Download der Saphir - Freie Waldorfschule Bergisch Gladbach
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Ja doch, das ist Waldorf!<br />
„Zuerst habe ich jedem Kind immer eine Kugel<br />
gegeben, und dann weiter verteilt!“ sagt sie<br />
stolz.<br />
Ich merke jetzt schon, dass <strong>der</strong> konkrete<br />
Kontext seine Wirkung tut. Max, unser<br />
Schnellrechner, wusste ja überhaupt nicht<br />
weiter. Die Anschaung hilft denen, für die<br />
unbenannte Zahlen aus einer fremden<br />
Welt stammen, und sie for<strong>der</strong>t diejenigen<br />
heraus, die schon weit ins Zahlenland<br />
vorgedrungen sind. Denn da gibt es keine<br />
Eistüten. Fürs Rechnen mit Eis muss man zurück auf<br />
die Erde. So können sich beide auf ihren gegensätzlichen<br />
Wegen begegnen.<br />
Aber ich sollte noch einmal<br />
an das Zählen in Schritten,<br />
beziehungsweise das Bündeln<br />
denken...<br />
„... und so hat <strong>der</strong> Gehilfe<br />
des Eisverkäufers die<br />
Eiskugeln auf <strong>der</strong> schönen<br />
Wiese verteilt, so dass je<strong>der</strong><br />
Gast sich drei nehmen<br />
konnte und keiner anstehen<br />
musste.“, endet meine Rechengeschichte.<br />
Jedes Kind<br />
hatte zuvor ein Blatt<br />
im Epochenheft<br />
mit bunten<br />
Punkten<br />
übersät, die<br />
nun zu bündeln<br />
waren. „<br />
Aber da ist<br />
noch ein Eis“,<br />
meint Lina „ das kann ich gar nicht erreichen!“<br />
Am nächsten Tag kommt mein vorbereitetes<br />
Arbeitsblatt und nun sollen fünf Punkte zusammen<br />
gefasst werden. Wieviel Eiskugeln das wohl sind?<br />
Anabell ist sich nicht sicher, sie schreibt auf 20 und<br />
2. Ja, das stimmt, Max kann das bestätigen 20<br />
Fünferbündel, mit denen sich so gut zählen lässt<br />
und 2 einzelne: 102!<br />
Ende <strong>der</strong> ersten Woche will ich das Thema<br />
Kombinatorik einfügen. Kerstin, die von <strong>der</strong> Uni aus<br />
großen Anteil an meiner Epoche nimmt, verrät mir<br />
nebenbei die Formel für das, was ich vorhabe.<br />
Glücklicherweise, denn ich erhalte Besuch von einer<br />
Lehramtsstudentin, die es genau wissen möchte:<br />
Sie glauben doch sicher nicht, dass ich, die ich<br />
keine Mathematik studiert noch einen Leistungskurs<br />
belegt habe, so etwas wusste. Aber ohne<br />
In weichem Sand am Meeresgrunde<br />
liegt die Muschel Stund’ um Stunde,<br />
sacht gestreichelt von den Wogen<br />
liegt sie still bei Tag und Nacht;<br />
was sie wohl da drinnen macht?<br />
Sie träumt vom Regenbogen!<br />
Kann die Träume sogar malen<br />
innen an die Muschelschalen.<br />
Außen ist sie trüb und grau,<br />
unscheinbar und schlicht;<br />
doch öffnet sie die Schalen, schau,<br />
dann schimmert’s silbrig-licht –<br />
welch zauberhafter Farbentanz,<br />
welch Regenbogenglanz!<br />
Ludger Helming-Jacoby<br />
das Lernen des Lehrenden geht es nicht.<br />
Doch wie<strong>der</strong> zurück in die Klasse.<br />
Ich frage die Kin<strong>der</strong> und zeichne an<br />
die Tafel: „Ihr habt vier Sorten Eis und<br />
immer drei kommen in eine Tüte.“ Tüfftelt<br />
die Möglichkeiten aus. Alle legen los,<br />
Ragnar zeichnet erst mal eine Seite<br />
Hörnchen, wer weiß wozu sie gut sind. Anabell<br />
beginnt die Tüten zu füllen: Immer zwei gleiche, ein<br />
an<strong>der</strong>es. Oh, da sind manche doppelt, die muss man<br />
streichen. Anabell streicht beide. „Ach so, eins kann<br />
ja bleiben,“ versteht sie, nachdem ich sie darauf<br />
aufmerksam mache. Lean<strong>der</strong> geht ganz systematisch<br />
vor: erst alle gleich,<br />
dann zwei gleich, dann<br />
alle bunt. Zwei kleine<br />
Hilfestellungen und er ist<br />
am Ziel. „Soll ich noch<br />
weiter tüfteln?“ fragt<br />
Michael. Tüfteln ist im<br />
Mathematikunterricht<br />
unser Lieblingswort. Ja,<br />
zwanzig Möglichkeiten<br />
sind es. Am nächsten Tag<br />
frage ich: „Und vier<br />
Sorten bei zwei Kugeln<br />
o<strong>der</strong> drei Sorten bei drei<br />
Kugeln?“ Die Kin<strong>der</strong><br />
schätzen, keiner unter<br />
sechs, keiner über 14.<br />
Und wer schätzt 10?<br />
Anabell! Leicht lösen die<br />
Kin<strong>der</strong> zeichnend die<br />
Aufgaben.<br />
Vor lauter Begeisterung<br />
verliere ich beinahe mein Ziel aus den Augen.<br />
Auch das passiert uns Klassenlehrern häufig. Denn<br />
wir freuen uns so über das intensive<br />
Lernen vor unseren Augen. Also jetzt<br />
muss ich mit zwei feiertagbedingten<br />
Kurzwochen das Ziel anvisieren:<br />
unsere Eisdiele.<br />
Zuerst sammeln wir alle<br />
Eissorten, die den Kin<strong>der</strong>n spontan<br />
einfallen, nachdem sie mich<br />
ungläubig anstarrten, als ich<br />
ihnen sagte, dass ich nur mit<br />
drei Sorten: Erdbeer, Schoko<br />
und Vanille groß geworden<br />
bin: Himmelsblau, Tartufo, Tiramisu... Oh wun<strong>der</strong>bare<br />
Welt <strong>der</strong> Vielfalt! Die Tischgemeinschaften<br />
machen je drei Vorschläge und basisdemokratisch<br />
stimmen wir nachher ab: Erdbeer, Zitrone,<br />
Stracciatella und Nuss. (Ich bin erleichtert.) Die<br />
Namen <strong>der</strong> Eisbecher werden auf gleiche Weise<br />
1/2005 <strong>Saphir</strong> 3