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Zeitzeugengeheft

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Gerhard Dengler merkte, wie alle anderen Menschen in Deutschland natürlich auch, dass sich vieles<br />

im Lande änderte. Ihm fiel auf, dass Nachbarn und Bekannte auf einmal abgeholt wurden und<br />

verschwanden. Was mit ihnen passierte wusste keiner so genau, aber meist kamen sie nicht wieder<br />

und wenn doch einmal einer zurückkehrte, so durfte er nichts darüber erzählen, was mit ihm passiert<br />

war.<br />

Er sah in den Wochenschauen des Kinos, wie gegen andere Rassen und Juden gehetzt wurde, wie<br />

diese in schlimmster Weise beleidigt wurden und ihre Geschäfte zugemacht wurden. In öffentliche<br />

Gebäude wie Kinos, Theater, Schwimmbäder oder Büchereien wurden sie auf einmal nicht mehr<br />

hineingelassen, außerdem durften sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, keine Parkbänke<br />

zum Sitzen verwenden und keine Fahrräder mehr besitzen.<br />

Alle jüdischen Mitbürger, mit denen man bis jetzt völlig nachbarschaftlich zusammengelebt hatte,<br />

wurden auf einmal gezwungen, den gelben Stern zu tragen und die Namen Sarah und Israel im Pass<br />

zu tragen. Und immer öfter kam es vor, dass sie einfach abgeholt wurden und verschwanden.<br />

Erst später erfuhr man, unter welchen Umständen sie ermordet worden waren.<br />

Gerhard Dengler sah auch, dass man in der „Neuen Zeit“ aufpassen musste, was man sagte, wem<br />

man etwas sagte. Schnell konnte es passieren, dass jemand wegen einer unpassenden Bemerkung<br />

oder einem Witz oder einer kritischen Äußerung eingesperrt wurde.<br />

Seit 1936, dem Jahr, in dem in Deutschland die Olympischen Spiele stattfanden, war Gerhard Dengler<br />

verheiratet. Seine Frau Sabine hatte er ein Jahr zuvor bei einer Geburtstagsfeier gemeinsamer<br />

Bekannter kennengelernt.<br />

Eigentlich hatte Gerhard, der ja katholisch erzogen worden war, in einer Kirche heiraten wollen, aber<br />

das war in der Zeit des Nationalsozialismus nicht erwünscht, so dass die Trauung nur auf dem<br />

Standesamt vollzogen wurde.<br />

Mittlerweile hatte Gerhard wieder Arbeit gefunden. Die neue Regierung hatte das Ziel den Bau von<br />

Autobahnen in Deutschland voranzutreiben und dadurch wurden viele Arbeitskräfte gebraucht, so<br />

dass auch Gerhard Dengler wieder eine Beschäftigung fand.

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