Im Sinkflug - GEW
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12<br />
Berufliche Bildung<br />
„Den<br />
Versprechungen<br />
der Regierung<br />
stehen die<br />
Realität des<br />
Arbeitsmarkts und<br />
die Konstruktion<br />
des SGB II<br />
entgegen.“<br />
SGB II<br />
Kompetenzwirrwarr<br />
und Reibungsverluste<br />
Ausschlaggebend für den Einsatz<br />
der SGB II-Instrumente darf<br />
nicht die schnelle Bereinigung<br />
der Arbeitslosenstatistik sein,<br />
sondern die Verbesserung langfristiger<br />
Integrationschancen –<br />
vor allem von Jugendlichen.<br />
Bessere Förderung ehemaliger<br />
Sozialhilfeempfänger<br />
durch den Zugang zu den<br />
arbeitsmarktpolitischen Leistungen<br />
des SGB III – mit diesem<br />
Bonbon versuchten die Verfechter<br />
von Hartz IV, allen voran Bundeswirtschaftsminister<br />
Wolfgang Clement<br />
(SPD), die sozialen Einschnitte<br />
zu versüßen, mit denen<br />
die Bezieher des Arbeitslosengelds<br />
(ALG) II seit dem 1. Januar konfrontiert<br />
sind. Wie sieht es damit<br />
konkret aus?<br />
Zunächst: Man kann die beiden<br />
Prinzipien Fördern und Fordern<br />
nicht quasi miteinander verrechnen.<br />
Das heißt: Selbst wenn einige<br />
ALG II-Bezieher durch die intensivere<br />
Förderung einen Arbeitsplatz<br />
finden, bleiben für die meisten<br />
Hartz IV-Opfer der materielle<br />
Verlust und das weitere Abrutschen<br />
in Armut. Vor allem stehen<br />
den Versprechungen der Regierung<br />
die Realität des Arbeitsmarkts<br />
und die Konstruktion des<br />
SGB II entgegen:<br />
Wie sollen ALG II-Empfänger, die<br />
als Langzeitarbeitslose meist „Ver-<br />
mittlungshemmnisse“ aufweisen,<br />
auf einem Arbeitsmarkt unterkommen,<br />
der auch Arbeitslose mit<br />
günstigeren Vorraussetzungen<br />
nicht aufnimmt und der von ständigem<br />
Arbeitsplatzabbau geprägt<br />
ist? Die Hauptursache der Massenarbeitslosigkeit<br />
liegt nicht in<br />
der fehlenden Flexibilität der Betroffenen<br />
und fehlender Vermittlungseffizienz,<br />
sondern am Mangel<br />
an Arbeitsplätzen. Auch wenn<br />
man genauer hinschaut, wie das<br />
mit dem Fördern in der Realität<br />
klappt, sind die Perspektiven eher<br />
düster:<br />
● Der Einsatz der verschiedenen<br />
Arbeitsmarktinstrumente wie die<br />
Qualifizierung nach dem SGB III<br />
ist seit 2003 radikal abgebaut worden.<br />
Das wurde 2005 durch einen<br />
weiteren Absturz der Finanzmittel<br />
fortgesetzt. Die nach SGB II vorgesehene<br />
Förderung für ALG II-<br />
Bezieher ist mit vielen Unsicherheiten<br />
behaftet. Es wurden gespaltene<br />
Zuständigkeiten geschaffen:<br />
Agenturen, Arbeitsgemeinschaften<br />
(ARGEN) und die Institutionen<br />
der optierenden Kommunen, die<br />
in eigener Regie die Betreuung der<br />
Hartz IV-Empfänger übernehmen.<br />
Das erschwert eine gezielte Förderung.<br />
Die Zusammenlegung von<br />
Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollte<br />
die Zuständigkeiten vereinfachen<br />
und „Beratung aus einer<br />
Hand“ gewährleisten. Stattdessen<br />
Kurz und knapp<br />
Expertenpool für Weiterbildner<br />
Ein unabhängiges, überparteiliches Sachverständigengremium für die<br />
Weiterbildung hat die Konzertierte Aktion Weiterbildung (KAW) eingerichtet.<br />
Der KAW gehören Träger,<br />
Institute und Verbände (darunter die<br />
<strong>GEW</strong>) an. Mit Hilfe des Expertenpools<br />
werden Interessenten, die beispielsweise<br />
eine Veranstaltung planen, bei der<br />
Suche nach kompetenten Autoren und<br />
Referenten unterstützt. Zur Themenpalette<br />
der Experten zählen Finanzierung<br />
Lebenslangen Lernens, Qualitätssicherung,<br />
allgemeine und politische Weiterbildung sowie Akkreditierung<br />
und Zertifizierung. Weitere Infos: www.kaw-info.de<br />
Zweiter Literaturwettbewerb für Analphabeten<br />
Den Literaturwettbewerb „wir schreiben“ startet zum zweiten Mal das<br />
Kooperationsprojekt des Deutschen Volkshochschul-Verbands (DVV)<br />
und des Bundesverbands Alphabetisierung, APOLL. Teilnehmer aus<br />
Alphabetisierungskursen sind eingeladen, zu<br />
fünf Bildern Texte zu schreiben. Die Bilder sind<br />
den Themenwelten aus www.ich-will-schreiben-lernen.de<br />
entnommen. Eine Fachjury<br />
bewertet die Beiträge. Die Preisträger werden im<br />
September 2005 in Berlin ausgezeichnet.<br />
Einsendeschluss ist der 15. Mai 2005.<br />
Beim ersten Wettbewerb wurden mehr als 230 Texte eingereicht,<br />
30 davon sind in dem Buch Wörtersehnsucht veröffentlicht.<br />
Weitere Infos: www.wir-schreiben.de www.apoll-online.de<br />
www.alphabetisierung.de www.ich-will-schreiben-lernen.de<br />
Jugendliche in der Warteschleife:<br />
Welche Maßnahmen gewährt<br />
ihnen das SGB II?<br />
ist, insbesondere bei den Jugendlichen,<br />
das Gegenteil Realität:<br />
Kompetenzwirrwarr und Reibungsverluste.<br />
Bis heute ist ungeklärt,<br />
wer genau für die Berufsberatung<br />
und Ausbildungsstellenvermittlung<br />
der Jugendlichen (ALG<br />
II-Empfänger oder in einer Bedarfsgemeinschaft<br />
lebend) zuständig<br />
ist. Ob und wann diese euphemistisch<br />
Schnittstellenproblematik<br />
genannte Schwierigkeit überwunden<br />
ist, bleibt zweifelhaft.<br />
● Außerdem ist offen, wie die in<br />
SGB II vorgesehenen Förderinstrumente<br />
eingesetzt werden. Die<br />
Absichtserklärungen der Akteure<br />
deuten darauf hin, dass vor allem<br />
in Ein-Euro-Jobs („Arbeitsgelegenheiten“)<br />
vermittelt werden<br />
Datenbank ausgeweitet<br />
Einen breiten Überblick über die<br />
Bildungsangebote in der Region<br />
Rhein-Main bietet die überarbeitete<br />
Datenbank des Bildungsnetzes<br />
Rhein-Main. Besucher der<br />
online-Plattform können sich<br />
auf einen Blick über die Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
von<br />
mehr als hundert Bildungsträgern<br />
informieren. Der Service ist<br />
kostenlos. Bei Bedarf können<br />
Besucher mit unabhängigen Beratungsstellen<br />
der Walter-Kolb-<br />
Stiftung in Frankfurt und mit<br />
der Beratung der Stadt Offenbach<br />
verbunden werden. In<br />
der Dozentendatenbank können<br />
Träger nach Trainern und Ausbildern<br />
suchen.<br />
Weitere Infos:<br />
www.bildungsnetz-rhein-main.de<br />
wird, statt etwa in Qualifizierung<br />
oder ABM. Die von der Bundesagentur<br />
für Arbeit (BA) eingeführte„Kundengruppendifferenzierung“<br />
(zutreffender wäre der<br />
Begriff „Segmentierung“), die sie<br />
auch auf die ARGEN übertragen<br />
will, verführt dazu, den „schwierigen<br />
Kunden“ in solche Arbeitsgelegenheiten<br />
zu vermitteln statt<br />
ihnen – kostenintensivere – Qualifizierung<br />
zukommen zu lassen.<br />
● Besonders kritisch ist die Situation<br />
bei den Jugendlichen: Zum<br />
einen ist ihnen laut Gesetz<br />
„unverzüglich“ ein Angebot zu<br />
unterbreiten, zum anderen reicht<br />
das Ausbildungsstellenangebot<br />
schon für Jugendliche ohne Problembiografie<br />
bei Weitem nicht<br />
aus. Obwohl auf dem Papier Qualifizierungsmaßnahmen<br />
Priorität<br />
eingeräumt ist, wird man wahrscheinlich<br />
viele Jugendliche in<br />
Maßnahmen und Arbeitsgelegenheiten<br />
unterbringen, die einer<br />
längerfristigen Integration kaum<br />
dienlich sind. Diese Gefahr ist<br />
angesichts des politischen Drucks,<br />
der von der rapide gestiegenen Jugendarbeitslosigkeit<br />
ausgeht, umso<br />
größer.<br />
Dennoch: In den nächsten Monaten<br />
müssen alle Beteiligten – Bildungsträger,<br />
Gewerkschaften, Beiräte<br />
– versuchen, auf die konkrete<br />
Gestaltung der von den<br />
ARGEN beziehungsweise optierenden<br />
Kommunen entwickelten<br />
Arbeitsprogramme Einfluss zu<br />
nehmen: Ausschlaggebend für den<br />
Einsatz der Instrumente darf nicht<br />
das schnelle, möglichst kostengünstige<br />
Verschwinden aus der<br />
Statistik sein, sondern die Verbesserung<br />
langfristiger Integrationschancen.<br />
Gerade bei Jugendlichen<br />
müssen dabei Qualifizierung und<br />
der Abschluss einer Ausbildung<br />
Vorrang haben. Ursula Herdt<br />
Ursula Herdt,<br />
Leiterin des Vorstandsbereichs<br />
Berufliche Bildung<br />
und Weiterbildung