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KULTOUREN-DAS MAGAZIN

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Geheimtipp<br />

Wer das Informationszentrum des Tourismusverbandes Fischland-Darss-Zingst in Löbnitz<br />

besucht, wandelt mitunter ohne es zu wissen auf den Spuren des deutschen Schriftstellers<br />

und Historikers Ernst Moritz Arndt. Dessen Eltern schließlich bewirtschafteten das Gut<br />

Löbnitz, das ehemaligen Jagdhaus der Gutsherrenschaft überdauert zudem nicht nur in<br />

der Ortsmitte sondern auch auf dem offiziellen Wappen des Ortes. Neben dem sogenannten<br />

Storchenhaus enthüllen sich dem Besucher in Löbnitz auch andere Überraschungen,<br />

zum Beispiel ein Kunstwerkstall. Was und vor allem wer sich dahinter verbirgt, haben wir<br />

für Sie in Erfahrung gebracht.<br />

Für seine Gäste nimmt Lucas Drechsler<br />

sich Zeit. Einladend weist seine Hand in<br />

Richtung der schattigen Terrasse. Von<br />

dort geht der Blick über die angrenzende<br />

Wiese, auf der sich Nixen tummeln und<br />

gewaltige Drachen, Vögel scheinen wie im<br />

Flug erstarrt, Fische schwingen wendig<br />

über trockenen Grund. Angestachelt von<br />

Entdeckerfreude kommt man kaum dazu,<br />

sich zu setzen – nicht zuletzt, weil auch<br />

die Bank ein von maritimen Wesen bevölkertes<br />

Möbelstück darstellt. Ein plötzlicher<br />

Luftzug durchstöbert das Labyrinth<br />

aus Tauenden, Fossilien, Metallteilen und<br />

rankendem Grünzeug, welches sich von<br />

der Decke der Loggia her ausbreitet. In<br />

das leise Klingen mischt sich der Duft von<br />

frischem Kaffee. Mit vergnügter Gelassenheit<br />

lehnt Lucas Drechsler sich zurück,<br />

dreht eine Zigarette und wartet geduldig,<br />

bis man sich eingerichtet hat in seiner<br />

Welt. Dann schiebt er den Kuchenteller<br />

über den Tisch und nickt aufmunternd.<br />

Später wird er sagen, dass er immer versuche,<br />

all die Freude weiterzugeben, die<br />

er selbst bei der Arbeit empfinde. Das<br />

gelingt ihm zweifelsohne, fühlt sich doch<br />

schon die erste Begegnung an wie eine<br />

Kindheitserinnerung, in der maßloses<br />

Staunen und der Geschmack von Rührkuchen<br />

einander die Waage halten.<br />

Wenn Lucas Drechsler spricht, verrät der<br />

Dialekt ihn als Zugereisten, geboren ist<br />

er in Dresden an der Elbe. Als Sohn eines<br />

Grafikers und einer Kunsterzieherin sei<br />

die Kindheit in einem Künstlerhaushalt in<br />

jeder Hinsicht prägend gewesen, erzählt<br />

der gelernte Steinmetz, Zeichnen und<br />

bildnerisches Arbeiten haben schon früh<br />

dazugehört. Begonnen hat Lucas Drechsler<br />

seine Karriere als Zuhauer, Künstler<br />

wie Klaus Köhler und Michael Göttsche<br />

bauten auf seiner Vorarbeit auf. Irgendwann<br />

jedoch gewann die Sehnsucht nach<br />

einem Neuanfang die Oberhand: „Ich hab<br />

damals kurzerhand meine Tasche gepackt<br />

und bin einfach gegangen“, sagt Lucas<br />

Drechsler. Leichtgefallen sei ihm der Abschied<br />

trotzdem nicht, ergänzt er noch.<br />

Es ist wohl wie mit dem Dialekt – keine<br />

Heimat lässt sich vollends verabschieden.<br />

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