E_1936_Zeitung_Nr.038
E_1936_Zeitung_Nr.038
E_1936_Zeitung_Nr.038
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Antom obfl-RevuA 13<br />
Eine alte Frau fährt mit<br />
Lenkern von Kraftfahrzeugen sei geraten,<br />
Individuen gegenüber, die Autos anhalten und<br />
fragen, ob man mitfahren dürfe, an Hartherzigkeit<br />
grenzende Zurückhaltung zu üben. Denn<br />
nicht jede Trampfahrt läuft zum besten ab.<br />
Naja, eigentlich nehme ich ja sonst niemand<br />
mit. Aber diesmal? Stopp, ausgeschaltet und<br />
die Türe auf!<br />
Ein von der Last der Jahre gekrümmtes<br />
Frauchen setzte sich zu mir herein, legte die<br />
Hand in den Schoss und dankte, von der<br />
Ueberraschung noch ^verwirrt, mit einem Blick<br />
aus erfreuten, wässerigen Augen. Ich brachte<br />
den Wagen wieder in Gang, gab Gas und<br />
flitzte auf der schnurgeraden, geteerten und in<br />
der Sonne gleissenden Landstrasse mit siebzig<br />
Kilometern dahin. Der Wind blies-herein und<br />
zerrte an ihrem nach ungelüfteten Bauernstuben<br />
riechenden Gewand. Die Greisin lächelte<br />
hilflos und verloren: in ihren Runzeln kauerte<br />
und schon sind Ihre kühnsten<br />
Traume erfüllt!<br />
Was bedeutet der Lospreis von<br />
Fr. 20.- im Vergleich zu diesen<br />
reichen Treffern, wovon Sie ein<br />
mittlerer schon Ihr Lebensziel<br />
erreichen lässt?<br />
Entschliessen Sie sich • noch<br />
heute - solch' eine Chance kehrt<br />
vielleicht nie wieder, um so mehr,<br />
weil SEVA 3 den absolut günstigsten<br />
Trefferplan bietet.<br />
Auszahlung der Treffer ohne<br />
Steuerabzug auch an Gewinner<br />
ausserhalb des»Kts. Bern.<br />
Fritz heiraten!!!<br />
Von Otto Zinniker<br />
UNDtilH<br />
m<br />
Bravo! Jetzt wird mein „Hüsli"<br />
• aebaut! • •••• .'. .'<br />
der Kummer. Ich drosselte den Motor auf<br />
sechzig, auf fünfundfünfzig und lächelte ermunternd<br />
zurück. Jetzt sank sie aus ihrer bisher<br />
steifen, ein wenig verängstigten Haltung<br />
ins weiche Polster, gewann Vertrauen und Zuversicht.<br />
Die Geborgenheit öffnete ihr den<br />
Mund:<br />
« Nein aber auch! In meinem achtundsiebzigsten<br />
Jahr die erste Autofahrt! Nein aber<br />
auch!»<br />
Des zusammengeschrumpften Frauchens bemächtigte<br />
sich eine fast kindliche Begeisterung.<br />
Einen so dankbaren Fahrgast hatte ich vorher<br />
nie in meinem Wagen gehabt, — dankbar über<br />
das leicht federnde Dahingleiten, dankbar über<br />
den wolkenlos reinen Sommertag, dankbar über<br />
den Anblick der vorübergleitenden schönen<br />
Gegend, Nein, ich bereute nicht, der schüchtern<br />
erhobenen Hand gehorcht und den 8-Zylinder<br />
abgestellt zu haben.<br />
ZiehungsF<br />
12ÖÖ0 ä<br />
DI E G AN Z<br />
2O.OOO<br />
Öl<br />
«Na, wohin wollen Sie denn?» fand ich<br />
endlich an der Zeit zu fragen.<br />
« In die Stadt möchte ich. Zum Arzt. — Und<br />
Sie?»<br />
« Ich habe dasselbe Ziel. »<br />
0, wie prächtig sich das schicke, meinte sie.<br />
Die Greisin war glücklich, sie neigte sich seitlich<br />
zu mir her und begann zu erzählen, Natürlich<br />
aus ihrem Leben, von dem, was ihr am<br />
nächsten lag. Alle alten Leute tun das. Vierzehn<br />
Kinder habe sie zur Welt gebracht; zwei<br />
seien allerdings kurz nach der Geburt gestorben,<br />
aber die zwölf übrigen, acht Söhne und<br />
vier Töchter, seien von ihr und ihrem Mann<br />
zu rechtschaffenen Menschen erzogen worden.<br />
Donnerschiessl was das für Kerle seien, ihre<br />
Buben. Alle Bauern, angesehene Bauern. Der<br />
eine, der Christen in Buren, habe es bis zum<br />
Gemeinderat gebracht. Und erst die Töchter!<br />
Alle verheiratet. Solch schaffige Frauen finde<br />
man landauf und -ab nicht mehr. Der Mann<br />
der jüngsten sei kürzlich zum Major befördert<br />
worden. Ob ich das nicht gelesen habe? Ob<br />
ich ihn nicht kenne?<br />
Ich musste gestehen, dass mir diese Ehre bis<br />
heute versagt geblieben sei. Sichtlich enttäuscht,<br />
schwieg die verhutzelte, abgerackerte<br />
Frau ein Weilchen still. Man hörte nur wieder*<br />
Potz tuusig! Jetzt mach ich<br />
einen eiaenen Laden auf!<br />
O wie fein! Jetzt kann ich mich<br />
;:,: zur Ruhe setzen! ;.:•••'"';<br />
Doch wenn Sie ganz sicher<br />
gehen wollen, mindestens einen<br />
Treffer zu gewinnen, dann nehmen<br />
Sie mit einigen Freunden<br />
oder Kollegen eine geschlossene<br />
Serie von 10 Losen.<br />
Eilen Sie zur Post, der Ziehungstermin<br />
rückt näher . . . raschen<br />
Schrittes, und die Lose werden<br />
vor dem 31. Juli ausverkauft seinl<br />
lLosFr.2O.-(einel0er-SerieFr.200.-)<br />
plus 40 Cts. für Porto auf Postcheck<br />
III10026 — Adr.: Seva-Lotterie Bern.<br />
(Bei Vorbestellung der Ziehungsliste<br />
30 Cts. mehr.)<br />
.Auch in bernischen Banken erhältlich<br />
KUR Z FRISTIGE!<br />
das Summen des Motors, das sich mit dem<br />
Brausen des Windes zu einer kraftvoll-übermütigen<br />
Musik vermischte. Unversehens glitt<br />
der Geschwindigkeitszeiger wieder aufwärts,<br />
auf sechzig und fünfundsechzig. Dann legte sie<br />
von neuem los: Komisch, dass man so etwas<br />
nicht gelesen haben könne, da es doch in allen<br />
<strong>Zeitung</strong>en gestanden sei, beharrte sie.<br />
« Nein aber auch! Ein Mann für hundert! »<br />
Schliesslich kam sie wieder auf ihre eigene<br />
Person: Schwer hätte sie es in ihrem Leben<br />
gehabt, hart sei der Kampf ums Auskommen<br />
gewesen; einmal habe der Blitz sogar in ihr<br />
Anwesen geschlagen und Scheune samt Wohnhaus<br />
eingeäschert; aber sie wolle nicht klagen,<br />
immer sei das Glück mit ihr gewesen, über<br />
allem habe der Segen gewaltet. Jetzt in ihren<br />
alten Tagen möchte sie sich gerne auf ein<br />
Bänklein setzen und ausruhn. Es sei zuviel,<br />
mit achtundsiebzig Jahren noch den Haushalt<br />
einer kranken Tochter besorgen und wie früher<br />
werken zu müssen. Vielleicht wisse ihr der<br />
Doktor einen Rat, ein Asyl, wo sie den Rest<br />
der Tage verbringen dürfe.<br />
Ob denn keiner ihrer Söhne sich ihrer annehmen<br />
könne?<br />
« Oh, die brauchen sich nicht um mich zu<br />
kummern. Die haben in den heutigen Zeiten<br />
ohnedies Sorgen genug! »<br />
« Sie werden schon weiter Glück haben, *<br />
tröstete ich sie.<br />
« Ja, ja, Sie haben recht; mir ist es immer<br />
gut ergangen, immer habe ich Glück gehabt.<br />
Nun heute wieder diese Autofahrt! Nein aber<br />
auchl Wie heissen Sie eigentlich? »<br />
« Ach was, Sie kennen mich nicht? » fragte<br />
ich belustigt wie einer, der mindestens zehn<br />
Schlachten gewonnen und ein Volk vor dem<br />
Untergang gerettet hat, und kehrte dem Fahrgast<br />
spasseshalber das Antlitz zu.<br />
Der guten alten Frau, die neben mir im<br />
Polster sass, schien daraufhin wirklich, dass<br />
sie mich wohl schon einmal gesehen haben<br />
müsste. Sie schaute mich durchdringend mit<br />
ihren kleinen, ein wenig rot unterlaufenen<br />
Augen an, dachte nach, überschlug Erinnerungen;<br />
dann auf einmal kräuselte sie die Lippen<br />
und sprach mit Ehrfurcht:<br />
« Sind Sie nicht der Herr Bundesrat? Doch<br />
doch, Sie sind's, Sie waren in der Brattig abgebildet!<br />
»<br />
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte;<br />
wusste nicht, ob ich lügen und das Abenteuer<br />
weitertreiben oder ob ich die Wahrheit sagen<br />
und ihr die Illusion zerstören sollte. Verwegen<br />
schwang der Lügner obenauf; mit ernster bündesrätlicher<br />
Miene nickte ich zweimal: « Jawohl,<br />
jawohl. »<br />
Mein Gott, wie schlug das ein! Das Frauchen<br />
sprang wie zwanzigjährig vom Sitze, packte<br />
mich in heller Verzückung am Arm, riss mir<br />
die eine Hand vom Steuer, triumphierte:<br />
« Werden die staunen im Dorf und mein Glück<br />
beneiden, — ich mit dem Bundesrat! Nein<br />
aber auch! Ist es wirklich und wahrhaftig<br />
wahr? Ich armes Frauchen im Auto mit dem<br />
Bundesrat! Schreiben Sie mir das auf, geben<br />
Sie mir die Adresse! »<br />
i<br />
« Gerne. Aber später, » lächelte ich zu ihr<br />
hin, wohl wissend, dass das undicht gewordene<br />
Gedächtnis sie im Stiche lassen würde.<br />
Wir hatten wieder Eiltempo, fünfundsiebzig<br />
Kilometer, achtzig sogar. < Sie merkte es nicht,<br />
sie sass mit verklärtem Runzelgesichtchen im<br />
Polster, während ihre Lippen sich unhörbar<br />
bewegten: « Die Leute im Dorf, — werden die<br />
horchen, werden die horchen, dass mir so<br />
Grosses widerfahren ist. »<br />
Kurz vor dem Einlenken in die,Stadt richtete<br />
sie sich wieder auf: ,<br />
« Das war nun das Schönste in meinem Leben;<br />
ach, hätte ich das gedacht! Jetzt mag es<br />
getrost zu Ende gehen. »<br />
So eile es denn doch nicht, redete ich ihr zu.<br />
• Sie legte vertraulich die kleine welke Hand<br />
auf meinen bundesrätlichen Arm und sagte:<br />
«Wissen Sie, woher das kommt, all das<br />
Gute und all das Glück, das ich erleben durfte?<br />
Vom Trostbüchlein des Thomas a Kempis;<br />
Abend für Abend lese ich darin für jedes meiner<br />
Kinder ein Kapitelchen, und immer wandere<br />
ich beim Lesen in Gedanken von einem<br />
zum andern. Welch grosse Gnade ist in Thomas<br />
a Kempis!»<br />
Beim Bahnhof lud ich sie ab. Im Aussteigen<br />
wünschte sie mir und meiner Familie alle Segnungen<br />
des Himmels, suchte, als der Wagen<br />
schon wieder in Bewegung war, nach der<br />
Adresse des Bundesrates, die ich ihr nicht<br />
hatte aufschreiben dürfen, und verschwand<br />
dann in der Menge.<br />
Nutzanwendungen am Ende von Geschichten<br />
sind abgeschmackt und unmodern. Aber ich<br />
riskiere das Abgeschmackte, Unmoderne und<br />
setze doch eine hieher:<br />
Nehmen wir neunmal klugen, manchmal so<br />
mächtig auftrumpfenden Menschen, die bei jeder<br />
Unannehmlichkeit, bei jeder Kleinigkeit<br />
und wegen jeder Laus in Verzweiflung geraten,<br />
ein Beispiel an jener kleinen, verschrumpften<br />
Frau, die am Ende eines Daseins, das Arbelt,<br />
Not und Mühe war, zur Weisheit Goethes gelangte:<br />
«Wie es auch war, das Leben, es war<br />
•chön.»