NEUMANN Juni 2018
Das Magazin für Kultur & Lifestyle
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KONZERT<br />
Stärker als alle Kritik: Nickelback machen mal wieder die Schleyer-Halle voll<br />
Gehasst und geliebt<br />
Kaum eine Band wird so belächelt oder abgestraft wie Nickelback. Ist ja<br />
irgendwie auch eine Leistung. Wieso eigentlich? Auch Bassist Mike Kroeger kann<br />
das beim Gespräch im Vorfeld ihres Auftritts in Stuttgart nicht so genau sagen.<br />
Was man von ihnen auch halten mag: Man kann<br />
Nickelback nicht vorwerfen, sich nicht ins Zeug zu<br />
legen. Seit ihrem Durchbruch 2001 haben sie mehr<br />
getourt als die meisten anderen Rock-Bands – und<br />
natürlich auch mehr Platten verkauft. Viel mehr sogar.<br />
Mehr als 50 Millionen sind es mittlerweile, dazu<br />
kommen mal so eben sechs Grammy-Nominierungen.<br />
Sechs! Dennoch vergeht kein Jahr, in dem die<br />
Jahresendlisten nicht vor Nickelback-Häme überquellen.<br />
Und dann ist da noch diese unvergessene<br />
Drohung einer kanadischen Polizeistation, Verbrecher<br />
zur Musik von Nickelback abzuführen.<br />
Ja, ja, der Prophet im eigenen Lande gilt offensichtlich<br />
auch in Kanada wenig. Doch das Paradoxe ist:<br />
Im Grunde machen Nickelback grundsolide, anständige<br />
Rock-Musik, können Songs schreiben und<br />
sind überaus fanfreundlich. Die eine oder andere<br />
Ballade weniger dürfte es gern sein, aber sonst?<br />
Echt unerklärlich, wie viel Antipathie man als Band<br />
sammeln kann, die sich sonst vollkommen schadlos<br />
hält. Und vor allem: Die Kanadier machten nie einen<br />
Hehl daraus, Erfolg haben zu wollen. In den großen<br />
Hallen spielen zu wollen. „Endlich sagt das mal einer!“,<br />
ruft Mike Kroeger regelrecht erleichtert aus.<br />
„Ich meine, wir haben doch nie vorgegeben, etwas<br />
zu sein, das wir nicht waren. Das scheint aber niemanden<br />
zu interessieren. Sobald du Erfolg hast“, ist<br />
er sich sicher, „musst du damit rechnen, dass man<br />
dich zerfleischt. Die Menschen lieben ihre Underdogs<br />
nur solange, bis sie berühmt sind. Dann lassen<br />
sie sie einfach fallen.“<br />
Natürlich weint es sich in der Luxuslimousine besser<br />
als in der Straßenbahn. Ein wenig seltsam ist<br />
das schon alles. Die Fans hingegen – und die sind<br />
deutlich in der Überzahl – scheint das nur noch<br />
mehr für ihre Band fiebern zu lassen: Auch die<br />
Schleyer-Halle wird wieder zigtausende Anhänger<br />
empfangen, die dann begeistert den Countdown<br />
runterzählen werden, der bei der aktuellen Tour<br />
überdimensional auf der Bühne angebracht ist. Und<br />
dann? „Gibt es eben eine Nickelback-Show“, zuckt<br />
Bassist Kroeger mit den Schultern. Und meint es<br />
auch genau so. „Wer zu einer Nickelback-Show<br />
geht, bekommt genau das: Eine große, laute, heiße<br />
Rock‘n‘Roll-Show, nicht mehr und nicht weniger.“<br />
Das können selbst die schärfsten Kritiker der Band<br />
nicht vorwerfen: Nickelback sind perfekt aufeinander<br />
eingespielt, die Maschinerie ist nach Monaten<br />
auf Tour geölt und läuft wie ein Uhrwerk. Für Kroeger<br />
ist das Touren aber eh der Normalzustand, wie<br />
er anmerkt: „Ich kann mich in meinem Leben an<br />
gar nichts anderes erinnern, als auf Tour zu sein.<br />
Zuhause sein, das fühlt sich merkwürdig an!“,<br />
lacht er. „Ich bin es nicht gewohnt, in einem<br />
Haus zu wohnen. An Ort und Stelle.“ Muss er<br />
ja auch erst mal nicht: Ein Ende des Erfolges<br />
ist nicht in Sicht, ein Ende der Band<br />
somit auch nicht. Denn eines ist dem<br />
älteren Bruder von Sänger Chad Kroeger<br />
wichtig: „Lebend aus der ganzen<br />
Sache rauszukommen.“ Vielen<br />
Rockstars war das nicht vergönnt.<br />
Kroeger hingegen scheint aus dem<br />
Gröbsten raus, er hat die 40 längst überschritten.<br />
„Ich gebe natürlich dem<br />
Rock‘n‘Roll nicht die Schuld, die Menschen<br />
machen sich schon alle schön selbst<br />
fertig“, fährt er fort und setzt nach kurzer<br />
Pause nach: „Ich hoffe einfach, dass uns<br />
das nicht passiert und wir alle diese Band<br />
lebendig verlassen. Den Ruhm zu überleben,<br />
das ist mein Ziel.“ Es gab schon ungesündere<br />
Einstellungen. jono<br />
NICKELBACK<br />
04.06. | 19.30 Uhr | Schleyer-Halle | Stuttgart<br />
nickelback.com<br />
Foto: Richard Beland<br />
<strong>Juni</strong> <strong>2018</strong>