Nippers 2018-2 Ausgabe B

Serie und Reportage I SinL
Hingucken, hinfühlen, es nicht persönlich nehmen
Das ist nicht immer leicht, auch das ist eine Erfahrung, die ich
während des dreiwöchigen Lehrgangs gemacht habe. Denn es
ist anstrengend, über Stunden konzentriert (auch aggressives)
Hundeverhalten und Kommunikation im Auslauf mit mehr als
zehn Hunden zu beobachten, zu analysieren und die richtige
Entscheidung zu treffen, wann man eingreift und Hunde trennt.
Erst die anschließend stattfindende Auswertung der gefilmten
Videosequenzen bringt in manchen Situationen nachträglich
den Durchblick. Auch die sensible Zusammenführung von zwei
Hunden, die potenzielle Zwingergenossen werden sollen, prallt
nicht ohne Anspannung an einem ab. Denn mit der Zeit kennt
man die Vierbeiner ganz gut und kann sich von Vorahnungen
und Mutmaßungen nicht freimachen. Sollte man aber, denn
Erwartungen können die Hunde spüren und bewerten sie nicht
positiv. Das wird auch zunehmend bei der Arbeit an einzelnen
Aggressionsproblemen der verschiedenen Hunde deutlich. Ich
kann aushalten, wenn einem Hund die Nerven durchgehen und
er mir bei der Annäherung beim Futter oder bei der Pfotenkontrolle
um die Ohren fliegt. Einen vermeintlich grundlosen Angriff
überhaupt nicht persönlich zu nehmen, ist für manche aber
eine Herausforderung. Besonders dann, wenn man meint, schon
eine Vertrauensbasis mit dem Tier erreicht zu haben.
Souveräne und wohlwollende Trainer sind gefragt
„Nicht jeder ist für die Arbeit mit aggressiven Hunden geschaffen,
wenn ein Angriff emotional beeindruckt und nachhaltig
verunsichert, ist dieser Mensch nicht geeignet, denn Hunde erkennen
die Sollbruchstelle sehr schnell. Wenn sie einmal mit der
Suche nach Schwächen oder Unzulänglichkeiten ihrer Menschen
und mit manipulativem Verhalten erfolgreich waren, verfolgen
sie diese Strategie weiter. Sie sind alle als normale Welpen auf
die Welt gekommen und vertrauensvoll mit Ihren Menschen
mitgewackelt. Aber der Mensch hinter dem Hund macht den
Hund. Von uns hier lernen sie wieder, dass sie mit dem strategischen
Verhalten nichts mehr erreichen, Grenzen akzeptieren
müssen und das wir trotzdem ihnen gegenüber wohlwollend
sind“, erklärt Perdita Lübbe-Scheuermann.
Das ist einer der wichtigen Bausteine auf dem Weg dazu, die
Hunde für ihre neuen Besitzer handhabbar zu machen. Natürlich
umfasst das Trainingskonzept mehr als nur Aushalten, wo das
Problem sitzt. Die Hunde erhalten im Tierheim auch ein individuell
auf den einzelnen Hund zugeschnittenes Training, Pflege,
Aufmerksamkeit und Zuwendung. Letztlich müssen am Ende des
Tages alle Öhrchen gerubbelt und die Gute-Nacht-Kekse verteilt
worden sein. Das ist viel Arbeit und verlangt dem Team der Hundeakademie
und des Tierheims Viernheim viel Engagement ab.
Eine Arbeit, die sich lohnt, denn gemeinsam sind sie so etwas wie
ein großes Pflaster, das schützend die Hand über die Tiere hält,
die von der Gesellschaft nicht mehr gewollt sind. Solange, bis die
Hundeseele darunter wieder heilen konnte. Auch wenn ein paar
sichtbare Narben bleiben werden, ist diese Projekt etwas sehr Besonderes
und im Kern wahrer Tierschutz.
Burga Torges
Geprüfte Trainerin für aggressive Hunde
Burga Torges, Hundetrainerin aus Hilden bei Düsseldorf, ist nach
Abschluss des 80-stündigen Aggressionslehrgangs mit anschließender
Prüfung durch einen vereidigten Sachverständigen nun
zertifizierte Hundetrainerin für aggressive Hunde. In der Prüfung
mit Theorieteil, Videosequenzanalyse zur Beurteilung von Hundekommunikation
und der praktischen Durchführung einer Bestandsaufnahme
hat sie unter Beweis gestellt, dass sie das Gefahrenpotenzial
eines fremden Hunds richtig einschätzen, die individuellen
Auslöser für die Aggression des Hunds analysieren und ein
Trainingskonzept für den jeweiligen Hund entwickeln kann.
v.l.n.r. Perdita
Lübbe-Scheuermann,
Burga
Torges, Gerold
Günter,
Sachverständiger,
Prüfungshund
Barney.
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Nippers 2/2018 I Region B