E_1939_Zeitung_Nr.068
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Lang (Mercedes-Benz) holt sich zum ersten Mal den Grossen Preis und feiert damit<br />
seinen 7. Sieg der Saison.<br />
Mit einer kleinen Verspätung auf den «Fahrplan»<br />
erfolgt um 16 Uhr die Aufstellung zum Start<br />
des Endlaufs, der über 30 Runden (218,4 km)<br />
führt;- 17 Mann haben sich in den beiden Vorläufen<br />
dafür qualifiziert: 11 aus der Grand-Prix-<br />
Klasse und 6 Fahrer von 1^-Liter-Wagen. Das<br />
entscheidende Kriterium für den Startplatz bilden<br />
die in den Vorläufen erzielten Zeiten, worau3<br />
sich eine vielverheissende «Mischung> ergibt, stechen<br />
doch z. B. ein Farina und ein Biondetti in der<br />
nämlichen Reihe wie Stuck und sogar noch vor<br />
Hasse, Müller und Dreyfus. Den Schluss des Feldes<br />
machen übrigens nicht etwa «Kleine>, sondern<br />
die zwei langsamsten der Formelwagen, der Maserati<br />
Graffenrieds und der Alfa des Briten Evans.<br />
Hier die genaue<br />
Startreihenfolge.<br />
v. Brauchitsch Caracciola Lang<br />
Mercedes-Benz Mercedes-Benz Mercedes-Benz<br />
Hartmann<br />
Nuvolari<br />
Mercedes-Benz Auto-Union<br />
Biondetti<br />
Stuck<br />
Farina<br />
Alfa Romeo Auto-Union Alfa Romeo<br />
Hasse<br />
Müller<br />
—Auto-Union Auto-Union<br />
Dreyfus Rocco Wakefield<br />
Maserati Maserati Maserati<br />
Ansell<br />
ERA<br />
Pietsch<br />
Maserati<br />
de Graffenried Evans<br />
Maserati Alfa Romeo<br />
Ausgerechnet in der Pause zwischen dem zweiten<br />
Vorlauf und dem Endlauf rieselt feiner Regen<br />
nieder und zwingt die Leiter der Rennställe, mit<br />
blitzartiger Behendigkeit ihre Dispositionen auf<br />
Schlechtwetter umzustellen, Regenreifen aufzuziehen<br />
und die Einstellungen zu ändern. Nur leicht<br />
angefeuchtet ist die Piste zwar, aber gerade dieser<br />
«Schmierfilm» birgt seine Perfidien und Tücken<br />
in sich. Lebhafter Applaus empfängt die Fahrer<br />
beim Aufmarsch an der Tribüne vorbei, sie schwenken<br />
auf die Startplätze ein, unter das Silbergrau<br />
und Rot der Wagen mischt sich das Blau und<br />
Weiss der Mechaniker — ein buntes, farbenprächtiges<br />
Bild. Und jetzt brüllen 17 Motoren auf, die<br />
Mechaniker stieben zur Seite, die Startfahne senkt<br />
eich und los prescht die wilde, verwegene Jagd.<br />
Allerdings: Müller (Auto-Union) und Graffenried<br />
kommen schlecht weg und die Meute ist schon ausser<br />
Sicht, als sie ihr nachsetzen. Gespannt richten<br />
sich die Blicke nach der Zielgeraden: wer wird den<br />
Tanz anführen? Lang ist's, der mit erklecklichem<br />
Vorsprung an der Spitze vorbeizischt. Und hinter<br />
ihm — der rote Alfetta Farinas, der Caracciola<br />
auf den Fersen hat. Nuvolari erscheint als Vierter,<br />
gefolgt von Brauchitsch, Hasse, Biondetti,<br />
Pietsch, Stuck und Rocco; Müller ist bereits auf<br />
den 11. Platz "vorgestossen und liegt vor Hartmann,<br />
Dreyfus und Wakefield. Als hätte der Himmel ein<br />
Einsehen, hört der gänzlich unerwünschte feuchte<br />
Segen auf und nicht lange wird es dauern, so<br />
trocknet die Strasse wieder auf. Bis zur zweiten<br />
Runde hat Lang den Abstand auf seine Verfolger<br />
weiter erhöht, das Feld zieht sich beträchtlich in<br />
die Länge und löst sich in Gruppen auf. Während<br />
Caracciola den vor ihm liegenden Farina<br />
einstweilen noch in Ruhe lässt, pirscht sich Brauchitsoh<br />
bereits an Nuvolari heran und Müller<br />
hat inzwischen Hartmann abgespiesen.<br />
Mörderisch ist das Tempo, womit der Kampf<br />
geführt wird.<br />
Dass dabei die Kleinen, mit Ausnahme Farmas,<br />
Biondettis und Pietschs, die ihren 2., 7. und 8.<br />
Platz zäh und verbissen verteidigen, ins Hintertreffen<br />
geraten müssen, kann weiter nicht überraschen.<br />
Rocco sucht in der 2. Runde die Boxe<br />
auf, lässt seinen Maserati hinter den Zaun schieben<br />
und verschwindet von der Bildfläche. Wir<br />
1 2 2 4 5 6 ? 8 9 fO ff 12 U 14 t& 16 f? 18 f9 2021 22 23 2b 2526 2?2829 30<br />
M I M II I l l l I l I l I I l I l i I i l I l l l l l/,-<br />
Lang 16<br />
Caracciola /4<br />
Brauchitsch w<br />
tl/uvokri 6<br />
Hartmann n<br />
Farina SH-<br />
Stuck 8<br />
Bio//deff/ 66<br />
Mü/Ier 4<br />
Hasse z<br />
Wakefteld fr<br />
7focco 60<br />
Dreyfus 28<br />
Pietsch 40<br />
Anse/f U8<br />
Evans 32<br />
Grdffenried 72<br />
Der Eindlauf<br />
schreiben erst die 4. Rande, als Lang, der alle<br />
Minen springen lässt und auf Biegen und Brechen<br />
fährt, schon die erste Ueberrundune «erledigt»:<br />
Graffenried, der Schlussmann, ist das Opfer.<br />
Daneben bereitet sich auch zwischen Caracciola<br />
und Farina 1 allmählich etwas vor. Von Runde zu<br />
Runde holt der Europameister auf und wenn<br />
nicht alles täuscht, dürfte Farina bald sturmreif<br />
sein. Im mittleren Feld versucht sich Hartmann<br />
an "* Dreyfus; der Franzose leistet keinen Widerstand<br />
und -kapituliert in der 6. Runde vor dem<br />
Mercedes-Nachwuchsfahrer, der damit bereits um<br />
zwei Plätze nach vorn gerückt ist, währenddem<br />
Biondetti mit dem zweiten Alfetta Stuck das Nachsehen<br />
gibt. Und dann Müller! Nicht zufrieden mit<br />
dem, was er bisher schon genehmigt hat, und von<br />
einem unwiderstehlichen Drang nach vorn besessen,<br />
verdrängt er Hasse von seinem Platz und rüstet<br />
sich, prachtvoll im Zug, auch schon zur Attacke<br />
auf Nuvolari. Eine Runde später hat er's<br />
geschafft und damit seine Position im ersten Viertel<br />
des Rennens um sieben Ränge verbessert, eine<br />
Leistung, die Bewunderung verdient. In dieser<br />
siebten Runde gedeiht auch der<br />
Angriff Caracciolas auf Farina<br />
zum Erfolg: der Italiener •wird auf die Knie gezwungen;<br />
• mit Lang und Caracciola in Front hält<br />
nunmehr Mercedes das Heft sicher in Händen, um<br />
so sicherer, als zwei Runden später auch Brauchitsch<br />
einen Vorstoss auf Farina unternimmt und<br />
ohne lange Federlesens zu machen den Alfetta-<br />
Piloten verjubschiedet.<br />
Drei Mercedes geben jetzt, in der 10. Runde, Ton<br />
und Tempo an.<br />
Und dabei wird es bis zum Schluss, der 30. Runde,<br />
bleiben, derart dominieren die Wagen der Untertürkheimer<br />
Werke.<br />
Stand nach der 10. Runde:<br />
1. Lanq (Mercedes-Benz) 29:48,5<br />
2. Caracciola (Mercedes-Benz) 30:02,1<br />
3. von Brauchitsch (Mercedes-Benz) 30:20,0<br />
4. Farina (Alfa Romeo) 30:24,5<br />
5. Müller (Auto-Union) 30:57.9<br />
Noch elf von den 15 Konkurrenten, welche m<br />
diesem' Zeitpunkt die Piste beleben, haben sich vor<br />
der Ueberrundung bisher retten können, darunter<br />
als einzige der Kleinwagenfahrer Farina und Biondetti.<br />
Pietsch hat übrigens schon zuvor in der<br />
Kiesgrube gestoppt und nachher zum Rückzug geblasen.<br />
Als Nächster kommt in der<br />
Serie der Ueberrundunotn<br />
Hartmann dran; er mag sich trösten, denn kurz<br />
hernach ereilt auch Dreyfus, dessen Maserati sich<br />
an Schnelligkeit mit den Deutschen nicht messen<br />
kann, das nämliche Schicksal. Stuck prescht gestikulierend<br />
an den Boxen vorüber, offenbar zum<br />
Zeichen' dafür, dass er an Hasse vorbei möchte.<br />
Was er in der 13. Runde denn auch bewerkstelligt<br />
hat. Um die Lage nochmals kurz zu charak^<br />
terisieren: vorn die drei Mercedes, dann die Alfetta<br />
Farinas, die sich noch immer an 4. Stelle behaup- s<br />
tet, dahinter die vier Auto-Union in der Reihenfolge<br />
Müller, Nuvolari, Stuck und Hasse. Wohl<br />
versuchen Müller sowohl als auch der alte Kämpe<br />
Nuvolari das Menschenmögliche, um Anschluss an;<br />
das Mercedes-Spitzentrio zu gewinnen, allein sie<br />
mühen sich umsonst Nicht dass nun aber die<br />
Partie etwa monoton geworden wäre, und wenn<br />
auch die Stellungen mehr oder weniger bezogen<br />
sind, so büsst der Kampf an Schärfe durchaus<br />
nichts ein. Jetzt gerade, in der 16. Runde, inszeniert<br />
Müller eine Offensive auf Farina, die von<br />
Erfolg gekrönt ist. Schritt um Schritt rutscht der<br />
Alfetta-Mann zurück und wenn er anfänglich das<br />
Tempo der Grossen mit hinreissendem Brio noch<br />
mithielt, so muss er jetzt, was kaum jemand anders<br />
erwartet hat, Stück um Stück seines Bodens<br />
abtreten. Die grandiose Leistung von Fahrer und<br />
Wagen erleidet durch diese normale Entwicklung<br />
der Dinge nicht die mindeste Schmälerung, denn<br />
was Farina hier gezeigt, grenzte nahe ans Un-<br />
A1ÜTOMOBIL-REVUE BIE1TSTAG. 92L 'AUGUST <strong>1939</strong> — N° 68<br />
Em imposantes Bild, kurz nach dem Start zum Giand-Prix-Endlauf aufgenommen: Lang<br />
(Nr. 16) und Caracciola (Nr. 14) brausen Seite an Seite an der Ehrentribüne vorüber.<br />
wahrscheinliche. Zwei Runden später überwältigt<br />
ihn auch noch Nuvolari, währenddem der zweite<br />
Alfetta, von Biondetti gesteuert, schon seit der<br />
10. Runde unverändert an neunter Stelle liegt.<br />
Mit uhrwerksgleicher Regelmässigkeit und ohne<br />
dass sich der Abstand zwischen ihnen nennenswert<br />
verändern würde, ziehen die Spitzenreiter<br />
Lang und Caracciola ihre Runden. Aber was füi<br />
den Zuschauer vielleicht wie eine gut klappende<br />
Regie aussieht, das ist in Tat und Wahrheit ein<br />
mit Einsatz aller Kräfte geführtes Duell, ein<br />
Kampf bis aufs Messer, bei dem Lang die Oberhand<br />
behält, weil er mehr riskiert als Caracciola.<br />
In der 20. Runde, da männiglich gewärtigt, dass<br />
Biondetti den langen Sachsen Hasse bodigen werde,<br />
bleibt der plötzlich aus. Das heisst, er trudelt gemächlich<br />
an die Boxe, steigt aus und verstaut den<br />
Wagen hinter den Ständen, um sich als Zuschauer<br />
zu betätigen.<br />
Klassement bei 20 Runden :<br />
1. Lang (Mercedes-Benz) 57:47,0<br />
2. Caracciola (Mercedes-Benz) 57:58.9<br />
3. von Brauchitsch (Mercedes-Benz) 58:26.3<br />
4. Müller (Auto-Union) 59:20,2<br />
5. Nuvolari (Auto-Union) 59:35,4<br />
Was den nächsten Runden ihren Stempel aufdrückt,<br />
das ist der<br />
rasante Vorsfoss, den Caracciola auf Lang ansetzt<br />
ist die atembeklemmende Ungewissheit * des Ausgangs<br />
dieser in höllischem Tempo geführten Auseinandersetzung<br />
zwischen zwei Koryphäen des Volants.<br />
Näher und näher rückt Caratsch dem führenden<br />
Lang — 6 Sekunden — 3K Sekunden —<br />
jetzt nur noch ein paar Meter — aber Lang beisst<br />
auf die Zähne und lässt "und lässt sich nicht erwischen;<br />
so sehr auch Caracciola drückt, immer<br />
noch hat das Hermännle etwas zuzugeben. Uebrigens<br />
macht auch der vierte Mercedesfahrer, Hartmann,<br />
von sich reden: in der 21. Runde meistert<br />
er Biondetti, der zugleich auch noch Dreyfus vorbeilassen<br />
muss. Das nämliche Schicksal bereitet<br />
in der 26. Runde Stuck Farina, der damit vom<br />
2. Rang zu Beginn des Endlaufs auf den 7. abgestiegen<br />
ist. In der 28. Runde aber wird<br />
Wagen unter 1500 ccm.<br />
Stuck vergeblich erwartet<br />
SoHte etwa... zwei Runden vor Schluss? Nein, da<br />
ist er ja, jedoch nicht im Wagen, sondern daneben,<br />
schiebt ihn im Schweisse seines Angesichts vor sich<br />
her, das ganze Stück vom Forsthaus bis zur Tribüne.<br />
Bravo, Stuck, so bringt die Auto-Union<br />
wenigstens drei Wagen durchs Ziel, denn der lange<br />
Hans büsst trotz des Zeitverlustes nur zwei Ränge<br />
ein. Und an der Front? Nichts Neues zu vermelden.<br />
Caracciola hat sich bei Lang zwar eine Absage<br />
geholt, sich jedoch trotzdem nicht abschütteln<br />
lassen. Knapp, aber sicher fährt der Cannstatter<br />
nach einem unerhört scharfen Rennen, bei dem er<br />
das Kommando vom ersten bis zum letzten Meter<br />
innegehabt, den Sieg nach Hause, dicht hinter ihm,<br />
mit nur 1,1 Sekunden Rückstand, Caracciola als<br />
Zweiter. Ein denkwürdiger Grand Prix und ein<br />
spannungsgeladener Tag klingen damit aus.<br />
SCHLUSSKLASSEMENT<br />
(30 Runden = 218,4 km)<br />
1. LANG, Mercedes-Benz, 1:24:47,6 (= 154,619<br />
km/St Schnellste Runde 2:38,4.<br />
2. Caracciola, Mercedes-Benz, 1:24:50,7. Schnellste<br />
Runde 2:39,5.<br />
3. von Brauchitsch, Mercedes-Benz, 1:25:57,5.<br />
Schnellste Runde 2:42,0.<br />
4. MOlltr, Auto-Union, 1:27:01,3. Schnellste Runda<br />
2:44,1.<br />
5. Nuvolari, Auto-Union, 1:27:08,6. Schnellste Runde<br />
2:42,9.<br />
6. Farina, Alfa Romeo, 126:21,6 (= 151,666 km/<br />
St), 29 Runden. Schnellste Runde 2:51,5. (Erster<br />
der Gruppe bts 1500 ccm.)<br />
7. Hartmann, Mercedes-Benz, 1:25:00,1, 28 Runden.<br />
Schnellste Runde 2:51,3.<br />
8. Dreyfus, Maserati, 1:25:13,7, 28 Runden. Schnellste<br />
Runde 2:52,6.<br />
9. Biondetti, Alfa Romeo, 1:25:40,6, 28 Runden.<br />
Schnellste Runde 2:54,9. (Zweiter der Gruppe<br />
bis 1500 ccm.)<br />
10. Stuck, Auto-Union, 1:25:44,6, 28 Runden.<br />
Schnellste Runde 2:44,7.<br />
11. Evans, Alfa Romeo, 1:27:38,6, 27 Runden,<br />
Schnellste Runde 3:03£.<br />
12. Wakefield, Maserati 1:26:024, 26 Runden.<br />
Schnellste Runde 3:05,1. (Dritter der Gruppe<br />
bis 1500 ccm.)<br />
13. Ansell, E.R.A., 1:25:23,6, 25 Runden. Schnellste<br />
Runde 3:13,9. (Vierter der Gruppe bis 1500 ccm.)<br />
Graphik des Endlaufs des GroMtn Preises der Schweiz mit dem Stand des Rennens von Rand© xa Rand«.