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E_1939_Zeitung_Nr.023

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AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, ». MlRZ <strong>1939</strong> — flJO 2 5<br />

Die liebe Kundschaft<br />

Wir haben die Gelegenheit am Schopf gefasst, um während des Genfer Salons, da man<br />

die Automobilhändler und -Verkäufer alle so hübsch beieinander hat, den einen und<br />

andern von ihnen anzuzapfen. Nicht wie das Salon-Geschäft gehe, interessierte uns dabei.<br />

Etwas ganz anderes war es, das unsere Neugier kitzelte: die Frage nämlich, was ihnen im<br />

Verkehr mit der Kundschaft an sonderbaren Dingen zugestossen sei und in der Erinnerung<br />

am stärksten nachhalle. Kamen die einen aus dem Erzählen fast nicht mehr heraus und<br />

schüttelten sie ihre « Memoiren > nur so aus dem Aermel, so gab es andere wieder, denen<br />

vielleicht vor lauter Ueberfülle von Erlebnissen im Moment, da wir sie überrumpelten,<br />

gerade nichts einfiel. Wenn wir hier die Ausbeute unserer Interviews vor dem Leser ausbreiten,<br />

dann sei gleich bemerkt, dass es sich dabei nur um einen kleinen Ausschnitt, sozusagen<br />

um ausgewählte Kapitel aus all dem handelt, was uns bei diesem Frage- und<br />

Antwortspiel zu Gehör gekommen.<br />

Kunden oder solche, die es werden wollen? Jedenfalls sind Sie angelegentlich versunken in das Studium<br />

eines «eventuellen Kaufobjekts».<br />

Taucht da eines Tages eine Baronin bei uns auf* Nicht eine fröhliche Anekdote, sondern von einem<br />

verheiratet mit einem Gemeindebeamten. Ob es bei Erlebnis möchte ich Ihnen erzählen, das mich erschüttert<br />

hat. Erhdelten wir da eines Tages tele-<br />

ihr piepste, vermochte ich nicht herauszukriegen.<br />

So oder so — sie leistete eine kleine, aber wirklich graphdsch einen Wagen bestellt. Der Mann kam<br />

kleine Anzahlung auf einen Wagen. Drei nebeneinanderliegende<br />

Garagen hatte sie auch schon gemie-<br />

Am Abend brachte man ihn ins Irrenhaus. Grös-<br />

auch und kaufte das Auto vom Salonstand weg.<br />

tet; die fegte sie tagtäglicH mit einem Besen rein, senwahn: die Kunde von seiner plötzlichen Beförderung<br />

hatte ihn in einen Zustand geistiger Um-<br />

nur die Autos fehlten. Dafür Hess eich die Baronin<br />

durch uns bei ihren Einkäufen herumkutschieren.<br />

nachtung versetzt.<br />

Von festem Kauf oder Zahlung keine Rede. Mit<br />

allen möglichen Mitteln versuchte säe sich vom Vertrag<br />

zu drücken. Das Ende? Schwedische Gardinen<br />

wegen «escroqueries».<br />

Ulkige Intermezzi mit Kunden? Und ob es das<br />

gibt? Kam da zum Beispiel ein «Puürefeufi» zu<br />

mir, mit grünem Kleid und dito Hut. Natürlich<br />

müsse der Wagen dazu passen. Also bestellte ich<br />

ihn, schön grün, denn die Anzahlung, tausend<br />

Franken, war inzwischen gekommen. Etwas später<br />

kam dann ein biederer Mann vom Land. Ob ich<br />

einem Fräulein Sowieso ein Auto verkauft? — Jal<br />

— Und ob sie mir 1000 Franken Anzahlung geleistet?—<br />

Allerdings. Soso. Dann möchte ich ihm den<br />

Tausender zurückgeben. Das Fräulein sei nämlich<br />

sein Göttichind und habe für ihn auf dem Pferdemarkt<br />

zwei seiner Gäule zwar verkauft, ihm aber<br />

den Erlös nicht etwa abgegeben, sondern eej damit<br />

in die Stadt gewalzt um ein Auto zu erstehen.<br />

Was mir von meiner Tätigkeit als Autoverkäufer<br />

am stärkstem in Erinnerung geblieben? Dass mir<br />

der Fall noch nie vorgekommen ist, dass einer bar<br />

bezahlte und nicht marktete. Das wäre der ideale<br />

Käuler. Geboren ist er aber noch nicht-<br />

Ja, estist-mir in den 40 Jahren, seitdem ich Autos<br />

verkaufe, allerlei untergekommen. Aber warten<br />

Sie mal, gerade jetzt will mir nichts in den Sinn.<br />

Ich muss mir's noch überlegen. Kommen Sie doch<br />

später -nochmals vorbei. Wenn ich dann von weitem<br />

abwinke, «isoh's de niit!»<br />

Mein merkwürdigster Kunde? Das war jener junge<br />

Mann, der, begleitet von einer eleganten Dame, mit<br />

königlicher Nonchalence den schönsten Wagen<br />

kaufte, den wir in unserem Lokal stehen hatten.<br />

«Wdeviel Anzahlung?» — «Sechstausend». — «Gemacht.<br />

Sie kriegen's in ein paar Tagen.» Richtig,<br />

nach ein paar Tagen war er wieder da. Weil der<br />

Vertrag gerade ausgefertigt wurde, musste er etwas<br />

warten. Zufällig lief ihm dabei unser Direktor<br />

über den Weg. Was glauben Sie, dass «mein»<br />

Kunde tat? Ging auf den Direktor zu — den er<br />

zum erstenmal in seinem Leben sah — und pumpte<br />

ihn um 1500 Franken an. Weil er nämlich eine<br />

Anzahlung machen müsse.<br />

O ja, herumärgern müssen wir uns genug. Aber<br />

es gäbt auch in unserem Beruf Augenblicke, da wir<br />

die Gewissheit empfangen, dass selbst kleine Aufmerksamkeiten<br />

geschätzt werden. Wie z. B. in jenem<br />

Fall, da mir eine Kundin Rendez-vous zur<br />

Vorführung eines Wagens gab. Ich machte ihn<br />

hübsch zurecht und vergass nicht, eda paar Blumen<br />

in die Vase zu stecken. Und diese kleine Geste<br />

freute die Dame so, dass sie mir später, als wir<br />

Eine ausgefallene Begebenheit war die Sache mit<br />

dem Vertreter eines in der Schweiz lebenden Fürsten.<br />

Am Samstag , unterzeichnete er den Kaufvertrag.<br />

Alles war in Butter. Folgenden Montag<br />

erschien er wieder, zog das Papier aus der Tasche<br />

und zerriss.es wortlos vor meinen Augen. Dabei<br />

waren wir gute Freunde. Wde die Angelegenheit<br />

weiter - verlief ? Der Mann nahm schliesslich doch<br />

Vernunft an, allerdings erst, .nachdem ich ihm mit<br />

diskret ein «in-<br />

im Restaurant unterhandelten,<br />

haltschweres» Couvert zuschob. Alle Tage passiert<br />

uns das freilich nicht.<br />

Polizei, Gericht und so gedroht. Und wir blieben<br />

gute Freunde.

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