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NEUMANN Juli | August 2018

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6<br />

KONZERT<br />

PRÄSENTIERT MC und Rapper Afrob über sein persönliches Verhältnis zu Deutschland<br />

Schwarzes Bewusstsein schaffen<br />

Ist es ein Problem, sich als Dunkelhäutiger in der<br />

deutschen Musikbranche durchzusetzen?<br />

Nein, das wäre ja noch schöner, wenn man aufgrund<br />

seiner Hautfarbe keinen Plattenvertrag bekäme. Als<br />

Schwarzer deckst du bestimmte Spektren ab – vom<br />

Sportler bis zum Musiker –, und das ist das stereotypische<br />

an dem Ganzen. Ich würde der Musikindustrie<br />

niemals vorwerfen, dass das Rassisten sind oder<br />

dass sie zwischen Schwarz und Weiß unterscheiden,<br />

aber Stereotype bestehen ebenso wie beispielsweise<br />

in der amerikanischen Musikindustrie. Dort ist<br />

das Business nur mehr getrennt. Dort haben Weiße<br />

kaum Zutritt zur Black Music und umgekehrt.<br />

Der MC aus dem Schoße der Kolchose: So wurde Afrob auf seinem Debütalbum 1999<br />

angekündigt. Jetzt lebt der Stuttgarter Rapper eritreischer Herkunft in Berlin und<br />

kommt erstmals mit seiner Liveband Tribes of Jizu zu einem Konzert nach Tübingen.<br />

Was geht ab? Mit kraftvoller Rapmusik, sprühendem Wortwitz und gesellschaftskritischen Texten hat sich<br />

das einstige Kolchose-Urgestein zu einem der Vorzeigerapper der deutschen HipHop-Szene gemausert. Nur<br />

wenige haben das Genre so geprägt wie er. Der 41-jährige Robert Zemichiel alias Afrob gilt aber nicht nur<br />

wegen seiner Musik, sondern auch Dank seiner öffentlichen Auftritte als einer der ambitioniertesten Rapper<br />

in Deutschland. Auf seinem aktuellen Album „Beats, Rhymes & Mr. Scardanelli“ hat das Reimemonster<br />

seine Gassenhauer mit Liveband komplett neu eingespielt. Im Gespräch mit dem in Italien geborenen Rapper<br />

ging es über alltäglichen Rassismus und sein persönliches Verhältnis zu Deutschland.<br />

Du kommst durch deinen Job ziemlich viel herum.<br />

Erlebst du den alltäglichen Rassismus in<br />

Deutschland extremer als in anderen Ländern?<br />

Ich komme viel in Deutschland herum, in anderen<br />

Ländern bin ich gar nicht so oft. Ich denke, dass es<br />

in verschiedenen europäischen Staaten teilweise<br />

problematischer ist, da der Rassismus dort ausgeprägter<br />

und selbstverständlicher ausgelebt wird.<br />

Wie sind diesbezüglich deine Erfahrungen in den<br />

neuen Bundesländern?<br />

Man sieht dort bei den Konzerten schon ein paar<br />

mehr Glatzen. Es ist etwas anders. Das zeigt sich ja<br />

auch durch die Pegida-Demonstrationen in Dresden.<br />

Dagegen ist Pegida in Stuttgart kein Thema,<br />

obwohl hier die meisten Migranten leben. Passiert<br />

ist mir bei Konzerten im Osten der Republik aber<br />

noch nie etwas. Ich glaube jedoch, das hat viel mit<br />

den Umständen, mit Zufällen oder mit Glück zu tun.<br />

Fühlst du dich als Deutscher oder eher ausgegrenzt?<br />

Ich fühle mich überhaupt nicht als Deutscher, obwohl<br />

ich in Stuttgart aufgewachsen bin und einen<br />

deutschen Pass habe – und ich kenne genug Leute<br />

mit schwarzer Hautfarbe, denen es genauso geht.<br />

Ich bin keineswegs integriert oder akzeptiert als<br />

ein Teil dieser Gesellschaft. Ich fühle mich allenfalls<br />

geduldet und manche Einheimische tun alles dafür,<br />

dass sich an diesem Gefühl nichts ändert.<br />

Gibt es etwas, das du an anderen Ländern schätzt,<br />

in Deutschland aber eher vermisst?<br />

Ein bisschen mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit<br />

vielleicht. Dass die Leute zu dem stehen, was sie<br />

verbockt haben. Außerdem ist die Bürokratie hier<br />

sehr kompliziert. Innerhalb einer Behörde gibt es<br />

drei, vier Instanzen und man weiß nie, wer für was<br />

zuständig ist. Alltägliche Dinge, wie beispielsweise<br />

eine Wohnung suchen, würde ich mir besonders in<br />

Stuttgart weniger kompliziert wünschen.<br />

Denkst du, es ist möglich, hier so etwas wie ein<br />

schwarzes Bewusstsein zu schaffen?<br />

Das ist genau das, was ich versuche. Ich will keine<br />

Revolution vom Zaun brechen, nur ein Bewusstsein<br />

für all die Leute entwickeln, die genauso denken wie<br />

ich. Ich möchte, dass unser Anliegen wahrgenommen<br />

und gerade von den unterprivilegierten Minderheiten<br />

in Deutschland mitgetragen wird. Mir<br />

geht es darum, zu demonstrieren: Wir sind da, wir<br />

sind kommunikativ, tauschen uns aus und können<br />

so eine eigene Lebensqualität für uns schaffen.<br />

Du bist überzeugt, dass HipHop etwas ändern kann?<br />

Man muss es zumindest versuchen. Es geht darum,<br />

authentisch zu sein, seine Geschichte zu erzählen,<br />

und das versuche ich durch meine Musik.<br />

<br />

Die Fragen stellte Jürgen Spieß<br />

AFROB<br />

10.08 I 20.30 Uhr I Sudhaus Waldbühne I Tübingen I<br />

sudhaus-tuebingen.de<br />

Foto: Georg Roske<br />

<strong>Juli</strong> | <strong>August</strong> <strong>2018</strong>

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