PDF Datei laden - Christophorus Hospiz Verein e.V.
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CHVaktuell Nummer 60 November 2010<br />
Humor im <strong>Hospiz</strong><br />
Petra Klapps: Lachen ist die beste Medizin<br />
Julia Hagmeyer: Wer bis zuletzt lacht<br />
Uve Hirsch: Feiern, freuen, lachen<br />
Andreas Zielcke: Ansichten-<br />
Fotografien von Dr. Albrecht Ohly
Karl Albert Denk<br />
(geprüfter Bestatter<br />
vom Handwerk)<br />
Ein Denkwürdiges Ereignis<br />
Persönliche und<br />
familiäre Betreuung<br />
Karl Franz Denk<br />
(Bestattermeister) Wir begleiten Sie<br />
Individuelle<br />
Abschiednahme<br />
Trauerfallvorsorge –<br />
Verantwortung<br />
übernehmen<br />
Die Würde das Menschen zu wahren und<br />
zu bewahren, ist uns ein wichtiges Anliegen.<br />
Kommen Sie und sprechen Sie mit<br />
uns. Auf Wunsch kommen wir zu Ihnen<br />
nach Hause, selbstverständlich kostenlos<br />
und unverbindlich.<br />
München,<br />
Ismaninger Straße 17<br />
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Mit der Eröffnung seines Bestattungsinstitutes<br />
in München knüpft Karl-Albert<br />
Denk an eine beispielhafte Familientradition<br />
an. Seit über vier Generationen<br />
pflegt die Familie Denk eine einzigartige<br />
Bestattungs- und Trauerkultur, die in<br />
München nun wieder neu belebt wird.<br />
Das neue Bestattungsunternehmen<br />
für München und Umgebung<br />
Tag und Nacht<br />
für Sie da, auch an Sonn-<br />
und Feiertagen.<br />
info@karl-denkbestattungen.de | w w w . k a r l a l b e r t d e n k . d e
Editorial<br />
Liebe Mitglieder und Freunde des CHV,<br />
was ist eigentlich „hospizlich“? Seit ich Vorsitzende bin,<br />
begegnet mir dieses Wort, und ich, die ich von außen in<br />
diese Aufgabe kam, suche nach seiner Deutung. Schon<br />
allein deshalb, weil sich auch der CHV nach 25 Jahren<br />
erfolgreicher Tätigkeit fragt, was von den Wurzeln der<br />
<strong>Hospiz</strong>bewegung noch Geltung hat, lebendig ist, oder<br />
was vielleicht von anderen Bereichen längst überlagert<br />
wird. Gerade ist in Dresden – unter maßgeblicher Beteiligung<br />
des Deutschen <strong>Hospiz</strong>- und Palliativverbandes –<br />
eine „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender<br />
Menschen“ verabschiedet worden, die ein breites<br />
gesellschaftliches Bündnis zur Wahrnehmung von<br />
Fragen am Lebensende anstrebt. Unter anderem will sie auch der nächste Bundesärztetag<br />
zu einem zentralen Thema machen.<br />
Wo reiht sich da die <strong>Hospiz</strong>bewegung ein, wenn die Zeiten, wo sie Avantgarde war, vorbei<br />
scheinen? Historisch gesehen war sie die allererste, die sich um das Sterben kümmerte, als<br />
man die Betroffenen in den Kliniken noch in Abstellkammern schob, um den Tod nicht<br />
augenfällig werden zu lassen. Und Schmerz noch als etwas galt, das man leider aushalten<br />
müsse. Heute haben einige Kliniken Palliativstationen, die Vier-Sterne-Hotels gleichen,<br />
und besonders Schwerkranke erhalten eine „palliative Sedierung“, die sie, unter Beachtung<br />
strenger Richtlinien, in den Tod schlummern lässt, wenn sie dies wollen. Die Katholische<br />
Kirche setzt sich in einem aufwendigen Forschungsprojekt (und erfreulich offenem Dialog)<br />
mit der Frage auseinander, was unter unseren gesellschaftlichen und medizinischen Bedingungen<br />
eigentlich noch als „natürlich“ und deshalb gottgewollt zu gelten habe. Die Beendigung<br />
einer künstlichen Ernährung bei anhaltender Bewusstlosigkeit jedenfalls gilt nicht<br />
mehr als inakzeptabel. Ein ökumenischer Lehrstuhl für „Spiritual Care“ bringt den Studierenden<br />
bei, Schwerstkranken bei der Sinnsuche zu helfen, über Religionsgrenzen hinweg.<br />
Pfarrer besuchen Palliative Care-Kurse, aber auch Apotheker und Hausärzte, Sozialarbeiter,<br />
Psychologen und Altenpfleger.<br />
Als Mitglied der Generation der Umweltbewegung habe ich das alles schon einmal erlebt:<br />
Erst kämpfte man jahrelang auf einsamem Posten, dann eroberte man endlich die Öffentlichkeit,<br />
zwang die Gesellschaft, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, dann wurden<br />
die Themen in den Institutionen aufgegriffen – und verschwanden weitgehend von der<br />
Bildfläche. Das ist ein klassisches Muster des so genannten „Agenda Setting“, der Bewusstwerdung<br />
einer Gesellschaft. Haben sich dadurch aber alle Umweltprobleme gelöst?<br />
Bei weitem nicht, wie die jüngste Debatte um Atomkraft oder auch der Chemieunfall in<br />
Ungarn zeigen.<br />
1
Die <strong>Hospiz</strong>bewegung steht nun vor einer mehrfachen Herausforderung: Zum Einen muss<br />
sie akzeptieren, dass die Zeiten, als sich Gäste, Pflegende und weitere Betreuer wie Ehrenamtliche<br />
im kleinen Kreis im „Wohnzimmer“ der <strong>Hospiz</strong>e trafen, weitgehend vorbei sind.<br />
Heute sind die Gäste im stationären <strong>Hospiz</strong> in vielen Fällen bereits so schwer krank, dass<br />
sie für sich bleiben möchten und nach wenigen Tagen sterben. Das verändert den Charakter<br />
der <strong>Hospiz</strong>arbeit und belastet die Betreuer in ungewöhnlichem Maße.<br />
Auf der anderen Seite gibt es gerade in der Region noch immer viele Gebiete, wo <strong>Hospiz</strong>vereine<br />
dringend notwendig wären. Wie der Soziologe Werner Schneider von der Universität<br />
Augsburg in einer Studie feststellte, werden auf dem Land mehr Menschen am Lebensende<br />
in einer Klinik eingeliefert als in der Stadt – entgegen der Meinung, dass dort noch<br />
Familienverband und Nachbarschaftshilfe funktionieren.<br />
Ziel der <strong>Hospiz</strong>arbeit ist jedoch, dass Menschen dort sterben können, wo sie möchten – das<br />
stellt angesichts der sich verändernden Gesellschaft ganz neue Fragen an die <strong>Hospiz</strong>bewegung.<br />
Was bedeutet „zuhause sterben“ in Zukunft, wenn Menschen immer älter werden<br />
und dadurch auch immer einsamer? Wer trifft die Entscheidungen im Falle einer Demenz?<br />
Jeder Dritte, der das Alter von 65 erreicht, wird Prognosen zufolge dement sterben. Welche<br />
Lebensformen können das hohe Alter „würdig“ gestalten, und wie könnte man <strong>Hospiz</strong>arbeit<br />
dort implementieren? Wie lässt sich das Konzept der überwiegend im Ruhestand befindlichen<br />
Ehrenamtlichen erweitern durch zum Beispiel jüngere Freiwillige und Teilzeitregelungen,<br />
welche Zuwendung und Begleitung auch für andere Generationen öffnet? Wer<br />
wird künftig Mitglied, wer wird Sponsor und Spender der <strong>Hospiz</strong>bewegung sein? Gibt es<br />
einen Generationswandel, ähnlich dem unter Palliativmedizinern, von denen die jüngeren<br />
Palliative Care heute bereits mehr als ärztliches Feld denn als besondere Haltung dem Menschen<br />
gegenüber verstehen? Wird das Sterben in unserer Gesellschaft institutionalisiert –<br />
durch Palliativstationen, ambulante Dienste, gesetzliche Regelungen, vielleicht irgendwann<br />
Sterbehilfe?<br />
Die Kraft der <strong>Hospiz</strong>bewegung liegt darin, dass sie immer den Menschen in den Mittelpunkt<br />
stellt und nicht die Strukturen. Um das auch weiterhin tun zu können, muss sie offen<br />
sein – für andere Generationen, andere Lebensstile, andere Themen. Diese Diskussion<br />
sollte in der <strong>Hospiz</strong>bewegung nicht als Angriff auf ihre Wurzeln verstanden werden, sondern<br />
als starker Stamm, der in neue Dimensionen vordringt.<br />
Diskutieren Sie mit uns. Wir freuen uns über Zuschriften und Meinungen.<br />
Mit herzlichem Gruß<br />
Ihre<br />
2
Inhalt<br />
Lachen ist die beste Medizin<br />
Humor im <strong>Hospiz</strong> – darf das sein? Ja,<br />
denn der Humor stirbt zuletzt! Humor<br />
schafft Vertrauen und Empathie, bildet<br />
eine zwischenmenschliche Brücke, unerträgliche<br />
Situationen können leichter genommen<br />
werden. Lachen ist die beste<br />
Medizin sagt unsere Autorin,<br />
Dr. Petra Klapps Seite 4<br />
Humor im <strong>Hospiz</strong><br />
Von Christiane Sarraj Seite 8<br />
Humor in der hospizlichen<br />
Bildungsarbeit<br />
Von Jürgen Wälde Seite 10<br />
Wer bis zuletzt lacht<br />
Humor am Lebensende kann nur Galgenhumor<br />
sein. Oft stockt einem der<br />
Atem, wenn man das Buch durchblättert,<br />
das der krebskranke Karikaturist<br />
Karl-Horst Möhl in seinen letzten Lebensmonaten<br />
verfasst hat.<br />
Von Julia Hagmeyer Seite 12<br />
„Alte Hasen“<br />
25 Jahre <strong>Hospiz</strong>helfer im CHV<br />
Von Uve Hirsch Seite 16<br />
Über den Tod hinaus –<br />
Morgen sterben<br />
Film- und Vorlesungsreihe des CHV<br />
Von Gunda Borgeest und Dr. Petra<br />
Thorbrietz Seite 18<br />
Feiern, freuen, lachen…<br />
25 Jahre <strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong> <strong>Verein</strong>.<br />
Anlass für ein großes Fest.<br />
Von Uve Hirsch Seite 22<br />
Fotos von der Gala im Münchner<br />
Künstlerhaus Seite 23<br />
„..des Lebens Ruf wird<br />
niemals enden…“<br />
<strong>Hospiz</strong>arbeit heute und in Zukunft<br />
Von Sepp Raischl Seite 28<br />
<strong>Hospiz</strong>-Charta Seite 32<br />
Ansichten – Fotografien von<br />
Dr. Albrecht Ohly<br />
Von Dr. Andreas Zielcke Seite 34<br />
Aus dem <strong>Verein</strong> Seite 41<br />
Stifterkreis <strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong><br />
Seite 44<br />
Rubriken<br />
Bundesverdienstkreuz für<br />
Angelika Westrich Seite 43<br />
Kurznachrichten Seite 45<br />
Gedicht Seite 31<br />
Termine Seite 46<br />
Impressum Seite 48<br />
Titelseite: Buddha (Otagi-nenbutsuji, highland)<br />
3
Das Lachen und der Humor sind mit die<br />
ältesten Heilmittel der Welt. Seit Jahrtausenden<br />
gehören sie als fester Bestandteil<br />
zur Therapie aller Kultur- und Naturvölker.<br />
Ein Stammesältester der Aborigines,<br />
der Ureinwohner Australiens, sagte einmal<br />
dazu: „Der Humor ist so wichtig für unser<br />
Wohlbefinden, dass du nie schlafen gehen<br />
solltest, bevor du nicht während des Tages<br />
irgendwann gelacht oder Freude empfunden<br />
hast. Falls nicht, so steh wieder auf<br />
und suche etwas, worüber du lachen und<br />
glücklich sein kannst.“<br />
Der Glaube an die Heilkraft des Lachens<br />
herrschte in Europa bis ins späte 19. Jahrhundert<br />
vor. Henri de Mondeville, ein<br />
Chirurg des 13. Jahrhunderts, stellte fest,<br />
dass Lachen eine schnellere Rekonvaleszenz<br />
nach Operationen herbeiführte.<br />
Voltaire schrieb, dass die Medizin den<br />
Patienten in heiterer Stimmung halten<br />
solle, während die Natur ihn heilt.<br />
Im Zuge der Industrialisierung, der Entwicklung<br />
der Schulmedizin und des Bedeutungszuwachses<br />
der Wissenschaft ging<br />
dieses Wissen und das Interesse daran<br />
weitgehend verloren. Erst in den 70er Jahren<br />
unseres Jahrhunderts besann man sich<br />
wieder auf die heilsame Wirkung des Lachens,<br />
und mittlerweile gibt es dafür sogar<br />
einen eigenen Wissenschaftszweig, die Gelotologie<br />
(Wissenschaft des Lachens). Inzwischen<br />
ist es für viele Länder der Welt<br />
selbstverständlich, Humor als festen Bestandteil<br />
der Therapie in den medizini-<br />
4<br />
Lachen ist die beste Medizin<br />
Von Dr. Petra Klapps<br />
schen Alltag zu integrieren. In England<br />
zahlen seit Mai 1999 die Krankenkassen<br />
diese Heilform, Italiens Krankenkassen finanzieren<br />
Humortherapie seit Juni 2000<br />
und im Jahre 2001 haben sich auch Frankreich,<br />
Belgien und die Niederlande angeschlossen.<br />
Humor und Lachen können, über die körpereigene<br />
Glückshormon-Produktion, die<br />
Endomorphine, die Stresshormone (wie<br />
Cortisol, Adrenalin und Wachstumshormon)<br />
im Blut senken und die Bildung von<br />
immunstärkenden Zellen anregen, somit<br />
also das Immunsystem stärken.<br />
Lachen bewirkt eine Entspannung der<br />
Muskulatur und des vegetativen Nervensystems.<br />
Darüber hinaus wird durch Lachen das<br />
Schmerzempfinden herabgesetzt. Schmerz<br />
wird so als weniger belastend empfunden<br />
und kann, zumindest für eine Weile, in<br />
den Hintergrund treten. Groucho Marx,<br />
der berühmte Komiker der Marx-Brothers,<br />
sagte dazu einmal: „Lachen ist wie ein<br />
Aspirin, es wirkt nur doppelt so schnell“.<br />
Lachen kräftigt den Herzmuskel und ist<br />
auch in der Lage, erhöhten Blutdruck zu<br />
senken. Im August 2001 wurde eine große<br />
Studie der Universität Maryland (USA)<br />
veröffentlicht (300 untersuchte Menschen<br />
insgesamt, 150 nach Herzinfarkt, 150<br />
Herzgesunde), aus der hervorgeht, dass Lachen<br />
und eine humorvolle Lebenseinstellung<br />
die Innenwände der Blutgefäße
schützt und somit auch Herzinfarkte verhindern<br />
hilft. Ebenso normalisiert sich<br />
nach einem herzhaften Lachen der Atemrhythmus.<br />
Neueste Studien haben gezeigt, dass Lachen<br />
über eine Verbesserung der Durchblutung<br />
auch Knochen, Sehnen und Bänder<br />
stärkt. Humor fördert die Kreativität<br />
und entschärft Konflikte. Humor reduziert<br />
Angst und sorgt gleichzeitig für mehr<br />
gute Ideen. Wir alle wissen: kreative Lösungen<br />
können nur in einer angstfreien<br />
Atmosphäre gefunden werden. Durch Humor<br />
und Lachen wird Stress abgebaut, es<br />
entsteht eine größere innere Gelassenheit,<br />
kreative Lösungen entwickeln sich fast von<br />
allein. Der Erfolg ist hier praktisch schon<br />
vorprogrammiert.<br />
Was bewirkt der Humor sonst noch?<br />
Humor lässt auch Nichterreichbares und<br />
Scheitern annehmbarer erscheinen, Humor<br />
fördert den Mut und die Entschlossenheit,<br />
Humor erleichtert und fördert<br />
Kommunikation und Teamfähigkeit, Humor<br />
stärkt die Motivation. Und: Humor<br />
macht das Leben menschlicher.<br />
Eine heute immer noch weitverbreitete<br />
Meinung, gerade in deutschen Unternehmen<br />
und gerade auch in den Führungsebe-<br />
Foto: Dr. Petra Klapps<br />
5
nen, ist die, dass Lachen und humorvolles<br />
Miteinander unseriös seien. Wer seine Arbeit<br />
mit Freude, Spaß, Humor und vielleicht<br />
sogar mit einem Lachen verrichtet,<br />
dem wird oftmals unterstellt, er würde<br />
seine Aufgaben nicht ernst genug nehmen.<br />
Dabei weiß man heute, dass Humor und<br />
Lachen die Fähigkeit fördert, eigene Ressourcen<br />
zu erkennen und zu leben und sie<br />
darüber hinaus auch im Anderen zu sehen.<br />
Die Folge ist ein konstruktives Miteinander,<br />
bei dem jeder den anderen achtet und<br />
respektiert.<br />
Weiterhin fördert die humorvolle Grundhaltung<br />
die wunderbare Fähigkeit, über<br />
sich selbst lachen zu können. Mit Lachen<br />
und im humorvollen Umgang miteinander<br />
lösen sich, zumindest für eine kurze<br />
Zeit, Hierarchieebenen auf. Wer allerdings<br />
um seine Macht oder seine Autorität<br />
fürchtet, wird Humor zu verhindern<br />
wissen.<br />
Lachen fördert über die Mobilisierung von<br />
Fähigkeiten die Leistung und damit den<br />
Erfolg eines jeden Einzelnen. Es ist erwiesen,<br />
dass heitere und fröhliche Menschen<br />
nicht nur als sympathisch und kompetent<br />
wahrgenommen werden, sie fühlen sich<br />
auch in der Tat wohler. Sie sehen ihre Arbeit<br />
als Herausforderung an und erledigen<br />
ihre Aufgaben schneller als miesepetrige<br />
Menschen.<br />
Ein Mittel, Humor und Lachen zu den<br />
Menschen zu bringen, ist die Einbeziehung<br />
von Clowns oder Humortherapeuten.<br />
Clowns können mittlerweile auf eine<br />
Jahrtausende währende Geschichte zurückblicken.<br />
So galt und gilt noch bis zum<br />
6<br />
heutigen Tag der Clown in vielen Kulturen<br />
der Welt als Stammesheiliger, da er in der<br />
Lage ist, Heiterkeit und Lachen zu verbreiten.<br />
Er hatte und hat noch immer seinen<br />
festen Platz bei vielen nord- und südamerikanischen<br />
Indianerstämmen (z.B. den Navajo,<br />
den Sioux, den Hopi, den Cheyenne,<br />
um nur einige zu nennen), bei der Bevölkerung<br />
der Südsee, den australischen Aborigines<br />
und den neuseeländischen Maori,<br />
in Tibet, Sri Lanka, Afrika. Und sogar die<br />
Kelten, unsere Vorfahren, kannten und<br />
liebten Clowns.<br />
Der Clown war und ist vielfach noch bis<br />
heute bei den Naturvölkern dafür zuständig,<br />
in Notzeiten (z.B. Hungersnöten, Verlassen<br />
alter und Finden neuer Jagdgründe)<br />
das Volk in guter Stimmung zu halten oder<br />
auch starre soziale, religiöse oder kulturelle<br />
Rituale humorvoll zu stören und zu durchbrechen.<br />
Dieselbe Funktion hatte er im<br />
Rahmen heiliger Kultorgien auch im alten<br />
Ägypten, im antiken Griechenland und im<br />
alten Rom. Und sogar im frühen Mittelalter<br />
störten Spaßmacher (oftmals selbst<br />
Priester) in Kirchen die Gottesdienste. Die<br />
wesentliche Funktion des Clowns bestand<br />
bei allen Kulturen darin, das Heilige, das<br />
Unberührbare, die Tabus anzutasten; der<br />
Absolutheit von Religionen und der<br />
Macht der Götter und der Politik entgegenzuwirken.<br />
Der Clown durfte diese wunderbaren Störungen<br />
so lange fortsetzen, bis im Mittelalter<br />
die Kirchenfürsten dieses Treiben<br />
verboten. Bis in unsere Zeit erhalten hat<br />
sich davon als Fragment unser<br />
Karneval/Fasching. Seine später bisweilen<br />
lebensgefährliche Karriere verfolgte der<br />
Clown als Hofnarr und endete hierbei oft-
mals etwas „kopflos“. Er diente weiterhin<br />
als Gaukler und landete im späten 19.<br />
Jahrhundert als „dummer August“ im Circus.<br />
Der Clown war und ist oftmals bis<br />
heute in vielen Völkern der Welt Medizinmann<br />
und Spaßmacher in einer Person,<br />
der, der die tiefere Wahrheit repräsentiert.<br />
Er galt und gilt als Heiler, da das Lachen<br />
zur Gesundung beiträgt und die Traurigkeit<br />
vertreibt. Der Clown hat z.B. in der<br />
Deutung der Indianer jede Angst überwunden<br />
vor Schuld, Schmerzen, Krankheit<br />
und Tod. Er ist derjenige, der die<br />
Menschen aus dem Dunkel der Erde ans<br />
Licht der Sonne führt. Mit seinem Lachen<br />
kann er dabei Krankheit und Sorgen vertreiben.<br />
Er vermag das Übel bei der Wurzel<br />
zu packen, indem er sein Gegenüber mit<br />
seiner Sorglosigkeit ansteckt und Leben<br />
und Farbe in dessen Alltag von Routine<br />
und Konformität bringt. Clowns kennen<br />
und schätzen ihre eigenen Fähigkeiten und<br />
sind in der Lage, diese Ressourcen auch im<br />
Gegenüber zu entdecken, anzuregen und<br />
zu fördern.<br />
Der Clown verkörpert und repräsentiert<br />
stets eine andere Sicht der Dinge. Er<br />
durchbricht anerkannte Regeln und Normen,<br />
in dem er sie mit einem Lachen ad<br />
absurdum führt. Er ist der „Gegenteiler“,<br />
der liebevoll und immer neugierig über<br />
Grenzen geht. Er ist das intakte, heitere<br />
Kind, das sich immer wieder wundern<br />
kann über das Alltägliche. Er kennt keine<br />
Zukunft und keine Vergangenheit – er<br />
kennt nur das Jetzt. Und in diesem völlig<br />
unbekannten Jetzt ist alles so furchtbar neu<br />
und gilt, mit unbändiger Lebensfreude<br />
entdeckt und bestaunt zu werden.<br />
Der Clown übertreibt gerne – aus Spaß<br />
und reiner Freude heraus. Er spiegelt gerne<br />
auf liebe- und respektvolle Weise, was er<br />
sieht und erlebt und schafft es so, dass<br />
auch andere von ihm lernen können, wenn<br />
sie es nur wollen.<br />
Und wenn er auch das eine oder andere<br />
Mal stolpert und scheinbar scheitert, so<br />
gibt er doch niemals auf. Er findet immer<br />
eine Lösung, und sei sie auch noch so grotesk<br />
und absurd - und genau das macht anderen<br />
Mut. Gegen Sorge und Ungewissheit<br />
setzen Clowns die Gewissheit des<br />
Lachens.<br />
Die Autorin:<br />
Dr. med. Petra Klapps ist Ärztin für Neurologie,<br />
Psychotherapeutin, Kommunikations-Trainerin,<br />
Pantomime und Clown.<br />
Internet: www. kolibri-institut.de.<br />
7
Sterben ist das Letzte, das ich machen<br />
werde …<br />
Humor ist wichtig. Der wahre Humor ist<br />
keineswegs immer „lustig“. Es gibt auch<br />
einen verzweifelten Humor oder den mit<br />
ätzendem Beigeschmack. Viele bekannte<br />
Humoristen haben ein schweres, hartes<br />
Leben geführt. Doch auch wenn man sich<br />
einen sarkastischen Humor bewahrt oder<br />
trainiert, hilft er oft über Unbillen des Lebens<br />
hinweg und am Ende kann man,<br />
wenn es gut ausgeht, dann auch wieder<br />
richtig herzhaft lachen.<br />
Mit dem Thema Humor habe ich mich<br />
mein Leben lang immer wieder gerne beschäftigt.<br />
Es ist mein Lieblingsthema – neben<br />
dem Gehirn und dessen Funktionen.<br />
Dabei bin ich eines Tages auf eine weise<br />
Aussage gestoßen. Sie sagte, dass zum Beispiel<br />
ein Pfarrer durchaus über christlich<br />
orientierte Witze lachen kann – sofern er<br />
in seinem Glauben sicher und gefestigt ist,<br />
oder dass zum Beispiel ein Homosexueller<br />
absolut herzhaft über Schwulenwitze lachen<br />
kann, sofern er mit sich einig und im<br />
Reinen ist.<br />
Das heißt, sofern ich im Grunde dazu stehe,<br />
was ich mache und dies mag und ehre,<br />
sind Witze hilfreich zu Entladungen. Mein<br />
Bruder, der lange Zeit Leiter einer Intensivstation<br />
war, hatte manchmal Sprüche<br />
drauf, die anderen die Sprache verschlagen<br />
haben. Da konnte einem schon mal der<br />
Gedanke kommen: Darf man das? Darf<br />
man so reden, wenn man mit dem Tod<br />
8<br />
Humor im <strong>Hospiz</strong><br />
Von Christiane Sarraj<br />
oder großem Leid konfrontiert ist? Und<br />
dennoch haben wir uns, wenn er nach zwei<br />
Bier auf Hochtouren kam, gebogen vor<br />
Lachen. Auch eine Freundin, die Krankenschwester<br />
war, hatte manchmal einen –<br />
wie ich ihn nannte – „seltsamen“ Humor<br />
aus ihrem Umfeld.<br />
Dabei gibt es natürlich Grenzen. Die Trauer<br />
und der Schmerz der Menschen, die einen<br />
Angehörigen oder Freund verloren haben,<br />
sind zum Beispiel nicht zu verletzen.<br />
Sie sind da und es tut weh und wird geachtet.<br />
Mein Bruder hat zum Beispiel auch<br />
niemals über Kinder gewitzelt. Das Leid<br />
von Kindern auf der Intensivstation ging<br />
ihm stets besonders nahe. Auch bei Humor<br />
im Fernsehen denke ich oft: Das geht<br />
unter die Gürtellinie – und dann kann ich<br />
nicht mehr darüber lachen.<br />
Humor ist jedoch eine Art, mit der schweren<br />
Arbeit oder mit Krisen fertig zu werden.<br />
Es ist eine gute Art, die deutlich besser ist,<br />
als Verzweiflung oder Depressionen.<br />
Der Humor im <strong>Hospiz</strong> – Humor um das<br />
Thema „Sterben“ – ist denen gegeben, die<br />
mit dem Tod versöhnt sind. Denen, die<br />
mit sich einig sind und die wissen: Der<br />
Tod gehört zum Leben.<br />
Sterben ist so was von natürlich, dass ich<br />
immer wieder völlig platt und sprachlos<br />
bin, mit welcher Scheu viele Menschen<br />
nichts davon hören wollen und schon gar<br />
nicht darüber lachen können! Das werde<br />
ich nie verstehen. Das bringt mich auf den
Gedanken, dass viele Witze oder Späße sicher<br />
auch daraus entstehen, die Angst vertreiben<br />
zu wollen.<br />
Vor zwei Jahren erhielten wir im <strong>Hospiz</strong><br />
eine Einladung zu einer Veranstaltung,<br />
die hieß: „Das Lächeln am Fuße der<br />
Bahre“. Sie fand statt im Sarglager in<br />
Nürnberg.<br />
Foto: Christiane Sarraj<br />
Das war natürlich ein Thema für mich und<br />
ich meldete mich mit einer Bekannten an.<br />
Dabei hatte ich mir vorgestellt, dass „Sarglager“<br />
der Name eines Lokals war, in dem<br />
vielerlei Veranstaltungen jeglicher Art<br />
stattfinden. Wie überrascht war ich, als wir<br />
uns am Schluss wirklich in einem Sarglager<br />
befanden, umgeben von aller Art von Särgen<br />
– teure, einfache, mit Schnickschnack<br />
oder ohne, stehend gelagert oder liegend<br />
gestapelt. Vorne war mit einigen Holztischen<br />
eine provisorische Bühne errichtet<br />
und ein Sarg stand auch drauf. Allein dieses<br />
Ambiente hat in mir schon ein mächtiges,<br />
vergnügtes Bauchkitzeln ausgelöst und<br />
ich hätte dauernd kichern können.<br />
Der Kabarettist Alfred Gerhards führte<br />
durch diese Veranstaltung – behutsam, mit<br />
viel Humor. Er sagte unter anderem: Bei den<br />
meisten Tabus wie zum Beispiel Sex oder Alkohol<br />
kann man sich aussuchen, ob man da-<br />
mit zu tun haben will, aber der Tod betrifft<br />
uns alle. Seine Kernaussage war: „Die Angst<br />
vor dem Tod kann man nicht ganz verlieren,<br />
aber die meisten Menschen haben eigentlich<br />
mehr Angst vor dem Leben…“.<br />
Den Vortrag begann er mit einem<br />
Cartoon: „Damit hat der Sensenmann<br />
nicht gerechnet: Die Frau, bei der er geklingelt<br />
hat, sagte nur kurz: ‚Tut mir leid,<br />
wir sterben nicht‘ und schlägt die Tür zu.“<br />
Zum Abschluss gab uns Herr Gerhard mit<br />
auf den Weg:<br />
„Nehmen Sie sich das Leben!“<br />
Diese Veranstaltung hat mich gestärkt in<br />
meinen Ansichten und meinem Empfinden,<br />
wie ich selbst mit Tod und Sterben<br />
umgehe – sehr natürlich. Humor heißt<br />
nicht „Spott“, sondern tut einfach gut.<br />
Es gibt Menschen, die keinen Humor besitzen.<br />
Es ist schwierig, mit ihnen umzugehen,<br />
und ich frage mich bei solchen manchmal,<br />
wie sie wohl Angestautes verarbeiten. Humor<br />
und Lachen ist so wichtig wie Weinen<br />
und auf jeden Fall besser als Antidrepressiva-Medikamente<br />
– es öffnet Schleusen.<br />
Eines Tages war ich bei in einer Veranstaltung<br />
von und mit Urban Pirol, der nach<br />
meiner Erinnerung fast drei Stunden lang<br />
unsere Politik und den Zustand unseres<br />
Landes auf die Schippe genommen hat. Eigentlich<br />
hätte man daraufhin sofort auswandern<br />
müssen, aber was hat das Publikum<br />
getan? Gelacht, dass die Tränen<br />
liefen … – … wir alle haben uns auf die<br />
Schippe genommen und gingen „befreit“<br />
und lachend nach Hause. Wenn das nicht<br />
gesund ist … ?!<br />
9
„Kennst Du dieses hier?“ Mit gewitztem<br />
Blick drückt mir meine Kollegin Christel<br />
Orth ein kleines Buch in die Hand:<br />
„Grabinschriften für alle Fälle“ verspricht<br />
es, und der Titel gibt gleich eine Kostprobe<br />
dessen, was den geneigten Leser erwartet:<br />
„Hier liegen meine Gebeine, ich<br />
wollt’ es wären Deine“. Ist das nicht<br />
schwarzer Humor vom Feinsten? Ich gebe<br />
zu: für manchen vielleicht etwas<br />
gewöhnungsbedürftig, weshalb jedem ein<br />
kurzer Schluckreflex als erste Reaktion<br />
durchaus zugestanden sei! Bei näherer Betrachtung<br />
stellt sich aber bald heraus, dass<br />
der vermeintlich makabre Satz von den<br />
Gebeinen vielleicht doch tiefe Wahrheiten<br />
enthält, die wir uns nur selten bewusst<br />
machen und noch seltener offen<br />
aussprechen. Hand aufs Herz: Eigentlich<br />
wollen wir nicht sterben, und wenn wir<br />
müssen, schwingt oft die Frage mit, warum<br />
es jetzt ausgerechnet uns und nicht<br />
die anderen trifft! Sie wissen schon: diejenigen,<br />
die vom Alter, vom Lebenswandel,<br />
von den gesamten Umständen her eigentlich<br />
eher dran gewesen wären ... Mancher<br />
wird besagten Satz freilich auch als Anstoß<br />
nehmen, wie wenig selbstverständlich<br />
es im Grunde ist, dass er noch unter<br />
den Lebenden weilt und daran vielleicht<br />
die Frage knüpfen, was ihm im Hinblick<br />
auf die Begrenztheit der zur Verfügung<br />
stehenden Zeit jetzt wichtig ist. Wie auch<br />
immer – schon befinden wir uns inmitten<br />
eines facettenreichen Gesprächs über das<br />
Leben, das seinen Ausgang bei der Begegnung<br />
mit einer humorvoll provozierenden<br />
Grabinschrift genommen hat …<br />
10<br />
Humor in der hospizlichen Bildungsarbeit<br />
Von Jürgen Wälde<br />
Für mich spiegelt dieser Prozess ein zentrales<br />
Anliegen der <strong>Hospiz</strong>idee, über eine<br />
offene, unbefangene Thematisierung von<br />
Sterben und Tod letztlich dem Leben und<br />
seiner menschenwürdigen Gestaltung auf<br />
die Spur zu kommen. Die menschliche<br />
wie fachliche Unterstützung unheilbar<br />
kranker und sterbender Menschen gehört<br />
dabei ebenso zum Selbstverständnis der<br />
<strong>Hospiz</strong>bewegung wie ihre Beteiligung am<br />
Gespräch über Grundfragen menschlicher<br />
Existenz in den verschiedenen Bereichen<br />
unserer Gesellschaft. Der Bildungsund<br />
Öffentlichkeitsarbeit – ob in Seminaren,<br />
Vorträgen, Kursen, Workshops,<br />
Ausstellungen oder anderen kulturellen<br />
Veranstaltungen – kommt in diesem Zusammenhang<br />
eine Schlüsselrolle zu. Sie<br />
ist nur im Zusammenspiel vieler Beteiligter<br />
zu leisten, die sich mit ihrer menschlichen<br />
und fachlichen Kompetenz einbringen<br />
und auf diese Weise die <strong>Hospiz</strong>idee<br />
als gelebte Praxis erfahrbar werden lassen.<br />
Nur dann springt der sprichwörtliche<br />
„Funke“ über und stößt Entwicklung und<br />
gegebenenfalls Veränderung an.<br />
Dem Humor als langjährigem Weggefährten<br />
und bedeutendem Mitstreiter in<br />
der hospizlichen Bildungsarbeit gebührt<br />
an dieser Stelle eine eigene Würdigung.<br />
Sie sei ausgesprochen im Namen nicht<br />
weniger Referent/innen und Kursleitungen,<br />
denen dieser echte Vielseitigkeitskünstler<br />
in unterschiedlichsten Situationen<br />
wertvolle Dienste geleistet hat. Nicht<br />
selten ist nämlich Humor mit im Spiel,<br />
wenn …
– Interesse geweckt wird für die Beschäftigung<br />
mit Sterben und Tod – unter<br />
Verzicht auf Betulichkeit und auf den<br />
erhobenen Zeigefinger des vermeintlich<br />
Besserwissenden<br />
– der Einstieg in das Thema auf eine<br />
überraschende und zum Schmunzeln<br />
anregende Weise gelingt (siehe das Beispiel<br />
oben)<br />
– die Arbeit an einem vermeintlich<br />
„schweren“ Thema noch Raum lässt für<br />
Leichtigkeit<br />
– „unliebsame Wahrheiten“ die Radarschirme<br />
unserer Abwehr unterfliegen<br />
und so zu einer heilsamen „Verstörung“<br />
beitragen<br />
– entstehende Spannungen und drohende<br />
Überforderungen ein konstruktives Regulativ<br />
finden<br />
– der Aufmerksamkeitsbogen gehalten<br />
werden kann, sprich die Beteiligten<br />
nicht abdriften oder einschlafen<br />
– und nicht zuletzt Missgeschicke der Referierenden<br />
die Motivation der Teilnehmenden<br />
zu beflügeln vermögen.<br />
Die Aufzählung ließe sich leicht fortsetzen,<br />
mit Beispielen veranschaulichen und<br />
mit theoretischem Hintergrund unterfüt-<br />
tern. Dies würde unseren Rahmen sprengen.<br />
Deutlich machen möchte ich aber an<br />
dieser Stelle, dass Humor in dem hier vorausgesetzten<br />
Verständnis nichts mit dem<br />
Geflunker und Klamauk von „Comedy“<br />
oder mit abwertender Ironie bzw. Witzen<br />
auf Kosten anderer zu tun hat. Vielmehr<br />
meint er eine Art heitere Gelassenheit gerade<br />
in misslichen Situationen, die eng<br />
mit der Fähigkeit verknüpft ist, zu mir<br />
selbst und zur augenblicklichen Situation<br />
in einen heilsamen Abstand gehen und<br />
daraus eine veränderte Einstellung entwickeln<br />
zu können.<br />
Im Hinblick auf meine Tätigkeit schätze<br />
ich den Humor ungemein. Ich arbeite<br />
gerne mit Karikaturen, hintersinnig lustigen<br />
Geschichten, zugespitzten Überzeichnungen,<br />
Wortspielen, Situationskomik,<br />
mit dem Spiel von Mimik und<br />
Gestik und nicht zuletzt mit einer gehörigen<br />
Prise wohlwollender Selbstironie.<br />
Gleichwohl betrachte ich Humor nicht<br />
als eine methodisch einzusetzende Technik.<br />
Seine Wirkung entfaltet er vielmehr<br />
in dem Maß, als er sich spontan ergibt,<br />
mit der eigenen Person authentisch verbunden<br />
ist und sich in der jeweiligen Situation<br />
als stimmig erweist.<br />
11
Der Leichenwagen fährt mit angebundenen<br />
Dosen und einem Schild, wie man es<br />
nur von Hochzeitsautos kennt, langsam ab<br />
„Just died“...<br />
Bereits das Titelbild des Bandes mit 60 Karikaturen<br />
des verstorbenen Möhl zeigt den<br />
Ansatz des Bandes. Der Umgang mit<br />
Krankheit, Sterben und Tod darf nicht<br />
tabuisiert werden. Der Leser sieht hier den<br />
ganz persönlichen Weg Möhls mit Angst<br />
und Verzweiflung während der Krebskrankheit<br />
umzugehen. Man hat es aber<br />
hier nicht mit einer Lösung zu tun, die das<br />
Schwere ‚weglachen’ will – Herausgeber<br />
und Theologe Heinz Hinze fasst das Motto<br />
des Buches im Vorwort zusammen:<br />
12<br />
Wer bis zuletzt lacht, lacht am Besten –<br />
Humor am Krankenbett<br />
Buch von Karl-Horst Möhl und Heinz Hinze<br />
„Wer bis zuletzt lacht, lacht am Besten –<br />
aber danach darf auch geweint werden.“<br />
Möhl zeigt mit dem klaren, unsentimentalen<br />
Blick des Karikaturisten Bizarres,<br />
Groteskes und manchmal einfach nur<br />
Wahres, über das „man“ ansonsten nicht<br />
spricht. Seine Karikaturen sind dabei jedoch<br />
nie verletzend oder bloßstellend, sondern<br />
immer mit einem Augenzwinkern<br />
dargebracht. Die Tabuisierung von Tod<br />
und Sterben wird aufgehoben – der Blick<br />
hinter die Kulissen der menschlichen Fassade<br />
gewagt.<br />
So ist eine Sorge der Dame beim Arzt, ob<br />
sie den Winterschlussverkauf noch erlebt.
Ein anderer sorgt sich mehr um seinen<br />
Arzt: „Herr Doktor, budgetmäßig bin ich<br />
sicher ein Verlust für Sie, aber vielleicht<br />
menschlich ein Gewinn!“ Hier spricht<br />
auch die Angst des kranken Menschen, zur<br />
Last zu fallen – bei gleichzeitiger Betonung,<br />
dass man noch am Leben ist und<br />
menschlich etwas beitragen kann.<br />
Manchmal sind auch die Kranken stärker<br />
und gefasster als der Arzt. So gibt der Patient<br />
seinem ratlos blickenden und überfordert<br />
wirkenden Arzt mit „Ich würde<br />
jetzt einfach sagen: Jawohl, es ist Krebs“ einen<br />
Ratschlag, wie mit dieser Situation<br />
umzugehen sei. Aber auch ein kritischer<br />
Blick auf das Sterben in unserer Gesellschaft<br />
wird gewagt: Eine alte Dame steht<br />
am Zeitungskiosk, es gibt nur Zeitschriften<br />
der „Schöner ...“-Reihe und sie fragt<br />
„Ist die neue „Schöner Sterben“ schon da?“<br />
Sterben ist auch ein Geschäft. Die Frau<br />
zum Arzt: „Er ist schon tot, Sie kommen<br />
umsonst“, doch der Arzt lässt sich nicht<br />
entmutigen. „Vergeblich vielleicht, nicht<br />
umsonst“ antwortet er. Bis hin zur Bestattung<br />
ist Sterben nicht kostenfrei zu haben.<br />
Der Witwe kommt am Grab der Gedanke<br />
„Umsonst ist der Tod ... von wegen ...“ –<br />
auf Grabstein, Blumenschale und alle anderen<br />
Dingen sind Strichcodes, die markieren,<br />
dass diese Dinge Geld kosteten.<br />
Ein weiterer Gedanke, den Möhl thematisiert,<br />
ist, dass mit den Mitteln der Medizin<br />
Sterben zumindest zeitlich aufgeschoben<br />
werden kann: Kurz vor der OP, der Arzt<br />
hat bereits sein Skalpell, welches als relativ<br />
großes Messer dargestellt ist, gezückt.<br />
Doch der Patient entscheidet sich um: „Ich<br />
gehe jetzt nach Hause und sterbe eines natürlichen<br />
Todes!“<br />
13
Dass der Mensch auch nicht als medizinisch-reizvoller<br />
Fall gesehen werden will,<br />
sondern Gefühle und Bedürfnisse hat,<br />
zeigt folgende Karikatur: Um das Patientenbett<br />
steht ein Pulk von Ärzten und<br />
Schwestern. Der Patient jammert: „Ich<br />
möchte nach Hause!“ Die Schwester will<br />
ihn ermuntern, zu bleiben: „Da ist doch<br />
keiner“. Doch genau darum geht es dem<br />
Kranken: „EBEN!“ Seine Ruhe zu haben<br />
ist für den Patienten ein wichtiges Gut. Es<br />
ist auch in den Familien nicht immer alles<br />
eitel Sonnenschein, so streiten sich die Angehörigen<br />
am Krankenbett und der Arzt<br />
sagt „Er bekommt nichts mehr mit...“ und<br />
der Patient denkt „Gott sei Dank“...<br />
Die von Möhl dargestellten Patienten sind<br />
gewiefte, pragmatische Persönlichkeiten,<br />
die ihre Situation nicht immer bitter ernst<br />
nehmen: Gespräch unter zwei alten Herren:<br />
„Vergesslich ist, wer die Hose nach<br />
14<br />
dem Pinkeln nicht zumacht ...“ – „Dement,<br />
wer sie vorher nicht aufmacht.“<br />
Ähnliches bewegt eine alte Dame im Gebet<br />
„Oben klar und unten dicht, lieber<br />
Gott, mehr will ich nicht“ fasst sie ihre<br />
Wünsche für das Alter zusammen. Auch<br />
der <strong>Hospiz</strong>helfer wird nicht immer ganz<br />
ernst genommen. Der Sterbende zum<br />
<strong>Hospiz</strong>helfer: „Mit ihrer ganzen Helferei<br />
wollen Sie doch nur wieder einen Sinn in<br />
IHR Leben bringen ...“<br />
Über den ganzen Band wird deutlich, dass<br />
Sterben Leben ist. So sagt der Patient im<br />
Krankenbett zur Schwester, welche die Infusionsflasche<br />
hält: „Hängen Sie ruhig<br />
noch eine dran, ich habe mein Leben gern<br />
getrunken!“ Der Mensch bleibt auch in<br />
der Krankheit und am Ende Mensch, mit<br />
Eigenschaften, die ihn sein Leben über geprägt<br />
haben, mit seinen Vorlieben und Ei-
genarten. Wenngleich manche Freude des<br />
Lebens vielleicht nicht mehr gelebt werden<br />
kann: Ärzte: „Wir legen ihnen eine Ernährungssonde“<br />
– Patientin: „Wie geschmacklos“.<br />
Auch in der letzten Lebensphase werden<br />
noch Erfahrungen gemacht, sind mit<br />
dem Tod Wünsche verbunden. So sagt er<br />
zu ihr: „Wenn mal einer von uns tot ist,<br />
zieh’ ich ans Meer“ und die Maus ändert<br />
kurz vor ihrem Tod den Blickwinkel, wenn<br />
sie gefangen vom Greifvogel über der Erde<br />
schwebt und sich über die Aussicht freut.<br />
„Wer bis zu letzt lacht, lacht am Besten“ ist<br />
ein Buch über die Menschen und über das<br />
Leben. Über den Umgang mit Krankheit,<br />
Sterben und Tod in unserer Gesellschaft.<br />
Aber vor allem ein Buch, das zeigt, dass<br />
Humor, nach dem französischen Philosophen<br />
Henri Bergson „die Anästhesie des<br />
Herzens“ eine Schutzfunktion hat. Wenn<br />
eine Sache zu schwer, zu unerträglich wird,<br />
kann es ein Weg sein, sein Herz kurzfristig<br />
zu narkotisieren, einen Schritt vom Tragischen<br />
wegzugehen und das Groteske, das<br />
Bizarre, das Komische der Situation zu sehen<br />
und man kann für einen Moment befreit<br />
lachen. Humor hat die Trotz-Macht.<br />
Julia Hagmeyer<br />
Das Buch ist im Eigenverlag erschienen<br />
und zum Preis von 12,– Euro (ab 10 Exemplaren<br />
10,– Euro) zuzüglich Versandkosten<br />
bestellbar.<br />
Bestellungen bitte an: heinz.hinse@web.de<br />
oder Heinz Hinse, Stauferstraße 22,<br />
67133 Maxdorf.<br />
Weitere Informationen finden Sie unter<br />
www.werbiszuletztlacht.de.<br />
15
„Wie lieg’ ich denn mal da?“ – fragt sich<br />
Ruth Albrecht manchmal, wenn sie einen<br />
Sterbenskranken betreut. Das Nichtwissen,<br />
das Geheimnis, wie einmal unser eigener<br />
Tod sein wird , ist eines der vielen<br />
Motive, die <strong>Hospiz</strong>helfer anführen, weshalb<br />
sie sich ehrenamtlich engagieren.<br />
„Alte Hasen“, die zehn Jahre und länger als<br />
<strong>Hospiz</strong>helfer tätig sind, trafen sich Mitte<br />
Juli mit Jürgen Wälde zum Erfahrungsaustausch.<br />
Es hat sich viel verändert seit<br />
der Gründung des CHV am 05.06.1985.<br />
Schwierig war schon die Namensfindung<br />
„<strong>Hospiz</strong>helfer“. „Sterbebegleiter“ wollte<br />
16<br />
„ Alte Hasen“<br />
25 Jahre <strong>Hospiz</strong>helfer im CHV<br />
Von Uve Hirsch<br />
niemand sein, und die Einrichtung von<br />
„Sterbekliniken“, wie sie Cicely Saunders,<br />
Elisabeth Kübler-Ross und Pater Reinhold<br />
Iblacker forderten, stießen in den Anfangsjahren<br />
auf Skepsis und Ablehnung. Erst in<br />
den 80er Jahren setzte sich die <strong>Hospiz</strong>idee<br />
langsam durch. Ab 1990 führte die wachsende<br />
Akzeptanz zu einem Gründungsboom<br />
für ambulante und stationäre<br />
<strong>Hospiz</strong>e. Heute sind es Fragen der Organisation,<br />
Ausbildung und des Ausbaues<br />
von Diensten, z.B. der Verstärkung der<br />
ambulanten Teams durch Ärzte (SAPV)<br />
seit 2009, womit sich die <strong>Hospiz</strong>bewegung<br />
in Deutschland beschäftigt.
So unterschiedlich die Beweggründe sind,<br />
<strong>Hospiz</strong>helfer zu werden – Angehörige sind<br />
gestorben, dem Ruhestand Sinn geben, der<br />
Tod rückt näher – so unterschiedlich sind<br />
die Erfahrungen nach mehr als zehn<br />
Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit.<br />
Alle „alten Hasen“ berichten von einer völlig<br />
veränderten Einstellung im Umgang<br />
mit Todkranken. Die Hilflosigkeit, die<br />
Unsicherheit ist weg, Berührungsängste<br />
sind verschwunden, die Ausbildung und<br />
Arbeit als <strong>Hospiz</strong>helfer hat allen das Leben<br />
bereichert:<br />
„Ich habe die Scheu verloren auf Menschen<br />
zuzugehen, bin offener, spontaner<br />
geworden.“<br />
S.16: J. Wälde zeichnet 25 Jahre CHV nach<br />
„Ich bin viel sensibler als früher, kann Probleme<br />
spüren, sehe mehr.“<br />
„Ich habe Gelassenheit gewonnen, instinktive<br />
Sicherheit. Große Ruhe und Offenheit<br />
im Umgang mit Andersdenkenden und<br />
anderen Lebensformen.“<br />
Angerührt und bewegt sind auch alle von<br />
dem Vertrauen, das ihnen als <strong>Hospiz</strong>helfer/in<br />
entgegengebracht wird. Selbst der<br />
Bekanntenkreis hat sich dem Tabuthema<br />
Tod geöffnet, sagen einige.<br />
Denn: „Der Tod war geheimnisvoll, jetzt<br />
ist er fast ein Freund geworden“.<br />
unten: Alte Häsinnen - nur e i n Mann<br />
17<br />
Fotos: Uve Hirsch
18<br />
Über den Tod hinaus<br />
Filmreihe in Kooperation mit dem Münchner Filmmuseum<br />
Wo es um den Tod geht, dreht sich in Wirklichkeit alles um das Leben. Denn<br />
wenn wir uns mit dem Sterben auseinandersetzen, fällt alles Überflüssige<br />
von uns ab. Es geht nur noch um das Wesentliche – die Frage, ob man wirklich<br />
gelebt, jemals geliebt hat, um archaische Themen wie Schuld und Vergebung,<br />
um Verlust und Trauer, Glauben und Hoffnung. Was macht uns aus<br />
und was bleibt, auch wenn wir gehen müssen?<br />
Film ist ein Medium der Illusion, doch gleichzeitig berührt er über unsere Sinne<br />
auch die Seele und dringt bis in unsere Realität vor. Er greift Themen auf,<br />
über die wir vielleicht lieber schweigen würden. Er zeigt Gefühle, die wir eher<br />
verbergen wollten. Er schockiert dort, wo wir uns den Mantel scheinbarer Sicherheit<br />
umgelegt hatten. Er verführt – zum Nachdenken über uns selbst.<br />
Deshalb haben wir als Titel für diese Filmreihe den Titel „Über den Tod hinaus“<br />
gewählt. Der Tod ist unabänderlich. Wir sind es nicht.<br />
Filme können dazu beitragen, dieses so wichtige gesellschaftliche Thema<br />
lebendig zu diskutieren. Den Anfang machte der Dokumentarfilm „Nur 16<br />
Tage“, der den Alltag im Londoner St. Christopher’s <strong>Hospiz</strong> zeigt. Als er<br />
1971 im Fernsehen ausgestrahlt wurde, löste er heftige Reaktionen aus. Er<br />
gilt gleichsam als Beginn der deutschen <strong>Hospiz</strong>-Bewegung. In dem Film<br />
„Da-Sein“ begleitet die Dokumentaristin Heide Breitel die Mitglieder eines<br />
Freundeskreises zur Sterbebegleitung bei der Hausbetreuung von zwei<br />
krebskranken Frauen und dem Aufbau des stationären <strong>Hospiz</strong>es in Lohmar.<br />
„Sous Le Sable“ (Unter dem Sand) erzählt von der Trauer einer 50jährigen<br />
Frau (Charlotte Rampling), die sich nicht mit dem ungeklärten Verschwinden<br />
ihres geliebten Mannes abfinden kann. In dem Film „The Sweet Hereafter“<br />
(Das süße Jenseits) verfällt ein kleiner Ort in British Columbia in Agonie, als<br />
fast alle Kinder des Ortes bei einem Busunglück ihr Leben verlieren. „Le
Scaphandre et le Papillon“ (Schmetterling und Taucherglocke) beruht auf<br />
einer wahren Geschichte: Jean-Dominique Bauby, der 43jährige Chefredakteur<br />
der französischen Zeitschrift Elle, ist nach einen Gehirnschlag vollkommen<br />
gelähmt. Er kann nur noch ein Auge bewegen und nicht mehr sprechen.<br />
Bauby will sein Leben möglichst schnell beenden und bittet um Sterbehilfe.<br />
Dann aber findet er ganz langsam seinen Weg zurück ins Leben. In „21<br />
Gramm“ werden drei Personen mit dem Tod konfrontiert: ein Patient, der<br />
dringend eine Herztransplantation braucht, die Frau eines Mannes, der bei<br />
einem Autounfall ums Leben kommt und die in die Transplantation einwilligt,<br />
und der Mann, der den Autounfall verursacht hat. Ein Drama, das auffordert,<br />
darüber nachzudenken, wie Tod und Leben miteinander verknüpft sind und<br />
wie die Toten die Lebenden beeinflussen. Im Mittelpunkt von „Caos Calmo“<br />
(Stilles Chaos) steht ein Mann, der ganz plötzlich seine Frau verliert. Er entflieht<br />
der alltäglichen Hektik und gelangt durch Entschleunigung zu seinem<br />
verborgenen Schmerz, der sich schließlich in Zuwendung zu den Menschen<br />
und zu sich selbst verwandelt.<br />
Dr. Petra Thorbrietz<br />
Alle Filme laufen im Original mit Untertiteln.<br />
Dr. Petra Thorbrietz und Gunda Borgeest führen in die Filme ein und moderieren<br />
die anschließende Diskussion.<br />
Jeweils sonntags um 17:30 Uhr<br />
im Filmmuseum Sankt-Jakobs-Platz 1<br />
07. November 2010 – 05. Dezember 2010<br />
16. Januar 2011 – 13. Februar 2011<br />
19
20<br />
Morgen sterben<br />
Leben und Tod im 21. Jahrhundert<br />
„Morgen sterben. – Leben und Tod im 21. Jahrhundert“ ist der Titel einer<br />
Ringvorlesung, die anlässlich des 25jährigen Jubiläums in Kooperation<br />
zwischen CHV und der Katholischen Stiftungsfachhochschule in München<br />
stattfindet. Prof. Dr. Heiner Gabriel, Theologe und Mediziner, Dekan des<br />
Fachbereichs soziale Arbeit an der Stiftungsfachhochschule und Mitglied<br />
im Vorstand des CHV, hat diese Zusammenarbeit initiiert und ermöglicht.<br />
Neben den Studierenden der Pflege und der sozialen Arbeit werden auch<br />
Experten aus dem Bereich <strong>Hospiz</strong>arbeit/Palliative Care erwartet sowie andere<br />
Besucher einer interessierten Öffentlichkeit.<br />
Morgen sterben – immer mehr Menschen werden von immer weniger Jüngeren<br />
betreut und gepflegt. Die Alterskurve der Gesellschaft, eine wachsende<br />
Zahl chronischer Krankheiten wie Krebs zwingen uns, über neue Lebensformen<br />
nachzudenken, die schließlich auch eine große Rolle bei der<br />
Frage spielen, wie das Leben ausklingt. Immer häufiger wird der Ruf nach<br />
einem „schnellen“ Ende, nach Sterbehilfe laut, angesichts langer Leidensphasen,<br />
die häufig mehr mit <strong>Verein</strong>samung und Demenz zu tun haben als<br />
mit einer zum Tode führenden Krankheit. Was kann die <strong>Hospiz</strong>bewegung,<br />
was kann die Gesellschaft dem entgegensetzen? Um diese Frage zu beantworten,<br />
muss sie sich neuen Fragen stellen. Diese Herausforderung<br />
thematisieren sechs Vorträge, die von prominenten Experten zwischen<br />
13. Oktober und 12. Januar 2011 gehalten werden. Wir <strong>laden</strong> Sie herzlich<br />
ein, mitzudiskutieren.<br />
Dr. Petra Thorbrietz
10. November 2010<br />
Die (Un)Sichtbarkeit des Todes: Ästhetik des Lebensendes<br />
Beate Lakotta („Der Spiegel“), Hamburg<br />
24. November 2010<br />
Moderne Medizin zwischen allen Fronten: Wo bleibt der Mensch?<br />
Prof. Dr. Wolfgang Hiddemann, Klinikum der Universität München/Großhadern<br />
08. Dezember 2010<br />
Langes Leben - langes Sterben?<br />
Dr. Martina Schmidl, Oberärztin Geriatriezentrum am Wienerwald, Wien<br />
12. Januar 2011<br />
Was bleibt? Spiritualität in interkulturellen Gesellschaften<br />
Ao. Univ. Prof. DDr. Birgit Heller, Universität Wien/IFF<br />
(Theologie, Philosophie, Altorientalistik, Indologie)<br />
Jeweils mittwochs um 18:00 Uhr<br />
in der Aula der Katholischen Stiftungsfachhochschule<br />
Preysingstraße 83, München<br />
21
Die Einladung zur Jubiläumsgala im<br />
Münchner Künstlerhaus versprach viel.<br />
Fast ein Jahr lang vorbereitet, sollte das<br />
Fest der Höhepunkt der vielfältigen Aktivitäten<br />
zum 25. Geburtstag des CHV<br />
sein.<br />
Niemand konnte vorhersehen, dass die Begeisterung<br />
solche Wellen schlagen würde.<br />
Über 800 Anmeldungen brachten die Veranstalter<br />
in arge Verlegenheit, denn in dem<br />
Festsaal des Künstlerhauses sind nur 400<br />
Personen zugelassen.<br />
Mit einem zweiten Fest wollen wir all jene<br />
ein<strong>laden</strong>, die keinen Platz mehr bekamen.<br />
Der Wunsch, die <strong>Hospiz</strong>idee weiter zu verbreiten,<br />
das bürgerschaftliche Engagement<br />
zu verstärken, aber auch die Freude über<br />
das Erreichte bestimmte die Feier.<br />
Als Schirmherrin würdigte Bürgermeisterin<br />
Christine Strobl den erfolgreichen Weg<br />
des CHV vom Zwei-Mannbetrieb zum<br />
heute größten <strong>Hospiz</strong> Deutschlands und<br />
auch die vielen Impulse für Palliativ Care,<br />
die vom <strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong> ausgingen.<br />
Inzwischen ist Palliativmedizin bei der<br />
Ausbildung aller Medizinstudenten in<br />
Bayern obligatorisch, ein wichtiges Signal<br />
dafür gab die vom CHV gegründete <strong>Christophorus</strong><br />
Akademie an der Universitätsklinik<br />
Großhadern in München. Nicht zuletzt<br />
hat das <strong>Hospiz</strong> seit dem 01. Oktober<br />
22<br />
Feiern, freuen, lachen, reden….<br />
Von Uve Hirsch<br />
2009 ein eigenes SAPV-Team, das die spezialisierte,<br />
ambulante Palliativversorgung<br />
schwerstkranker Menschen in ihrem häuslichen<br />
Umfeld ermöglicht.<br />
Geistreich gute Laune zu schaffen ist das<br />
Talent von Autor Tilmann Spengler, der<br />
durch den Abend führte. Ein Hörerlebnis<br />
war die koreanische Konzertpianistin Ju-<br />
Eun Lee, die mit Debussy’s „pour les<br />
Agrements“ die Gala eröffnete.<br />
Nach der Begrüßung durch die Vorstandsvorsitzende<br />
des CHV, Frau Dr. Petra Thorbrietz<br />
gab es viel Applaus für die Virtuosität<br />
und Anmut, mit der Frau Ju-Eun Lee<br />
ihr zweites Stück, die Klaviersonate<br />
KV310 a Moll von Mozart vortrug.<br />
Handfest giftig kalauerte sich dann der<br />
Kabarettist Werner Meier durch Konsumgewohnheiten<br />
und Schnäppchen-Mentalität.<br />
Vielen Gästen zu dürftig fiel der anschließende,<br />
kulinarische Teil des Festes aus. Dazu<br />
muss gesagt werden, dass der gesamte<br />
Gala-Abend ja nahezu ausschließlich aus<br />
Zuwendungen von Sponsoren finanziert<br />
und gestaltet wurde. Und aufwendiges Catering<br />
aus Spendengeldern zu bezahlen,<br />
hätte mit Recht zu Unverständnis und<br />
Protesten geführt.<br />
weiter auf Seite 27
Dass sie ihr Ehrenamt sehr ernst nimmt,<br />
bewies die Vorstandsvorsitzende Dr.Petra<br />
Thorbrietz, die trotz eines vor wenigen Tagen<br />
operierten, komplizierten Schienbeinbruchs<br />
mit einem dick gepolsterten linken<br />
Bein die Bühne erklomm. Die Journalistin,<br />
erst seit drei Jahren im <strong>Christophorus</strong><br />
<strong>Hospiz</strong> <strong>Verein</strong>, befragte die mit fast 16 Jahren<br />
altgediente Geschäftsführerin des<br />
CHV, Frau Angelika Westrich.<br />
Die nächsten 25 Jahre sollten wir uns die<br />
Spontaneität der Anfangszeit bewahren“,<br />
so Westrich, „ein Miteinander auf Augenhöhe“.<br />
Ihr Dank galt allen Mitarbeitern,<br />
Spendern, Stiftern und ehrenamtlich Engagierten,<br />
„sie repräsentieren das Gute in<br />
dieser Gesellschaft“.<br />
Bei der anschließenden Parodie des Stegreifopernensembles<br />
„La Triviata“ auf das<br />
Alter und das Sterben mag es manchem<br />
aus dem Publikum kalt den Rücken heruntergelaufen<br />
sein.<br />
Vergnüglicher jedenfalls waren die Improvisationen<br />
nach Zurufen aus dem Publikum,<br />
mit denen die Opernsänger ihr Können<br />
bewiesen. Zum Höhepunkt des<br />
Galaabends wurde die große Versteigerung<br />
von „Gewinnen, die man nicht kaufen<br />
kann“. Charmant trieb Auktionatorin Gisela<br />
Pichler die Preise hoch. Frau Westrich<br />
zum Beispiel, die für 20 Gäste kochen will,<br />
war einem Bieter 190,– Euro wert. Insgesamt<br />
erbrachte die Auktion von 13 Preisen,<br />
wie eine Führung durch Budapest, ein<br />
Segeltag auf dem Starnberger See, ein<br />
Tauch- oder ein Fotokurs sensationelle<br />
3540,– Euro auf das Spendenkonto des<br />
CHV. Überraschungsgewinne aus dem<br />
Zylinder, die Werner Meier verkaufte, ergaben<br />
noch einmal 810,– Euro. Den musikalischen<br />
Ausklang durch die Band „Eure<br />
Freunde“ nutzten ein paar Dutzend Unermüdliche,<br />
um bis Mitternacht das Tanzbein<br />
zu schwingen.<br />
Foto-Collagen: Uve Hirsch<br />
27
Persönliche Anmerkungen zu Wirkungen<br />
und Wandlungen der <strong>Hospiz</strong>arbeit<br />
in den letzten 25 Jahren<br />
(Fußnote: Ich möchte mich in meinen Anmerkungen<br />
anlehnen an das bekannte<br />
Gedicht Hermann Hesses „Stufen“)<br />
Seit den 70er Jahren bewegen die Prozesse<br />
von Sterben und Tod Menschen in unserer<br />
Gesellschaft in einer ganz neuen Weise. In<br />
einer Parallelbewegung zu der enormen<br />
Entwicklung einer Medizin, die beispiellos<br />
Ressourcen und Kompetenz in die Erhaltung<br />
und Verlängerung des menschlichen<br />
Lebens steckt, ist der Sinn dafür gewachsen,<br />
dass wir doch sterben, dass wir sogar<br />
leben möchten im Sterben, dass wir<br />
Mensch sein möchten im Sterben. Der<br />
Schwerpunkt der medizinischen Entwicklung<br />
ist auf Heilung (Kuration) ausgerichtet.<br />
Das Wohlbefinden des Patienten wird<br />
dabei dem Ziel, eine Krankheit zu heilen,<br />
untergeordnet. Einschränkungen der Lebensqualität<br />
und zum Teil erhebliche Nebenwirkungen<br />
werden in Kauf genommen.<br />
Dort aber, wo Lebensqualität statt<br />
künstlicher Lebens- und Leidensverlängerung<br />
in den Vordergrund rückt, wird Linderung<br />
wichtiger als Heilung, Palliation<br />
(Lateinisch „pallium“ bedeutet „Mantel,<br />
Schutz“; in der christlichen Volksfrömmigkeit<br />
gibt es das Bild der Schutzmantelmadonna,<br />
unter deren „pallium“ sich die<br />
Notleidenden flüchten) wichtiger als Kuration,<br />
„care“ (sorgen, versorgen, betreuen),<br />
wichtiger als „cure“ (heilen). Das<br />
Hauptziel von Palliative Care besteht in<br />
28<br />
„Des Lebens Ruf an mich wird niemals enden“<br />
Von Sepp Raischl<br />
der Verbesserung der individuellen Lebensqualität<br />
mittels Symptomkontrolle,<br />
lindernder Pflege, Sorge um die psychischen,<br />
sozialen und spirituellen Bedürfnisse<br />
des Patienten, Einbeziehen und Entlasten<br />
der Angehörigen, Auseinandersetzung<br />
mit ethisch-rechtlichen Fragen, insbesondere<br />
Achtung der Selbstbestimmung,<br />
Unterstützung der Kommunikation im gesamten<br />
Betreuungsnetz, Sterbebegleitung<br />
und Sterbebeistand.<br />
Auf diese Grundkonzeption hat man sich<br />
in Deutschland in den letzten 25 Jahren<br />
verständigt. <strong>Hospiz</strong>idee und Palliative Care<br />
gehen als Geschwister im deutschsprachigen<br />
Raum Hand in Hand – auch wenn<br />
es Reibungsflächen gibt, wie es unter Geschwistern<br />
halt so ist.<br />
… um sich in Tapferkeit und ohne Trauern<br />
in andre, neue Bindungen zu geben…<br />
Die nur sehr zögerliche Einführung von<br />
Palliative Care Teams – wir sind unter den<br />
ersten vier in Bayern – zeigt, wie sehr es<br />
im „Gebälk“ des Gesundheitswesens<br />
„knirscht“. In der bisherigen Konstruktion<br />
der ambulanten <strong>Hospiz</strong>arbeit (§39a Abs. 2<br />
SGB V) wird nach Bayerischer Erfahrung<br />
ausschließlich die Koordination von Ehrenamt<br />
finanziell unterstützt. Der Bereich<br />
„palliativ-pflegerische Beratung“ wird zwar<br />
genannt, kann aber nicht gleichzeitig geleistet<br />
werden. Die Weiterentwicklung dieses<br />
Modells und damit die Finanzierung der<br />
medizinisch-pflegerischen Aspekte von Palliative<br />
Care wurde mit §§37b und
132 d SGB V zum 01. April 2007 nachgeholt.<br />
In Bayern hatte man im Vorfeld sog.<br />
„Ambulante <strong>Hospiz</strong>- und Palliativ-Teams“<br />
gefordert. Auf Bundesebene war abgestimmt<br />
zwischen der Deutschen Gesellschaft<br />
für Palliativmedizin und der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
<strong>Hospiz</strong> (heute:<br />
Deutscher <strong>Hospiz</strong>- und Palliativverband,<br />
DHPV) das Modell „Ambulantes <strong>Hospiz</strong>und<br />
Palliativzentrum“. Zu den bisherigen<br />
Berufsgruppen kann nun endlich auch die<br />
Palliativmedizin stoßen. Die Aufgaben dieser<br />
– leider nicht durchgängig – als<br />
Palliative Care Teams bezeichneten Leistungserbringer<br />
der Spezialisierten Ambulanten<br />
Palliativversorgung (SAPV) werden<br />
als medizinische, pflegerische und Koordinations-Leistungen<br />
benannt. Der Gesetzgeber<br />
geht bei der SAPV von einem Bedarf<br />
von acht Vollzeitäquivalent-Stellen à<br />
250 000 Einwohner. Wenn sich in Bayern<br />
darüber hinaus 70 ambulante <strong>Hospiz</strong>dienste<br />
tatsächlich zu nach §39a Abs. 2 SGB V<br />
geförderten Diensten weiterentwickeln,<br />
werden in den nächsten Jahren nicht nur<br />
etwa 150 Pflegekräfte, 60 bis 70 Ärzte und<br />
weitere psychosoziale Fachkräfte allein im<br />
ambulanten Bereich gesucht werden.<br />
Ein besonderes Augenmerk haben wir im<br />
CHV auf die weitere Entwicklung der Palliativen<br />
Geriatrie gelegt. Schon 1992/93<br />
haben wir begonnen, <strong>Hospiz</strong>helfer an Pflegeheime<br />
zu binden, sozusagen „auszuleihen“.<br />
Ende der 90er Jahre mündeten Fortbildungen<br />
für Fachkräfte in den Heimen<br />
in die ersten sog. Implementierungsprojekte,<br />
die die <strong>Hospiz</strong>idee und palliative<br />
Kultur zur Sache der Heimträger selbst<br />
machten. Nach über zehn Jahren gibt es<br />
bundesweit zahlreiche Initiativen der Träger<br />
selbst, ihre Einrichtungen werden bald<br />
Zertifizierungen anstreben, nach denen sie<br />
die Qualität und Kompetenz in der Begleitung<br />
von schwerkranken und sterbenden<br />
Bewohnern verbessern und transparent<br />
machen wollen.<br />
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde<br />
uns neuen Räumen jung entgegen senden …<br />
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und<br />
gesunde!<br />
Der Theologe Fulbert Steffenski erzählt in<br />
einem Vortrag (Radius-Verlag): „Meine<br />
Frau – Dorothee Sölle – hatte zehn Jahre,<br />
bevor sie starb, einen schweren und lebensbedrohlichen<br />
Zusammenbruch. Wir gerieten<br />
in eine Wahnsituation, die ich als Deutungswahn<br />
beschreibe. Wir versuchten, in<br />
den Mienen der Ärztinnen zu lesen, wir interpretierten<br />
ihre Worte über das hinaus,<br />
was sie gesagt hatten. Wir interpretierten<br />
ihr Schweigen und ihre Handlungen. Bald<br />
wurden wir befreit. Die Wahrheit wird<br />
Euch frei machen, heißt es im Joh. Evangelium.<br />
Die schonungslose Wahrhaftigkeit<br />
hat uns befreit von dem quälenden Zustand<br />
der Dauervermutungen. Ich könnte<br />
mir vorstellen, dass auch die Pflegenden<br />
untereinander in quälende Stummheit verfallen,<br />
wo sie das Sterben eines Menschen<br />
als eine Niederlage empfinden. Vielleicht<br />
ist es besonders schwer, sich einzugestehen,<br />
dass man nichts mehr machen soll, wo<br />
man nichts mehr machen kann. Es besteht<br />
immer die Gefahr, nur um der eigenen Resignation<br />
und Hilflosigkeit zu entgehen,<br />
irgendetwas zu tun; … Das Sterben ist<br />
schwer. Schwer ist auch, jemanden sterben<br />
zu lassen, und dies nicht nur für Angehörige.<br />
Wahrscheinlich gehört zur Begleitung<br />
eines Sterbenden, ihn gehen zu lassen.<br />
Man hilft ihm gehen, indem man ihn ge-<br />
29
hen lässt. Dazu allerdings gehört die<br />
schwere Anerkenntnis der eigenen Hilflosigkeit.“<br />
In diesem Sinne meine ich, dass in 25 Jahren<br />
sehr viel an Sterbekultur in München,<br />
Bayern und Deutschland gewachsen ist.<br />
Der CHV hat dazu einen wichtigen Beitrag<br />
geleistet. Das <strong>Christophorus</strong>-Haus in<br />
München ist mit seinen Diensten eine begehrte<br />
„Lehrstelle“ geworden. Hospitanten<br />
und Praktikanten besuchen uns, viele der<br />
Mitarbeiter tragen unsere Erfahrungen in<br />
die Lehrbetriebe und Fachdienste vor Ort.<br />
Als wichtigste Herausforderungen für die<br />
nächsten Jahre sehe ich:<br />
• in der weiteren Diskussion der zunehmenden<br />
ethisch-rechtlichen Fragen um<br />
die passive Sterbehilfe: ein Konsens, über<br />
den man früher nicht sprechen musste,<br />
muss heute sprechender Weise gefunden<br />
werden;<br />
• im weiteren Ausbau der palliativen Versorgung<br />
zu Hause und in Pflegeheimen:<br />
dringend muss der Zeitaufwand, die<br />
Kommunikation und die Kompetenz in<br />
Basis – und Spezialversorgung gestärkt<br />
und entsprechend wirtschaftlich gesichert<br />
werden;<br />
• in der entschlossenen Ausweitung der<br />
Palliativversorgung für hochbetagte, alte<br />
Menschen sowie die mehrfach- und<br />
schwerbehinderten Sterbenden, denen<br />
ein Sterben zu Hause heute häufig deshalb<br />
verweigert wird, weil der Umgang<br />
der Nazi-Terroristen mit „lebensunwerten<br />
Leben“ uns immer noch im Nacken<br />
sitzt und wir uns schwer tun, uns dieser<br />
Schuld zu stellen;<br />
• in dem Einbeziehen der Familie der betroffenen<br />
Kranken, die für ambulante<br />
wie stationäre Teams nicht selten an die<br />
30<br />
Grenzen führt: es bedarf einer selbstkritischen,<br />
diskreten und doch auch klar<br />
dokumentierten Vorgehensweise und<br />
Teamkultur;<br />
• in der Koordination der Versorgung, die<br />
die oft starren Abgrenzungen der Sektoren<br />
im Gesundheitswesen, der beruflichen<br />
Abgrenzungen in den Versorgungssystemen<br />
und Teams überbrückend<br />
begegnet;<br />
• in der Verbesserung finanzieller Honorierung<br />
für den zeitlichen und kommunikativen<br />
Aufwand in der Versorgung<br />
von Schwerkranken und Sterbenden: dazu<br />
gehört auch die stabile Finanzierung<br />
der ambulanten und stationären <strong>Hospiz</strong>und<br />
Palliativeinrichtungen;<br />
• in der Vertiefung spiritueller Haltung bei<br />
allen Beteiligten: dabei fallen mir vor allem<br />
zwei Tugenden ein, nämlich Demut<br />
und Bescheidenheit, die beide mit der<br />
Anerkennung von Grenzen zu tun haben<br />
und mit der Anerkennung, dass wir Teil<br />
der Erde sind, Teil einer Natur, die uns in<br />
Werden und Vergehen trägt.<br />
Als Familienvater habe ich Wandel und<br />
Beständigkeit des Lebens ständig vor Augen,<br />
wenn ich auf meine Frau und drei<br />
Kinder schaue. Die Enge des Raumes, die<br />
Familienphase mit kleinen Kindern: sie<br />
hat einen großen Charme, strahlt Wärme<br />
und Harmonie aus. Es gibt Phasen im<br />
Heranwachsen der Kinder, in denen sie<br />
„untertauchen“, sich innerlich zurückziehen,<br />
vieles mit sich ausmachen und in eine<br />
Latenzphase gehen. Diese Phase, die äußerlich<br />
sehr unscheinbar wirkt, ist aber für<br />
den Prozess von größter Bedeutung. So die<br />
Zeit vor dem Aufbruch der Pubertät oder<br />
die Phase einer Konsolidierung im Anschluss<br />
an die Pubertät. Unser Ältester hat
heuer Abitur gemacht. Die Weichen für<br />
zukünftige berufliche Wege zeichnen sich<br />
ab. Als Eltern spüren wir, wie sich dadurch<br />
das Gefüge unserer fünfköpfigen Familie<br />
verschiebt, wie es sich auf uns Eltern und<br />
die Geschwister auswirkt. Was ist zu bewahren?<br />
Was ist anzupassen? Was wird nie<br />
mehr so sein? Und wohin strebt das Leben?<br />
Die Herausforderungen sind groß.<br />
Fulbert Steffensky sagt: „Eine Gesellschaft<br />
kann sich selber nur deutlich werden,<br />
wenn sie auf Inseln der Deutlichkeit<br />
stößt.“ Die <strong>Hospiz</strong>bewegung muss in ihrem<br />
zweiten Vierteljahrhundert bewei-<br />
sen, ob sie die Kraft hat, in den Spannungen<br />
unserer gesellschaftlichen Entwicklung<br />
nicht nur zu bestehen, sondern die<br />
Versorgung von Schwerkranken und<br />
Sterbenden ganzheitlich weiter zu verbessern.<br />
Die hypothetische Frage, ob sie sich in einigen<br />
Jahrzehnten selbst überflüssig machen<br />
wird, scheint mir zu weit gegriffen.<br />
Wie sagt die Schweizer Philosophin Jeanne<br />
Hersch, die kurz vor ihrem 90. Geburtstag<br />
im Jahr 2000 verstorben ist? „Das Rendezvous<br />
mit der Zeit gelingt nur in der Gegenwart!“<br />
Je schöner und voller die Erinnerung,<br />
desto schwerer ist die Trennung.<br />
Aber die Dankbarkeit verwandelt<br />
die Erinnerung in eine stille Freude.<br />
Man trägt das vergangene Schöne<br />
wie ein kostbares Geschenk in sich.<br />
(Dietrich Bonhoeffer)<br />
31
32<br />
Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben<br />
unter würdigen Bedingungen<br />
Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen<br />
in Deutschland vorgestellt<br />
Die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland hat in<br />
den vergangenen 25 Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Immer noch aber<br />
werden viele Menschen von entsprechenden ambulanten und stationären Angeboten<br />
nicht erreicht; sie leiden unter Schmerzen und anderen belastenden Symptomen,<br />
wären lieber an einem vertrauten Ort und fühlen sich häufig an ihrem Lebensende<br />
alleingelassen.<br />
Die Bedürfnisse schwerstkranker und sterbender Menschen standen im Mittelpunkt<br />
eines zweijährigen Arbeitsprozesses, den die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin<br />
(DGP), der Deutsche <strong>Hospiz</strong>- und PalliativVerband (DHPV) und die<br />
Bundesärztekammer (BÄK) im September 2008 in Gang gesetzt hatten.<br />
„Das Thema Sterben gehört zum Leben, es darf nicht verdrängt oder ausgeklammert<br />
werden, sondern gehört in die Mitte der Gesellschaft“, hob Prof. Dr. Christof<br />
Müller-Busch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, bei der<br />
Vorstellung der Charta in Berlin hervor. „Trotz aller medizinischen Fortschritte und<br />
Aussichten, das Leben länger und besser zu gestalten, müssen wir uns auch vergegenwärtigen,<br />
dass in Deutschland über 800 000 Menschen, das ist ein Prozent<br />
der Bevölkerung, jährlich sterben – und dies unter ganz unterschiedlichen Bedingungen.<br />
Weder in der Gesundheits- noch in der Sozialpolitik, weder bei den<br />
Bildungsausgaben noch in der öffentlichen Kommunikation wird ein Sterben in<br />
Würde, werden Tod und Trauer explizit bzw. angemessen berücksichtigt.“<br />
„Die Charta soll dazu beitragen, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den<br />
Themen Sterben und Sterbebegleitung zu fördern. Sie soll eine grundlegende Orientierung<br />
und ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der Palliativmedizin<br />
sein“, sagte Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer. Es<br />
gehe darum aufzuzeigen, wie eine Palliativversorgung aussehen muss, die sich<br />
nach den tatsächlichen Bedürfnissen unheilbar kranker und sterbender Menschen<br />
richtet. „Wir Ärztinnen und Ärzte setzen uns dafür ein, Schwerstkranken und Sterbenden<br />
ein Sterben unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen und insbesondere<br />
Bestrebungen nach einer Legalisierung der Tötung auf Verlangen eine Perspektive<br />
der Fürsorge und des menschlichen Miteinanders entgegenzusetzen“,<br />
sagte Hoppe.
Dr. Birgit Weihrauch, Vorstandsvorsitzende des Deutschen <strong>Hospiz</strong>- und Palliativ-<br />
Verbandes, betonte:<br />
„Die Charta fordert, die Rechte schwerstkranker und sterbender Menschen und<br />
ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. In einem Gesundheitssystem, das<br />
zunehmend von Wettbewerb und ökonomischen Interessen bestimmt wird, müssen<br />
dazu die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Alle Menschen,<br />
die in dieser letzten Lebensphase einer hospizlich-palliativen Versorgung<br />
bedürfen, müssen Zugang zu ihr erhalten und müssen auf eine umfassende, menschenwürdige<br />
Begleitung und Betreuung vertrauen können, die ihrer individuellen<br />
Situation und ihren Wünschen Rechnung trägt und die auch die Angehörigen einbezieht.<br />
Dazu bedarf es der Anstrengung vieler Beteiligter. Dass so viele verantwortliche<br />
Institutionen aus Gesellschaft und Gesundheitssystem diese Charta mit<br />
erarbeitet haben und ihre Ziele unterstützen, ist dazu ein wichtiger Schritt.“<br />
Die Charta zeigt in fünf Leitsätzen und ergänzenden Erläuterungen gesellschaftspolitische<br />
Herausforderungen auf, benennt Anforderungen an die Versorgungsstrukturen<br />
und die Aus-, Weiter- und Fortbildung, skizziert Entwicklungsperspektiven<br />
für die Forschung und misst den Stand der Betreuung schwerstkranker Menschen<br />
in Deutschland an europäischen Maßstäben.<br />
Drängende Fragen, die in der Charta angesprochen werden, sind insbesondere:<br />
– Was bedeutet Sterben unter würdigen Bedingungen? Wie kann ein schwerstkranker<br />
Mensch sicher sein, dass an seinem Lebensende seine Wünsche und<br />
Werte respektiert und Entscheidungen unter Achtung seines Willens getroffen<br />
werden?<br />
– Kann sich jeder Mensch mit einer lebensbegrenzenden Erkrankung darauf<br />
verlassen, dass ihm bei Bedarf eine umfassende medizinische, pflegerische,<br />
psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung zur Verfügung steht?<br />
Inwieweit werden Angehörige und nahestehende Menschen in die Betreuung<br />
und Begleitung einbezogen?<br />
– Wie werden die unterschiedlichen Professionen dafür qualifiziert, dass sie zwar<br />
eine Krankheit nicht „heilen“, aber Schmerzen und andere belastende Symptome<br />
lindern, den schwerstkranken Menschen pflegen sowie ihn und seine<br />
Familie bestmöglich umsorgen und begleiten können?<br />
– Wie kann gewährleistet werden, dass jeder schwerstkranke und sterbende<br />
Mensch nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse zur Palliativversorgung<br />
behandelt und betreut wird?<br />
33
Schon der erste Blick auf die Fotografien<br />
Albrecht Ohlys warnt einen vor einem<br />
Missverständnis. Wer käme nicht, eben<br />
weil man um den ärztlichen Beruf des Fotografen<br />
weiß, nur allzu gerne mit einem<br />
wohlwollenden, aber eben unüberlegten<br />
Vorverständnis in die Ausstellung – dem<br />
Vorverständnis nämlich, dass der ärztliche<br />
Beruf (wie jeder andere hochprofessionelle,<br />
Leib und Seele beanspruchende Beruf) bei<br />
sensibleren Gemütern nach einem kreativen<br />
Ausgleich verlangt, nach einer musischen<br />
Beschäftigung am Feierabend. So gesehen<br />
wären Albrecht Ohlys Bilder vor<br />
allem Ausdruck eines Bedürfnisses nach<br />
Kompensation, wohin sich der gestresste<br />
Arzt, Tag für Tag, okkupiert von dem Leid<br />
und der Krankheit seiner Patienten, in seinen<br />
freien Stunden zur seelischen Erholung<br />
und Ablenkung flüchtet.<br />
Ein solch befreiendes Gegengewicht mag<br />
Albrecht Ohly bei seinen fotografischen Exkursen<br />
gesucht und auch gefunden haben.<br />
Doch daraus folgt nicht, dass seine Fotografien<br />
sich von seiner ärztlichen Tätigkeit und<br />
der mit ihr verknüpften menschlichen Haltung<br />
vollkommen gelöst hätten. Im Gegenteil:<br />
Man tut den Bildern keine Gewalt an,<br />
wenn man in ihnen den Blick und die gedankenreiche<br />
Tiefe entdeckt, die auch Albrecht<br />
Ohlys ärztliche Haltung geprägt haben<br />
– soweit man dies als jemand sagen<br />
kann, der ihn ebenso gut gekannt hat, wie<br />
er nie sein Patient gewesen ist.<br />
Das, was alle seine Bilder quer durch alle<br />
ihre Themen vor allem anderen vermitteln,<br />
34<br />
Ansichten – Fotografien von Dr. Albrecht Ohly<br />
Von Dr. Andreas Zielke<br />
ist der Eindruck einer großen Ruhe, bei<br />
gleichzeitiger enormer Vorsicht. Mit souveräner<br />
Direktheit nähert sich der Fotograf<br />
seinen Gegenständen und bleibt gleichwohl<br />
respektvoll auf Distanz. Nur der kann<br />
sich seinen Objekten so sicher nähern, der<br />
einen ausgeprägten Sinn dafür hat, ihnen<br />
nicht zu nahe zu treten. Albrecht Ohly ist<br />
der Meister der Verbindung von künstlerischer<br />
Neugier mit bildlicher Diskretion.<br />
Stets herrscht auf seinen Bildern ernster<br />
Respekt vor der Eigenaussage der Objekte.<br />
Die Bilder sind unaufgeregt, sie sind nicht<br />
dramatisch ausgeleuchtet, sie trachten<br />
nicht - selbst bei den Blumenbildern –<br />
nach künstlicher Betonung der natürlichen<br />
Schönheit. Sie trauen ihren Gegenständen<br />
ihr eigenes Recht auf Ausdruck und Gestalt<br />
zu. Auch die Aegineten-Skulpturen in der<br />
Münchner Glyptothek, die man als Foto-<br />
Aegineten (Glyptothek) 1985<br />
graf leicht als grandiose Feier der frühklassischen<br />
Körperästhetik oder aber auch als
filmische Verklärung von Heroik, Kampf<br />
und Tod inszenieren kann, hat Albrecht<br />
Ohly als unspektakuläre, aber ungemein<br />
ergreifende Stille der sterbenden Krieger erfasst.<br />
Es ist kein Zufall, dass seine Bilder ohne<br />
Ausnahme in Schwarz-Weiß aufgenommen<br />
sind. Wird den Gegenständen die Farbe<br />
entzogen, zwingt dies den sorgfältig arbeitenden<br />
Fotografen dazu, ganz besonders<br />
auf den Nuancenreichtum der Schattierungen<br />
und Grautöne zu setzen. Aber es ist<br />
mehr als das, es ist ein Paradox: Obwohl<br />
doch die fehlende Farbe die Gegenstände<br />
gewissermaßen unwirklich macht, wirken<br />
die Bilder realistischer. Sie erlauben es ihren<br />
Gegenständen, dem Betrachter sozusagen<br />
ungeschminkt gegenüberzutreten.<br />
Man kann es auch so formulieren: Farbe<br />
unterstreicht die subjektive Aneignung der<br />
Bildgegenstände, Schwarz-Weiß belässt ihnen<br />
ihre Fremdheit. Und damit ist man<br />
schon bei einer philosophischen Position:<br />
Der Schleier der Fremdheit ist der Außenwelt,<br />
den unbelebten und den belebten Gegenständen<br />
nie gänzlich zu nehmen. Nicht<br />
nur jedes menschliche Gegenüber, sondern<br />
jeder scheinbar noch so triviale Gegenstand<br />
behält einen gewissen Grad von Undurchdringlichkeit.<br />
Das muss man durchaus<br />
nicht als Hindernis sehen, und Albrecht<br />
Ohly hat es, dürfen wir annehmen, auch<br />
nicht so gesehen. Umgekehrt, die Achtung<br />
der Fremdheit ist die Basis der Eigenwürde<br />
und Autonomie des Gegenübers.<br />
So nähern wir uns dem Zusammenhang<br />
zwischen der fotografischen und der ärztlichen<br />
Grundhaltung Albrecht Ohlys. In der<br />
Tat, eine Prämisse scheint für sämtliche Bil-<br />
der von Albrecht Ohly gültig zu sein: Er<br />
will nicht den Regisseur seiner Gegenstände<br />
geben, er will diese nach ihrer eigenen<br />
Façon sprechen lassen, soweit dies irgend<br />
möglich ist. Gibt das nicht gleichzeitig die<br />
Grundbedingung eines gelungenen Arzt-<br />
Patienten-Verhältnisses wieder? Gerade im<br />
Endstadium eines Lebens, gerade dann,<br />
wenn dem Patienten bereits die Sinne<br />
schwinden und die Stimme versagt – muss<br />
der Arzt dann nicht erst recht auf dessen<br />
wortlose Sprache hören und sich allein<br />
nach deren Inhalt richten?<br />
Natürlich sind die Blumenbilder von Albrecht<br />
Ohly geschickt arrangiert, die Kontraste<br />
fein gesetzt, die Beleuchtung ist raffiniert<br />
unaufdringlich, die wunderschöne<br />
Geometrie der Dahlien nicht dem Zufall<br />
überlassen. Und ebenso natürlich ist der<br />
wiederholte Blick von Murnau aus nach Süden<br />
über das weite Moos bis zu den Köchel-<br />
Hügeln und schließlich zum Estergebirge,<br />
mit dem er durch alle Jahreszeiten hindurch<br />
seine geographische Sehnsuchts- und Wahlheimat<br />
festgehalten hat, zunächst einmal typisch<br />
für ihn selbst. Und erst recht sind seine<br />
Aufnahmen von Christo und dessen<br />
Performance in der Galerie Art in Progress<br />
auch Ausdruck seiner Bewunderung für<br />
diesen großartigen Verhüllungskünstler.<br />
Trotzdem stehen diese Beispiele zugleich<br />
für Albrecht Ohlys Anerkennung des Vorrangs<br />
des Objekts. Seine Bilder sind Exerzitien<br />
des selbstlosen Hinschauens, der Hellhörigkeit<br />
und der sensiblen Wahrnehmung<br />
dessen, was die Dinge und Menschen selbst<br />
zu sagen haben. Um die Metapher auf die<br />
Spitze zu treiben: Er lässt den Landschaften,<br />
Blumen, Krankenbetten oder den antiken<br />
Skulpturenteilen der Aegineten ihren<br />
35
ästhetischen Willen, als ob sie ihm eine<br />
Verfügung ausgehändigt hätten für den Fall<br />
ihrer Sprachlosigkeit wie Patienten ihre Patientenverfügung.<br />
Wir alle kennen sein passioniertes Engagement<br />
für die bedingungslose Beachtung des<br />
Patientenwillens. Passen in diese Analogie<br />
tatsächlich auch seine Aufnahmen von<br />
Christos Performance? Ja, das tun sie. Mit<br />
den Aktionen, in denen Christo seine Objekte<br />
verhüllt, stellt er ja deren undurchschaubare<br />
Fremdheit wieder her, indem er<br />
ihnen ihre Existenz jenseits des zudringlichen<br />
oder auf Dauer abgestumpften Alltagsblicks<br />
zurückgibt. Mit dem Ergebnis allerdings,<br />
dass bei Christo das Objekt<br />
zunächst einmal gänzlich verschwindet. So<br />
gesehen ist er geradezu der Gegenpol zu Albrecht<br />
Ohlys genauem Hinschauen. Aber<br />
das Objekt verschwindet bei Christo immer<br />
nur temporär. Nach seinem Wiederauftauchen,<br />
nach der Wegnahme des Schleiers, se-<br />
36<br />
hen wir es anders, als ob es nicht mehr ganz<br />
so banal vertraut, nicht mehr ganz so entseelt<br />
ist wie vorher. Es hat seine Autonomie,<br />
sein Eigenleben zurückerobert.<br />
Dass Christos Verhüllungen Albrecht Ohly<br />
noch aus einem zweiten Grund faszinieren,<br />
streifen wir hier nur, obwohl es in eine tiefe<br />
Nachdenklichkeit von ihm führt: die Beschäftigung<br />
mit der Zeitlichkeit und Endlichkeit<br />
jedes Objekts, mit dem Verfall, mit<br />
dem Verschwinden. Jeden, der Christos<br />
verhüllte Räume, zumal Innenräume wie<br />
hier in der Galerie Art in Progress sieht, erinnern<br />
sie an zugehängtes Mobiliar in Häusern,<br />
die von ihren Bewohnern aufgeben<br />
wurden, wenn sie nicht eben gestorben<br />
sind. Die Verschleierung kündet auch vom<br />
endgültigen Abschluss, vom Ende der einstigen<br />
Lebendigkeit des Objekts, vom Tod.<br />
Dass ein Fotograf, der eine intensivmedizinische<br />
Abteilung leitet oder später verantwortlich<br />
im <strong>Hospiz</strong> mitarbeitet, sich mit<br />
dem Tod und dem Sterben beschäftigt, ist<br />
kein Wunder. Doch ganz so direkt und<br />
gradlinig scheinen mir die Motive Albrecht<br />
Ohlys, dieses Thema auch bildnerisch nach<br />
vorne zu rücken, nicht zu sein. Es ist wohl<br />
nicht die Vergänglichkeit und Sterblichkeit<br />
selbst, die ihn wie die meisten von uns beschäftigt,<br />
es ist vielmehr der Umgang mit<br />
der Hinfälligkeit und letztlich der Sterblichkeit<br />
von Dritten, die ihn als Arzt und<br />
als Lichtbildner so stark geprägt haben.<br />
Denn im Unterschied zum allgemeinmenschlichen<br />
Bewusstsein der eigenen<br />
Sterblichkeit besteht ja die Besonderheit<br />
seines ärztlichen Berufsalltags darin, sich in<br />
einer asymmetrischen Situation bewähren<br />
zu müssen. Nicht er selbst, sondern sein Pa-
tient ist in so vielen Fällen dem Ende nahe.<br />
In einem seiner wunderbaren Bücher mit<br />
dem Titel „Geschichte eines Landarztes“<br />
hat der britische Autor John Berger diese<br />
ungleichgewichtige Beziehung eines Arztes<br />
zu seinem notleidenden Patienten beschrieben.<br />
Die Herausforderung an den Arzt geht<br />
über den rein medizinischen Aspekt hinaus,<br />
er muss die seelische, ja existentielle<br />
Notlage seines Patienten nachvollziehen,<br />
kann und darf aber weder seine eigene unvermeidliche<br />
Souveränität als helfender<br />
Herr der Lage ausnutzen noch verdrängen.<br />
Zwar steht der Arzt, der um seine eigene<br />
Sterblichkeit weiß, menschlich auf der Stufe<br />
seines Patienten. Das ermöglicht ihm die<br />
Einfühlung in das Unausweichliche. Doch<br />
er muss zugleich auch den Retter, den weißen<br />
Ritter, den Helden in letzter Not gegenüber<br />
dem geben, der ihm zur Gänze<br />
ausgeliefert ist und alle seine verbleibende<br />
Hoffnung auf ihn richtet. Er muss, mit anderen<br />
Worten, zwei völlig gegensätzliche, ja<br />
eigentlich unverträgliche Haltungen zugleich<br />
einnehmen, Haltungen zumal, die es<br />
wahrlich an Intensität in sich haben.<br />
Wir müssen diesen Punkt nicht weiter verfolgen,<br />
um dennoch zu erkennen, warum<br />
Albrecht Ohlys Bilder bei aller Ruhe und<br />
Ausgewogenheit, die sie ausstrahlen, den<br />
Betrachter so sehr in ihren Bann ziehen. Als<br />
Fotograf der Krankenzimmer, des heimatlichen<br />
Landschaftspanoramas, der Dolomiten<br />
oder der Porträts ist er unverkennbar<br />
stets sowohl der selbstsichere Gestalter des<br />
ästhetischen Arrangements, der subtilen<br />
Lichtregie und Komposition als auch der<br />
demütige Betrachter von Existenzen, die<br />
man so zu würdigen hat, wie es ihnen aus<br />
eigenem Recht nun mal zukommt.<br />
Das alles mag angesichts der klaren Schönheit<br />
der Bilder dann doch ein wenig zu gedankenschwer,<br />
zu kopflastig wirken. Und<br />
tatsächlich, schaut man sich etwa die Serie<br />
der Mutter-Tochter-Bilder an, dann kann<br />
man allein über die sichtbargemachten<br />
Generationsunterschiede, über die familiäre<br />
Nähe trotz des Abgrunds der trennenden<br />
Jahre, über die räumlichen Hintergründe,<br />
die so außerordentlich viel<br />
Geschichte in die Bilder hereinholen, über<br />
all dies kann man staunen und mit großem<br />
Genuss Gedanken und eigene Erinnerungen<br />
wandern lassen, ohne sich diese Gedanken<br />
verdunkeln zu lassen. Und was für<br />
die Mütter und ihre Töchter gilt, gilt ebenso<br />
für die Berge und Täler Südtirols und<br />
für alle anderen Bilder auch. Am Ende<br />
bleibt es dabei: mag das Leben sein, wie es<br />
will, die Kunst ist heiter.<br />
S. 36: Christo-Bild<br />
unten: Eröffnung der Bilderausstellung<br />
im Beisein seiner Frau<br />
Fotos der Ausstellung von: Constanze Wild<br />
37
oben: Das Auge (Glyptothek) 1985; unten: Calla dunkel 1991<br />
38
oben: Drei Zinnen 2006; unten: Murnauer Moos 2001<br />
39
oben: Blumen der Kranken 1984–85; unten: Mütter und Töchter 2004<br />
40
Aus dem <strong>Verein</strong><br />
Was für ein bemerkenswertes Jahr – dieses<br />
Jahr 2010! Viele Energien unseres Vorstands,<br />
unserer Mitarbeiter, aber auch einiger<br />
<strong>Hospiz</strong>helfer flossen in die Gestaltung<br />
unseres Jubiläumsjahres mit einigen ganz<br />
besonderen Veranstaltungen.<br />
Der erste große Höhepunkt war unser Jubiläumsfest<br />
im Künstlerhaus. Wir planten<br />
einen lockeren, aber festlichen Rahmen für<br />
Sie alle, unsere Mitglieder, unsere Spender<br />
und Stifter, aber natürlich auch für unsere<br />
ehrenamtlich und hauptamtlich arbeitenden<br />
Kolleginnen und Kollegen. Das<br />
Künstlerhaus als Stiftung bot uns nicht<br />
nur ein sehr stimmungsvolles Ambiente –<br />
als Stiftungskollegen bekamen wir es auch<br />
zu einem günstigen Preis. Der Gedanke,<br />
ein Fest für Alle zu veranstalten, erwies<br />
sich allerdings letztlich als gar nicht so<br />
klug, weil wir sehr viel mehr Anmeldungen,<br />
nämlich über 400 mehr, für das Fest<br />
bekamen als wir je im Künstlerhaus unterbringen<br />
hätten können. Nun hatten wir<br />
plötzlich ein dickes Problem. Wer unsere<br />
schöne Stadt kennt, der weiß auch, dass es<br />
keine kurzfristigen Möglichkeiten gibt,<br />
größere (welche?) Örtlichkeiten in zentraler<br />
Lage zu bekommen. Als einzige einigermaßen<br />
gerechte Lösung schien uns, per<br />
Zufallsentscheidung vielen Menschen<br />
schriftlich abzusagen mit dem Versprechen,<br />
dass wir uns um ein zweites Fest bemühen,<br />
zu dem sie erneut einge<strong>laden</strong><br />
werden. Natürlich gab es nicht nur Verständnis<br />
für eine solche Maßnahme und<br />
wir entschuldigen uns noch einmal sehr<br />
herzlich bei all den Menschen, die diese<br />
Absage bekommen haben. Die einzige<br />
Rechtfertigung für unsere Fehlplanung ist,<br />
dass wir nach bisherigen Erfahrungen nie<br />
mehr als 400 Anmeldungen für Feste bekamen.<br />
Nach diesem Fest-Schrecken begannen bereits<br />
die nächsten Veranstaltungsreihen –<br />
gut und in den erwarteten Bahnen. Im<br />
Filmmuseum hatten wir bei den bisherigen<br />
zwei Veranstaltungen trotz eines<br />
fantastischen Spätsommerwetters und der<br />
Tatsache, dass die Termine sonntags sind,<br />
eine zufrieden stellende Besucherzahl; bei<br />
der Eröffnung der gemeinsam konzipierten<br />
Ringvorlesung (für alle Interessierten<br />
zugänglich) in der Katholischen Stiftungsfachhochschule<br />
war die Aula voller junger<br />
Menschen, die die zu hörenden und zu sehenden<br />
Themen rund um das Sterben im<br />
Rahmen ihrer Vorlesungen zusammen mit<br />
ihren Dozenten weiter bearbeiten. Bei einem<br />
anschließenden kleinen Empfang in<br />
der Mensa habe ich noch viele, durchaus<br />
kontrovers diskutierende Menschen erlebt.<br />
Das ist es, was wir mit solchen Veranstaltungen<br />
erreichen möchten: Anstoßen, berühren,<br />
aufrütteln und „unser“ Thema in<br />
eine weitere Öffentlichkeit bringen.<br />
Nicht nur im Jubiläumsjahr, sondern in jedem<br />
Jahr ist eine unabhängige Kassenprüfung<br />
ein Muss vor der Mitgliederversammlung.<br />
Viele Jahre schon prüft Mia Springer,<br />
die Vorsitzende der Dr. Ruth Dausch-Stiftung,<br />
ehrenamtlich unsere Kasse; seit drei<br />
Jahren zusammen mit Frau Muschkiet. Sie<br />
attestierten uns „sehr ordentlich geführte<br />
Ordner, innen wie außen, eine Augenweide“,<br />
konnten keine Fehlbuchung oder andere<br />
Fehler entdecken und freuen sich auf<br />
die Kassenprüfung 2011. Meine Kollegin-<br />
41
nen in der Verwaltung freuen sich, dass<br />
durch so ein Lob ihre Hintergrundarbeit<br />
auch öffentlich anerkannt und gewürdigt<br />
wird und strengen sich natürlich wieder<br />
an, damit diese positive Bewertung auch in<br />
den nächsten Jahren getroffen werden<br />
kann.<br />
Abschiednehmen ist etwas, was Sie und ich<br />
täglich im Kleinen oder Größeren erleben<br />
und bewältigen müssen. Der Abschied von<br />
Christel Orth, einer <strong>Hospiz</strong>frau der ersten<br />
Stunde, die ab Oktober in ihren Ruhestand<br />
geht, ist für uns alle ein größerer. Es gelang<br />
ihr während der vergangenen 20 Jahre, landes-<br />
und bundesweit dafür zu sorgen, dass<br />
die <strong>Hospiz</strong>idee, die Ausbildung unserer ehrenamtlicher<br />
<strong>Hospiz</strong>helferinnen und -helfer<br />
und auch die Implementierung der<br />
<strong>Hospiz</strong>arbeit in Alten- und Pflegeheimen<br />
immer eng mit dem Namen unseres <strong>Verein</strong>s<br />
verbunden wurde. Viele neu gegründete<br />
<strong>Hospiz</strong>vereine unterstützte sie mit der<br />
Ausbildung deren Ehrenamtlicher in einer<br />
Aufbauphase und auch danach. Zusam-<br />
42<br />
men mit dem Evangelischen Bildungswerk<br />
organisierte und konzipierte sie viele Jahre<br />
interessante und viel beachtete Vortragsreihen.<br />
In diesem Zusammenhang danken<br />
wir auch der Evangelischen Landeskirche,<br />
die uns dabei mit einem Personalkostenzuschuss<br />
unterstützte. Eine Kooperation mit<br />
dem Caritas-Verband in einem <strong>Hospiz</strong>-<br />
Projekt begleitete sie sowohl als Referentin<br />
als auch als Mitglied der Steuerungsgruppe.<br />
Und im Beirat der Robert Bosch Stiftung<br />
arbeitete sie an der Umsetzung des Projekts<br />
„Palliative Praxis – Projekte für alte Menschen“<br />
mit. Wir alle im CHV, unsere Mitarbeiter,<br />
unser Vorstand, unsere Ehrenamtlichen<br />
und ich sagen ihr ein ganz großes<br />
Dankeschön für ihre Freude, ihre Kraft, ihr<br />
Wissen und ihre ganz persönliche Leidenschaft,<br />
mit der sie ihr umfangreiches Arbeitsfeld<br />
gestaltete und ausfüllte. Und ich<br />
bin sicher, diesen Dank darf ich auch im<br />
Namen von Ihnen allen, die sie unserem<br />
<strong>Verein</strong> treu verbunden sind, weitergeben.<br />
Ihre Angelika Westrich<br />
Herr „Pfleiderer“, alias Jürgen Wälde, ließ es sich zusammen mit Brigitte Hirsch nicht nehmen,<br />
in seiner bekannt humorvollen Art, Christel Orth zu verabschieden. Foto: Inge Scheller
Foto: Inge Scheller<br />
Unsere Geschäftsführerin, Frau Angelika Westrich hat am 11.10.2010 von Frau Staatsministerin<br />
Christine Haderthauer, MdL, im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit<br />
und Sozialordnung, Familie und Frauen, im Namen des Herrn Bundespräsidenten das<br />
Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland<br />
verliehen bekommen.<br />
Aus der Ansprache von Frau Staatsministerin Christine Haderthauer:<br />
Sehr geehrte Frau Westrich,<br />
seit vielen Jahren setzen Sie sich in beeindruckender Weise für das<br />
Gemeinwohl ein und haben sich große Verdienste erworben.<br />
Seit dem Jahre 1995 sind Sie als Geschäftsführerin des <strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong><br />
<strong>Verein</strong>s tätig und haben die <strong>Hospiz</strong>arbeit und ihre Entwicklung nicht nur<br />
auf regionaler Ebene, sondern auch auf Landes- und Bundesebene entscheidend<br />
geprägt. Es ist Ihnen gelungen, den <strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong> <strong>Verein</strong> von<br />
der vorwiegend ehrenamtlichen Arbeit zu einer umfassenden, professionellen<br />
Einrichtung zu entwickeln.<br />
Sehr geehrte Frau Westrich, Sie setzen Ihre fachlichen, beruflichen und<br />
menschlichen Qualitäten auf das Vielfältigste für das Gemeinwohl ein.<br />
Für dieses Engagement hat Ihnen der Herr Bundespräsident das<br />
Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland<br />
verliehen.<br />
Herzlichen Glückwunsch!<br />
43
Stifterkreis<br />
Stiften für <strong>Hospiz</strong> – warum machen Menschen<br />
das? Im Verlauf dieses Jahres sind<br />
mir einige Menschen begegnet, die auf<br />
dem Weg waren, eine Stiftung für das<br />
<strong>Hospiz</strong> in ihrem Landkreis, ihrer Stadt zu<br />
gründen und wenn ich sie gefragt habe,<br />
warum sie sich für eine <strong>Hospiz</strong>stiftung entschieden<br />
haben, bekam ich immer ähnliche<br />
Antworten:<br />
Die große und beständige Hilfe und Unterstützung,<br />
die sie als Angehörige dort gefunden<br />
haben und die sie in keiner anderen<br />
Einrichtung oder einer ambulanten<br />
Betreuung durch den Arzt und die Pflegedienste<br />
bekommen hätten, die tiefe,<br />
menschliche Achtung und das Gefühl,<br />
endlich nicht mehr alleine gelassen zu werden<br />
mit all ihren Fragen, der Angst und<br />
der Trauer, die aufkommt, wenn man einen<br />
lieben Menschen verliert. Aber auch<br />
Antworten wie: Für Kinder und Tiere finden<br />
sich häufiger Stifter, weil das Leid augenscheinlicher<br />
und, solange man mit dem<br />
Sterben noch nicht unmittelbar konfrontiert<br />
ist, auch berührender ist. Der Hilfeimpuls<br />
funktioniert unmittelbar.<br />
Schwerstkranke und sterbende Menschen<br />
haben keine Lobby. Ihre Angehörigen haben<br />
genug damit zu tun, die Monate,<br />
Wochen und Tage durchzustehen, um<br />
sich auf einen unwiederbringlichen Abschied<br />
vorzubereiten. Es kostet sie sehr<br />
viel Kraft, die ihnen andererseits fehlt,<br />
um auch noch an die Öffentlichkeit zu<br />
gehen, um eine gute Beratung oder Versorgung<br />
einzufordern. Die Angst, dass<br />
man letztlich damit dem kranken Menschen<br />
schade, der „es“ ausbaden müsse,<br />
lässt sie schweigsam bleiben.<br />
44<br />
Umso wichtiger ist es, dass wir <strong>Hospiz</strong>ler<br />
immer wieder die Öffentlichkeit suchen,<br />
aufklären, für wen und für was wir da sind<br />
und auch sein wollen. Öffentlichkeitsarbeit<br />
ist, neben unserer originären Profession,<br />
ein wichtiger Punkt für uns. Nicht,<br />
weil wir uns für wichtig halten, sondern<br />
weil es wichtig ist, dass möglichst viele<br />
Menschen über <strong>Hospiz</strong>angebote informiert<br />
sind. Die Lien-Stiftung in Singapur<br />
hat eine Studie erstellt, die die hospizliche<br />
und palliative Versorgung in zahlreichen<br />
Ländern verglichen hat. Großbritannien,<br />
wo die <strong>Hospiz</strong>bewegung bereits in den 60er<br />
Jahren des letzten Jahrhunderts begann,<br />
ist Spitzenreiter, aber Deutschland ist<br />
immerhin schon an achter Stelle. Eine<br />
Kernaussage der Studie ist, dass ein hoher<br />
medizinischer Standard nicht unbedingt<br />
mit einer besseren Versorgung Sterbender<br />
zusammenhängt.<br />
Wir sind sehr froh und auch dankbar, dass<br />
unser Stifterkreis in diesem Jahr eine<br />
nächste Stiftung für unsere Arbeit bekommen<br />
hat. Auf diese Weise können wir das<br />
erhalten und sichern, was als Bürgerbewegung<br />
begann und die Verbreitung der<br />
<strong>Hospiz</strong>arbeit „angestiftet“ hat, nämlich ein<br />
permanentes Engagement von Bürgern für<br />
Bürger, die dadurch ihre Solidarität mit<br />
schwerkranken Menschen beweisen und<br />
ihnen das Versprechen geben, sie nicht<br />
alleine zu lassen.<br />
Ihre Angelika Westrich
Kurznachrichten<br />
Zweiklassenfriedhof<br />
Die Zahl der Sozialbegräbnisse und ordnungsbehördlichen<br />
Beisetzungen steigen<br />
auf Grund der demographischen Entwicklung<br />
und zunehmender Armut stetig an.<br />
Der Gedanke an die hohen Kosten einer<br />
Bestattung schreckt viele Menschen ab,<br />
weshalb nicht wenige sich für die preisgünstigste<br />
Variante entscheiden: eine anonyme<br />
Feuerbestattung. Dies hat verheerende<br />
Folgen für die Trauer- und<br />
Erinnerungskultur in Deutschland. Gemeinschaftliche<br />
Grabanlagen oder Ruhegemeinschaften<br />
wie auch Memoriam<br />
Gärten stellen Alternativen dar, die Trauer<br />
und Erinnerung einen Ort geben.<br />
Die Trauer und der Tod<br />
Psychische Faktoren beeinflussen den Verlauf<br />
von Erkrankungen. Peter Henningsen,<br />
Leiter der Abteilung für Psychosomatik<br />
der TU München, weist auf die<br />
Verknüpfung von Depression und Herztod<br />
hin. Tod durch Hoffnungslosigkeit<br />
oder negative Erwartungen stellt eine<br />
Steigerung dieses Zusammenhangs dar.<br />
Trauer kann den Gesundheitszustand eines<br />
bereits schwer kranken Menschen deutlich<br />
verschlechtern. Aber auch die Erwartung<br />
eines eintretenden Unglücks, wie des baldigen<br />
Todes nach der Diagnose eines<br />
Krebsleidens, kann den tragischen Verlauf<br />
einer Krankheit beschleunigen.<br />
Die Gefahr eines Herzinfarktes wird von<br />
Depressionen und negativen Gefühlen bei<br />
allen Menschen ebenso erhöht wie durch<br />
Bluthochdruck, bestätigt Karl-Heinz<br />
Ladwig von TU München und Helmholtz-Zentrum.<br />
„Sterbequalität“ in Großbritannien am<br />
höchsten<br />
Die Marktforschungsgruppe Economist<br />
Intelligence veröffentlichte eine Studie<br />
über die Qualität von „end of life“ Services<br />
in über 40 Ländern. Großbritannien belegt<br />
den ersten Rang, was an der hohen<br />
Servicequalität der Begleitung am Lebensende,<br />
dem Zugang zu Schmerzmitteln und<br />
der großen Transparenz des Arzt-Patientenverhältnisses<br />
liegt. Die britisch geprägten<br />
Länder Neuseeland und Irland liegen<br />
auf den Rängen zwei und drei. Deutschland<br />
liegt im oberen Mittelfeld auf Rang<br />
sieben, Frankreich folgt auf dem elften<br />
Platz. Die Schweiz liegt bereits auf dem 18.<br />
Rang, Italien (23), Griechenland (28),<br />
Portugal (30) und die Türkei (33) sind<br />
weiter abgeschlagen.<br />
Weiter stellt die Studie fest, dass häufig<br />
kulturelle Tabus und widerstreitende Auffassungen<br />
der Entwicklung einer Palliativkultur<br />
entgegenstehen. So ist es beispielsweise<br />
in China schwer möglich, vom<br />
Tod zu sprechen, in der westlichen Welt<br />
wurde der Tod stark „medizinisiert“, in<br />
den USA kommen immer wieder religiös<br />
geprägte Diskussionen auf. Geschätzte<br />
fünf Milliarden Menschen, so die Studie,<br />
haben keinen Zugang zu Schmerzmitteln<br />
und Schmerzkontrolle, den wichtigsten<br />
Faktoren einer angemessenen Sterbebegleitung.<br />
45
Termine<br />
Aufbauseminare für <strong>Hospiz</strong>helferinnen und <strong>Hospiz</strong>helfer<br />
Der <strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong> <strong>Verein</strong> e.V. widmet sich als gemeinnütziger, überkonfessioneller<br />
<strong>Verein</strong> seit 25 Jahren der Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen<br />
und deren Angehörigen.<br />
Etwa 150 <strong>Hospiz</strong>helferinnen und <strong>Hospiz</strong>helfer unterstützen derzeit diese Arbeit durch<br />
ihr ehrenamtliches Engagement.<br />
In Aufbauseminaren werden sie auf ihren Einsatz vorbereitet. Aufbauseminare haben neben<br />
dem Besuch eines Grundseminars ein Aufnahmegespräch zur Voraussetzung.<br />
Ein Praktikum ergänzt die 70 Unterrichtseinheiten des Seminars.<br />
Die Aufbauseminare werden nicht öffentlich ausgeschrieben.<br />
Weitere Auskunft erteilt Frau Hantelmann.<br />
Weitere Angebote<br />
– Führungen im <strong>Christophorus</strong>-Haus<br />
– Themenbezogene Vorträge<br />
– Informationsveranstaltungen und Seminare für Fachkräfte z.B. der Kranken- und<br />
Altenpflege oder der Sozialen Arbeit<br />
Nähere Angaben hierzu entnehmen Sie bitte unserem Faltblatt:<br />
Veranstaltungen im <strong>Christophorus</strong>-Haus 2011<br />
Fortbildungen für Fachkräfte im Bereich von Palliative Care und <strong>Hospiz</strong>arbeit bietet<br />
auch die <strong>Christophorus</strong> Akademie für Palliativmedizin, Palliativpflege und <strong>Hospiz</strong>arbeit<br />
am Klinikum Großhadern an.<br />
Information und Programm erhalten Sie unter der<br />
Tel.-Nr. 089/ 7095 7930 oder www.izp-muenchen.de<br />
Das Grundseminar zur <strong>Hospiz</strong>idee steht allen Interessierten offen. Es ist das erste von<br />
zwei Modulen zur Qualifizierung als <strong>Hospiz</strong>helfer / <strong>Hospiz</strong>helferin und führt in die<br />
Grundlagen der <strong>Hospiz</strong>arbeit ein.<br />
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Abend-Seminare<br />
Jeweils 6 Montagabende<br />
Frühjahr<br />
14.02. bis 28.03.2011 (außer Rosenmontag)<br />
19:00 bis 21:30 Uhr<br />
Herbst<br />
07.11. bis 12.12.2011<br />
18:30 bis 21:00 Uhr<br />
Wochenend-Seminare<br />
Samstag 10:00 – 18:00 Uhr und<br />
Sonntag 10:00 – 17:00 Uhr.<br />
WS 1 26./27. März 2011<br />
WS 2 07./08. Mai 2011<br />
WS 3 16./17. Juli 2011<br />
WS 4 29./30. Oktober 2011<br />
Ort: <strong>Christophorus</strong>-Haus<br />
Effnerstr. 93, 81925 München<br />
Kosten: € 60,– (CHV-Mitglieder € 50,–)<br />
Eine schriftliche Anmeldung ist erforderlich.<br />
Inhalte<br />
• Die <strong>Hospiz</strong>idee und ihre Umsetzung<br />
• Berichte aus der Praxis der <strong>Hospiz</strong>- und Palliativbetreuung<br />
• Kommunikation mit Sterbenden und deren Angehörigen<br />
• Die eigene Einstellung zu Sterben und Tod<br />
• Seelsorge im Umfeld von Sterben und Tod<br />
• Was ist Trauer? Was kann trösten?<br />
• Möglichkeiten ehrenamtlicher Mitarbeit<br />
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Organisatorisches<br />
Mit Eingang Ihres Anmeldescheins ist Ihre Anmeldung verbindlich.<br />
Sie erhalten eine Anmeldebestätigung.<br />
Bei Rücktritt bis drei Wochen vor Kursbeginn werden Ihnen die<br />
Gebühren abzüglich € 10,– erstattet.<br />
Bei späterer Absage wird die Seminargebühr in voller Höhe fällig.<br />
Kann der Platz anderweitig vergeben werden, beträgt die Bearbeitungsgebühr € 15,–.<br />
Die Absage bedarf der Schriftform.<br />
Ansprechpartnerin:<br />
Jutta Hantelmann<br />
Tel.: 089/ 130787-81 (Fax: -33)<br />
E-Mail: hantelmann@chv.org<br />
48<br />
Impressum<br />
CHV aktuell erscheint zweimal jährlich und wird herausgegeben vom<br />
<strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong> <strong>Verein</strong> e.V., München.<br />
Redaktion: Irene Braun, Julia Hagmeyer, Uve Hirsch, Helmut Nadler, Inge Scheller (v.i.S.d.P.),<br />
Angelika Westrich, Christiane Wimmer und Brigitte Wummel<br />
Layout und Herstellung: Helmut Nadler<br />
Anzeigenleitung: Helga Ostermeier Tel. (08441) 80 57 37, 0160-580 67 98<br />
Die nächste Ausgabe von CHV aktuell ist für Mai 2011 vorgesehen.<br />
Geplanter Schwerpunkt: „ Tot - Was nun? Trauerkultur “<br />
Redaktionsschluss: 15. April 2011<br />
<strong>Christophorus</strong> <strong>Hospiz</strong> <strong>Verein</strong> e.V., Effnerstraße 93, 81925 München,<br />
Tel.( 089) 13 07 87-0, Fax 13 07 87-13; www.chv.org; info@chv.org<br />
Bürozeiten: Montag bis Freitag von 9:00 bis 16:30 Uhr<br />
Sozialbank München, Konto Nr. 98 555 00, BLZ 700 205 00<br />
Commerzbank München, Konto Nr. 42 42 111, BLZ 700 400 41<br />
HOSPIZ
Knobloch Hartmut<br />
- Rechtsanwalt -<br />
Daiserstraße 51<br />
81371 München<br />
Telefon + 49 - (0) 89 / 725 01 42<br />
Fax + 49 - (0) 89 / 725 63 01<br />
hartmut.knobloch@t-online.de<br />
- Erbrecht -<br />
- Testamentsgestaltung -<br />
- Patientenverfügung -<br />
- Vorsorgevollmachten -<br />
- Nachlassabwicklung -<br />
- Testamentsvollstreckung -<br />
- Immobilien- und Mietrecht -