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Sicher leben im Alter - Deutsche Hochschule der Polizei

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Hilfs- und Unterstützungsangeboten beson<strong>der</strong>s schwierig gestaltet (vgl. Görgen, Newig, Nägele &<br />

Herbst, 2005; Schröttle, 2008). Opferwerdungsbefragungen belegen, dass ältere Frauen von körperlicher<br />

und sexueller Gewalt durch Partner <strong>im</strong> Vergleich zu jüngeren Frauen deutlich seltener betroffen<br />

sind. Zugleich gibt es deutliche Hinweise darauf, dass ältere Frauen in beträchtlichem Maße Opfer<br />

von psychischer Gewalt durch Partner wie durch an<strong>der</strong>e nahestehende Personen werden (Schröttle,<br />

2008; Görgen, Herbst & Rabold, 2010).<br />

Qualitative D<strong>im</strong>ension<br />

Neben <strong>der</strong> quantitativen D<strong>im</strong>ension legen Fallcharakteristika und Beson<strong>der</strong>heiten <strong>im</strong> Zugang zu Hilfe<br />

und Unterstützung bzw. Charakteristika des bestehenden Hilfesystems nahe, dieses Thema gezielter<br />

in den Blick zu nehmen.<br />

(1) Beson<strong>der</strong>e Vulnerabilität: Die bislang vorliegenden Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin,<br />

dass unter „gewaltbelasteten Partnerschaften“ älterer Menschen vor allem solche zu finden sind, in<br />

denen ältere Frauen über lange Zeiträume massiv und systematisch unterdrückt, gedemütigt und<br />

körperlich angegriffen werden und aus „chronischen Gewaltbeziehungen“ heraus nur schwer einen<br />

Weg zur Inanspruchnahme von Hilfen finden (vgl. Görgen, Newig, Nägele & Herbst, 2005, Nägele,<br />

Böhm, Görgen, Kotlenga & Petermann, 2011). In vielen dieser Fälle kommt es zu den bekannten psychischen<br />

und physischen gewaltbedingten Abbauprozessen, die sich mit altersbedingten gesundheitlichen<br />

Abbauprozessen verschränken und gegenseitig verstärken (Thomas, Joshi, Wittenberg &<br />

McCloskey, 2008). Zugleich führen altersspezifische Abbauprozesse zu einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit<br />

und einer geringeren Fähigkeit, sich selbst zur Wehr zu setzen o<strong>der</strong> Hilfe zu holen.<br />

(2) Partnergewalt <strong>im</strong> Kontext von Pflege: In <strong>der</strong> dem Aktionsprogramm vorangehenden Studie „Kr<strong>im</strong>inalität<br />

und Gewalt <strong>im</strong> Leben alter Menschen“ wurde über eine Reihe von Fällen von Partnergewalt<br />

<strong>im</strong> Kontext häuslicher Pflegebeziehungen berichtet. Es wurde deutlich, dass sich pflegebezogene<br />

Gewaltdynamiken und solche <strong>im</strong> Kontext langjähriger Partnergewalt gegenseitig überlagern können<br />

(Nägele, Kotlenga, Görgen & Leykum, 2010, S. 356 ff.). So stellten neben belastungsinduzierten Vikt<strong>im</strong>isierungen<br />

Fälle fortgesetzter Partnergewalt mit Frauen als Opfern eine weitere große Gruppe<br />

unter den insgesamt <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> qualitativen Interviewstudie berichteten Gewaltfällen in häuslichen<br />

Pflegebeziehungen dar. Als problematisch erwies sich, dass in manchen dieser Fälle einbezogene<br />

Fachkräfte aus dem Bereich <strong>der</strong> Pflegeberatung und <strong>der</strong> ambulanten Pflege auch in diesen<br />

Konstellationen pflegebedingte Überlastung bzw. Überfor<strong>der</strong>ung als Ursache von Vikt<strong>im</strong>isierungen<br />

identifizierten, ohne die spezifischen Dynamiken von Partnerschaftsgewalt zu berücksichtigen (vgl.<br />

Nägele, Kotlenga, Görgen & Leykum, 2010, S. 356 ff.).<br />

(3) Schwache Dunkelfeldausschöpfung: Es gibt deutliche Hinweise auf eine <strong>im</strong> höheren Lebensalter<br />

beson<strong>der</strong>s schwache Dunkelfeldausschöpfung <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> häuslichen Gewalt – sowohl durch<br />

<strong>Polizei</strong> und Justiz als auch durch helfende Institutionen (Schröttle, 2008). Ein hoher Anteil von unerkannt<br />

bleibenden Fällen ist einerseits auf motivationale und emotionale Hemmnisse gegenüber Anzeigeerstattung<br />

und Inanspruchnahme von Hilfen <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> zurückzuführen. Hierzu gehören u. a. die<br />

mit <strong>der</strong> Offenbarung einer innerfamiliären Vikt<strong>im</strong>isierung verbundene Scham – darüber, dass es zu<br />

Vikt<strong>im</strong>isierungen kommt und darüber, dass die Frauen es nicht geschafft haben, die Beziehung zu<br />

beenden –, die Furcht vor Repressalien seitens <strong>der</strong> gewaltausübenden Person, das Zurückschrecken<br />

vor mittel- und langfristigen „Folgekosten“ einer Anzeigeerstattung und einer Trennung vom Täter,<br />

zum Teil – bei pflege- und hilfebedürftigen Opfern – auch die Angst, die Suche nach Hilfe könnte für<br />

die betroffene Person letztlich mit dem Verlust des vertrauten Wohnumfeldes und <strong>der</strong> Übersiedlung<br />

in eine stationäre Einrichtung enden. Umgekehrt kann auch die Pflegebedürftigkeit des Täters eine<br />

spezifische Bindungswirkung entfalten. Das Verbleiben in Gewaltbeziehungen ist zumindest bei Tei-<br />

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