Die rheumatische Hand – Diagnostik in der Praxis - Berner Institut ...
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PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1097<br />
Zusammenfassung<br />
Viele <strong>rheumatische</strong> Krankheiten manifestieren<br />
sich an <strong>der</strong> <strong>Hand</strong>. Das Verteilungsmuster<br />
<strong>der</strong> betroffenen Gelenke,<br />
Weichteilverän<strong>der</strong>ungen, Hautmanifestationen,<br />
neurologische und vaskuläre<br />
Symptome und Befunde können<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diagnostik</strong> richtungsweisend<br />
se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Bildgebung und das Labor<br />
helfen als ergänzende Abklärungsmethoden.<br />
In dieser Übersichtsarbeit<br />
werden häufige Erkrankungen und <strong>der</strong>en<br />
kl<strong>in</strong>ische Ersche<strong>in</strong>ungsbil<strong>der</strong> an <strong>der</strong><br />
<strong>Hand</strong> vorgestellt: Arthrose, Rheumatoide<br />
Arthritis, Gicht, Kalziumpyrophosphatarthropathie,Psoriasisarthritis,<br />
Reaktive Arthritis, Systemische<br />
Sklerose, Dermatomyositis/Polymyositis<br />
und Systemischer Lupus erythematodes.<br />
Weiter wird auf pathologische<br />
Verän<strong>der</strong>ungen an <strong>der</strong> <strong>Hand</strong> bei diabetischer<br />
Cheiroarthropathie, Endokarditis,<br />
Osteoarthropathia hypertrophicans<br />
und beim Chronic Regional Pa<strong>in</strong><br />
Syndrom e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Schlüsselwörter: Rheumatologie <strong>–</strong><br />
<strong>Hand</strong> <strong>–</strong> Bildgebung <strong>–</strong> Arthrose <strong>–</strong> Arthritis,<br />
rheumatoide<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Rheumatische Erkrankungen s<strong>in</strong>d sehr<br />
häufig und begegnen uns täglich. Es gibt<br />
ca. 200 «Rheumaerkrankungen», wovon<br />
um die Hälfte mit Gelenkschmerzen<br />
e<strong>in</strong>hergehen kann. In dieser Arbeit zei-<br />
Mediz<strong>in</strong>ische Fakultät, Universität Zürich 1 ; Rheumakl<strong>in</strong>ik, Universitätsspital<br />
Zürich 2<br />
1 R. Micheroli, 2 D. Kyburz, 2 A. Ciurea, 2 G. Tamborr<strong>in</strong>i<br />
<strong>Die</strong> <strong>rheumatische</strong> <strong>Hand</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Diagnostik</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong><br />
The Rheumatic <strong>Hand</strong> <strong>–</strong> Diagnostics <strong>in</strong> Practice<br />
gen wir <strong>Hand</strong>manifestationen häufiger<br />
<strong>rheumatische</strong>r Krankheiten mit ihrer<br />
typischen Anamnese und Kl<strong>in</strong>ik. Richtungsweisende<br />
Befunde im Labor o<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildgebung werden erörtert.<br />
Ebenfalls werden <strong>Hand</strong>befunde differentialdiagnostisch<br />
wichtiger, nicht<strong>rheumatische</strong>r<br />
Krankheiten beschrieben:<br />
Diabetische Cheiroarthropathie, Endokarditis,<br />
Osteoarthropathia hypertrophicans<br />
und CRPS. <strong>Die</strong> Abhandlung <strong>der</strong><br />
Epidemiologie, Pathophysiologie und<br />
Therapie <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Krankheiten ist<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ausführlicheren Onl<strong>in</strong>e-Version<br />
unter www.<strong>rheumatische</strong>hand.ch o<strong>der</strong><br />
www.rheumatichand.ch ersichtlich.<br />
Rheumatische Krankheiten<br />
und ihre <strong>Hand</strong>manifestationen<br />
Arthrose (Osteoarthritis, OA)<br />
<strong>Die</strong> F<strong>in</strong>gerpolyarthrose betrifft v.a. die<br />
distalen Interphalangealgelenke (DIP-<br />
Gelenk, Heberden-Arthrose). Als Bouchard-Arthrose<br />
wird <strong>der</strong> Befall <strong>der</strong><br />
proximalen Interphalangealgelenke (PIP-<br />
Gelenke) bezeichnet (Abb. 1). Im Gegensatz<br />
zur Heberden- treten bei <strong>der</strong> Bouchard-Arthrose<br />
häufig ke<strong>in</strong>e Knoten auf.<br />
<strong>Die</strong> Rhizarthrose (Daumensattelgelenk,<br />
CMC-I-Gelenk) führt zu schwereren<br />
funktionellen Defiziten. E<strong>in</strong>e erosive<br />
F<strong>in</strong>gerpolyarthrose kann <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />
sekundär entzündeten (aktivierten)<br />
Polyarthrose auftreten. <strong>Die</strong> Anamnese<br />
mit mechanischen Schmerzen und das<br />
typische Verteilungsmuster des Gelenkbefalls<br />
s<strong>in</strong>d richtungsweisend [1]. In<br />
schweren Fällen kommt es zu tastbarer<br />
knöcherner Verdickung, Deformierung,<br />
Versteifung <strong>in</strong> Fehlstellung, Instabilität<br />
<strong>der</strong> Gelenke und zur Muskelatrophie.<br />
Das Leitsymptom e<strong>in</strong>er Arthrose ist e<strong>in</strong><br />
mechanischer Schmerz: Anlauf- und Bewegungsschmerzen,Ermüdungsschmerzen<br />
und Belastungsschmerzen s<strong>in</strong>d hierbei<br />
typisch. E<strong>in</strong>e Morgensteifigkeit von<br />
e<strong>in</strong>igen M<strong>in</strong>uten, aber selten länger als<br />
30 M<strong>in</strong>uten wird oft angegeben. Ruhe-,<br />
Dauer- o<strong>der</strong> Nachtschmerzen weisen<br />
auf e<strong>in</strong>e aktivierte Arthrose h<strong>in</strong>. Dabei<br />
können e<strong>in</strong>zelne Gelenke überwärmt,<br />
Im Artikel verwendete Abkürzungen:<br />
CCP zyklisches citrull<strong>in</strong>iertes Peptid<br />
CMC Karpometakarpalgelenk<br />
CPPD Kalziumpyrophosphatarthropathie<br />
CRPS Chronic Regional Pa<strong>in</strong> Syndrome<br />
DIP distale Interphalangealgelenke<br />
DM Dermatomyositis<br />
MCP Metakarpophalangealgelenk<br />
OA Osteoarthritis<br />
PCR Polymerasekettenreaktion<br />
PIP proximale Interphalangealgelenke<br />
PM Polymyositis<br />
PsA Psoriasisarthritis<br />
RA Rheumatoide Arthritis<br />
ReA Reaktive Arthritis<br />
SLE Systemischer Lupus erythematodes<br />
SSc Systemische Sklerose<br />
STT Scapho-Trapezio-Trapezoidealgelenk<br />
TFCC triangulärer fibrokartilag<strong>in</strong>ärer<br />
Komplex<br />
US Ultraschall<br />
© 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern DOI 10.1024/1661-8157/a000655
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1098<br />
geschwollen o<strong>der</strong> leicht gerötet se<strong>in</strong>.<br />
Muskel- und Sehnenansatzschmerzen<br />
mit Druckdolenz weisen auf e<strong>in</strong>e dekompensierte<br />
Arthrose h<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> F<strong>in</strong>gerpolyarthrose<br />
kann allerd<strong>in</strong>gs auch<br />
schmerzfrei verlaufen und nur kosmetisch<br />
stören. Das konventionelle<br />
Röntgenbild zeigt typische Verän<strong>der</strong>ungen:<br />
asymmetrische («exzentrische»)<br />
Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale<br />
Sklerosierung, Osteophytenbildung<br />
mit Geröllzysten, <strong>in</strong> schweren Fällen<br />
Deformierung und Erosionen (Abb. 1).<br />
Mit dem Ultraschall können bereits kle<strong>in</strong>e<br />
Osteophyten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Gelenkserguss<br />
gut dargestellt werden (Abb. 2). Bei <strong>der</strong><br />
primären Arthrose ist die Labordiagnostik<br />
nicht von diagnostischem Nutzen.<br />
Das Gelenkspunktat ist nicht entzündlich<br />
(weniger als 2000 Zellen/�l, häufig<br />
um 200<strong>–</strong>500 Zellen/�l, vorwiegend<br />
mononukleäre Entzündungszellen) und<br />
kann Hydroxyapatitkristalle aufweisen.<br />
Rheumatoide Arthritis (RA)<br />
Bei <strong>der</strong> RA weisen typischerweise die<br />
MCP-, die PIP-Gelenke und das <strong>Hand</strong>gelenk<br />
e<strong>in</strong>e symmetrische Synovitis<br />
auf. Häufig treten zudem Tenosynovitiden<br />
auf. Weitere Charakteristika s<strong>in</strong>d:<br />
Atrophie <strong>der</strong> Mm. <strong>in</strong>terossei, Schwanenhalsdeformität,Knopflochdeformität,<br />
Sehnenrupturen, 90 °/90 °-Deformierung<br />
des Daumens, volare Subluxation<br />
im <strong>Hand</strong>gelenk mit Stufenbildung,<br />
F<strong>in</strong>gerbeugekontrakturen, Streck- und<br />
Faustschlussunfähigkeit, Ulnardeviation<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>ger (Abb. 3), Dislokation des<br />
distalen Radius und <strong>der</strong> distalen Ulna<br />
sowie Rheumaknoten.Vaskulitische Effloreszenzen<br />
(z.B. Ulzera) bei langjähriger<br />
RA können vorkommen. Neurologisch<br />
kann sich e<strong>in</strong> Karpaltunnel-Syndrom<br />
entwickeln (oft bed<strong>in</strong>gt durch e<strong>in</strong>e Tenosynovitis<br />
im Karpaltunnel). Symptome<br />
<strong>der</strong> RA s<strong>in</strong>d entzündliche Gelenksschmerzen<br />
(Ruheschmerzen, Nachtschmerz,<br />
Besserung bei Bewegung,<br />
Dauerschmerz) und Gelenkschwellungen,<br />
e<strong>in</strong>e häufig über e<strong>in</strong>e Stunde dauernde<br />
am Morgen betonte Gelenksteifigkeit<br />
Abb. 1: L<strong>in</strong>ks kl<strong>in</strong>isches Bild mit Schwellungen und Deformierungen <strong>der</strong> distalen und<br />
proximalen Interphalangealgelenke. Rechts Röntgenbild mit Gelenkspaltverschmälerungen<br />
(Pfeilspitze), subchondrale Zysten (Pfeil), Osteophyten (Stern) und Fehlstellungen<br />
<strong>der</strong> distalen und proximalen Interphalangealgelenke.<br />
Abb. 2: Ultraschall des PIP-Gelenkes II dorsal längs mit Osteophyt am Caput <strong>der</strong> proximalen<br />
Phalanx (Stern) und Gelenkserguss (Pfeil).<br />
und e<strong>in</strong> Kraftverlust <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Hand</strong> [2]. Daneben<br />
haben die Patienten Allgeme<strong>in</strong>symptome<br />
wie Müdigkeit, Adynamie,<br />
Inappetenz, Gewichtsverlust und subfebrile<br />
Temperaturen. E<strong>in</strong> frühes Erkennen<br />
<strong>der</strong> rheumatoiden Arthritis ist<br />
im H<strong>in</strong>blick auf Therapie und Prognose<br />
entscheidend. Heutzutage ist e<strong>in</strong>e Diag-<br />
nose meist vor dem Auftreten grob morphologischer<br />
Verän<strong>der</strong>ungen möglich.<br />
<strong>Die</strong> Diagnose e<strong>in</strong>er RA wird kl<strong>in</strong>isch und<br />
allenfalls mit Hilfe des sensitiven Ultraschalls<br />
(US) gestellt. <strong>Die</strong> RA weist typische<br />
Röntgenbefunde auf: periartikuläre<br />
Weichteilschwellung, gelenknahe Osteopenie,<br />
Gelenkspaltverschmälerung, im
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1099<br />
Abb. 3: L<strong>in</strong>ks kl<strong>in</strong>isches Bild mit Ulnardeviation <strong>der</strong> F<strong>in</strong>ger und Gelenkschwellungen<br />
<strong>der</strong> MCP-Gelenke. Rechts Röntgenbild mit Gelenkspaltverschmälerungen im MCP-<br />
Gelenk II und III, Subluxation im MCP-Gelenk V (Stern) und Zyste im Caput des Metakarpale<br />
II (Pfeil).<br />
Abb. 4: Ultraschall des MCP-Gelenkes II dorsal längs mit Darstellung e<strong>in</strong>er Synovitis<br />
(Stern) mit pathologischem Powerdopplersignal (= aktive Entzündung).<br />
Verlauf Knochenerosionen, Gelenksdestruktionen<br />
mit Subluxationen und<br />
Ankylose (Abb. 3). Mittels Ultraschalldiagnostik<br />
gel<strong>in</strong>gt die Detektion entzündlicher<br />
Verän<strong>der</strong>ungen (z.B. Synovitis,<br />
Tenosynovitis), was mit dem<br />
Röntgenbild nicht möglich ist. <strong>Die</strong><br />
Darstellung von Knorpel- o<strong>der</strong> Knochenverän<strong>der</strong>ungen<br />
wie z.B. Knorpelverschmälerungen<br />
o<strong>der</strong> Erosionen werden<br />
mittels US früher als mit dem konventionellen<br />
Röntgenbild (Abb. 4) erfasst.<br />
Dabei ist <strong>der</strong> US <strong>der</strong> MRT und <strong>der</strong> CT <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> meisten Gelenke<br />
gleichwertig [3]. Als diagnostische Marker<br />
im Blut dienen <strong>der</strong> Rheumafaktor<br />
und die Anti-CCP-Antikörper [4].<br />
Treten diese gleichzeitig auf, so erhöht<br />
sich die Sensitivität und Spezifität <strong>der</strong><br />
Tests. <strong>Die</strong> Antikörper können Jahre vor<br />
dem Ausbruch positiv se<strong>in</strong> und s<strong>in</strong>d<br />
assoziiert mit e<strong>in</strong>em erosiven Verlauf.<br />
Das Gelenkspunktat ist entzündlich<br />
(mehr als 2000 Zellen, mit vorwiegend<br />
polynukleären Entzündungszellen).<br />
Gicht (Uratarthropathie)<br />
<strong>Die</strong> Gicht manifestiert sich zu Beg<strong>in</strong>n<br />
<strong>in</strong> ca. 90% <strong>der</strong> Fälle als akute Monoarthritis.<br />
In 50% ist diese im Grosszehengrundgelenk<br />
(Podagra) lokalisiert [5].<br />
An<strong>der</strong>e Lokalisationen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> abnehmen<strong>der</strong><br />
Häufigkeit: Sprunggelenke,<br />
Fussgelenke, <strong>Hand</strong>gelenke, Kniegelenke<br />
und kle<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> grosse Gelenke <strong>der</strong> oberen<br />
Extremität. E<strong>in</strong>e akute Gichtarthritis<br />
e<strong>in</strong>es F<strong>in</strong>gergrundgelenkes wird analog<br />
zur Podagra auch Cheiragra genannt,<br />
tritt aber deutlich seltener auf. Begleitend<br />
tritt bei akuter Gicht e<strong>in</strong>e Periarthritis<br />
mit Weichteilödem und Rötung<br />
<strong>der</strong> Haut auf. Bei chronischer Gicht kann<br />
an den Händen auch e<strong>in</strong> polyartikulärer<br />
Befall auftreten und e<strong>in</strong>e rheumatoide<br />
Arthritis o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Kristallarthritiden<br />
wie die Kalziumpyrophosphatarthropathie<br />
imitieren. Meistens beg<strong>in</strong>nt die<br />
Symptomatik nachts o<strong>der</strong> frühmorgens<br />
mit <strong>in</strong>tensiver Schwellung, starker<br />
Rötung und Druckdolenz. E<strong>in</strong> Anfall<br />
dauert Stunden bis mehrere Tage, unbehandelt<br />
auch Wochen. Weichteiltophi<br />
kommen an <strong>der</strong> <strong>Hand</strong> vor (Abb. 5). Im<br />
Röntgenbild können grosse Usuren und<br />
Tophi dargestellt werden (Abb. 5). Im<br />
Ultraschall zeigen sich typische Kristallablagerungen,<br />
die auf dem hyal<strong>in</strong>en<br />
Knorpel aufliegen (Doppelkontur-Zeichen),<br />
Tophi, Usuren o<strong>der</strong> echoreiche<br />
Synovitiden (Abb. 6). Das Labor zeigt<br />
e<strong>in</strong>e Entzündungsreaktion mit erhöhter<br />
Blutsenkungsreaktion, erhöhtem C-reaktiven<br />
Prote<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>e Leukozytose. Bei<br />
akuter Gichtarthritis kann oft ke<strong>in</strong>e<br />
Hyperurikämie festgestellt werden. Beweisend<br />
für die Gichtarthritis ist <strong>der</strong><br />
Nachweis von Uratkristallen im Gelenkspunktat<br />
[6]. Das Gelenkspunktat<br />
ist entzündlich (mehr als 2000 Zellen mit<br />
vorwiegend polynukleären Entzündungszellen).
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1100<br />
Kalziumpyrophosphatarthropathie<br />
(CPPD)<br />
<strong>Die</strong> CPPD kann sich an <strong>der</strong> <strong>Hand</strong> auf<br />
verschiedene Arten manifestieren: Zum<br />
e<strong>in</strong>en kommt die kl<strong>in</strong>isch stumme Form<br />
mit Bildung e<strong>in</strong>er Sekundärarthrose<br />
typischerweise im STT-Gelenk (Scapho-<br />
Trapezio-Trapezoideal-Gelenk), im Radiokarpalgelenk<br />
und <strong>in</strong> den MCP-IIund<br />
-III-Gelenken (grosse hakenförmige<br />
Osteophyten) vor. Nicht selten tritt auch<br />
e<strong>in</strong>e akute Monoarthritis (Pseudogicht<br />
mit Periarthritis) auf [7]. E<strong>in</strong>e weitere<br />
Manifestationsart ist die chronische,<br />
selten auch erosive Polyarthritis (nicht<br />
mit <strong>der</strong> rheumatoiden Arthritis zu<br />
verwechseln) (Abb. 7). Tenosynovitiden<br />
kommen häufig vor. Im Röntgenbild und<br />
im Ultraschall können nebst den oben<br />
genannten Arthrosen im STT-Gelenk,<br />
MCP-II- und -III-Gelenk Kalzifikationen<br />
des triangulären fibrokartilag<strong>in</strong>ären<br />
Komplexes (TFCC), <strong>der</strong> Ligamente <strong>der</strong><br />
proximalen Karpalreihe o<strong>der</strong> <strong>in</strong>nerhalb<br />
des Knorpels dargestellt werden (Abb. 7<br />
und 8). Das Labor zeigt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>e<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Entzündungszeichen. Bei<br />
zugrundeliegen<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternistischer Erkrankung<br />
(z.B. bei Endokr<strong>in</strong>opathien)<br />
können z.B. Kalzium, Ferrit<strong>in</strong> und Parathormon<br />
erhöht, Magnesium, Phosphat<br />
o<strong>der</strong> das TSH verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t se<strong>in</strong>. Neben<br />
den pathognomonischen Zeichen im<br />
Röntgenbild ist <strong>der</strong> mikroskopische Nachweis<br />
<strong>der</strong> Kalziumpyrophosphatkristalle<br />
aus dem entzündlichen Gelenkspunktat<br />
für die sichere Diagnose unerlässlich [8].<br />
Psoriasisarthritis (PsA)<br />
<strong>Die</strong> Psoriasisarthritis hat verschiedene<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsformen: Sie kann als Monoarthritis<br />
(v.a. PIP-, DIP-, <strong>Hand</strong>gelenk),<br />
asymmetrische Oligoarthritis (weniger<br />
als vier Gelenke betroffen) o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Form<br />
e<strong>in</strong>er Polyarthritis vorkommen. Typisch<br />
ist e<strong>in</strong> Transversalbefall meist <strong>der</strong> DIP-<br />
Gelenke mit Nagelverän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong> Strahlbefall (an e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d<br />
MCP-, PIP- und DIP-Gelenk befallen)<br />
(Abb. 9) [9]. Selten kommt es zur muti-<br />
Abb. 5: L<strong>in</strong>ks kl<strong>in</strong>isches Bild e<strong>in</strong>er polyartikulären Gicht mit Weichteiltophi, z.B. über<br />
dem PIP-Gelenk 4 und über dem Metakarpalekochen III und Tenosynovitis radiokarpal.<br />
Rechts Destruktionen <strong>in</strong> praktisch allen PIP- und DIP-Gelenken mit Wechteiltophus<br />
radial des DIP-Gelenkes II (Pfeil).<br />
Abb. 6: Ultraschall e<strong>in</strong>es MCP-Gelenkes dorsal längs mit Usur im Metakarpaleköpfchen<br />
(Stern).<br />
lierenden Arthritis. <strong>Die</strong> Nagelpsoriasis<br />
weist folgende typischen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
auf: Tüpfelung, Krümelnägel, Weissflecken,<br />
Querrillen, subunguale Keratosen<br />
am Nagelbett, Onycholyse sowie<br />
Ölflecken. Häufig bestehen bei Psoriasisarthritis<br />
mit Nagelbefall e<strong>in</strong>e Enthesitis<br />
<strong>der</strong> Sehnenansätze an <strong>der</strong> distalen Phalanx<br />
und e<strong>in</strong>e Arthritis im DIP-Gelenk.<br />
<strong>Die</strong> Daktylitis psoriatica entspricht e<strong>in</strong>er
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1101<br />
Abb. 7: L<strong>in</strong>ks kl<strong>in</strong>isches Bild mit luxiertem Metakarpaleköpfchen des Zeigef<strong>in</strong>gers und<br />
Gelenks-Deformierungen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> DIP-Gelenke. Rechts Röntgenbild mit Gelenksspaltverschmälerung<br />
und Subluxation im MCP-Gelenk II (Stern) und STT-Arthrose (Pfeil).<br />
Abb. 9: L<strong>in</strong>ks kl<strong>in</strong>isches Bild mit Schwellungen <strong>der</strong> PIP-Gelenke II und IV. Rechts Röntgenbild<br />
mit Osteoproliferationen <strong>in</strong> den PIP-Gelenken II und IV (Pfeile).<br />
lymphödemähnlichen Schwellung e<strong>in</strong>es<br />
F<strong>in</strong>gers (Wurstf<strong>in</strong>ger) mit zugrundeliegenden<br />
Tenosynovitiden und weniger<br />
mit Arthritiden. Das Röntgenbild und<br />
<strong>der</strong> Ultraschall zeigen e<strong>in</strong> Mischbild von<br />
Usuren bis zu Destruktionen («Pencil<br />
<strong>in</strong> Cup»-Verän<strong>der</strong>ungen), Knochenproliferationen,<br />
Ankylosen und Weichteilschwellungen<br />
(Abb. 10). In <strong>der</strong> Beurteilung<br />
<strong>der</strong> Krankheitsaktivität (Arthritis,<br />
Enthesitis) ist <strong>der</strong> Ultraschall dem Rönt-<br />
genbild und <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Untersuchung<br />
überlegen. Das Labor zeigt e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />
Erhöhung von BSR und CRP. Das HLA-<br />
B27 kann positiv se<strong>in</strong>. Das Gelenkspunktat<br />
ist entzündlich [10].<br />
Reaktive Arthritis (ReA)<br />
Analog zu den an<strong>der</strong>en Spondyloarthritiden<br />
(Spondylitis ankylosans,<br />
Psoriasisarthritis, enteropathische Spon-<br />
Abb. 8: Ultraschall des <strong>Hand</strong>gelenkes<br />
karpoulnar dorsal längs mit Verkalkung<br />
im TFCC (Pfeil).<br />
Abb. 10: Ultraschall des PIP-Gelenkes<br />
palmar längs mit Tenosynovitis <strong>der</strong><br />
Flexorensehnen (Stern) und Synovitis im<br />
PIP-Gelenk (Pfeil).<br />
dyloarthritis o<strong>der</strong> undifferenzierte<br />
Spondyloarthritis) kann es zu e<strong>in</strong>er<br />
Daktylitis kommen (Abb. 11 und 12).<br />
Häufig bestehen e<strong>in</strong>e Mono- o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />
asymmetrische Oligoarthritis. F<strong>in</strong>gerund<br />
<strong>Hand</strong>gelenke können betroffen se<strong>in</strong>,<br />
wobei die DIP-Gelenke häufig ausgespart<br />
bleiben. E<strong>in</strong>e Tenosynovitis o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>e Enthesitis kann vorkommen. Am<br />
Integument kann e<strong>in</strong> Kerato<strong>der</strong>ma<br />
blenorrhagicum (pustulierende Erytheme<br />
an <strong>Hand</strong>flächen und Fusssohlen, später<br />
hyperkeratotische, schuppende, nässende<br />
Herde) auftreten [11]. <strong>Die</strong> Anamnese<br />
mit vorausgehenden Infektionen hilft<br />
zusammen mit <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik, e<strong>in</strong>e Verdachtsdiagnose<br />
zu stellen. Im Röntgen-
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1102<br />
Abb. 11: Kl<strong>in</strong>isches Bild mit Daktylitis des<br />
Mittelf<strong>in</strong>gers.<br />
Abb. 13: Ultraschall <strong>der</strong> Beugesehnen<br />
(Stern) des Mittelf<strong>in</strong>gers mit Nachweis<br />
e<strong>in</strong>er Tenosynovitis mit pathologischem<br />
Powerdopplersignal (Pfeil).<br />
bild zeigt sich selten und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur<br />
bei chronischen Verläufen das Mischbild<br />
von Usuren, Proliferation und Ankylosen.<br />
In <strong>der</strong> Laboruntersuchung können<br />
erhöhte Entzündungszeichen nachgewiesen<br />
werden. <strong>Die</strong> PCR für Chlamydien<br />
kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> oft hoch entzündlichen Gelenksflüssigkeit,<br />
jedoch häufiger im Ur<strong>in</strong><br />
positiv se<strong>in</strong>. Stuhlkulturen erlauben den<br />
Nachweis von enteralen Infektionen. Das<br />
HLA-B27 kann positiv se<strong>in</strong> und gilt als<br />
Risikofaktor für chronische Verläufe [12].<br />
Systemische Sklerose (SSc)<br />
Häufig bestehen Arthralgien und Arthritiden<br />
<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>gergelenke (<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Abb. 12: Koronare Magnetresonanztomographie mit hyper<strong>in</strong>tenser Schwellung um den<br />
Mittelf<strong>in</strong>ger.<br />
Abb. 14: L<strong>in</strong>ks kl<strong>in</strong>isches Bild mit Beugekontrakturen, bzw. Madonnenf<strong>in</strong>gern, Schwellungen<br />
über den MCP-Gelenken und sklerosierte Haut. Rechts Röntgenbild mit Darstellung <strong>der</strong> Kontrakturen,<br />
postentzündliche Verän<strong>der</strong>ungen mit Gelenkspaltverschmälerungen im MCP-IIund<br />
-III-Gelenk und dystrophe Verkalkungen <strong>in</strong> den Weichteilen des Daumens (Pfeil).<br />
Regel <strong>der</strong> MCP-Gelenke) und Tenosynovitiden.<br />
E<strong>in</strong>e Raynaud-Symptomatik ist<br />
Früh- und häufig Erstsymptom und tritt<br />
<strong>in</strong> 90% <strong>der</strong> Fälle auf: Kälte<strong>in</strong>duziert<br />
kommt es dabei zu e<strong>in</strong>er Vasokonstriktion<br />
mit späterem Abblassen, bläulicher<br />
Verfärbung aufgrund e<strong>in</strong>er Zyanose und<br />
zuletzt zu e<strong>in</strong>er reaktiven Vasodilatation<br />
mit Rötung, Schwellung, klopfenden<br />
und brennenden Schmerzen. An den<br />
Händen kommt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frühphase <strong>der</strong><br />
Erkrankung zu e<strong>in</strong>em Ödem <strong>der</strong> F<strong>in</strong>ger<br />
(puffy f<strong>in</strong>gers). Später folgt die eigentliche<br />
Sklerose mit Induration, Atrophie<br />
und zunehmen<strong>der</strong> Fibrosierung <strong>der</strong> Haut.<br />
An <strong>der</strong> Haut können auch Depigmentierung,<br />
Hyperpigmentierung o<strong>der</strong> Teleangiektasien<br />
ersche<strong>in</strong>en, die Weichteile<br />
können dystrophe Verkalkungen aufweisen<br />
[13]. <strong>Die</strong> Sklerodaktylie bezeichnet<br />
diffus verdickte F<strong>in</strong>ger mit livi<strong>der</strong> Verfärbung.<br />
Im Verlauf kann es zu e<strong>in</strong>er<br />
krallenartigen fixierten Beugestellung<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>ger («Madonnenf<strong>in</strong>ger») (Abb.14)<br />
und zu vaskulär bed<strong>in</strong>gten Nekrosen<br />
(Ulzera) an den F<strong>in</strong>gerspitzen kommen<br />
[14]. Im Labor können Entzündungsparameter,<br />
<strong>in</strong> über 90% ant<strong>in</strong>ukleäre<br />
Antikörper sowie Antikörper gegen verschiedene<br />
def<strong>in</strong>ierte nukleäre Antigene<br />
(z.B. Anti-Centromer-Ak, Anti-Topoisomerase-1-Ak,<br />
Anti-RNA-Polymerase-<br />
Ak, Anti-Fibrillar<strong>in</strong>-Ak, Anti-PM-Scl-Ak)<br />
gefunden werden.<br />
Dermatomyositis/Polymyositis<br />
(DM/PM)<br />
Arthralgien und nicht-erosive Arthritiden<br />
v.a. <strong>der</strong> MCP-Gelenke kommen
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1103<br />
Abb. 15: Kl<strong>in</strong>isches Bild mit Gottron-<br />
Papeln über den MCP-Gelenken.<br />
Abb. 17: Kl<strong>in</strong>isches Bild mit Jaccoud-<br />
Arthritis.<br />
vor. Pathognomische Hautverän<strong>der</strong>ungen<br />
an <strong>der</strong> <strong>Hand</strong> s<strong>in</strong>d Gottron-Papeln:<br />
<strong>Die</strong>se s<strong>in</strong>d konfluierende, erythematöse<br />
bis violette Papeln dorsal <strong>der</strong> Metakarpophalangeal-<br />
und <strong>der</strong> Interphalangealgelenke<br />
(Abb. 15) [15]. Im Bereich<br />
des Nagelfalzes kann es zu e<strong>in</strong>er<br />
druckschmerzhaften, hyperkeratotischen<br />
Verdickung kommen (Ke<strong>in</strong>ig-Zeichen).<br />
Teleangiektasien und periunguale Split-<br />
Abb. 16: Kapillarmikroskopie. Pfeil: Mikroblutungen,<br />
Stern: dilatierte Kapillaren.<br />
Abb. 18: Ultraschall <strong>der</strong> Beugesehnen<br />
(Stern) mit Nachweis e<strong>in</strong>er exsudativen<br />
und proliferativen Tenosynovitis (Pfeil).<br />
terblutungen können ebenfalls auftreten.<br />
Kapillarmikroskopisch erkennt man<br />
Riesenkapillaren, Mikroblutungen und<br />
e<strong>in</strong>e gestörte Kapillararchitektur wie<br />
e<strong>in</strong>e Torquierung <strong>der</strong> Gefässe (Abb. 16).<br />
«Mechanikerhände» (radial betonte<br />
Hyperkeratosen mit Schuppung und<br />
Fissuren) werden beim Antisynthetase-<br />
Syndrom (z.B. mit Anti-Jo-1-Antikörpern<br />
und Lungenfibrose) beobachtet.<br />
Anamnese und Kl<strong>in</strong>ik s<strong>in</strong>d richtungsweisend.<br />
E<strong>in</strong>e Magnetresonanztomographie<br />
(MRT) kann entzündliche Verän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Muskulatur zeigen, das<br />
Elektromyogramm e<strong>in</strong> abnormes Muster.<br />
E<strong>in</strong>e Muskelbiopsie mit nachfolgen<strong>der</strong><br />
histologischer Untersuchung ist <strong>der</strong><br />
Goldstandard zur Sicherung <strong>der</strong> Diag-<br />
nose. Das Labor zeigt erhöhte Muskelenzymwerte<br />
(CK, Myoglob<strong>in</strong>, LDH,<br />
GOT und GPT). Von den Autoantikörpern<br />
s<strong>in</strong>d die ANA (<strong>in</strong> 80%) und<br />
Myositis-spezifische Antikörper (z.B.<br />
anti-Jo-1, Anti-Ku o<strong>der</strong> Anti-Mi2) erhöht,<br />
letztere s<strong>in</strong>d jedoch nur <strong>in</strong> 30% <strong>der</strong><br />
Fälle nachweisbar.<br />
Systemischer Lupus erythematodes<br />
(SLE)<br />
Symmetrische wan<strong>der</strong>nde Polyarthralgien<br />
o<strong>der</strong> Polyarthritiden s<strong>in</strong>d häufig.<br />
Wie bei den an<strong>der</strong>en Kollagenosen kommen<br />
e<strong>in</strong>e Raynaud-Symptomatik und<br />
Nagelfalzverän<strong>der</strong>ungen vor. <strong>Die</strong> Jaccoud-Arthropathie<br />
ist selten und kommt<br />
<strong>in</strong> weniger als 10% <strong>der</strong> Fälle vor: Dabei<br />
entstehen durch Sehnen- o<strong>der</strong> Muskelbeteiligung<br />
Schwanenhalsdeformität o<strong>der</strong><br />
Ulnardeviation. Gelenke können luxieren.<br />
Knochenerosionen treten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Regel nicht auf. Bei Patienten mit Akrozyanose<br />
kann es zu flachen, blauroten<br />
hyperkeratotischen Knoten kommen<br />
(Chilbla<strong>in</strong>-Lupus). Häufig werden Erytheme<br />
an den F<strong>in</strong>gern dorsal zwischen<br />
den Gelenken beobachtet. <strong>Die</strong> Diagnose<br />
des SLE ergibt sich <strong>in</strong> Zusammenschau<br />
von Organmanifestationen (<strong>in</strong>klusive<br />
Integument), Laboruntersuchungen (z.B.<br />
Hämatologie, Antikörper wie AntidsDNA-AK,<br />
Anti-Sm-Ak, ant<strong>in</strong>ukleäre<br />
Antikörper und Ur<strong>in</strong>sediment) [16] und<br />
bildgeben<strong>der</strong> <strong>Diagnostik</strong> (z.B. transthorakale<br />
Echokardiographie zum Nachweis<br />
e<strong>in</strong>er Herzbeteiligung, MRT des<br />
Gehirn o<strong>der</strong> EEG zum Nachweis e<strong>in</strong>er<br />
ZNS-Beteiligung).<br />
Nicht-<strong>rheumatische</strong> Krankheiten<br />
und ihre <strong>Hand</strong>manifestationen<br />
Diabetische Cheiroarthropathie<br />
(Diabetisches <strong>Hand</strong>-Syndrom)<br />
Bei Diabetikern (bei Diabetes Typ 1<br />
häufiger als bei Typ 2) kann sich nebst<br />
e<strong>in</strong>em Karpaltunnelsyndrom und Teno-
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1104<br />
Abb. 19: Kl<strong>in</strong>isches Bild mit «prayers-sign».<br />
synovitiden [17] auch das diabetische<br />
<strong>Hand</strong>-Syndrom (Cheiroarthropathie)<br />
manifestieren. Dabei kommt es zu e<strong>in</strong>er<br />
diffusen Verdickung <strong>der</strong> Weichteile an<br />
<strong>der</strong> <strong>Hand</strong> (Faszien, Sehnen, Kapseln und<br />
Ligamente), welche die Beweglichkeit,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Extension <strong>der</strong> F<strong>in</strong>gergelenke,<br />
limitieren. <strong>Die</strong> Gelenke selbst<br />
s<strong>in</strong>d nicht betroffen. In <strong>der</strong> Regel ist die<br />
diabetische Cheiroarthropathie schmerzfrei.<br />
Kl<strong>in</strong>isch imponiert das sog. «prayerssign»:<br />
Beim Versuch, die Hände <strong>in</strong><br />
Gebetsposition zu br<strong>in</strong>gen, fällt es dem<br />
Erkrankten schwer, se<strong>in</strong>e <strong>Hand</strong>flächen<br />
zu berühren (Abb. 19) [18]. <strong>Die</strong>s ist<br />
darauf zurückzuführen, dass sich die<br />
F<strong>in</strong>ger nicht vollständig strecken lassen.<br />
<strong>Die</strong>ses Phänomen kann allerd<strong>in</strong>gs auch<br />
bei an<strong>der</strong>en Erkrankungen vorkommen<br />
(z.B. bei <strong>der</strong> Rheumatoiden Arthritis<br />
aufgrund e<strong>in</strong>er Arthritis <strong>in</strong> den PIP-Gelenken<br />
und bei Tenosynovitiden).<br />
Endokarditis<br />
Spl<strong>in</strong>ter-Hämorrhagien s<strong>in</strong>d subunguale<br />
l<strong>in</strong>eare Blutungen, welche wie Holz-<br />
Key messages<br />
● Rheumatische Erkrankungen manifestieren sich häufig an <strong>der</strong> <strong>Hand</strong>.<br />
● <strong>Die</strong> kl<strong>in</strong>ischen Manifestationen <strong>der</strong> <strong>rheumatische</strong>n Erkrankungen s<strong>in</strong>d häufig<br />
diagnostisch richtungsweisend.<br />
● Zur weiteren Sicherung <strong>der</strong> Diagnose eignen sich das konventionelle Röntgenbild,<br />
<strong>der</strong> Ultraschall und die Labordiagnostik.<br />
Lernfragen<br />
1. Bei rheumatoi<strong>der</strong> Arthritis s<strong>in</strong>d folgende Gelenksmanifestationen typisch:<br />
a) Ausschliesslicher Befall <strong>der</strong> DIP-Gelenke<br />
b) Strahl- o<strong>der</strong> Transversalbefall<br />
c) Symmetrischer Befall <strong>der</strong> MCP-, PIP- und <strong>Hand</strong>gelenke<br />
d) Arthrose im Scapho-Trapezio-Trapezoideal-Gelenk (STT-Gelenk)<br />
2. Typische Frühmanifestation <strong>der</strong> Systemischen Sklerose ist:<br />
a) Raynaud-Syndrom<br />
b) Onycholyse<br />
c) Akute Monoarthritis<br />
d) Kerato<strong>der</strong>ma blenorrhagicum<br />
3. Zu den typischen Röntgenverän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arthrose gehören NICHT:<br />
a) asymmetrische («exzentrische») Gelenkspaltverschmälerung<br />
b) subchondrale Sklerosierung<br />
c) «Pencil <strong>in</strong> cup»-Verän<strong>der</strong>ungen<br />
d) Osteophytenbildung mit Geröllzysten<br />
Splitter (spl<strong>in</strong>ter) unter dem Nagel aussehen.<br />
Sie s<strong>in</strong>d 1<strong>–</strong>3 mm lang, rot und<br />
verfärben sich nach wenigen Tagen<br />
Abb. 20: Kl<strong>in</strong>isches Bild mit Spl<strong>in</strong>ter-<br />
Hämorrhagien.<br />
braun bis schwarz (Abb. 20). Spl<strong>in</strong>ter-<br />
Hämorrhagien kommen auch nach<br />
simpler mechanischer Belastung, Traumata,<br />
beim Antiphospholipid-Syndrom<br />
(primär o<strong>der</strong> sekundär bei systemischem<br />
Lupus erythematodes), selten bei Rheumatoi<strong>der</strong><br />
Arthritis, Thromboangitis<br />
obliterans, l<strong>in</strong>ksatrialem Myxom o<strong>der</strong><br />
bei atrialen Thrombosen vor. Osler-<br />
Knoten s<strong>in</strong>d schmale, geschwollene und<br />
rote Areale mit e<strong>in</strong>em hellen Zentrum<br />
an <strong>der</strong> F<strong>in</strong>gerspitze. <strong>Die</strong>se Knoten können<br />
nach wenigen Stunden wie<strong>der</strong> verschw<strong>in</strong>den,<br />
meistens bleiben sie jedoch<br />
für mehrere Tage sichtbar. Janeway<br />
Lesions kommen an den <strong>Hand</strong><strong>in</strong>nenflächen<br />
o<strong>der</strong> Fusssohlen vor und s<strong>in</strong>d<br />
kle<strong>in</strong>e, erythematöse o<strong>der</strong> hämorrhagische<br />
Flecken. Trommelschlegelf<strong>in</strong>ger<br />
sowie Uhrglasnägel werden <strong>in</strong> manchen<br />
Fällen auch im Rahmen e<strong>in</strong>er Endokarditis<br />
gesehen [19]. Uhrglasnägel, die
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1105<br />
auch an den Zehen vorkommen, können<br />
auch idiopathisch auftreten, sekundär<br />
wohl am häufigsten f<strong>in</strong>det man sie bei<br />
COPD (Chronic obstructive pulmonary<br />
disease) und Lungentumoren.<br />
Osteoarthropathia hypertrophicans<br />
(Morbus Pierre-Marie-Bamberger)<br />
<strong>Die</strong> Osteoarthropathia hypertrophicans<br />
zählt zu den sekundären hypertrophen<br />
Osteoarthropathien und ist meist mit<br />
Abb. 21: Kl<strong>in</strong>isches Bild mit Uhrglasnägel<br />
und verdickten Endphalangen.<br />
Abb. 22: Kl<strong>in</strong>isches Bild mit massiver<br />
Weichteilschwellung <strong>der</strong> ganzen <strong>Hand</strong>.<br />
e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>trathorakalen Erkrankung vergesellschaftet.<br />
Häufig bestehen ke<strong>in</strong>e<br />
Beschwerden o<strong>der</strong> es treten Belastungsschmerzen<br />
<strong>der</strong> Endphalangen auf. Kl<strong>in</strong>isch<br />
imponieren e<strong>in</strong>e Pachy<strong>der</strong>mie<br />
(abnorme Verdickung <strong>der</strong> Haut), e<strong>in</strong>e<br />
Periostose, geschwollene F<strong>in</strong>ger, e<strong>in</strong>e Seborrhoe<br />
und Hyperhidrosis an Händen<br />
und Füssen [20]. Uhrglasnägel (konvexe<br />
Krümmung <strong>in</strong> longitud<strong>in</strong>aler und transversaler<br />
Richtung) s<strong>in</strong>d charakteristisch<br />
(Abb. 21) [21]. Im Röntgenbild sieht<br />
man pathognomische Verän<strong>der</strong>ungen:<br />
ausschliesslich diaphysäre periostale<br />
Appositionen an den langen Röhrenknochen<br />
sowie an Mittelhandknochen,<br />
Grund- und Mittelglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Phalangen<br />
[22]. <strong>Die</strong> Verän<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Regel symmetrisch.<br />
Chronic Regional Pa<strong>in</strong> Syndrom<br />
(CRPS, M. Sudeck)<br />
<strong>Die</strong> <strong>Hand</strong> ist e<strong>in</strong>e häufige Lokalisation<br />
e<strong>in</strong>es CRPS. Das CRPS manifestiert sich<br />
als Triade von sensorischen, autonomen<br />
und motorischen Symptomen. Sensorisch<br />
zeigt sich e<strong>in</strong> spontaner Schmerz,<br />
<strong>der</strong> von brennen<strong>der</strong>, bohren<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />
krampfartiger Qualität ist. Der Schmerz<br />
wird durch kle<strong>in</strong>ste Bewegungen, durch<br />
Temperaturän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Berührungen<br />
provoziert. Autonome Befunde s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>e Weichteilschwellung und Überwärmung<br />
<strong>der</strong> betroffenen Region (Abb. 22).<br />
Dabei kann die Haut sowohl kühl als<br />
auch warm se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> ekkr<strong>in</strong>e Schweissdrüsenaktivität<br />
kann sowohl <strong>in</strong> Form<br />
e<strong>in</strong>er Hyper- als auch e<strong>in</strong>er Hypohidrose<br />
gestört se<strong>in</strong>. Es kommt im Verlauf zu<br />
e<strong>in</strong>er aktiven und passiven Funktionse<strong>in</strong>schränkung.<br />
Motorisch können Tremor,<br />
Dystonie und Koord<strong>in</strong>ationsstörungen<br />
beobachtet werden. Trophische<br />
Störungen s<strong>in</strong>d Zeichen e<strong>in</strong>es Spätstadiums:<br />
Haut-, Haar- und Nagelwachstum<br />
s<strong>in</strong>d gestört und die Knochen<br />
können durch die trophische Störung<br />
wie auch durch die Immobilisation<br />
osteoporotisch verän<strong>der</strong>t se<strong>in</strong> [23]. <strong>Die</strong><br />
Diagnose wird mittels Anamnese und<br />
Kl<strong>in</strong>ik gestellt. Im Röntgenbild kann<br />
e<strong>in</strong>e Osteopenie objektiviert werden. In<br />
<strong>der</strong> Skelettsz<strong>in</strong>tigraphie zeigt sich e<strong>in</strong>e<br />
diffuse Anreicherung an <strong>der</strong> betroffenen<br />
Stelle. Mittels <strong>der</strong> Thermographie lässt<br />
sich e<strong>in</strong> Temperaturunterschied zwischen<br />
<strong>der</strong> betroffenen und <strong>der</strong> nicht-betroffenen<br />
Extremität messen [24], ist jedoch<br />
im kl<strong>in</strong>ischen Alltag nicht notwendig.<br />
Weitere hilfreiche Tests s<strong>in</strong>d die Sudometrie<br />
(Schweiss<strong>in</strong>tensitäts-Messung)<br />
o<strong>der</strong> die diagnostische Sympathikusblockade<br />
(Schmerzl<strong>in</strong><strong>der</strong>ung durch medikamentöse<br />
Hemmung des vegetativen<br />
Nervensystems).<br />
Abstract<br />
Many rheumatic diseases show changes<br />
and are visible <strong>in</strong> the hands. The<br />
pattern of distribution <strong>in</strong> the relevant<br />
jo<strong>in</strong>ts, soft-tissue changes, sk<strong>in</strong> manifestations,<br />
neurological and vascular<br />
symptoms and cl<strong>in</strong>ical f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs provide<br />
fundamental <strong>in</strong>formation. Imag<strong>in</strong>g<br />
and lab results provide diagnostic<br />
support. In this review, common<br />
diseases are presented <strong>in</strong> terms of their<br />
cl<strong>in</strong>ical expressions <strong>in</strong> the hands:<br />
osteoarthritis, rheumatoid arthritis,<br />
gout, calcium pyrophosphate dihydrate<br />
deposition disease, psoriatic<br />
arthritis, reactive arthritis, systemic<br />
sclerosis, <strong>der</strong>matomyositis/polymyositis<br />
and systemic lupus erythematosus.<br />
Furthermore, we discuss pathological<br />
f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs of the hands as a result of<br />
diabetic cheiroarthropathia, endocarditis,<br />
secondary hypertrophic osteoarthropathy<br />
and chronic regional pa<strong>in</strong><br />
syndrom.<br />
Key words: rheumatology <strong>–</strong> hand <strong>–</strong><br />
imag<strong>in</strong>g <strong>–</strong> osteoarthritis <strong>–</strong> rheumatoid<br />
arthritis<br />
Résumé<br />
Beaucoup de maladies rhumatismales<br />
se manifestent au niveau de la ma<strong>in</strong>. Le<br />
modèle de distribution des articulations<br />
touchées, les modifications des
PRAXIS M<strong>in</strong>i-Review <strong>Praxis</strong> 2011; 100 (18): 1097<strong>–</strong>1106 1106<br />
tissus mous, les manifestations cutanées,<br />
les symptômes et les conclusions<br />
neurologiques et vasculaires peuvent<br />
être <strong>in</strong>dicatifs. L’imagerie et le laboratoire<br />
apportent une précieuse aide<br />
dans le diagnostic supplémentaire.<br />
Dans cette revue, les maladies courantes<br />
et leurs caractéristiques cl<strong>in</strong>iques<br />
se manifestant au niveau de la<br />
ma<strong>in</strong> sont présentées: l’arthrose, la<br />
polyarthrite rhumatoïde, la goutte, la<br />
maladie de dépôt de dihydrate de<br />
pyrophosphate de calcium, le rhumatisme<br />
psoriasique, l’arthrite réactive,<br />
la scléro<strong>der</strong>mie systémique, la <strong>der</strong>matomyosite/polymyosite<br />
et lupus érythémateux<br />
systémique. De plus, nous<br />
présenterons les modifications observées<br />
au niveau de la ma<strong>in</strong> dans la<br />
cheiroarthropathie diabétique, l’endocardite,<br />
l’osteoarthropathie hypertrophique<br />
et dans le syndrome chronique<br />
régional douloureux.<br />
Mots-clés: rhumatologie <strong>–</strong> ma<strong>in</strong> <strong>–</strong><br />
imagerie <strong>–</strong> arthrose <strong>–</strong> polyarthrite<br />
rhumatoïde<br />
Korrespondenzadresse<br />
Cand. med. Raphael Micheroli<br />
Fronalpstrasse 4<br />
8753 Mollis<br />
rheumatichand@gmail.com<br />
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1. Antwort c) ist richtig.<br />
2. Antwort a) ist richtig.<br />
3. Antwort c) ist richtig.<br />
Antworten zu den Lernfragen
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