagd zu sein !»<br />
fährt der Brite fort. Stumm lenken die drei<br />
Indianer unser langes Kanu nach dem Ufer.<br />
:<br />
Nun brechen wir durch das hohe, zähe<br />
Gras auf die Hütte, los, die unter einem<br />
dreissig Meter hohen, ungeheuer dicken<br />
Seidenpappelbaum steht. Wilde Weinreben<br />
und Passionsblumen umranken das schiefe<br />
Gebäude. Die Tür steht auf, und quer über<br />
die Oeffnung spannen sich glitzernde Spinnennetze.<br />
Wie ich zufällig zu Boden schaue,<br />
sehe ich eine angeschimmelte Shagpfeife, die<br />
in die schwarze Humuserde halb hineingetreten<br />
ist.<br />
Es ist totenstill. Die Hütte und der Urwald,<br />
der sie von allen Seiten gierig anspringt,<br />
künden auf einmal eine unklare<br />
Drohung. Hier ist etwas geschehen ! warnt,<br />
mich der sechste Sinn des Urwaldmenschen.]<br />
Willis zieht • die Luft mit scharfem Schnauben<br />
ein, nun schreitet er vorwärts, streift<br />
die Spinnweben mit dem Gewehrkolben zur<br />
Seite. Er steht halb im Eingang, stutzt plötzlich<br />
und hebt die Hand.<br />
Wir lugen über seine Schulter. «• Gott! »<br />
stösst Henderson aus, flucht dann lange und<br />
leise.<br />
« Er war ein guter Kerl. Wenn auch ein<br />
wenig verrückt wie alle Germans ! > murmelt<br />
Willis und sagt mir damit, dass das,<br />
was da im Hintergrund der Hütte liegt, ein<br />
Landsmann von mir war. Wir nehmen zögernd<br />
die Hüte ab, starren immer noch vor<br />
uns hin. Es muss schon geraume Zeit her<br />
sein — seit, es geschah { Denn auf der angefaulten<br />
Hängematte liegt ein Skelett.<br />
Und horch, wie Hendersons Stimme so<br />
bitter durch die Zähne flucht! Der Kopf<br />
fehlt!<br />
Grimmig knurrt der. Engländer: «Indianer<br />
! •» Sich das Kinn reibend, setzt er langsam<br />
hinzu: «Aber warum nur? Er kam<br />
doch vorzüglich aus mit ihnen. War ja gut<br />
Freund!» Wir schauen uns wieder an. Leises<br />
Knacken draussen, und Schatten verfinstern<br />
den- Eingang. Unsere drei Indianer<br />
sind es, die stumm hereinschauen. Ihre Augen<br />
schimmern teilnahmslos, wie bei verprügelten<br />
Hunden, die an der Leine liegen.<br />
Wir drängen ins Freie. Luft, frische Luft,<br />
wenn auch die süsslich klebrige, wie von<br />
Flammen durchsetzte des Sertao! Denn in,<br />
der Hütte drin ist es so traurig!<br />
(Fortsetzung folgt.)<br />
und-ete<br />
CHLINE ANZEIG<br />
l dr Automobil-Revue?<br />
meh!.<br />
immer meh!<br />
Frostschutzscheiben<br />
Nirona<br />
die Modelle mit den besten Gummisaugern<br />
Nr. 10401 m. 2 Saugern, für 1 kleine Wagen Fr. 18.-<br />
Nr. 10402 m. 4 Saugern, einstellbar . . . Fr. 20.-<br />
Nr. 10404 m. 4 Saugern, einstellbar u. Licht Fr. 24.-<br />
Nr. 10403 m. 4 Saugern, für [Lastwagen . Fr. 33.-<br />
Bakelitrahmen, also kein Stromverlust.<br />
E.STEINER, Autozubehör, BERN<br />
Fabrikation von<br />
Auto-Kühlern<br />
naoh dem J " Pat. 98.005<br />
Bienenwabensystem,<br />
gröbste Kühlwirkung. Reparaturen<br />
aller Systeme.<br />
Auto-Spenglerei<br />
Anfertigung von Kotflügeln,<br />
Motorhauben.Benzin-Beservoiren.<br />
E. BENETTI, Albisrieden-Zch.<br />
Letzigrabenstrasse 115. Telephon 36.228<br />
Auf nassen Strassen passiert Ihnen das<br />
NICHT mehr, wenn Sie Ihre abgelaufenen<br />
Pneus neugummieren lassen<br />
mit dem , ,<br />
scblanderfreien<br />
AZO-GUffllHI<br />
Jede Auskunft erteilen Ihnen bereitwilligst:<br />
Azo-Depot Basel: E. Da-Rin, Obere Rebgasse<br />
20, Tel.34.388<br />
Azo-Depot Bern: Moeschlin & Scholl, Aarbergergasse<br />
43, Tel. 28.194<br />
Azo-Depot Zürich: W. Schafroth, Hammerstrasse<br />
85. Tel. 27.971<br />
Societe cooperative AZO, Pneus antiderapant<br />
FR1B0URG, Chemin des Bains, Telephon 16.50<br />
Annahme von kleinen Anzeigen bei den<br />
Geschäftsstellen der Automobil-Revue:<br />
Bern, Breitenrainstr. 97. Tel 28.222.<br />
Zürich, Löwenstr. 51. TeL 39.743/44<br />
Inserate auch telephonisch.<br />
•MTennewetUchaft der Elson-uml Stahlwerk«<br />
vorm*!* Genru Fischer. Schaffhauun (Schweiz)<br />
AM 3<br />
DE SOTO<br />
"> Zyl., 15 PS, Limousine.<br />
in Ia. Zustand, äusserst<br />
preiswert abzugeben.<br />
Wlesenstr. 7—9, Zürich.<br />
Tel. 44.741. 11416<br />
RENAULT<br />
PRIMASTELLA, Coach, 5 Plätze, ciel ouvert, 6 Zyl.,<br />
17 PS, 26000 km gefahren, Motor und Karosserie in<br />
tadellosem Zustand. Aeusserst gut gepflegter Wagen.<br />
Verschiedene' Zubehörteile. Fr. 3200.—. Händler<br />
verbeten. — Offerten unter Chiffre G. 2002 an die<br />
69734 Revue Automobile, Genf.