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E_1936_Zeitung_Nr.068

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BERN, Freitag, 21. August <strong>1936</strong><br />

Automobil-Revue, II. Blatt - Nr. 68<br />

Wir sind Zigeuner<br />

Zeltbuch-Aufzeichnunaen von Ernst Küna.<br />

Gestern ist mein Zelt eingetroffen; 180 X 150 X gerade vor unserm Zelteingang sich im Abend-<br />

100 cm Dachzelt, wasserdicht und etwa 4,5 kg winde wiegt. Zwischen den Zweigen durch sehen<br />

schwer. Heute will ich drin schlafen. Im Garten wir auf das tiefe Schwarz des Golfes von Neapel,<br />

unseres Nachbarn. Ich habe viele Decken und Und hoch darüber die schmale Sichel des Mondes.<br />

Kissen heruntergeschleppt. Dazu Bücher, eine Jedesmal aufs neue bestürzend ist das Erwa-<br />

Taschenlampe, den Wecker und auf alle Fälle ein chen am Morgen, wenn ich den Zelteingang auf-<br />

Messer. Meine Brüder stehen vor dem Zelteingang knöpfe und das strahlende, südliche Hell eines<br />

und machen dumme Witze. «Wirst dann schon wolkenlosen Himmels und glitzernden Meeres wie<br />

hereinkommen, wenn's kühl wird», sagt der eine eine grosse Flut in meine Augen hereinbricht.<br />

— und der andere-. «Hast ja jetzt schon Angstl»<br />

Als Antwort knöpfe ich den Eingang zu und bin<br />

nun ganz für mich allein. Es ist eng, muffig und so Auf halber Höhe des Vesuvs.<br />

stark abgeschrägt wie im Estrich eines alten Hauses.<br />

Noch einmal liegt vor uns der napoletanische<br />

Golf ausgebreitet in all seiner Pracht. Beim Auf-<br />

Die Nacht ist ruhig. Der Mond hat seine Wan- stieg auf den Vesuv zwangen uns Nacht und<br />

grosse Müdigkeit, zu rasten und unser Zelt aufzuschlagen.<br />

Hart ist der Boden; die Zeltpflöcke<br />

lassen sich nicht hineintreiben. Mit Lavablöcken beschweren<br />

wir sie. Die Zeltwände bleiben schlaff<br />

und würden keinem starken Winde widerstehen.<br />

In kurzen Intervallen schottert der Boden, eine<br />

helle, brandrote Lohe erhebt sich gegen den Himmel<br />

— dann ist alles wieder ruhig. Wir. können<br />

erst schlafen, nachdem wir uns an das Poltern des<br />

Vulkans gewöhnt haben.<br />

derung begonnen und scheint durch das kleine<br />

Fensferchen in der Rückwand. Und nun die Lampe<br />

ausgelöscht. Schlafen.<br />

So begann eine Reihe schöner Zeltnächte; dieses<br />

war die erste.<br />

Noch einmal gelüstete es mich, statt im warmen<br />

Bett, draussen im Garten zu schlafen. Diesmal<br />

sind's weniger Kissen und Decken — und auch<br />

kein Messer. Im nahen Wasser ruft die Unke.<br />

Wenn meine Brüder mir einen Streich spielen wollten,<br />

rrlüssten sie nur ein Brett quer in den Bach<br />

stellen, dann käme das Wasser mitten durch die<br />

Wiese auf mich zu. Offenbar ist es keinem in den<br />

Fünfte Zeltnacht. Nun senkt sich im Westen der verlassener Friedhof, zuäusserst auf einer Felsgoldene<br />

Sonnenball, und die Schatten eilen her- Wippe,

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