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Mein Vater Mathias Strohriegl wurde<br />
1880 als ältestes von acht Kin<strong>der</strong>n<br />
auf <strong>der</strong> Wirtschaft vulgo Wolzn in<br />
Mitteregg geboren. Er war <strong>der</strong> Hoferbe und sein<br />
ganzes Leben war auf die Landwirtschaft ausgerichtet.<br />
Der Erste Weltkrieg kam und Vater wurde<br />
eingezogen. Als er nach dessen Ende wie<strong>der</strong> heimkam,<br />
wurde er zum Bürgermeister von Mitteregg<br />
gewählt; dieses Amt hat er 42 Jahre lang ausgeübt.<br />
Er war verheiratet und von allen seinen Geschwistern<br />
sind letztendlich ein Bru<strong>der</strong> und eine<br />
Schwester als Knecht und Dirn am Hof verblieben,<br />
obwohl damals auch noch <strong>der</strong> jüngste Bru<strong>der</strong> daheim<br />
beim Wolzn war. Die Zeiten waren schlecht<br />
und wenn man seine Familie nicht ernähren konnte,<br />
ging man zum Bürgermeister. Vater half, wo er<br />
nur konnte: Ein Sack Sterzmehl, ein Topf Getreidemehl<br />
zum Brotbacken o<strong>der</strong> ein Korb voller Erdäpfel<br />
halfen damals vielen Familien über den Winter. Die<br />
Wirtschaft umfasste gut 15 Joch und eine eigene<br />
Mühle gab es ebenfalls. Mit seiner Frau hatte er einen<br />
Sohn, es wurde gearbeitet und gewirtschaftet,<br />
bis sich 1940 seine Gattin an einem Dorn verletzte,<br />
an Wundstarrkrampf erkrankte und kurze Zeit<br />
später verstarb.<br />
Meine Mutter Elisabeth kam 1910 in Kerschegg zur<br />
Welt und heiratete später auf die Wirtschaft vulgo<br />
Maxl nach Mitteregg. Ihr Hof umfasste 8 Joch. Da<br />
neben den Eltern und fünf Kin<strong>der</strong>n auch noch vier<br />
alte Leute hier lebten, war es mehr als schwierig,<br />
alle Mäuler satt zu bekommen. Großes Unglück traf<br />
die Familie, als 1940 <strong>der</strong> Stall abbrannte. Geld war<br />
keines vorhanden, es mussten Schulden gemacht<br />
werden und für die Hilfeleistungen <strong>der</strong> Nachbarn<br />
wurden Tagwerksdienste vereinbart. Doch damit<br />
nicht genug, verletzte sich Mutters Mann bei den<br />
Bauarbeiten und starb nur zwei Tage später ebenfalls<br />
an Wundstarrkrampf. Der älteste Sohn war<br />
9 Jahre alt, das jüngste Kind gerade einmal einjährig<br />
und dazu noch vier alte Leute, von denen eine<br />
Tante schon seit Jahren nicht mehr gehen konnte.<br />
Mutter war gerade einmal 32 Jahre alt und hatte<br />
Lasten zu tragen, wie sie sich heute kaum mehr<br />
jemand vorstellen kann. Es gab we<strong>der</strong> Witwenrente<br />
noch Altersrente und schon gar keine Kin<strong>der</strong>beihilfe.<br />
Nachts wusch sie die Wäsche und nähte<br />
aus alten Militärmänteln neue Hosen und Röcke<br />
für die Kin<strong>der</strong>. Frühmorgens kümmerte sie sich um<br />
die eigene kleine Wirtschaft und tagsüber musste<br />
sie die Hilfeleistungen bei den Nachbarn abarbeiten.<br />
Nicht immer war genug da, um alle Mäuler<br />
satt zu bekommen; umso dankbarer war man dem<br />
Bürgermeister, wenn er hin und wie<strong>der</strong> einen Sack<br />
Sterzmehl vorbeibrachte.<br />
Leichter wurde es für Mutter, als ihre ledige<br />
Schwester zum Maxl zog, um ihr zu helfen. Sie war<br />
ein Multitalent und neben allen <strong>land</strong>wirtschaftlichen<br />
Arbeiten konnte sie auch Körbe nähen, Re-<br />
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