Kaiserlich Erleben

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24 GENUSS Jetzt beginnt die Straußen-Zeit Genießen auf gut Badisch Es mag vielleicht übertrieben klingen: Aber wer im Herbst an Kaiserstuhl und Tuniberg war und keine Strauße besucht hat, ist nur halb hier gewesen. Neuer Wein und feine Hausmannskost stehen im Mittelpunkt. Doch das ist nicht alles, was die Einkehr so besonders macht. Zunächst einmal gilt es, Missverständnisse vorzubeugen: Nein, Straußen sind keine Lokale, in denen etwa Vogel Strauß-Fleisch serviert wird. Und sie haben auch nichts mit Blumen zu tun. Für manche Besucher aus anderen Regionen Deutschlands könnte der Begriff irreführend sein. Der Name kommt vielmehr daher, dass traditionellerweise die Winzerfamilien mit dem Hinaushängen eines Straußes, Besens oder Kranzes ihren Gästen signalisieren, dass die Lokalität geöffnet hat. An Kaiserstuhl und Tuniberg sind es meist alte Reisigbesen, geschmückt mit bunten, im Wind flatternden Bändern, die den Vorbeikommenden signalisieren: Hier darf eingekehrt werden. Eine Einladung, der man unbedingt folgen sollte. Denn diese Wirtschaften sind urgemütlich, eng mit der Region verwurzelt und die Preise sind verträglich. Sie werden – sofern sie zu den Straußen im engeren Sinne gehören – von Winzerfamilien auf ihrem Hof in eigenen Räumlichkeiten betrieben und haben nur eine begrenzte Zeit im Jahr geöffnet. Meist sind das zwei Monate am Stück, jeweils im Frühjahr und im Herbst. Die Idee dahinter ist, dass die Weinbauern ihren selbsterzeugten Wein oder Most, aber auch Produkte wie Spargel oder anderes frisch geerntetes Gemüse „zu Hause“ an den Mann oder die Frau bringen können, ohne gleich ein Restaurant aufmachen und eine Gaststätten-Konzession erwerben zu müssen. Diese Form von Bewirtung gibt es deshalb bevorzugt auf dem Land. Nicht jede Wirtschaft, die sich „Strauße“ nennt, ist übrigens eine solche im engeren Sinne. Viele Wirtsleute haben sich eine Gaststättenkonzession geholt. Diese macht zwar gewisse Auflagen, ermöglicht es aber auch, mehr als die bei einer Strauße maximal erlaubten 40 Sitzplätze bereitzustellen, eine üppigere Speisekarte zu bieten und ganzjährig geöffnet zu haben. Dennoch halten die Wirtsleute an dem Begriff „Strauße“ fest. Das verwundert nicht, denn mit ihm schwingen eine Reihe positiver Bilder und Erfahrungen mit – und das lockt die Besucher. Was erwartet die Gäste, wenn sie dem Wink des Besens am Wegesrand folgen? Das kann ganz unterschiedlich sein. Manche Gastwirte haben alte Ställe oder Scheunen ausgebaut, andere servieren im Gewölbekeller oder im hübsch dekorierten Hof. Man sitzt auf Bänken, alten Baumstämmen oder steht an Holzfässern. In den Ästen hängen Lampions oder Girlanden, an den Wänden Gemälde regionaler Künstler, altes landwirtschaftliches Gerät oder Instrumente. Es gibt aber auch Straußen, die mit Tonkübeln, Geranien, Oliven und dem Duft von Oleanderbäumen mediterranes Flair verbreiten. Schließlich sind wir hier am Kaiserstuhl, einer der wärmsten Regionen Deutschlands. So unterschiedlich sie in ihrem Erscheinungsbild sind, eines ist allen Straußen gemein: Sie sind unkompliziert, aber mit viel Liebe zum Detail ausgestattet. Früher wurde im Wohnzimmer bewirtet Die pragmatische Herangehensweise hängt sicherlich mit dem Eingebundensein der Wirtsleute ins landwirtschaftliche Leben zusammen. Und sie erinnert an den Ursprung der Straußen: Der Legende nach soll Karl der Große bereits um 800 nach Christus den Winzern erlaubt haben, auf ihrem Hof eigenen Wein auszuschenken. Damals räumten die Familien kurzerhand ihre Scheune aus oder stellten Tische und Bänke ins Wohnzimmer, um für die Gäste Platz zu schaffen. Bodenständig, familiär und herzlich – das ist die Stimmung, die Ausflüglern, Wanderen oder Radfahrern nach ihrer Tour in Straußen entgegenschlägt. Hier ist man schnell beim „Du“ und es wird zusammengerückt. Wer allein sein oder seine Ruhe haben möchte, sollte besser nicht hier einkehren. Nicht selten wird über die Tische hinweg geredet, man kommt ins Gespräch, tauscht Wanderrouten oder Ausflugstipps aus, plaudert über das Wetter, den Wein und genießt die Geselligkeit. Manch lebenslange Freundschaft wurde schon in Straußen über Flammenkuchen und Neuem Süßen geschlossen. Apropos Flammenkuchen: Das Essen spielt natürlich mit dem Wein eine zentrale Rolle. Serviert werden einfache Speisen ohne viel Schnickschnack. Neben dem klassischen Vesper mit Wurst, Käse und selbstgebackenem Brot sind das unter anderem frische Salate, Speckeier, gebratene Rinderleber, Käsespätzle und natürlich „Brägele“ – Bratkartoffeln –, wahlweise entweder mit „Schäufele“ (Schweineschulter) oder „Bibiliskäs“, worunter wir Badener eine Art Quarkfrischkäse mit Schnittlauch verstehen. Während diese Speisen den Grundstock einer jeden Karte bilden, verstehen es die jeweiligen Winzerfamilien durch kreative Zugaben ihrer Strauße eine persönliche Note zu verleihen. Sie bereichern den Flammenkuchen mit eigenen Trüffeln, brutzeln Bildnachweis: Gerhart’s Strauße/Lisa Amann <strong>Kaiserlich</strong> erleben · 03/2018
GENUSS 25 selbstgejagtes Wildschwein auf dem Holzkohlegrill oder kredenzen – sofern sie Obstplantagen haben und eigenen Schnaps brennen – Desserts „mit Schuss“ oder selbstgemachte Chutneys. Im Herbst steht der „Neue Süße“ im Mittelpunkt – frischer Wein, bei dem der Traubensaft nur zwei bis drei Tage gegoren ist, der Alkoholgehalt dementsprechend geringer und der Fruchtzuckergehalt noch hoch. Es gibt Straußen, in denen der Winzer höchstpersönlich ausschenkt. Und sind alle Mägen gefüllt, kann es schon einmal vorkommen, dass sich der Koch oder die Köchin nach getaner Arbeit mit Schürze dazusetzt. Mancherorts wird zum Akkordeon gegriffen und es wird gesungen und geschunkelt. Oder Bands spielen auf, die für gute Stimmung sorgen. Alles ist möglich in den Straußen am Kaiserstuhl, in denen man sich schnell wie zu Hause fühlt. Und zu denen die Gäste – sind sie erst einmal auf den Geschmack gekommen – immer wieder gerne zurückkehren. • Freya Pietsch IMMER DEM BESEN NACH Lust auf deftige Speisen, Kaiserstühler Lebensfreude und natürlich guten Wein? Hier eine Auswahl an regionalen Straußen und Schänken: Bildnachweis: Weingut Hess (o. l.), Sponchia–pixabay.com (o. r.), Freya Pietsch (Besen) Dielbuckschänke Hauptstr. 1, Endingen Tel. 0 76 42/30 17 www.weingut-schneiderendingen.de geöffnet: bis 4.11. Gerhart’s Strauße Sponeckstr. 102 79361 Jechtingen Tel. 0 76 62/61 17 www.gerhart-strausse.de geöffnet: bis 11.11. Gutsschenke zum Trotthisli Kaiserstuhlstr. 8 79235 V.-Bischoffingen Tel. 0 76 62/22 64 94 www.rieflin.de geöffnet: bis 31.10. Gutsschenke zur Scheune Rossmattenhöfe1 79361 Sasbach-Jechtingen Tel. 0 76 62/69 79 www.gutsschenkezurscheune.de geöffnet: bis 28.10. Hexenstrauße Weinstraße 2 79235 Vogtsburg-Oberrotweil Tel. 0 76 62/84 16 oder 0 76 62/91 20 50 www.bitzenhofer.com geöffnet: bis 4.11. Hunne-Strauße Rathausstraße 2 79288 Gottenheim Tel. 0 76 65/62 07 www.weingut-hunn.de (nur im Sommer geöffnet) Löwenstrauße Hauptstr. 82 79268 Bötzingen Tel. 0 76 63/44 17 www.weinspezialitaet.de geöffnet: 19.9. bis 28.10. Martinshof-Schenke Martinshöfe 2 79241 Ihringen Tel. 0 76 68/76 43 www.martinshof-schenke.de geöffnet: bis 23.12. Michels Straußwirtschaft Winzerweg 24 79235 Vogtsburg-Achkarren Tel. 0 76 62/4 29 www.weingutmichel.com geöffnet: bis 27.10. Strauße Uf‘m Buck Hohleimen 6 79353 Bahlingen Tel. 0 76 63/18 12 www.weingut-schumacher.de geöffnet: bis 4.11. Strauße Zum Poldi Friedhofstraße 4 79206 Breisach- Niederrimsingen Tel. 07 61/1 52 81 46 www.poldistrausse.de geöffnet: bis 28.10. Südhof-Strauße Waidweg 2 79241 Ihringen Tel. 0 76 68/75 67 geöffnet: bis 7.10. Traubenkellerstrauße Hauptstr. 12 79288 Gottenheim Tel. 0 76 65/63 22 www.weingut-hess.com geöffnet: 26.9. bis 16.12. Vogelstrauße Ruländerweg 7A 79235 Vogtsburg-Oberbergen Tel. 0 76 62/8 02 71 www.weingut-vogel.com geöffnet: bis 4.11. Wein- und Sektgut Gretzmeier Wolfshöhle 3 79291 Merdingen Tel. 0 76 68/9 42 30 gretzmeier.de geöffnet: bis 2.11. 03/2018 · <strong>Kaiserlich</strong> erleben
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