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E_1936_Zeitung_Nr.097

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N° 97 — DIENSTAG, 1. DEZEMBER <strong>1936</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />

F E U I L L E T O N<br />

Musik der Nacht.<br />

Roman von Joe Lederer.<br />

31. Fortsetzung.<br />

c Liebe Marion — haben Sie vielen Dank<br />

für Ihren Brief. Ich hätte Ihnen schon längst<br />

geschrieben, aber ich wollte die wenigen<br />

Wochen der Erholung, die Sie in Brioni fanden,<br />

nicht stören, Ihnen nicht vorzeitig eine<br />

Nachricht schicken, die Sie immer noch zu<br />

früh erfahren.» Was für ein Satz, Konstantin<br />

wird sich nie entschliessen können, etwas<br />

mit zwei Worten zu sagen, wenn er die<br />

Möglichkeit hat, es mit zwanzig Worten unklar<br />

zu machen ! Sybil liest hastig weiter.<br />

«Ich gestehe ein, dass mir diese Verzögerung<br />

lieb war, denn ich hatte nicht den Mut,<br />

Ihnen diese schlimme Nachricht zu bringen.<br />

Aber Sie haben als Einzige das Recht, es zu<br />

wissen...» Arme Marion ! Konstantin hat<br />

erfahren, dass sie von Toni betrogen wird<br />

— oder dass... Ah, jetzt ist die Ratte für<br />

alle Zeiten stumm geworden, der Brief geht<br />

nur Marion an,...<br />

< Es handelt sich um Sybil. »<br />

Um wen ? Um mich ? Ja, ganz richtig —<br />

da steht: Es handelt sich um Sybil. « Kurz<br />

nachdem Sie nach Brioni gereist sind, hatte<br />

Sybil einen merkwürdigen Fieberanfall, den<br />

wir alle — auch sie selbst — zuerst kaum<br />

ernst nahmen...» Was heisst das ? Komisch.<br />

Was für ein Pedant, dieser Konstantin<br />

! Jetzt wird er der Reihe nach erzählen,<br />

was seit Juli gewesen ist. Hoffentlich weiss<br />

er auch noch, wann, wo und wie wir jeden<br />

Tag geluncht haben, damit es ein vollständiger<br />

und getreuer Bericht ist... kaum ernst<br />

nahmen, merkwürdig... kaum ernst nahmen<br />

— ?<br />

« Trotzdem bestand der Hausarzt darauf,<br />

dass Professor Kahr zu Rate gezogen würde<br />

und seine Diagnose stellen sollte.»<br />

Kahr, Professor Kah... ? Ach so, das war<br />

der Alte, Dicke. Schlaflosigkeit, müde<br />

das braucht doch keine grossen Diagnosen,<br />

ist doch nur Nervosität, oder Blutarmut oder<br />

... ist doch schon längst vergessen !<br />

c Professor Kahr, der sich eines ausgezeichneten<br />

Rufes erfreut und dessen Urteil<br />

nicht anzuzweifeln ist, machte mir eine<br />

furchtbare Eröffnung. ><br />

Sybil fängt von neuem an, sie liest nochmals<br />

die Ueberschrift, « Liebe Marion », Konstantin<br />

muss verrückt sein, das ist alles sinnlos,<br />

«nachte mir eine furchtbare Eröffnung»,<br />

aber es steht da, Wort für Wort, das ist<br />

Wahnsinn, das äst..,<br />

Ihre Blicke : hetzten über die Zeilen hin,<br />

fangen einzelne Worte heraus, halbe Sätze.<br />

« Morbus Addisonii... der schleichende<br />

Beginn dieser Krankheit... getäuscht durch<br />

das relativ gute Aussehen der Kranken...»<br />

Sybil schüttelt den Kopf und starrt dumm<br />

vor sich hin.<br />

«Das eigentliche Wesen der Krankheit ist<br />

noch nicht geklärt, man weiss nur, dass es<br />

sich um eine Erkrankung der Nebennieren<br />

handelt und...» Woher weiss er das ? So,<br />

eine Erkrankung der Nebennieren ? Das ist<br />

alles ? Warum nimmt er das so tragisch ?<br />

« Zuweilen beginnt das Leiden mit heftigen,<br />

fieberhaften Anfangssymptomen und<br />

führt dann, nach wenigen Monaten, zu einem<br />

raschen Ende.»<br />

Sybil streicht mit dem Finger über die<br />

Zeile hin, sie buchstabiert « ei—nem raschen<br />

Ende... », sie muss die Lippen zusammenpressen,<br />

weil ihr Mund plötzlich voll<br />

Bitternis und Speichel ist. Aber sie versteht<br />

es noch immer nicht, kann es nicht begreifen,<br />

dass von ihr selbst die Rede ist. « Es handelt<br />

sich um Sybil...» Das muss ein Irrtum<br />

sein, o Gott, ein furchtbarer Irrtum! Ein<br />

Ende gibt es ja gar nicht, sie ist doch gesund,<br />

sie ist vierundzwanzig Jahre, sehr gesund<br />

und braun wie eine Indianersquaw.<br />

Konstantin ist ein Narr ! Sie ist vierundzwanzig<br />

Jahre, fährt nach Brasilien, ins neue<br />

Leben, in Genua Hegt der « Giulio Cesare »<br />

und wartet. Lukas ist im Nebenzimmer, es<br />

ist herrlich zu leben, — — und zu einem<br />

raschen Ende führt! Nein, nein, das gibt<br />

es nicht, das ist "nur Traum, grauenvoller<br />

Traum, aufwachen, es soll Morgen sein!<br />

Jetzt ist der Alp vorbei, jetzt ist es wieder<br />

gut... ja,... Licht kommt durch die Vorhänge,<br />

die Uhr tickt, Stasi bringt den Kaffee.<br />

Stasi! Zu einem raschen Ende führt... Die<br />

goldene Zukunft, brasilianische Küste, Arbeit,<br />

Liebe... jetzt soll es doch erst beginnen,<br />

alles, wofür man gross und schön geworden<br />

ist, wovon man. geträumt hat durch Jahre<br />

und Jahre. Mama ! Die Hand vor den Mund<br />

halten, still sein, still — Lukas ist nebenan,<br />

darf nichts merken. Mama ! Ma—a—tnaaa !<br />

Ich hab es ja gewusst! Mein Verstand hat<br />

geschlafen, aber mein Körper hat alles gewusst<br />

!<br />

« Es war Verhängnis, dass man die bronzefarbene<br />

Pigmentierung der Haut nur für<br />

Sonnenbräune hielt. Wenn es auch keine<br />

Heilung gibt, so wäre es doch vielleicht im<br />

Frühling noch möglich gewesen, den Verlauf<br />

der Krankheit zu verzögern, hinauszuziehen,<br />

einige Monate zu gewinnen. Sie müssen sich<br />

dieses Leiden vorstellen wie eine grosse,<br />

unaufhörliche Schlacht, in der die roten<br />

Blutkörperchen vernichtet werden.»<br />

Ach, so ist das... aber daran stirbt man<br />

doch nicht! Und rasches Ende, das heisst<br />

doch beinahe... ja, das heisst sterben. Aber<br />

zerstörte, rote Blutkörperchen, das ist doch<br />

nicht schlimm, man hat doch hunderttausend,<br />

nein, mehr: Millionen, Milliarden hat man,<br />

jeden Augenblick werden neue geboren, das<br />

hab ich irgendeinmal gehört, selbstverständlich<br />

! Konstantin ist ein Feigling, schreit wegen-<br />

einer Kleinigkeit Ich bin krank, das<br />

kann sein, vielleicht sehr krank. Aber ich<br />

bin kein verlorener Mensch ! Ich kann wieder<br />

gesund werden. So jung! Da kann man<br />

einem den Kopf abschneiden, und er wächst<br />

wieder nach.<br />

Sybil lacht. Sie blickt in den Spiegel, betastet<br />

ihren Mund, die Schläfen — das Spiegelbild<br />

starrt ihr mit verzweifelten Augen<br />

entgegen, wühlt die Finger ins Haar — wendet<br />

sich ab.<br />

Sybil liest weiter.<br />

« Zur Uebersiedlüng nach Zürich bestimmte<br />

mich der Grund, dass an der hiesigen<br />

Universität Professor Stöckle ist, der<br />

sich eingehend mit diesem Leiden beschäftigt<br />

hat. Aber auch er bestätigte nur, was<br />

mir bereits Professor Kahr mitgeteilt hatte:<br />

dass der Morbus Addisonii ausnahmslos eine<br />

tödliche Krankheit ist. Professor Stöckle<br />

wird die Behandlung übernehmen, obwohl<br />

die ganze Therapie nur darin bestehen wird,<br />

das. furchtbare Endstadium erträglicher zu<br />

machen. Sybil scheint sich einstweilen noch<br />

ganz wohl zu fühlen und durch ihre Schlaflosigkeit<br />

ünd'die Schwindelanfälle nicht Beunruhigt<br />

zu sein. Es wird alles geschehen,<br />

um ihr diese Ahnungslosigkeit so lang wie<br />

möglich zu erhalten. Was weiter sein wird,<br />

will ich mir nicht vorstellen, ich weiss nicht,<br />

woher man die Kraft nehmen soll, eine Frau<br />

leiden zu sehen. Ich kann es noch immer<br />

nicht fassen...»<br />

Sybil zittert nicht mehr, sie fegt die lösen<br />

Blätter zu Boden und hat Lust, zu schreien.<br />

Hoch; dünn, wütend zu schreien, gegen Kon-<br />

§faritih loszugehen, mit Fäusten zu schlagen !<br />

«Ich kann es noch immer nicht fassen »<br />

schreibt er, schreibt mit zierlichen, grausam<br />

exakten Buchstaben. Nicht fassen, dieser<br />

Lump, er tut sich leicht, er kann es nacht<br />

fassen, Schluss, basta ! Die Luft ist voll von<br />

Konstantins Schrift, kleine schwarze Buchstaben<br />

tanzen im Spiegel, « Nicht fassen»,<br />

ach so, Monsieur Konstantin kann es nicht<br />

fassen.<br />

Sybil steht auf, sie kniet auf dem Boden<br />

und sammelt die Blätter. Sie ist voll Zorn,<br />

aber plötzlich muss sie lachen. Ohne Laut,<br />

mit hochgezogenen bösen Lippen, sie streicht<br />

die Bogen glatt, wie komisch, der Fussboden<br />

schwankt, man hätte die Tasche auch im<br />

Auto vergessen können — lag sie nicht auf<br />

dem Fussteppich, staubig wie ein herrenloser<br />

Hund ? Der Boden bewegt sich, schlägt<br />

Wellen, und der «Giulio Cesare» liegt im<br />

Hafen von Genua.<br />

Sie setzt sich wieder zum Tisch, liest<br />

weiter.<br />

... nicht fassen, dass Sybil, ein junges,<br />

blühendes Geschöpf verloren sein soll.<br />

Aha, jetzt kommt der Nekrolog, jetzt<br />

kommt das schwarzgeränderte Taschentuch<br />

und die keusche Männerzähre. Aber nächstes<br />

Jahr reist er nach Tibet. Um zu vergessen,<br />

um sich zu erholen um weiterzuleben<br />

!<br />

«Ich bin dem Schicksal dankbar, dass<br />

unsere Heirat, die Sybil schon längst<br />

wünschte, sie ein wenig erfreuen wird." Ich<br />

habe immer versucht, nach bestem Gewissen<br />

zu handeln, und meine Motive gegen<br />

diese Ehe waren keine egoistischen. Meine<br />

Liebe zu Sybil ist gross, aber ohne Blindheit.<br />

Ich bin ein Mensch der Arbeit, der Wirklichkeit,<br />

Sybil hätte in mir nicht gefunden,<br />

was sie sucht, und ihre Sehnsucht nach Romantik<br />

wäre enttäuscht worden. Ich bekenne<br />

offen, dass mein Zögern Sybil viele böse<br />

Stunden bereitet haben muss. Jetzt drücken<br />

mich die Vorwürfe, obwohl ich mir keiner<br />

wirklichen Schuld bewusst bin. Ich habe damals<br />

für uns beide überlegen müssen. Wie<br />

hätte ich an dieses Ende denken sollen, es<br />

für möglich halten, dass das Leben ein schönes,<br />

makelloses Geschöpf bildet und aufblühen<br />

lässt, nur um es plötzlich, in irrsinniger<br />

Wut, zu zertrampeln. Man sagt, wen die<br />

Götter lieben, der stirbt jung. Sybil schien<br />

immer ein Liebling der Götter zu sein —<br />

mögen sie ihr nun das Leiden gnädig bemessen...»<br />

Fortsetzung folgt<br />

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