E_1939_Zeitung_Nr.062
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Der Automobilist<br />
erlebt die<br />
„ILan i"<br />
BERN, Dienstag, I.August <strong>1939</strong> Automobil-Revue - II. Blatt, Nr. 62<br />
Karosserien und<br />
Anhänger<br />
Wenn der Durchschn/tfsbürger von der schweizerischen<br />
Carrosserie hört, dann denkt er gewöhnlich<br />
an schnittige Cabriolets mit langgezogener<br />
Haube, raffiniert ausgesuchtem<br />
Polstermaterial, ausgeklügelter Farbenzusammenstellung<br />
und... das dazu notwendige<br />
Scheckbuch.<br />
Im Grunde ist diese Vorstellung des Publikums,<br />
wenigstens in den drei ersten Punkten,<br />
eine hervorragende Qualifikation für die<br />
schweizerischen Carrosseriebauer. Der gute<br />
Ruf ihrer Qualitätsarbeit ist bereits seit langem<br />
über die Grenzen unseres Landes gedrungen.<br />
Deren Erzeugnisse sind bis heute nur deswegen<br />
noch nicht zu einem erfreulichen Faktor<br />
unserer Exportbilanz geworden, weil die<br />
uns umgebenden automobilproduzierenden<br />
Länder ihre eigenen Firmen durch zoll- und<br />
devisenpolitische Massnahmen in weitgehendem<br />
Maßstab schützen.<br />
> Ein Gang über die Verkehrsstfasse zeigt<br />
aber, dass mit dieser Beurteilung dem Carrosserie-Gewerbe<br />
noch nicht Genüge getan wird.<br />
Ebenso imponierend wie die Formenschönheit<br />
und die Sorgfalt der Verarbeitung ist auch<br />
die Verschiedenartigkeit der Modelle und die<br />
Anpassung der verschiedenen Wagenformen<br />
an alle denkbaren Verhältnisse, die der moderne<br />
Strassenverkehr nun einmal mit sich<br />
bringt.<br />
Eng und karg Ist unser Land ,<br />
Reich und gross durch seinen Fleiss*<br />
fveisst es in der Höhenstrasse. Diese Enge, die<br />
so manchen Ellenbogenstupf auf dem Gewissen<br />
hat, verlangt vom Carrosserie- und Anhängerbauer<br />
nicht nur eine volle Hingabe an<br />
seinen Beruf, sondern darüber hinaus eine<br />
noch viel weifergehende Anpassung an individuelle<br />
Verhältnisse und bedingt, gemessen an<br />
den erzeugten Einheiten, ein bedeutend grösseres<br />
Mass von Findigkeit und Fertigkeit, als<br />
dies z. B. bei der Serienfabrikation der Fall<br />
ist.<br />
Diese Findigkeit und Fertigkeit aufgebracht,<br />
und mitgeholfen zu haben, unser Land «reich<br />
und gross» zu machen, darauf darf die<br />
schweizerische Carrosserie- und Anhänger-<br />
Indusfrie mit vollem Recht stolz sein.<br />
Man ist sich nachgerade gewohnt, dass die<br />
Meister der Spezial-Carrosserien, die Graber,<br />
Ramseier, Langenthai, Reinbolt usw. mit ihren<br />
Ausstellungsobjekten der Menschenschlange<br />
manch Ah und Oh entlocken. Sie zeigen das<br />
Cabriolet in seinen verschiedenen Formen :<br />
2-türig 2-plätzig, 2-türig 4-plätzig, 4-türig 4-<br />
plätzig usw. (in der Aluminium-Halle hat übrigens<br />
Langenthai auch ein interessantes Schnittmodell<br />
eines Cabriolets ausgestellt, für dessen<br />
Metallkonstruktion Aluminium verwendet wurde)<br />
Wer aus irgend einem Grund Lust verspürt<br />
zur Behauptung, der Schweizer stehe in bezug<br />
auf Eleganz und Formensinn hinter seinen<br />
Nachbarn zurück, dem bieten diese Objekte<br />
Gelegenheit, sich in aller Ruhe vom Gegenteil<br />
überzeugen zu lassen ...<br />
Sein, sondern gewinnt deswegen noch an Interesse,<br />
weil sie auch das Werden in weitgehendem<br />
Masse illustriert und demonstriert.<br />
In erster Linie sei erwähnt, was der schweizerische<br />
Carrosserie-Verband dem Publikum<br />
Die vorhin erwähnte Anpassung an individuelle<br />
Bedürfnisse tritt besonders an denzu sagen hat. Eine grosse Originalzeichnung<br />
«Schwergewichten» auffällig zutage.<br />
Gleich am Anfang der Aufstiegrampe finden<br />
wir ein Saurer-Chassis mit dem bekannten<br />
Ochsner-Kehrichtwagen, der bereits in vielen<br />
Städten der Schweiz seinen Dienst tut. Weiter<br />
oben folgfein 22pl. Car Alpin mit Bema-Unterbau,<br />
der nicht nur mit allen Finessen ausgestattet<br />
ist, sondern auch als Hochsitzer ausgebildet<br />
wurde, d. h. dass sich der Führersitz<br />
nicht mehr hinter, sondern neben dem Mofor<br />
befindet. Die Firma Knupp zeigt an einem Einachsanhänger<br />
von 1 Tonne Tragkraft, wie sowohl<br />
Stahl als Leichtmetall Verwendung finden<br />
— jedes dort, wo es sich durch die Praxis<br />
als vorteilhaft erwiesen hat. Im weiteren sehen<br />
wir einen Berna Omnibus mit 30 Sitz- und 15<br />
Stehplätzen, woran sich ein Saurer Pu-Ilman-<br />
Car schliesst, den die Berner Ramseier und<br />
Jenzer geschmackvoll karossiert haben. Ein<br />
imposantes Stück ist der 6-7-Tonnen 100 PS<br />
Berna, den Wirz unter Verwendung von Stahl<br />
und Antikorodal mit einem 3-Seitenkipper versehen<br />
hat, und der Einachsanhänger, ebenführten<br />
Dodge-Cabriolets sind beson-<br />
Die durch Graber in Wiehtrach ausgefa'lls<br />
mit 3-Seifenkipper und durch denselben<br />
ders niedrig und dadurch äusserst<br />
schnittig.<br />
Konstrukteur ausgeführt. Als Bremse dient ein<br />
Schmutz-Aggregat. Wer Lust hat, die Kippvorrichtungen<br />
für die Anhängerbrücke funktionieren<br />
zu sehen, braucht einfach auf den<br />
Knopf einer daneben stehenden<br />
zu drücken.<br />
Apparatur<br />
Als weiteres Beispiel schweizerischer Konstruktionstätigkeit<br />
steht am Ende der Rampe<br />
ein Turmwagen, den ebenfalls die Firma Wirz<br />
erstellt hat; beachtenswert ist im weiteren die<br />
Musteranlage einer Feuerwehr-Garage, die<br />
ebenfalls von der Vielfältigkeit schweizerischer<br />
Konstruktion ein be'redtes Zeugnis abgibt.<br />
Die Schau beschränkt sich nicht nur auf das<br />
einen Einblick in die Arbeit eines Konstruktionsbüros,<br />
das die gesamten Zeichnungen<br />
in wirklicher Grosse anfertigt und wovon<br />
ein Beispiel eine der drei Wände vollständig<br />
einnimmt. Grosse Photographien und Musterstücke<br />
zeigen, was als Material verwendet<br />
und wie dieses verarbeitet wird: Holz, Blech,<br />
Beschläge, Profile der verschiedensten Arten<br />
aus Stahl und Leichtmetall, Blachen, das<br />
Schweissen mit Lichtbogen-Elektroden, Deckenleder,<br />
Polsterfedern, Sperrholz, Polsterplatten,<br />
Teppiche, Innendach- und Äufoverdeck-Stoffe,<br />
Sicherheitsglas, Gummi - Profile, Heizungen,<br />
Feuerlöscher, Kabel, Stoff-Ueberzüge.<br />
Sollten Sie etwa glauben, der Automaler<br />
verdiene sein Brot verhältnismässig leicht, da<br />
er nur mit dem Spritzapparat über den<br />
Wagen zu streichen hätte, dann sehen Sie sich<br />
die Ecke an, in der die Färb- und Lackfabrikanten<br />
ebenfalls an Hand von photographischen<br />
Vergrösserungen die zahlreichen Stadien<br />
zeigen, bis der Lack eines Wagens zur<br />
vollen Zufriedenheit des Besitzers glänzt:<br />
Schleifen des Bleches, Entrosten desselben,<br />
Grundieren, Auftragen des Spachtels, Schleifen,<br />
Spritzen, Brennen und Polieren.<br />
So wird die Einsicht in die Tätigkeit des<br />
Andern zur Grundlage für das Verständnis<br />
seiner Arbeiten, seiner Freuden und seiner<br />
Sorgen. :—: ,<br />
Ramseier & Cie., Worblaüfen, zeigen<br />
eine Gabriolet-Carrosserie auf S.S.-Jaguar-Chassis.<br />
Reinbolt & Christe AG. in Basel ist<br />
durch ein formschöne* Buick-Cabriolet<br />
rertreten.