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NEUMANN September 2018

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26<br />

Theater<br />

KULTUR<br />

An den Stuttgarter Staatstheatern weht kein frischer Wind. Eher ist es ein Orkan.<br />

Alles auf Anfang<br />

Es ist schon ein ziemliches Durcheinander, wenn eine große Spielstätte ihren<br />

Intendanten wechselt. In Stuttgart haben Oper, Ballett und Schauspiel jetzt<br />

sogar gleichzeitig ihre Intendanz getauscht.<br />

Immerhin: Es kam nicht alles überraschend. Sowohl<br />

an der Oper als auch am Ballett wusste man,<br />

dass sich die Zeit von Jossi Wieler beziehungsweise<br />

Reid Anderson dem Ende näherte. Längst wurde<br />

geplant, vorbereitet und gefeilt, um den Übergang<br />

möglichst reibungslos und – für das Publikum –<br />

ohne Einbußen über die Bühne zu bringen. Beim<br />

Schauspiel sah das freilich anders aus. Mehr oder<br />

weniger unerwartet schmiss Intendant Armin Petras<br />

frühzeitig hin – und das, obwohl er einige Monate<br />

davor erst verlängert hatte.<br />

Gründe dafür gibt es viele. Einer davon ist sicherlich<br />

das gespaltene Verhältnis zwischen ihm und seinem<br />

Publikum. Keine leichte Aufgabe also für seinen<br />

Nachfolger. Der heißt Burkhard C. Kosminski<br />

und kommt vom Mannheimer Nationaltheater in<br />

die Landeshauptstadt. Dass es der 56-Jährige nicht<br />

leicht haben wird, weiß er. Deswegen geht er gleich<br />

in die Offensive, inszeniert sich als Gastgeber und<br />

will Hausbesuche bei seinem Publikum etablieren.<br />

Da kann man ihn dann ohne Witz zu sich nach<br />

Hause einladen, bekochen und ausquetschen.<br />

Das wird den Stuttgartern gefallen, die sich von<br />

Petras eher wie ungeliebte Kinder behandelt fühlten.<br />

Zudem ist Kosminski ein Theatermensch<br />

durch und durch, studierte in New York City und<br />

arbeitete schon an der Berliner Schaubühne, am<br />

Schauspiel Frankfurt, am Theater Dortmund sowie<br />

am Staatsschauspiel Dresden. In Stuttgart will er<br />

das Autorentheater stärken, will politische Fragen,<br />

aber auch das Stadtgeschehen inszenieren. Zudem<br />

will er die Internationalität dieser Stadt auch auf<br />

der Bühne erfahrbar machen – zum Beispiel im<br />

mehrsprachigen „Vögel“ von Wajdi Mouawad. „Ein<br />

solch substantieller Text über unsere gemeinsame<br />

Identität ist mir bislang noch nicht begegnet“, sagt<br />

Kosminski dazu.<br />

Am Ballett dürfte der Übergang um einiges fließender<br />

ablaufen. Mit Tamas Detrich tritt ein Intendant<br />

in Reid Andersons Fußstapfen, dessen Lebensgeschichte<br />

eng mit der legendären Stuttgarter Compagnie<br />

verknüpft ist. Stolze 40 Jahre ist Detrich<br />

Teil des Ensembles, war erst Tänzer, dann Erster<br />

Solist, Ballettmeister und schließlich Stellvertreter<br />

des großen Reid Anderson. Mit Beginn der neuen<br />

Spielzeit darf er selbst ran – und hat natürlich viel<br />

vor. Unter dem Spielzeitmotto „One of a Kind“ wird<br />

Stuttgart einerseits eine substantielle Ehrung der<br />

Cranko-Werke (wir sagen nur „Romeo und Julia“)<br />

zu sehen bekommen, andererseits hautnah miterleben,<br />

wie Detrich das Repertoire behutsam erweitert.<br />

Etwa mit „Mayerling“ von Kenneth MacMillan,<br />

locker dem erschütterndsten Ballett dieser Spielzeit.<br />

Und dann ist da noch das Stück, das der Saison<br />

seinen Namen gibt: „One of a Kind“ ist der erste<br />

Neuzugang im hochgeschätzten Jiří-Kylián-Repertoire<br />

seit geschlagenen 20 Jahren. Seltsam, wenn<br />

man bedenkt, dass Kylián einst selbst Großes zum<br />

Stuttgarter Ballettwunder beigetragen hat.<br />

Auch an der Oper freut man sich auf die neue Ära.<br />

Und hat allen Grund dazu: Das Haus genießt weltweit<br />

einen fantastischen Ruf, war schon mehrfach<br />

Oper des Jahres und hat viele prägende Figuren<br />

hervorgebracht. Mit Jossi Wieler verlässt einen von<br />

ihnen das Haus. Und mit Viktor Schoner übernimmt<br />

einer das Steuer, der mal eine werden könnte.<br />

Der erst 1974 geborene Wagner-Verehrer tritt in<br />

Stuttgart seine erste Intendanz an – und macht<br />

nicht den Fehler, allzu viel umschmeißen zu wollen.<br />

„Tosca“, „Norma“ oder „Der fliegende Holländer“<br />

gibt es auch unter seiner Ägide, eine gewisse Werkstreue<br />

ist wichtig für das Stuttgarter Publikum.<br />

Und für ein führendes Opernhaus eh. Dennoch erarbeitet<br />

ich Schoner Raum für Experimente, lässt<br />

„Herzog Blaubarts Burg“ beispielsweise im Alten<br />

Paketpostamt Stuttgart debütieren und konnte dafür<br />

den Installationskünstler Hans Op de Beck für<br />

Regie und Bühnenbild gewinnen. An neue Räumlichkeiten<br />

muss man sich an der Oper nämlich eh<br />

langsam gewöhnen: In vier, spätestens aber fünf<br />

Jahren ist Schluss am Eckensee. Dann steht die große<br />

Sanierung an. Und die wird hoffentlich keine<br />

Tragödie. jono<br />

DIE STAATSTHEATER STUTTGART<br />

staatstheater-stuttgart.de | schauspiel-stuttgart.de |<br />

stuttgarter-ballett.de | staatsoperstuttgart.de<br />

Foto: © Stuttgart-Marketing GmbH/Achim Mende<br />

<strong>September</strong> <strong>2018</strong>

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