August 2018 | Bürgerspiegel
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Seite 24<br />
Unter uns<br />
Anzeige<br />
Wurde Vorsorgevollmacht missbraucht? Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue!<br />
Wer hat da wohl alles versagt?<br />
Von HENRIE LAIB<br />
Region - Wir haben schon<br />
mehrmals über das Schicksal<br />
von Gertrud Stegmann aus<br />
Idafehn berichtet. Als Elfjährige<br />
überlebte sie in der Nacht<br />
zum 30. Januar 1945 den Untergang<br />
des Flüchtlingsschiffes<br />
„Wilhelm Gustloff“. Über<br />
9.000 Menschen, darunter viele<br />
Kinder, ertranken in der Ostsee.<br />
Nur wenige überlebten die<br />
Tragödie. Eine von ihnen ist<br />
Gerti Stegmann, vielleicht sogar<br />
noch die Einzige. Die heute<br />
84-Jährige musste in ihrem Leben<br />
noch viele andere Schicksalsschläge<br />
hinnehmen.<br />
Im Dezember 2010 berichteten<br />
wir erstmals über das Schicksal<br />
von Gerti (damals noch im<br />
BÜRGERBLICK). Daraus entstand<br />
eine Freundschaft, die<br />
bis heute andauert. Wir haben<br />
uns nicht oft gesehen, aber öfters<br />
telefoniert.<br />
Das Urnengrab von Karl-Heinz-<br />
Bornemann. Gepflegt wurde es von<br />
den Betreuern wohl kaum.<br />
Mitte April dieses Jahres klingelte<br />
morgens um 3 Uhr bei<br />
mir Zuhause das Telefon. Am<br />
anderen Ende war Gerti, die<br />
völlig verzweifelt klang. Ihr<br />
Lebensgefährte Karl-Heinz<br />
Bornemann war gestorben (9.<br />
April) und sie erhob schwere<br />
Vorwürfe gegen ein Ehepaar,<br />
dem sie noch Wochen vor dem<br />
Tod ihres Lebenspartners notariell<br />
eine Vorsorgevollmacht<br />
mit Betreuungs- und Patientenverfügung<br />
erteilt hatte (15.<br />
März). Auch ein Testament<br />
hatte Gerti eine Woche vor der<br />
Erteilung der Vorsorgevollmacht<br />
beim Notar in kraxeliger<br />
Schrift verfasst, in dem sie<br />
die „fürsorgliche Betreuung“<br />
des Ehepaares lobte. Es liegt<br />
dem BÜRGERSPIEGEL vor.<br />
So heißt es dort u.a.: „In der<br />
Not und Krankheit waren sie die<br />
besten Freunde. Aus Dankbarkeit<br />
können sie alles haben, das Geld<br />
könnt Ihr euch teilen..“<br />
Damit meinte sie das, was<br />
nach ihrem Tode noch auf ihrem<br />
und dem Konto ihres Lebensgefährten<br />
übrig geblieben<br />
ist.<br />
Die Kontoauszüge, die Gerti<br />
dem BÜRGERSPIEGEL vorlegte,<br />
wiesen zum 3. Februar<br />
<strong>2018</strong> auf ihrem Konto noch<br />
29.404,47 Euro auf und auf<br />
dem Konto ihres Lebenspartners<br />
Karl-Heinz Bornemann<br />
am 5. Februar 77.650,22 Euro.<br />
Insgesamt 107.054,69 Euro.<br />
Gerti: „Karl-Heinz hatte vor<br />
Jahren in Süddeutschland sein<br />
Haus verkauft. Das Geld sollte<br />
für unseren Lebensabend<br />
sein.“<br />
Als Gertrud Stegmann noch glücklich war! Mit ihrem Lebensgefährten<br />
Karl-Heinz Bornemann (91 †) in ihrer Idafehner Wohnung<br />
Darf ein psychisch Kranker<br />
eine Betreuungsvollmacht<br />
bekommen?<br />
Nun muss man mit Vorwürfen<br />
und Spekulationen vorsichtig<br />
sein. Tatsache aber ist,<br />
dass Gerti nach dem Tod ihres<br />
Lebenspartners offenbar<br />
erst begriff, was es bedeutet,<br />
an jemanden, eigentlich Fremden,<br />
einen solchen Umfang<br />
an Vollmachten zu übertragen.<br />
Kaum war ihr Lebensgefährte<br />
unter der Erde, ließ<br />
das bevollmächtigte Ehepaar<br />
Gerti Stegmann in die Psychiatrie<br />
in Emden einweisen (der<br />
BÜRGERSPIEGEL berichtete in<br />
seiner Mai-Ausgabe). Den Artikel<br />
schickten wir der zuständigen<br />
Richterin am Amtsgericht<br />
Leer (Betreuungsgericht)<br />
zu und recherchierten im Umfeld<br />
des bevollmächtigten Ehepaares.<br />
Ihnen wurde eigentlich<br />
von allen, mit denen wir sprachen,<br />
ein guter Leumund ausgestellt.<br />
Bis wir auf einen ehemaligen<br />
Geschäftspartner des<br />
Bevollmächtigten stießen.<br />
(Nennen wir Gertis Bevollmächtigten<br />
mal „Max“ und seinen<br />
ehemaligen Geschäftspartner „Peter“.<br />
Die richtigen Namen sind<br />
uns selbstverständlich bekannt.)<br />
„Peter“, der ehemalige Geschäftspartner,<br />
wohnt in der<br />
Nähe von Oldenburg. Er hatte<br />
„Max“ aus Ostfriesland im<br />
Jahr 2016 seine Firma, die im<br />
weitesten Sinne in der Baubranche<br />
tätig war, verkauft -<br />
unseren Recherchen nach für<br />
zirka 850.000 Euro. Anbezahlt<br />
hatte „Max“ aus Ostfriesland<br />
jedoch bislang lediglich etwa<br />
300.000 Euro, den Rest (etwas<br />
über eine halbe Million Euro)<br />
schuldet „Max“ seinem Ex-Geschäftspartner<br />
noch, wie der<br />
uns versicherte. „Max“, der<br />
Betreuer von Gerti, hat demnach<br />
noch über eine halbe Million<br />
Euro Schulden bei seinem<br />
ehemaligen Geschäftspartner,<br />
der gegen ihn klagt.<br />
Einer Vermögensauskunft vor<br />
Gericht im April 2017 (früher<br />
Eidesstattliche Versicherung genannt)<br />
entzog sich „Max“, indem<br />
er dem Gericht und dem<br />
Gesundheitsamt des Landkreises<br />
Leer ein Attest seines<br />
Hausarztes vorlegte. Darin attestierte<br />
ihm sein Hausarzt: „...<br />
eine depressive Episode mit Suizidgedanken,<br />
seit Februar wird<br />
ein Antidepressivum eingenommen.<br />
Amtsärztlicherseits wird bestätigt,<br />
dass Herr... sich in einer<br />
akuten psychischen Krisensituation<br />
befindet und deshalb seinen<br />
Termin ... beim Gerichtsvollzieher<br />
nicht wahrnehmen kann. Eine<br />
psychiatrische Weiterbehandlung<br />
ist vorgesehen und bleibt abzuwarten.“<br />
So weit so gut!<br />
Doch auch in diesem Jahr,<br />
ebenfalls Anfang April, entzog<br />
sich „Max“ erneut einer<br />
Vermögensauskunft, dank<br />
wiederum eines ärztlichen Attestes<br />
seines Hausarztes, das<br />
dem Obergerichtsvollzieher<br />
des Landkreises Leer vorgelegt<br />
wurde. Dort heißt es: „Herr ...<br />
stellte sich am 04.04.<strong>2018</strong> um<br />
11.30 Uhr mit fachärztlichen Unterlagen<br />
im Gesundheitsamt Leer<br />
vor. Der Facharzt attestierte eine<br />
schwere depressive Episode,<br />
eine Einweisung zur Tagesklinik<br />
... liegt vor. Eine Aufnahme ist<br />
für den 05.04.<strong>2018</strong> vorgesehen.<br />
Amtsärztlicherseits wird bestä-