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... der steirer land ... Ausgabe 03 2018

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KALT<br />

ERWISCHT!<br />

Gerade in den Anfangsjahren meiner Geschichtenschreiberei kannten zwar viel Leute<br />

den „Steirer<strong>land</strong>“ und die Erzählungen, waren dann aber doch überrascht, wenn<br />

sie mich kennenlernten. Manche vermuteten, dass mein Vater sie schreibt<br />

und an<strong>der</strong>e erwarteten eher einen gestandenen Geschichtenerzähler<br />

wie Sepp Forcher, aber nicht mich.<br />

Es war im Frühsommer 2014, den „Steirer<strong>land</strong>“<br />

gab es bereits etliche Jahre und aus <strong>der</strong> Motivation<br />

heraus, „Altes zu bewahren“, hatte ich im November<br />

2013 mein erstes Kochbuch „Die Muata hots<br />

kocht“ herausgebracht. Damals besuchte ich einen<br />

befreundeten Buschenschänker und weil an diesem<br />

schönen Nachmittag recht viel los war, setzte<br />

er mich und meine beiden Begleiter an seinen<br />

Stammtisch. Der Stammtisch war gleich neben<br />

dem Eingang, gut zehn Leute fanden hier Platz,<br />

aber an diesem Tag saßen nur wir drei auf <strong>der</strong> einen<br />

Seite und ein älteres Urlauberehepaar auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en. Unsere Gegenüber hatten ihre Jause bereits<br />

hinter sich, saßen gemütlich bei einer Flasche<br />

Wein und, zu meiner beson<strong>der</strong>en Freude, vertieft<br />

in mein Kochbuch. Natürlich konnte ich es nicht<br />

lassen, sie mit einem Auge zu beobachten, während<br />

ich die Speisekarte studierte, interessierte<br />

mich doch sehr, welche Miene sie beim Durchblättern<br />

<strong>der</strong> einzelnen Seiten machen. Sie hingegen<br />

schenkten uns kaum Beachtung, zu sehr waren sie<br />

in alte Bil<strong>der</strong>, alte Geschichten und alte Rezepte<br />

vertieft – was bei mir zu großer innerer Freude und<br />

Zufriedenheit führte.<br />

Mittlerweile standen unsere Getränke auf dem<br />

Tisch und die Jause war bestellt. Meine beiden Leser<br />

vergaßen unterdes aufs Trinken, zu sehr waren<br />

sie von ihrer/meiner Lektüre gefesselt. Sie kicherten,<br />

tauschten Erinnerungen aus, wenn Bil<strong>der</strong> sie in<br />

ihre Kindheit zurückversetzten, und sie kommentierten,<br />

welche Gerichte sie kennen o<strong>der</strong> schon<br />

lange nicht mehr gegessen haben. Unterdes kam<br />

auch unsere Jause und ich vertiefte mich in mein<br />

kulinarisches Gustostückerl, ein Schweinsbrüstl.<br />

Auf meine Tischnachbarin richtete ich erst wie<strong>der</strong><br />

den Blick, als sie anfing, in ihrer Handtasche zu<br />

wühlen und nicht damit aufhörte. Ihr Mann hielt<br />

in <strong>der</strong> Zwischenzeit das aufgeschlagene Buch vor<br />

sich und als sie gefunden hatte, wonach sie suchte,<br />

kamen ein Zettel und ein Kugelschreiber zum Vorschein.<br />

Jetzt wurde es spannend: Er schielte ums<br />

Eck, ob <strong>der</strong> Hausherr wohl an<strong>der</strong>weitig beschäftigt<br />

ist. Nach einem kurzen Kopfnicken begann sie<br />

ein Rezept aus dem Buch abzuschreiben. Ganz eilig<br />

kritzelte sie die ersten Zutaten auf ihr Blatt Papier,<br />

dann ein Räuspern seinerseits und <strong>der</strong> Zettel<br />

verschwand unter dem Tisch. Der Hausherr kam<br />

herein, erkundigte sich bei an<strong>der</strong>en Gästen nach<br />

ihren Wünschen und fragte auch uns, ob es wohl<br />

schmeckt. Nach meiner positiven Bestätigung ging<br />

er zurück an die Schank und meine Sitznachbarn<br />

gingen wie<strong>der</strong> an ihre Arbeit. Er saß „Schmiere“<br />

mit Blick auf das Personal und sie arbeitete weiter<br />

an <strong>der</strong> Vervielfältigung altsteirischer Kochkunst.<br />

Noch zweimal wurden die beiden vom lästigen<br />

Service gestört, dann hatten sie ihr Vorhaben vollendet<br />

und auch wir, auf unserer Seite des Tisches,<br />

waren mit <strong>der</strong> Jause fertig. Der Zettel verschwand<br />

in <strong>der</strong> Tasche, das Buch wurde zugeschlagen und<br />

an den Rand des Tisches gelegt. Wie es sich für<br />

einen erfolgreichen Beutezug gehört, stießen<br />

beide auf das vollbrachte Werk an. Mein Freund,<br />

<strong>der</strong> Buschenschänker, kam wie<strong>der</strong> herein, räumte<br />

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