LOGISTIK express Fachzeitschrift | 2016 Journal 1
Wirtschaft, Handel, E-Commerce, Intralogistik, Industrie 4.0, Digitalisierung, Transportlogistik, Job Karriere
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HANDEL<br />
Kratz: Bei Fulfilment-Dienstleistern ist die Unsicherheit<br />
bei großen Logistikinvestitionen verständlicherweise<br />
groß - zumal es sich häufig gar<br />
nicht absehen lässt, wie sich der Kunde über<br />
die Vertragslaufzeit hinaus entwickelt oder<br />
ob der Vertrag verlängert wird. Hinsichtlich der<br />
Automatisierungsstrategie gibt es von mir trotzdem<br />
eine klare Antwort: Ein hoher Automatisierungsgrad<br />
in der Logistik setzt voraus, dass<br />
das Logistiksystem, für das man sich entscheidet,<br />
flexibel einsatzfähig und skalierbar ist sowie<br />
gegebenenfalls auch für andere Kunden<br />
oder in andere räumliche Umgebungen passen<br />
muss.<br />
Logistik <strong>express</strong>: Ein faktischer Kostentreiber<br />
des Online-Handels sind nach wie vor die Retouren.<br />
Tun die Unternehmen Ihrer Meinung<br />
nach genug, um die Retourenquoten<br />
einzudämmen?<br />
Kratz: Retourenquoten von 20 bis 50 Prozent<br />
sind nach wie vor ein sehr großes Problem.<br />
Denn nur allzu häufig wird vergessen: Wenn<br />
retourniert wird, entstehen doppelte Logistikkosten<br />
bei null Euro Umsatz. Aus meiner Sicht<br />
gibt es viele Möglichkeiten, um das Retourenproblem<br />
kostentechnisch einzudämmen. Zum<br />
einen denke ich, ist es nötig, sich intensiver<br />
damit auseinanderzusetzen, wie es mit einfachen<br />
Mitteln gelingt, einen Artikel wieder<br />
verkaufsfähig zu machen. Für eine intelligente<br />
Idee halte ich aber auch den in Großbritannien<br />
bereits pilotierten Ansatz, Umkleidekabinen<br />
in den Paketabholstationen zu installieren.<br />
Jedes Paket auf dem Transportweg ist<br />
gebundenes Kapital. Daher ist es wichtig, dass<br />
retournierte Artikel schnellstmöglich wieder auf<br />
den Weg zum nächsten Kunden kommen.<br />
Logistik <strong>express</strong>: Welche Zukunft haben lokale<br />
Ladengeschäfte in Ihren Augen?<br />
Kratz: Ich höre von stationären Händlern nur<br />
allzu oft das große Jammern. Viele Unternehmer<br />
sind der Meinung, dass der Online-Handel<br />
ihnen das Geschäft wegnimmt. Das Problem<br />
dabei ist: Jammern ist keine wirkliche<br />
unternehmerische Aktivität. Auch stationäre<br />
Händler werden sich in Zukunft verstärkt um<br />
eine Online-Präsenz bemühen müssen. Fehlen<br />
die personellen oder finanziellen Kapazitäten<br />
dazu, besteht die Möglichkeit, sich Plattformen<br />
wie Yatego anzuschließen. Regionale<br />
Online-Plattformen, die über das Produktspektrum<br />
von kleineren Ladengeschäften in der<br />
Umgebung informieren, sind bereits stark im<br />
Kommen.<br />
Logistik <strong>express</strong>: In welchen Marktsegmenten<br />
erwarten Sie die größten Zuwachsraten für<br />
Online-Versender?<br />
Kratz: Ich denke, dass der Fashion-Bereich<br />
weiterhin wachsen wird, in Zukunft allerdings<br />
mit etwas geringeren Wachstumsraten.<br />
Ein großer Wachstumssprung ist dagegen im<br />
B2B-Versand von Büro- und Verpackungsmaterialien<br />
zu erwarten. Auch die Zustellung von<br />
Lebensmitteln wird in Zukunft sicher noch an<br />
Bedeutung zunehmen. LeShop.ch, ein Unternehmen<br />
der Migros in der Schweiz, erzielt<br />
auf diesem Wege heute schon 175 Millionen<br />
Schweizer Franken Umsatz. Das zeigt, welches<br />
Potenzial im Online-Geschäft von Lebensmitteln<br />
möglich ist. Eine aktuelle Umfrage besagt<br />
übrigens, dass Käufer in Deutschland heute<br />
schon bereit wären, Versandkosten von 3,15<br />
Euro zusätzlich für die taggleiche Zustellung<br />
von Lebensmitteln auszugeben. (WAL)<br />
Bernd Kratz ist ein ausgewiesener Experte auf<br />
Seiten des interaktiven Handels. Seine beruflichen<br />
Stationen führten ihn unter anderem<br />
zu den Unternehmen Yves Rocher, Versandhaus<br />
WENZ, AGS, Conrad Electronic. Nach<br />
über 10-jähriger Funktion als Geschäftsführer<br />
der Conrad Electronic SE gründete Kratz<br />
2011 die EMA – Executive Management<br />
Advisors GmbH. Als geschäftsführender Gesellschafter<br />
fokussiert er insbesondere auf die<br />
logistische Beratung sowie die Unterstützung<br />
des Top-Managements bei diversen Themen<br />
der Unternehmensführung, dem Prozessmanagement<br />
sowie der Erstellung von<br />
Expertisen. Ferner ist er Co-Founder der IDIH<br />
– Institut des Interaktiven Handels GmbH und<br />
der eCONment GmbH.<br />
16 <strong>LOGISTIK</strong> EXPRESS 1/<strong>2016</strong>