E_1936_Zeitung_Nr.065
E_1936_Zeitung_Nr.065
E_1936_Zeitung_Nr.065
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
wichtigsten Einzelheiten darzutun, obschon<br />
dieses Kapitel der «chronique scandaleuse»<br />
des Strassenverkehrs allein eine ganze Abhandlung<br />
rechtfertigen würde.<br />
Die Aufstellung von Fahrzeugen nahe der<br />
Ecke — und zwar sowohl vor als auch nach<br />
der Biegung! — erschwert zunächst einmal<br />
die Befolgung einer der allerwichtigsten<br />
Fahrregeln, nämlich der Vorschrift, Rechtsbiegungen<br />
eng, Linksbiegungen weit zu nehmen.<br />
Besonders unterstützt diese falsche<br />
Parkierung in verhängnisvoller Weise die<br />
Die Wirkungen des<br />
Parkens an Straßenecken<br />
Verkürzung der Sichr<br />
im Falle de* VorMttsrechtes<br />
Sichrbegrenzung:<br />
. durth Hausecke<br />
durch park.Auto<br />
ohnehin weitverbreitete Neigung, Linkskurven<br />
zu schneiden. In unserem Bild haben<br />
wir für diesmal in der Ecke oben rechts bloss<br />
dargestellt, wie das Nehmen der Rechtsbiegung<br />
erschwert wird.' Die zwei zu nahe<br />
der Ecke stehenden Vehikel hindern das abbiegende<br />
Fahrzeug, frühzeitig zur Wendung<br />
anzusetzen, den Bogen eng dem Strassenrand<br />
entlang zu fahren und in der zweiten Strasse<br />
gleich von Anfang an möglichst satt rechts<br />
zu bleiben, um nicht in die Fahrspur des Gegenverkehrs<br />
hinauszugeraten.<br />
In der Ecke rechts unten sehen wir die<br />
für die Sicherheit des Fussgängers so verhängnisvolle<br />
Beschneidung seiner Sicht durch<br />
Am 14. März 1935 fuhr ein Lastwagen mit<br />
Anhänger über den Bözberg; der zur Führung<br />
und Besorgung der Fahrzeuge angestellte<br />
Chauffeur .A. sass nicht selbst am<br />
Steuer, sondern er hatte die Lenkung dem<br />
arbeitslos gewordenen Lastwagenchauffeur<br />
B. überlassen, der sich um eine Anstellung<br />
bei der Post beworben hatte und dazu einen<br />
Ausweis über einen mindestens halbjährigen<br />
Dienst auf einem grossen Lastwagenzug haben<br />
musste. Am Wegrand stand eine Gruppe<br />
von Männern im Gespräch, von denen einer,<br />
ein 19jähriger Bauernbursche, am Seil ein<br />
halbjähriges Rind führte. Auf das Geheiss<br />
des A. setzte B. die Geschwindigkeit auf 25<br />
km herab; als sich der Lastwagen bis auf<br />
3—4 m genähert hatte, sprang das vorher<br />
ruhige Tier auf die Strasse hinaus und riss<br />
den Burschen mit. Durch Abbremsen und<br />
Linksschwenken suchte B. einen Unfall zu<br />
verhüten, doch wurde der junge Mann vom<br />
Lastwagen tödlich verletzt.<br />
die dicht am Schutzstreifen haltenden Wagen,<br />
besonders schlimm dort, wo der Ausblick<br />
auf den die näherliegende FaJvrbahnseite<br />
benützenden Verkehr von links beeinträchtigt<br />
ist.<br />
Von allergrösster Bedeutung ist aber, was<br />
die Bildecke links unten darstellt: die Beschneidung<br />
der gegenseitigen Sicht zweier<br />
Fahrzeuge, die aus zwei aneinanderstossenden<br />
Strassen aufeinander zufahren und sich<br />
im nächsten Augenblick auf der Kreuzung<br />
treffen werden und wovon das von links<br />
Eßcbuerung der<br />
Rechtsbiegung<br />
(Omnibus all Beispiel)<br />
Verminderung der<br />
Sicht für den Benürzer<br />
des Puftgängershreifens<br />
•<br />
»•••• Sichrorenxe<br />
Abb. 5. Das Parken an<br />
der Kreuzung.<br />
kommende dem andern den Vortritt zu lassen<br />
hat. Das Vortrittsrecht, besser gesagt<br />
die Vortritts-Situation, ist bekanntlich eine<br />
Unfallquelle ersten Ranges, und es muss<br />
alles getan werden, damit die durch die Gebäudeecken<br />
meist schon hinlänglich beeinträchtigte<br />
Sicht nicht durch zu nahe an der<br />
Ecke aufgestellte Fahrzeuge noch mehr abgeschnitten<br />
wird. Durch die nur teilweise<br />
durchgeführte Schraffur der beiden unrichtig<br />
aufgestellten Fahrzeuge soll lediglich<br />
dargetan werden, wie weit sie unter dem<br />
Gesichtspunkt der Sichtbehinderung für den<br />
Fahrverkehr zu nahe bei der Kreuzung<br />
stehen.<br />
(Schluss folgt.)<br />
Ein Widerspruch zwischen MGF und Verordnung<br />
Aus dem Bundesgericht.<br />
In dem hierauf eingeleiteten Strafverfahren<br />
legte das Aargauer Obergericht dem<br />
Führer B. zur Last, dass er mit ungenügenden<br />
Bremsen gefahren sei und das Tempo<br />
nicht genügend herabgesetzt habe, um sofortiges<br />
Anhalten zu ermöglichen; es verurteilte<br />
ihn wegen fahrlässiger Tötung und<br />
Widerhandlung gegen Art. 17 und 25 des<br />
Automobilgesetzes (MFG) sowie gegen Art.<br />
12 Abs. lb, 37, 42—44 der Verordnung zum<br />
Gesetz zu 2 Monaten korrektionellem Zuchthaus<br />
und 80 Fr. Busse. Den A. machte es<br />
als Halter für den Zustand des Wagens verantwortlich,<br />
da er zwar nicht Eigentümer<br />
sei, ihn aber selbständig zu besorgen habe.<br />
Es verurteilte ihn gestützt auf Art. 17 M;FG,<br />
Art. 12 Abs. lb und 37 der Verordnung zu<br />
8 Tagen Gefängnis und 150 Fr. Busse. Beiden<br />
Verurteilten wurde der bedingte Straferlass<br />
verweigert.<br />
Der Kassationshof des Bundesgerichts hat<br />
auf Gutheissung der dagegen eingereichten<br />
AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 11.-AUGUST <strong>1936</strong> — N° 65<br />
Beschwerden und Freisprechung beider Angeklagter<br />
erkannt. Der Chauffeur A. kann<br />
hier nicht als Halter gelten, obschon er den<br />
Wagen selbständig zu besorgen hatte. Halter<br />
ist vielmehr der Eigentümer, der übrigens<br />
auch jede Woche sein Fahrzeug kontrollierte.<br />
Ferner ist es unzulässig, wenn die<br />
Verordnung in Art. 37 Abs. 2 die strafrechtliche<br />
Verantwortlichkeit für den betriebssicheren<br />
Zustand des Wagens nicht nur dem<br />
Führer, sondern auch dem Halter auferlegt;<br />
die Verordnung kann nicht über das Gesetz<br />
hinausgehen, das in Art. 58 nur den Führer<br />
wegen Widerhandlung gegen die Verkehrsvorschriften<br />
bestraft. A. war aber nicht Führer,<br />
da er den Wagen nicht lenkte, sondern<br />
er wäre nur dann als Führer haftbar gewesen,<br />
wenn der am Steuerrad sitzende B. keinen<br />
Fahrausweis gehabt hätte (Art. 14 Abs. 1<br />
MFG).<br />
Für den Zustand des Wagens war somit<br />
B. verantwortlich, obschon er den Wagen<br />
nur gelegentlich zu lenken hatte. In dieser<br />
Hinsicht verlangt die Verordnung (Art. 12<br />
Abs. lb), dass die Bremsen « sofort und hinreichend<br />
wirksam » sein sollen. Das kantonale<br />
Gericht hatte einen Verstoss gegen<br />
diese Vorschrift angenommen, weil die Fussbremse<br />
des Lastwagens ihre volle Wirkung<br />
erst nach 2—3maligem Niedertreten des Pedals<br />
entfaltet. Indessen kann eine hinreichende<br />
Bremswirkung angenommen werden,<br />
weil der Wagen mit der Fussbremse bei 30<br />
km Geschwindigkeit auf 8 m gestoppt werden<br />
kann, während der Experte auch einen<br />
Bremsweg von 9 m noch als zulässig bezeichnet.<br />
Ein Verstoss gegen Art 25 MFG<br />
(nach den Umständen übersetztes Tempo) ist<br />
nicht gegeben, denn das Tempo von 25 km<br />
blieb innerhalb der Vorschrift von Art. 43<br />
Abs. 1 der Verordnung. Zu weiterem Abbremsen<br />
lag keine Veranlassung vor, denn<br />
der Fahrer durfte sich darauf verlassen, dass<br />
ein 19jähriger kräftiger Bursche das erst<br />
halbjährige Rind bei der gegebenen Aufmerksamkeit<br />
mit Leichtigkeit, zurückhalten<br />
werde.<br />
Schweizerische Rundschau<br />
Das billige Schweizer Benzin.<br />
Die Neuerung des billigen Schweizerbenzins<br />
für ausländische Automobilisten hat<br />
seinerzeit eine sehr geteilte Aufnahme gefunden.<br />
Und das 1935er Resultat hat zudem<br />
gezeigt, dass von dieser Vergünstigung nur<br />
ein sehr teilweiser Gebrauch gemacht worden<br />
ist, sei es, weil die Neuerung in der Auslandspresse<br />
nicht die gebührende Berücksichtigung<br />
resp. Bekanntmachung erfahren<br />
hat, sei es, weil der Neuerung erhebliche<br />
Nachteile anhaften (Ausschluss des Weekendverkehrs,<br />
des Gesellschaftswagenverkehrs<br />
und der Begrenzung auf 300 Liter Maximalbezug).<br />
Man konnte denn auch gerade dieses Jahr konstatieren,<br />
dass die Höchstgrenze von 300 Litern bei<br />
vielen ausländischen Automobilisten verständnisloses<br />
Kopfschütteln erregt. Sie können es nicht verstehen,<br />
dass damit gerade diejenigen Fahrer"'« gehandicapt»<br />
werden sollen, die einen grossen Wagen mit hohem<br />
Benzinkonsum besitzen oder sehr lange in der<br />
Schweiz verbleiben. So hat sich ein amerikanischer<br />
Automobilist mächtig darüber aufgehalten, dass er<br />
mit seinem grossen Buickwagen, der mit 5 Personen<br />
besetzt ist, aber gute 25 Liter Benzin pro 100 km<br />
braucht, ebenfalls nur Anrecht auf 300 Liter Benzin<br />
haben soll wie ein mit zwei Personen besetzter<br />
Kleinwagen, der nur 7 Liter konsumiert. Dabei war<br />
er bereits drei Wochen Gast unseres Landes gewesen<br />
und hatte die Absicht, noch weitere 14 Tage<br />
zu bleiben, sofern er, wie er sagte, weiterhin verbilligtes<br />
Benzin erhalte. Wenn nicht, nun, dann werde<br />
er eben nach Oesterreich fahren, wo der billige Benzinpreis<br />
von 32 Bappen nicht von irgend einem<br />
Höchstquantum abhängig sei. Wenn die Schweiz<br />
unbedingt wolle, dass man die längere Zeit hier<br />
weilenden, fremden Autogäste ins Ausland vertreibe,<br />
so seien diese bureaukratischen Vorschriften das<br />
beste Mittel dazu, um diesen Zweck zu erreichen.<br />
Man kann diesen Klagen ihre Berechtigung sicher<br />
nicht absprechen. Es ist an dieser Stelle<br />
wiederholt auf die Unzweckmässigkeit der Vorschriften<br />
hingewiesen worden, welche der Bundesrat an<br />
den Bezug des « blauen » Benzins durch Ausländer<br />
geknüpft hat. Aber man hat auch hier die<br />
Fachleute gar nicht befragt man hat vom grünen<br />
Tisch aus dekretiert, ohne jede Rücksichtnahme<br />
auf die wirklichen Erfordernisse des internationalen<br />
Automobilreiseverkehrs und der Hotellerie und ohne<br />
sich allzusehr darum zu bekümmern, ob die Neuerung<br />
im Ausland Beachtung fand oder nicht An<br />
Hand einiger Stichproben, die beispielsweise kürzlich<br />
bei Automobilisten der Tschechoslowakei angestellt<br />
worden sind, hat sich jergeben, dass nicht ein<br />
einziger Kenntnis vom verbilligten Schweizer Benzin<br />
für Ausländer hatte, und eine kürzliche Mitteilung<br />
eines Schweizer Automobilisten aus New-York<br />
bestätigt, dass auch dort das 30rappige Schweizer<br />
Benzin ein ziemlich unbekanntes Ding ist. Muss<br />
man sich also noch wundern, wenn der Nutzeffekt<br />
dieser Dumpingmassnahmen nicht der gewünschte<br />
ist?<br />
V<br />
oHI«hes<br />
Welt-Autoproduktion 1935. Wenn auch die<br />
Rekordzahlen des Konjunkturjahres 1929 noch<br />
nicht erreicht sind, so geht es in diesem Wirtschaftszweig<br />
doch aufwärts, sprunghaft sogar.<br />
Seit dem Tiefpunkt 1931, da die Autoproduktion<br />
der Welt auf 1,977,000 Wagen gesunken<br />
war, bewegt sich die Entwicklung unaufhaltsam<br />
in aufsteigender Linie, denn 1933<br />
stand die Ziffer bereits auf 2,683,000, schnellte<br />
1934 auf 3,740,000 empor und überschritt 1935<br />
die 5 Millionengrenze. Genau gesagt, verliessen<br />
im letzten Jahr 5,130,000 Wagen die Fabriken,<br />
wobei die Produktionsziffern Italiens<br />
noch nicht einmal mit eingerechnet sind, weil<br />
man sich darüber noch in Unkenntnis bewegt.<br />
Von der Wiederbelebung der Automobilindustrie<br />
seit 1931 vermittelt die nachfolgende<br />
Zusammenstellung ein anschauliches Bild:<br />
Aufomobilerzeugunn in 1000 Stück<br />
1932 1933 1934 1935<br />
Vereinigte Staaten 1371 1920 2779 4015<br />
Grossbritannien 233 286 343 417<br />
Deutschland 52 106 175 245<br />
Kanada 61 66 117 173<br />
Frankreich 181 198 189 167<br />
Russland 25 50 73 97<br />
Darüber, dass Amerika den Reigen nach wie<br />
vor anführt, ist weiter kein Wort zu verlieren.<br />
77 % der Welterzeugung entfielen 1935 auf<br />
die Vereinigten Staaten. Das heisst, dass auf<br />
100 Wagen je 77 den amerikanischen Fabriken<br />
entstammen. Den zweiten Rang nimmt<br />
England ein, gefolgt von Deutschland, dessen<br />
Automobilindustrie in den letzten drei Jahren<br />
dank der grosszügigen und weitsichtigen<br />
Steuerbefreiungs- und Erleichterungspolitik<br />
der Regierung einen ungeahnten Aufschwung<br />
erlebt hat. Beweise? In der Liste der Autoproduktionsländer<br />
figurierte Deutschland<br />
1932 noch an fünfter Stelle: heute hat es<br />
Kanada und Frankreich glatt überflügelt und<br />
seine Produktionsziffern für 1935 repräsentieren<br />
nahezu das Fünffache jener von 1932.<br />
Umgekehrt befindet sich Frankreich — ein<br />
Opfer der ins Uferlose gesteigerten fiskalischen<br />
Ausbeutung des Automobilwesens und<br />
der Auto-Industrie — auf dem absteigenden<br />
Ast. Bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise<br />
noch der bedeutendste Autoproduzent Europas,<br />
hat es 1935 seine Erzeugung um rund<br />
ein Drittel sinken sehen und musste seine<br />
dominierende Stellung zuerst an England abtreten,<br />
um hernach auch noch von Deutschland<br />
überholt zu werden.<br />
Interessante Dinge tun sich auch in Russland,<br />
das sich in den letzten Jahren richtig<br />
«gemacht» und eine mit Hochdruck arbeitende<br />
Autoindustrie geschaffen hat, wofür die<br />
Tatsache spricht, dass während des vergangenen<br />
Jahres in den russischen Autowerken<br />
97 000 Wagen hergestellt wurden, dieweil es<br />
1929 noch ihrer 2000 waren.<br />
ges Dienstmädchen erschien und begann den<br />
Tisch abzuräumen. Das Gespräch tröpfelte<br />
langsam weiter.<br />
«Ich hab noch eine Menge Besorgungen.<br />
Photographien abzuholen, zur Modistin, dann<br />
die Fahrkarten für mich und Stasi. »<br />
« Fährt sie also doch mit ? ><br />
« Natürlich, wir brauchen doch jemand, der<br />
Ordnung hält. Und wenn Stasi mich nicht<br />
tyrannisieren kann, welkt sie dahin. »<br />
Die Sommersprossige Hess Obstmesser und<br />
Löffel aufs Tablett niederprasseln. Sie äugte<br />
tief geängstigt herum. Sass das Häubchen<br />
richtig ? War die Schürze gut gebunden ?<br />
Ach, das Leben in der grossen Stadt war<br />
schwer! Jetzt fiel ein Apfel von der Schale,<br />
rollte übers Parkett.<br />
Die gnädige Frau schüttelte den Kopf.<br />
Aber die fremde Dame sagte freundlich:<br />
«Unterm Schreibtisch liegt er! > Und als<br />
Frieda vergebens ausgespäht hatte, zeigte<br />
sie sogar mit der Hand hin : « Dort ist er,<br />
Poverina! ><br />
Poverina war ein unbekanntes Wort, aber<br />
gut wie Milch und Honig. Frieda kroch<br />
unter den Schreibtisch, ihr rundes Hinterteil<br />
schwenkte mutig durch die Luft. Auch in der<br />
Stadt gab es Menschen, die ohne Hochmut<br />
waren.<br />
«... meine Wohnung wird einfach zugesperrt.<br />
Vielleicht kommen wir doch wieder<br />
hierher zurück. Konstantin hat zwar seinen<br />
Tibet-Plan im Kopf... Was ? Ja, er wollte,<br />
dass das Institut die Hälfte der Kosten trägt.<br />
Aber diese Herren überlegen noch immer...<br />
ganz gut so ! ><br />
« Das wäre doch herrlich für Konstantin ! »<br />
«Und ich?><br />
Marion wurde sehr weiss, aber vielleicht<br />
war es auch nur die Dämmerung, die über<br />
ihr Gesicht hinzog und die zarten Schminkfarben<br />
auslöschte.<br />
«Du... ja, du kannst nicht mit nach Tibet.<br />
Du wirst hier bleiben müssen.»<br />
«Und wenn ich keine Lust dazu habe?»<br />
erkundigte sich Sybil höflich.<br />
« Konstantin kann sich einen Namen schaffen.<br />
Diese Chance ! ><br />
Frieda horchte, das bepackte Tablett in<br />
beiden Händen. Dann ging sie zur Tür, tapsig<br />
und bewegten Herzens. Die fremde Dame<br />
hatte geseufzt.<br />
Es blieb sehr still. Plötzlich sagte die Uhr<br />
mit gebrechlicher Stimme :<br />
« Eins, zwei, drei, vier, fünf — sechs.»<br />
« Sechs ! Mein Gott, wie spät, ich muss<br />
gehen. Ich hab keine Zeit!»<br />
Sybil kramte in ihrer Handtasche. « Grüss<br />
den kindischen Gatten und die altkluge Tochter<br />
und...»<br />
Marion hörte nicht zu. Sie war aufgestanden<br />
und wanderte durchs Zimmer. Sybil<br />
muss gehen, Sybil hat keine Zeit, eines<br />
kommt nach dem andern, und Abschied ist<br />
das Letzte. « Nicht weinen! » dachte Marion.<br />
« Sybil darf nichts ahnen... nur jetzt<br />
nicht weinen.»<br />
Sie war bei der Tür angelangt, stand still,<br />
drehte sich wieder um. Dann kam sie auf<br />
den Tisch zu, nicht zu schnell, nicht zu langsam,<br />
gerade so, wie eine beherrschte Frau<br />
zu gehen hat.<br />
« Also...», fing sie an.<br />
« Ja ! » sagte Sybil und streifte den Handschuh<br />
über. Dann sah sie auf. Ihre Augen<br />
waren weit offen, graue Augen, in denen ein<br />
bisschen Grün und Bernsteinfarbe war, kleine<br />
glitzernde Splitter. Die Wimpern starrten<br />
wie lackierte Fliegenbeine. «Ich dank dir<br />
für alles ! Marion, Liebe, wir sehen uns bald<br />
wieder...»<br />
Marion nickte. Sie hatte mit zwei Fingern<br />
Sybils Ohrläppchen gefassi, so hielt sie sich<br />
fest, das gab Halt, wenn man feig und<br />
schwindlig war.<br />
« Also — eine gute Reise, Sybil. Sag Konstantin<br />
viele Grüsse von mir, und sei vergnügt,<br />
und...»<br />
Sie sprach laut und schnell, auch ein bisschen<br />
blechern, aber es gab keine Pausen.<br />
« und mach ein Ende mit diesem schwachsinnigen<br />
Fragen : warum heiratet er mich !<br />
Du hast dir's doch immer gewünscht, nicht<br />
wahr ? Jetzt geht es eben in Erfüllung ! »<br />
Marion war in Schwung gekommen, die<br />
Worte sprangen ihr aus dem Mund und liefen<br />
wie Hasen. Sybil hörte zu wie ein artiges<br />
Schulmädchen. Manchmal sagte sie:<br />
« Wie gut du bist! » oder « Ich danke dir<br />
auch, mein Engel! »<br />
« Du wirst glücklich werden ! » sagte Marion.<br />
Das war Schlusspunkt und feierliches<br />
Amen. Man musste wieder in die kleine<br />
graue Wirklichkeit zurückkehren. «Wann<br />
geht dein Zug ? »<br />
« Um sechs Uhr früh. »<br />
Sybil sprang auf, war plötzlich voll Heiterkeit<br />
und Unruhe. Die gepackten Koffer fielen<br />
ihr ein — unbegreiflich und wunderbar:<br />
morgen fuhr sie zu Konstantin !<br />
«Noch zwölf Stunden. Nur zwölf winzige<br />
Stunden ! Was ist das schon... eine Kleinigkeit,<br />
ein Atemzug, ein Nichts ist es! »<br />
«Noch einmal läuft der Zeiger um den<br />
Kreis !» sagte Sybil und lächelte mit offenen<br />
Augen einem Traum nach.<br />
(Fortsetzung folgt)