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Die Suche nach al-Andalus - Teil V. - Persien - Wasserbau und paradiesische Gärten

... und im Iran, dem ehemaligen Persien, fand ich die Antworten auf meine letzte Frage: woher kam das Wissen der Mauren um Wasserbau, ja, um eine regelrechte Wasserkultur und damit auch nach dem Ursprung ihrer viel gerühmten Gärten. Schon im Altertum, lange vor unserer Zeitrechnung betrieben die Perser Wasserbau und Wassermanagement mit verblüffend effektiven hydraulischen Systemen. Der erste bekannte persische Wasserbau und die ersten persischen Gärten waren die der antiken Ausgrabungsstätten von Pasargadae und Persepolis im heutigen Iran, lange vor unserer Zeitrechnung. Das Neupersische Reich der Sassaniden ging ab dem Jahr 651 in den arabischen Eroberungszügen unter und der größte Teil Spaniens wurde Anfang des 8. Jahrhunderts von den Arabern erobert. Der direkte Zusammenhang wird in dem Dokument deutlich und lässt sich nicht von der Hand weisen. Vor allem im heutigen Andalusien finden wir noch Beispiele uralter Wasserbautechnik und herrlicher Gärten wie die der Alhambra in Granada mit eigenen, den persischen sehr ähnlichen und effektiven hydraulischen Systemen ...

... und im Iran, dem ehemaligen Persien, fand ich die Antworten auf meine letzte Frage: woher kam das Wissen der Mauren um Wasserbau, ja, um eine regelrechte Wasserkultur und damit auch nach dem Ursprung ihrer viel gerühmten Gärten. Schon im Altertum, lange vor unserer Zeitrechnung betrieben die Perser Wasserbau und Wassermanagement mit verblüffend effektiven hydraulischen Systemen. Der erste bekannte persische Wasserbau und die ersten persischen Gärten waren die der antiken Ausgrabungsstätten von Pasargadae und Persepolis im heutigen Iran, lange vor unserer Zeitrechnung. Das Neupersische Reich der Sassaniden ging ab dem Jahr 651 in den arabischen Eroberungszügen unter und der größte Teil Spaniens wurde Anfang des 8. Jahrhunderts von den Arabern erobert. Der direkte Zusammenhang wird in dem Dokument deutlich und lässt sich nicht von der Hand weisen. Vor allem im heutigen Andalusien finden wir noch Beispiele uralter Wasserbautechnik und herrlicher Gärten wie die der Alhambra in Granada mit eigenen, den persischen sehr ähnlichen und effektiven hydraulischen Systemen ...

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DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS<br />

in Marokko – Syrien – Usbekistan – Jordanien – Iran<br />

<strong>Teil</strong> V. – <strong>Persien</strong><br />

<strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> <strong>paradiesische</strong> <strong>Gärten</strong><br />

<strong>Die</strong>ser <strong>Teil</strong> wurde 2019 auf vielfachen Wunsch <strong>al</strong>s Buch veröffentlicht. Daher stehen in<br />

dieser kostenlosen digit<strong>al</strong>en Fassung in unregelmäßigen Abständen einige Texte <strong>und</strong>/oder<br />

Bilder aus Gründen des ©copyrights nicht zur Verfügung.<br />

Nach der Danksagung ist eine 3-seitige Information über das Buch eingefügt:<br />

IRAN <strong>und</strong> AL-And<strong>al</strong>us – <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> <strong>paradiesische</strong> <strong>Gärten</strong><br />

©Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong>


Danksagung<br />

Allem voran möchte ich mich hier bei <strong>al</strong>len Personen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en im Iran, in Deutschand<br />

<strong>und</strong> in Spanien ganz herzlich für ihre Unterstützung bedanken. Ohne ihre wertvolle Hilfe<br />

hätte ich dieses spannende Projekt nicht durchführen können:<br />

Acknowledgement<br />

Herewith I would like to express my sincere thanks to <strong>al</strong>l persons and friends in Iran, in<br />

Germany and in Spain who supported me in an extraordinary way in re<strong>al</strong>izing this ambitious<br />

scheme. Without your help I could not have successfully concluded this project:<br />

Ana Carreño Leyva, El Legado And<strong>al</strong>usí, Departamento Cultur<strong>al</strong>, Freelance journ<strong>al</strong>ist<br />

writer, Granada, Spain<br />

Tannaz Noori, Manager, Kohan Hotel, Yazd, Iran<br />

Ebrahim Kazemnazand, Manager, MA. Archeology Yazd, ICHTO. Cultur<strong>al</strong> Heritage<br />

Base Historic City of Yazd, Iran<br />

Captain Behnam Enjezab and his family: his wife Atefeh Ghelmani, his son Amir and<br />

his daughter Marjan, Yazd, Iran<br />

Hanieh Rafiee, PhD in Medicin<strong>al</strong> Plants, Teheran, Iran<br />

Keivan Kaveh <strong>und</strong> Marzieh Iranshahi, Technische Universität München, (TUM)<br />

Abtlg.<strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> Wasserwirtschaft<br />

Javier Rodriguez Jiménez, Fotograf aus Leidenschaft – verliebt in die Alhambra,<br />

Granada, Spain<br />

V<strong>al</strong>a Parsian Tour, Travel Office<br />

Hossein Memar Pouri, Gener<strong>al</strong> Manager and<br />

Reza Nouri, Tour & Marketing Manager<br />

No. 2, Corner of Bagh St., North Sohrevardi Ave., Tehran,<br />

Phone: +98 21 88516060 (6 lines)<br />

v<strong>al</strong>aparsiantour@yahoo.com and<br />

v<strong>al</strong>a@parsiantour.com - website: https://parsiantour.com<br />

Behin Golab Co.,<br />

Mojteba Mazloomian<br />

Boulevar Saheli<br />

Qamsar / Iran<br />

Phone: +98 031 5564 3080<br />

behingolab@yahoo.com<br />

2


Rose Noire<br />

Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong><br />

NEU!<br />

1/<br />

UStNo. DE 170551897 – Steuerno. 147/110/60074 – E-mail: rosenoiregf@gmail.com<br />

Günderodestr. 20 – D 81827 München – Tel. +49 (0)89 439 53 21<br />

Kreissparkasse Ottobrunn IBAN DE57 7025 0150 0009 3775 65


Rose Noire<br />

Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong><br />

<strong>Die</strong> Geschichte des Buchs „IRAN <strong>und</strong> Al-And<strong>al</strong>us“<br />

„„Nur wer die Geschichte der Völker kennt kann sie <strong>und</strong> ihre Länder heute verstehen“<br />

ist eins meiner Leitmotive. Jedes meiner vorangegangenen fünf Bücher betrachtet<br />

die fast acht Jahrh<strong>und</strong>erte des maurischen Spanien (von 711 bis Ende 15. Jh.) aus<br />

einer anderen Warte. Bis zum 13. Jh. hatte die maurische Zivilisation in Spanien<br />

einen außergewöhnlich hohen wissenschaftlichen, kulturellen <strong>und</strong> technischen<br />

Stand erreicht. Als die Bücher geschrieben waren begann ich eine digit<strong>al</strong>e Reiseserie<br />

mit dem Titel „<strong>Die</strong> <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us“. Jetzt ging es mir darum herauszufinden<br />

woher die arabischen Wüstensöhne ihr Wissen -ganz gleich auf welchem Gebiet sei<br />

es nun Medizin, Astrologie, Philosophie, Mathematik oder <strong>Wasserbau</strong>- erh<strong>al</strong>ten<br />

hatten. Ich hatte fünf Fragen an fünf Länder von denen ich ahnte dass sie zu der<br />

Entwicklung von <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us erheblich beigetragen haben mussten: Marokko, Syrien,<br />

Usbekistan mit der Großen Seidenstraße, Jordanien <strong>und</strong> Iran, das Alte Persische<br />

Imperium. Meine letzte Frage betraf das Thema Wasser – zu jeder Zeit das<br />

wichtigste Thema der Menschheit. Wie kamen die Kenntnisse von <strong>Wasserbau</strong>, von<br />

hydraulischen Systemen, Wassermanagement <strong>und</strong> herrlichen Gartenanlagen <strong>nach</strong><br />

<strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us <strong>und</strong> -über das muslimische Spanien- auch <strong>nach</strong> Europa?<br />

Vor der Geburt des Islam im 7. Jh. war die Heimat der Araber die endlose Weite der<br />

Wüsten gewesen <strong>und</strong> ihr bis dahin kostbarstes Wissen betreffend das Element<br />

Wasser war die Kenntnis von der Lage lebensnotwendiger Oasen. Dagegen besaßen<br />

die Alten Perser schon lange vor unserer Zeit ein umfangreiches Wissen über<br />

<strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> Wasserkultur: <strong>Die</strong> bis heute älteste bekannte hydraulische Struktur<br />

ist die Wasserreinigungsanlage in Tschoga Zanbil (Chuzestan, gebaut 1250 BCE) <strong>und</strong><br />

der erste Garten wurde in der persischen Ausgrabungsstätte Pasargadae gef<strong>und</strong>en –<br />

der ersten stadtähnlichen Siedlung von Großkönig Kyros II. (5. Jh. BCE). Beide<br />

gehörten zum persischen Imperium <strong>und</strong> liegen in Iran. Kyros II. gilt <strong>al</strong>s Vater des<br />

persischen Gartens der viele Jahrh<strong>und</strong>erte später auch Vorbild für maurische <strong>und</strong><br />

europäische <strong>Gärten</strong> werden sollte. <strong>Die</strong> Antwort auf meine Frage um den<br />

Wissenstransfer der letztendlich auch das mittel<strong>al</strong>terliche Europa befruchtete gerät<br />

somit in einen unmittelbaren historischen Zusammenhang: Um die Mitte des 7. Jh.<br />

wurde das Persische Reich von muslimischer Arabern erobert <strong>und</strong> im Jahr 711<br />

begann ihre Eroberung der Iberischen H<strong>al</strong>binsel.“<br />

Von der digit<strong>al</strong>en Reihe <strong>Die</strong> <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us ist aufgr<strong>und</strong> vieler Anfragen nur<br />

dieser <strong>Teil</strong> in Buchform erschienen.<br />

München, Juli 2019<br />

UStNo. DE 170551897 – Steuerno. 147/110/60074 – E-mail: rosenoiregf@gmail.com<br />

Günderodestr. 20 – D 81827 München – Tel. +49 (0)89 439 53 21<br />

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2/


Rose Noire<br />

Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong><br />

Das Buch :<br />

Sprache: Deutsch<br />

Haupttitel: IRAN <strong>und</strong> Al-And<strong>al</strong>us (das maurische Spanien)<br />

Untertitel: <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> <strong>paradiesische</strong> <strong>Gärten</strong> im Alten <strong>Persien</strong><br />

Autorin: Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong><br />

ISBN: 978-3-933653-10-9<br />

Abmessungen: 21 x 21 cm<br />

Seiten: 152<br />

Bilder: 153 (4/4 Farben)<br />

Gewicht: 520 grs.<br />

Einband: hochwertig broschiert, kartoniert, Umschlag 320 grs.<br />

Preis: 21,50€<br />

RoseNoire Verlag Gisela Fischer<br />

Günderodestr. 20<br />

D-81827 München<br />

Tel. +49 (0) 89 - 439 53 21<br />

Email: rosenoiregf@gmail.com<br />

Home: www.rosenoire.de – Instagram: @rosenoiregf<br />

Digit<strong>al</strong>e Magazine (e-Mags) www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

Facebook:/www.facebook.com/isabel.blancodelpin<strong>al</strong><br />

3<br />

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Günderodestr. 20 – D 81827 München – Tel. +49 (0)89 439 53 21<br />

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DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS<br />

in Marokko – Syrien – Usbekistan – Jordanien – Iran/<strong>Persien</strong><br />

Inh<strong>al</strong>t der Reihe<br />

©Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong><br />

<strong>Teil</strong> I. Marokko <strong>und</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us – Hüter des maurischen Erbes<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> II. Syrien <strong>und</strong> Al-And<strong>al</strong>us – Reichtum <strong>und</strong> Toleranz<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> III. Usbekistan, die Seidenstraße <strong>und</strong> Al-And<strong>al</strong>us – Wissen <strong>und</strong> Handel<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> III. Uzbekistan, the Silk Road and <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us – Knowledge and Trade<br />

English version – (published)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> IV. Jordanien <strong>und</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us – Herrschen <strong>und</strong> Genießen<br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

<strong>Teil</strong> V. <strong>Persien</strong> <strong>und</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us – <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> <strong>paradiesische</strong> <strong>Gärten</strong><br />

(veröffentlicht)<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

Ψ<br />

Titelbild: Pahlavan Pour Garten, Mehriz, Iran. Er ist berühmt für seinen Obstgarten, er ist ein<br />

klassisches Beispiel für einen historischen, persischen Garten.<br />

Anmerkungen:<br />

Jedes Kapitel ist separat verfügbar <strong>und</strong> jedem Kapitel liegt das Verzeichnis der gesamten Reihe „<strong>Die</strong><br />

<strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us“ bei. Bei unterstrichenen Links in Fußnoten oder im Text: mit dem cursor auf<br />

den link gehen, Strg gedrückt h<strong>al</strong>ten <strong>und</strong> anklicken<br />

Inh<strong>al</strong>tsbeschreibungen der Bücher <strong>und</strong> <strong>al</strong>le digit<strong>al</strong>en Veröffentlichungen kostenlos lesen:<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf website: https://www.rosenoire.de<br />

Facebook https://www.facebook.com/isabel.blancodelpin<strong>al</strong> Instagram: @rosenoiregf<br />

3


Einstimmung<br />

Erst gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, mit dem überraschenden Welterfolg der ERZÄHLUNGEN VON<br />

DER ALHAMBRA des Amerikaners Washington Irving, besann sich die Arabische Welt wieder auf die<br />

Maurenzeit in Spanien, <strong>und</strong> das Abendland entdeckte <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us mit romantischer Begeisterung.<br />

Der Glanz der arabischen Hochkultur im Abendland <strong>und</strong> ihr dramatischer Untergang fesselten <strong>und</strong><br />

berührten auch mich. Das Ergebnis waren vier eigene Bücher – jedes für sich betrachtet die spanische<br />

Maurenzeit aus einer anderen Warte. <strong>Die</strong> Blütezeit der islamischen Kultur hatte mit den osmanischen<br />

Eroberungen im Vorderen Orient ein jähes Ende gef<strong>und</strong>en: vom Byzantinischen Reich (1453) über<br />

<strong>Persien</strong>, Syrien, Ägypten <strong>und</strong> ganz Nordafrika bis an die Grenze des marokkanischen Königreichs. Der<br />

fast zu gleicher Zeit stattfindende Überlebenskampf der spanischen Mauren mehrere tausend Meilen<br />

westwärts <strong>und</strong> der letztendliche Untergang von <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us am Ende des 15. Jh., blieben fast unbemerkt.<br />

Meine <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> Zusammenhängen führte mich in die Länder von denen ich wusste oder vermutete,<br />

dass sie schon im frühen Mittel<strong>al</strong>ter einen kulturellen Einfluss, einen bedeutenden Anteil an der<br />

erstaunlichen Entwicklung des früheren, recht rustik<strong>al</strong>en, westgotischen Hispanien zum legendären, im<br />

Orient <strong>und</strong> Abendland gleichermaßen <strong>und</strong> bis heute viel gepriesenen "Paradies <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us" gehabt<br />

hatten: Marokko, Syrien, Usbekistan, Jordanien <strong>und</strong> <strong>Persien</strong>, der heutige Iran. Könnte ich heute noch in<br />

diesen Ländern anschauliche Spuren, greifbare Zeugen von ihrem Einfluss auf <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us oder ihrer<br />

befruchtenden Verbindung mit dem islamischen Spanien finden die mir erlaubten das<br />

<strong>nach</strong>zuvollziehen? Oder umgekehrt, in welchem Land hatte <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us ein <strong>nach</strong>h<strong>al</strong>tiges Erbe<br />

hinterlassen? Bei <strong>al</strong>len Reisen waren meine Fragen dieselben:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Vom 8. bis zur Mitte des 13. Jh. erlebte die gesamte islamische Kultur eine Blütezeit die<br />

<strong>al</strong>lgemein <strong>al</strong>s „Goldenes Zeit<strong>al</strong>ter des Islam 1 “ bezeichnet wird. Wie konnte das maurische<br />

Spanien den außerordentlichen Wissensstand, das hohe Niveau an Gelehrtheit erreichen die<br />

auch das mittel<strong>al</strong>terliche Europa bereicherten <strong>und</strong> befruchteten? Lag das Land nicht am<br />

äußersten westlichen Ende der dam<strong>al</strong>s bekannten Welt?<br />

Fast 8 Jahrh<strong>und</strong>erte lang war die Iberische H<strong>al</strong>binsel die Heimat der Mauren gewesen. Al-<br />

And<strong>al</strong>us gilt heute <strong>al</strong>s leuchtendes Beispiel für das tolerante Miteinander der Religionen.<br />

Tatsächlich gab es diese Toleranz nur in wenigen Jahrh<strong>und</strong>erten. In welchem muslimischen Land<br />

würde ich noch greifbare Hinweise auf diese Toleranz finden?<br />

Wie kam es zu dem legendären Reichtum von <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us?<br />

In welchem Land würde ich Zeugen finden von der Lebensfreude der syrischen <strong>und</strong> maurischen<br />

Umayyaden? Im 8. Jh., in der Zeit des noch jungen Islam, herrschten sie über ein Großreich: vom<br />

dam<strong>al</strong>igen Syrien über ganz Nordafrika <strong>und</strong> den größten <strong>Teil</strong> der Iberischen H<strong>al</strong>binsel. Unter den<br />

maurischen Emiren <strong>und</strong> K<strong>al</strong>ifen der Dynastie erreichte das orient<strong>al</strong>isch-sinnliche Raffinement in<br />

<strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us einen Höhepunkt <strong>und</strong> … gab es schon immer ein Bilderverbot im Islam?<br />

Al-And<strong>al</strong>us wird gerühmt für <strong>Wasserbau</strong>, hydraulische Systeme <strong>und</strong> <strong>paradiesische</strong> <strong>Gärten</strong>.<br />

Woher hatten die spanischen Araber dieses Wissen? So fortschrittlich war ihr<br />

Wassermanagement dass es <strong>nach</strong> der Abschluss der Rückeroberung von <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us im Jahr 1498<br />

des 15. Jh. von den Christen übernommen wurde. Als ein Beispiel gilt das Wassergericht von<br />

V<strong>al</strong>encia. Es tagt heute noch regelmäßig <strong>und</strong> gilt <strong>al</strong>s die älteste Institution Europas.<br />

1 Mehr über diesen Begriff unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Bl%C3%BCtezeit_des_Islam<br />

4


Al-And<strong>al</strong>us, das hispano-arabische Spanien <strong>nach</strong><br />

der Eroberung 711. Bis in die Mitte des 11. Jh.<br />

sollte es bei dieser Aufteilung bleiben<br />

Mein bisheriger Streifzug durch die Geschichte<br />

der Länder ergab, dass <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us in Marokko mit<br />

seiner Musik, seiner Architektur <strong>und</strong> seinen<br />

Traditionen fest verankert ist. Zwischen beiden<br />

Ländern hatte seit dem frühen Mittel<strong>al</strong>ter 2 eine<br />

Symbiose stattgef<strong>und</strong>en, der Geist von <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us<br />

ist seit dem 9. Jh. bis heute immer präsent<br />

geblieben. Al-And<strong>al</strong>us lebt weiter auf der<br />

anderen Seite der Meerenge von Gibr<strong>al</strong>tar.<br />

Syrien war das Mutterland der arabischen Kultur<br />

im Abendland. In den ersten Jahrh<strong>und</strong>erten <strong>nach</strong><br />

der Eroberung war <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us noch ein Übersee-<br />

Emirat des ausgedehnten Omaijadenreichs. In<br />

der ersten Hälfte des 10. Jh. sagte sich das Große K<strong>al</strong>ifat von Cordoba vom arabischen Mutterland los –<br />

das maurische Spanien wurde ein unabhängiger Staat. Er entwickelte im Lauf der Jahrh<strong>und</strong>erte einen<br />

ganz eigenen hispano-arabischen Charakter der zu einem großen <strong>Teil</strong> auch von den günstigen,<br />

klimatischen Gegebenheiten bestimmt wurde. In Damaskus <strong>und</strong> Aleppo fand ich überzeugende<br />

Beispiele zu meinen Fragen <strong>nach</strong> Toleranz <strong>und</strong> Reichtum. Meine Reisen <strong>nach</strong> Usbekistan <strong>und</strong> an die<br />

Große Seidenstraße waren nur eine logische Folge um Antworten auf die Frage zu finden wie Reichtum<br />

durch regen Handel generiert wurde <strong>und</strong> wie Wissenschaften <strong>und</strong> neue Technologien ihren Weg in die<br />

gesamte muslimische Welt fanden, ihren Beitrag zum Goldenen Zeit<strong>al</strong>ter des Islam 3 leisteten <strong>und</strong><br />

letztendlich auch <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us, das Land am äußersten Ende der dam<strong>al</strong>s bekannten westlichen Welt,<br />

befruchteten. Es war nicht einfach historische Verbindungen zum Bilderverbot im Islam oder zur<br />

Lebensfreude der Omaijaden zu finden. Sie waren die syrischen Stammväter der arabo-and<strong>al</strong>usischen<br />

Emire <strong>und</strong> K<strong>al</strong>ifen gewesen. Aus dieser Herrscherdynastie gingen auch die ersten K<strong>al</strong>ifen <strong>nach</strong> dem<br />

Propheten im Orient hervor. Es war die Zeit des jungen Islam, noch bevor sich im Lauf der<br />

<strong>nach</strong>folgenden Jahrh<strong>und</strong>erte, wie auch in der christlichen Religion, religiöse Gesetze <strong>und</strong> Regeln<br />

verschärfen sollten. Einst gehörte auch Jordanien zum Omaijadenreich nur ist dort verschwindend<br />

wenig aus dieser Zeit erh<strong>al</strong>ten geblieben. Aber, um es gleich vorweg zu nehmen: Auch meine<br />

anfängliche, vorletzte Frage wurde in <strong>Teil</strong> IV. „Herrschen <strong>und</strong> genießen“ zufriedenstellend beantwortet.<br />

Im Iran, dem ehem<strong>al</strong>igen <strong>Persien</strong>, fand ich die Antworten auf meine letzte Frage <strong>nach</strong> dem Wissen der<br />

Mauren um den <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> damit auch <strong>nach</strong> dem Ursprung der so oft gerühmten persischen<br />

<strong>Gärten</strong>. Schon im Altertum, lange vor unserer Zeit <strong>und</strong> im frühen Mittel<strong>al</strong>ter betrieben die Perser<br />

<strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> Wassermanagement mit einfachen aber effektiven hydraulischen Systemen. Das<br />

persische Reich der Sasaniden ging ab dem Jahr 651 in den arabischen Eroberungszügen unter <strong>und</strong> der<br />

größte <strong>Teil</strong> Spaniens wurde Anfang des 8. Jahrh<strong>und</strong>erts von den Arabern erobert. Der Zusammenhang<br />

lässt sich nicht von der Hand weisen. Vor <strong>al</strong>lem im heutigen And<strong>al</strong>usien finden wir noch herrliche<br />

maurische <strong>und</strong> ihnen <strong>nach</strong>empf<strong>und</strong>ene <strong>Gärten</strong> wie die der Alhambra in Granada oder des Alcázar in<br />

Cordoba mit eigenen, den persischen sehr ähnlichen <strong>und</strong> effektiven hydraulischen Systemen; <strong>und</strong> die<br />

jahrh<strong>und</strong>erte<strong>al</strong>te Tradition der and<strong>al</strong>usischen patios lässt unzählige and<strong>al</strong>usische Innenhöfe kleinen<br />

Paradiesen gleichen.<br />

Ψ<br />

2 wie z. B. die Gründung des Viertels der And<strong>al</strong>usier/Quartier des And<strong>al</strong>ous in Fès (9. Jh.) durch hispano-arabische<br />

Einwanderer<br />

3 749 – 1258 n. Chr.<br />

5


Iran ist kein arabisches Land<br />

Zunächst etwas Gr<strong>und</strong>legendes: Der Name Iran kommt vom <strong>al</strong>tpersischen Eran (Land der Arier). Bis<br />

zum Jahr 1935 trug Iran den historischen Namen „<strong>Persien</strong>“; heute gehört er mit ca. 80 Millionen<br />

Einwohnern zu den 20 größten Staaten der Erde. Das Land wird nicht Arabien zugeordnet – es<br />

gehört zu Vorderasien, die Landessprache ist Persisch, eine Variante davon, das Farsi wird in<br />

einigen Gegenden gesprochen. <strong>Die</strong> Iraner sind stolz darauf dass ihre Sprache im Gegensatz zu der<br />

arabischen die zu der semitischen Sprachfamilie gehört, den indogermanischen bzw.<br />

indoeuropäischen Völkern zugeordnet wird genauso wie auf die glanzvolle Vergangenheit <strong>Persien</strong>s<br />

die bis in die Antike zurückreicht – eine Zeit in der <strong>Persien</strong> bereits eine Hochkultur <strong>und</strong> das erste<br />

Weltreich war, das den Namen „Imperium“ verdiente. Bis zum Jahr 331 4 v. Chr. war <strong>Persien</strong> das<br />

erste Großreich in der Geschichte, noch vor dem römischen Imperium.<br />

<strong>Die</strong> IranerInnen sind höflich, ausgesprochen fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> aufgeschlossen westlichen Besuchern<br />

gegenüber, sehr gastfre<strong>und</strong>lich, kontaktfreudig <strong>und</strong> fröhlich. Jeden Tag wurde ich mehrfach auf der<br />

Straße, auf Plätzen -meistens von Frauen <strong>und</strong> jungen Mädchen- angesprochen ob ich mit einem<br />

gemeinsamen Foto einverstanden wäre – natürlich war ich es, den Gef<strong>al</strong>len tat ich Ihnen gern.<br />

<strong>Die</strong> junge Generation ist sehr wissbegierig betreffend westliche Bräuche <strong>und</strong> Politik – was sie aber<br />

noch mehr interessiert ist was Besucher vom Iran denken. Sie strahlen wenn man ihr Land, seine<br />

Schönheiten lobt <strong>und</strong> die Liebenswürdigkeit der Menschen, was auch den Tatsachen entspricht.<br />

Aber sie fragen auch was man über die iranische Regierung oder die Kleidungsvorschriften denkt<br />

wie z. B. die Vorschrift in der Öffentlichkeit das Kopfhaar zu bedecken. Man tut gut daran erst<br />

einm<strong>al</strong> diplomatisch zu antworten meistens wird sehr schnell klar dass die Fragenden mit manchem<br />

so gar nicht einverstanden sind. Es gibt sehr viele StudentInnen – viele angehende ÄrztInnen, auch<br />

viele Mädchen die Ingenieurswesen oder <strong>und</strong> Umweltberufe studieren.<br />

Obwohl das geschriebene Persisch aussieht wie Arabisch sind es zwei verschiedene Sprachen die<br />

nur wenige Wörter gemeinsam haben. <strong>Die</strong> iranische Sprache ist die größte Sprachfamilie der Welt<br />

die für r<strong>und</strong> drei Milliarden Menschen Muttersprache ist. Ihre große Verbreitung ist das Ergebnis<br />

von Völkerwanderungen im Laufe der Jahrtausende, darunter auch der europäischen Expansion seit<br />

dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert. Es werden 13 iranische Hauptsprachen angenommen die noch gesprochen<br />

werden. <strong>Die</strong> älteste überlieferte ist das Avestische eine Religionssprache aus dem Jahr 300 v. Chr.<br />

Sie war die Sprache der Zoroastrier – der Anhänger der dam<strong>al</strong>s weit verbreiteten Religion des<br />

Propheten Zarathustra. Sie war epochenweise Staatsreligion im Alten <strong>Persien</strong>. Ein verlässliches Zitat<br />

zum Thema ist 5 :<br />

„Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts entdeckte der britische Jurist <strong>und</strong> Indologe William Jones<br />

durch vergleichende Sprachforschung, dass viele Sprachen in Europa <strong>und</strong> Asien<br />

einander so ähnlich sind, dass sie gemeinsame Wurzeln haben müssen. Zu der so<br />

entdeckten indogermanischen Sprachfamilie gehören in Europa <strong>al</strong>le germanischen,<br />

slawischen, b<strong>al</strong>tischen, keltischen <strong>und</strong> it<strong>al</strong>ischen Sprachen sowie Albanisch, Armenisch<br />

<strong>und</strong> Griechisch. In Asien gehören die indoarischen <strong>und</strong> die indoiranischen sowie die<br />

Nuristani-Sprachen dazu …“.<br />

Ψ<br />

4 Bzw. 333. <strong>Die</strong> Schlacht bei Issos zwischen Persern, Makedonern <strong>und</strong> dem Korinthischen Länderverb<strong>und</strong> mit dem König<br />

<strong>und</strong> Feldherr Alexander der Große besiegelte das Ende des persischen Großreichs. Archäologen vermuten dass das<br />

antike Issos die Ausgrabungsstätte Kinet Höyük in der Nähe von Dörtyol/Türkei sein könnte.<br />

5 Indogermanische Ursprache. https://de.wikipedia.org/wiki/Indogermanen#<strong>Die</strong>_indogermanische_Ursprache<br />

6


Der persische Garten<br />

<strong>Die</strong> Sehnsucht <strong>nach</strong> <strong>Gärten</strong> mit Wasserläufen, Grünflächen <strong>und</strong> Bäumen gab es schon weit vor<br />

unserer Zeit, lange vor dem „islamischen Paradiesgarten“. Das Wort „Paradies“ kommt von dem<br />

persischen Wort Paradeisos 6 . <strong>Die</strong> persische Geschichte <strong>und</strong> der <strong>Wasserbau</strong> sind Jahrtausende <strong>al</strong>t,<br />

sie reichen zurück bis ins Altertum. <strong>Die</strong> <strong>al</strong>ten Araber kamen erst in Berührung mit <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Gärten</strong> kurz <strong>nach</strong> der Entstehung des Islam, <strong>nach</strong> der Eroberung des Persischen Reichs die um das<br />

Jahr 637 mit der verlorenen Schlacht der Perser bei Kadesia begann. Von Wissenschaftlern wird<br />

bestätigt dass der Ursprung der orient<strong>al</strong>ischen Gartenkultur im persischen Garten liegt – mit den<br />

arabischen Eroberern kam sie ab Anfang des 8. Jahrh<strong>und</strong>erts auch <strong>nach</strong> Spanien.<br />

In dem vielbeachteten Werk der Arabistin <strong>und</strong> And<strong>al</strong>usforscherin Professor María Jesus Rubiera „La<br />

Arquitectura en la Literatura Árabe“ 7 das ich ins Deutsche übersetzt habe, weist sie mehrm<strong>al</strong>s auf<br />

den befruchtenden Einfluss der persischen Architektur <strong>und</strong> der Gartenkultur auf die arabische<br />

Architektur hin:<br />

„… Ganz sicher war die Oase der Anfang des arabischen Gartens, die Oase, die mit ihren<br />

hell-dunklen Schattenspielen ganz besonders den Schönheitssinn der Beduinen erfreute.<br />

Wie ein schwarzer Fleck tauchte sie am gleißenden Horizont auf <strong>und</strong> später, wenn sie<br />

sich unter ihren P<strong>al</strong>men niederlassen, wird sie <strong>al</strong>le Sinne erfreuen: Mit der Kühle ihres<br />

Schattens <strong>und</strong> mit ihrer Quelle, deren Wasser in einem spiegelgleichen Teich ruht oder<br />

singend in den kleinen Bächen <strong>und</strong> einfachen Kan<strong>al</strong>rinnen plätschert, die dort ihren<br />

Anfang haben. Der Prophet des Islam ergründete diese Empfindungen, <strong>und</strong> während die<br />

Perser aus ihren <strong>Gärten</strong> Paradiese erschaffen hatten, machen die Araber aus dem<br />

Paradies einen Garten… 8 “. Und weiter „… Aber die Oase wird erst zum [arabischen]<br />

Garten das heißt, sie wird Architektur in Berührung mit anderen Zivilisationen wie mit<br />

der persischen, die <strong>Gärten</strong> -Paradiese- schuf <strong>al</strong>s Abbild des Kosmos. Sie wurden durch<br />

zwei gerade, sich kreuzende Wasserkanäle in viel <strong>Teil</strong>e unterteilt <strong>und</strong> an ihrem<br />

Schnittpunkt befand sich ein Springbrunnen oder ein Pavillon, der den Berg darstellen<br />

sollte, der Mittelpunkt des Universums ist 9 . <strong>Die</strong>se Aufteilung wird von den and<strong>al</strong>usischen<br />

<strong>Gärten</strong> auf das Genaueste vorgeführt 10 …“. An anderer Stelle „… <strong>Die</strong> arabische<br />

Architektur <strong>und</strong> mit ihr die Vorstellung vom Paradies wird geboren, <strong>al</strong>s das persische<br />

R<strong>und</strong>zelt die Behausung aus Kamelhaut ersetzt“ 11 .<br />

Auch der Architekt Antonio Fernández Alba, Mitglied der Königlich Spanischen<br />

Akademie, greift dies im Vorwort zu Rubieras Werk auf: … „<strong>Die</strong> Araber aus<br />

vorislamischen Zeiten „lebten in Zelten aus Leder“ – das ist der Raum des Nomaden …“ 12 .<br />

Ψ<br />

6 Das Wort wurde im Griechischen <strong>al</strong>s pairi-daēza übernommen Es bezeichnete ursprünglich auch persische<br />

Königsgärten; in biblischem Zusammenhang wurde daraus „Gottesgärten“ <strong>und</strong> in der Septuaginta, der griechischen<br />

Übersetzung der Tora, wurde es u. A. zum „Garten Eden“<br />

7 Deutscher Titel Rosen der Wüste – <strong>Die</strong> Architektur in der arabischen Literatur, übersetzt von Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong>,<br />

erschienen 2001, verlegt von RoseNoire Gisela Fischer, München<br />

8 Ebd. S. 91<br />

9 Rosen der Wüste, S. 91 <strong>und</strong> Les jardins de l’Islam, Icomos 2ème Colloque internation<strong>al</strong> sur la protection et la<br />

restauration des jardins historiques organisé par l’Icomos et l’Ifla, Granada 1973, S. 130.<br />

10 Ebd. S. 92<br />

11 Ebd. S. 19<br />

12 Ebd. S. 11<br />

7


Oben: P<strong>al</strong>ast Ali Qapu am Platz Naqsch-e Dschahan (spätes 16. Jh.) Isfahan. Dahinter liegen die<br />

königlichen <strong>Gärten</strong> mit weiteren Pavillons, der Thronh<strong>al</strong>le <strong>und</strong> dem berühmten Tschehel Sotun-<br />

Garten. Unten: P<strong>al</strong>astpavillon im Garten Tschehel Sotun, Isfahan. Er wurde 1647 unter Schah Abbas<br />

II. fertiggestellt. Er gehört zu den schönsten Beispielen safawidischer Architektur, auch weil er noch<br />

von der einstigen Gartenanlage umgeben ist.<br />

8


Wenn ich <strong>nach</strong> meiner ersten Reise in den Iran im Jahr 2017 gefragt wurde was mich dort am<br />

meisten beeindruckt hat kamen mir, neben den iranischen Eigenschaften wie Höflichkeit,<br />

Gastfre<strong>und</strong>schaft, Hilfsbereitschaft <strong>und</strong> fröhliche Liebenswürdigkeit sofort die Begriffe „Wasser“<br />

<strong>und</strong> „Grün“ in den Sinn. Ein erstaunliches Ergebnis für ein Hochland dessen Großteil aus Wüste <strong>und</strong><br />

beeindruckend kahlen, hohen Gebirgszügen besteht – einige so hoch dass selbst im Sommer Schnee<br />

auf ihren Gipfeln liegen bleibt. Nach meinen vielen Jahre in And<strong>al</strong>usien, meiner langjährigen<br />

Beschäftigung mit der hispano-arabischen Geschichte <strong>und</strong> der Leidenschaft für die maurischen<br />

Errungenschaften im muslimischen Spanien, deren Erbe nicht nur die traditionellen and<strong>al</strong>usischen<br />

Innenhöfe sind sondern auch eine jahrh<strong>und</strong>erte<strong>al</strong>te Tradition des <strong>Wasserbau</strong>s <strong>und</strong> herausragender<br />

Wasserverw<strong>al</strong>tung, war ich natürlich besonders empfänglich für persische Gartenanlagen <strong>und</strong> für<br />

<strong>al</strong>les was mit Wasserwirtschaft im <strong>al</strong>lgemeinen zu tun hat.<br />

In Isfahan, Schiras, Yazd oder Kashan hatte ich historische <strong>Gärten</strong> bew<strong>und</strong>ert mit ihren<br />

Wasserbecken <strong>und</strong> schm<strong>al</strong>en, plätschernden Wasserwegen, mit symbolhafter Baum- <strong>und</strong><br />

Grünflächenaufteilung <strong>und</strong> sorgfältig geplanter Platzierung von Farbtupfern aus bunten<br />

Blumenbeeten, mit entzückenden kleinen, aber geschmackvoll gest<strong>al</strong>teten Gartenschlösschen<br />

deren Bestimmung wohl am besten der französischen Bezeichnung „résidences de plaisance 13 “<br />

entspricht was ich im Hinblick auf <strong>Persien</strong> <strong>al</strong>s „Residenzen des Wohlfühlens“ übersetzen würde,<br />

denn diese kleinen P<strong>al</strong>astpavillons verfügten zwar über die Annehmlichkeiten ihrer Zeit, haben<br />

jedoch nichts mit den mittel<strong>al</strong>terlichen, prunkvollen Schlössern oder P<strong>al</strong>ästen in Europa <strong>und</strong> deren<br />

<strong>Gärten</strong> zu tun. Im Gegenteil, wenn manche auch innen prunkvoll ausgestattet sind wirken sie<br />

anmutig, zierlich. Dorthin zogen sich Herrscher mit kleinem Hofstaat zurück um zu entspannen <strong>und</strong><br />

sich von den Staatsaufgaben zu erholen oder um hohe Besucher zu empfangen.<br />

Gartenanlagen wurden nicht nur für Herrscher, Fürsten oder Statth<strong>al</strong>ter angelegt, sondern auch in<br />

<strong>und</strong> um Grabstätten für Personen des öffentlichen Lebens wie besonders verehrte Poeten <strong>und</strong><br />

Literaten wie Saadi 14 aus Schiras oder Hafis 15 aus derselben Stadt, der in Deutschland besonders von<br />

Johann Wolfgang von Goethe so leidenschaftlich verehrt wurde dass der „Diwan 16 “ des persischen<br />

Dichters den Deutschen derart beflügelte dass er selbst eine Gedichtsammlung in 12 Bänden<br />

schrieb – den West-Östlichen Diwan (1819).<br />

Anders <strong>al</strong>s der Dichter Rudyard Kipling („Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinander<br />

kommen“) begegnete das lyrische Ich bei Goethe dem Islam mit Gelassenheit, er betrachtet die<br />

persische Dichtung <strong>al</strong>s gleichberechtigt. Ein denkwürdiges Zitat Goethe‘s stammt aus seinem West-<br />

Östlichen Diwan:<br />

…<br />

„Wer sich selbst <strong>und</strong> andere kennt,<br />

Wird auch hier erkennen:<br />

Orient <strong>und</strong> Okzident<br />

Sind nicht mehr zu trennen.“<br />

…<br />

Ψ<br />

13 Lustschloss. In <strong>Persien</strong>: geschmackvoll, oft mit kunstvollen Fresken verzierter p<strong>al</strong>astähnlicher Gartenpavillon mit<br />

mehreren Zimmern mit reduzierten Abmessungen <strong>und</strong> häufig nur Sommerresidenz.<br />

14 Saadi (geb. um 1208/1210 in Schiras, Iran; gest. um 1291/1291 ebenda) war ein volksnaher <strong>und</strong> zuweilen<br />

gesellschaftskritischer Dichter. Er ist ebenso bekannt wie Hafis/Hafez. Sein Mausoleum wurde inmitten von einem<br />

weitläufigen Garten errichtet <strong>und</strong> ist ebenso vielbesucht wie Garten <strong>und</strong> Mausoleum seines Dichterkollegen Hafis.<br />

15 Hafis oder Hāfez (geb. um 1315 in Schiras, Iran; gest. um 1390 ebenda) ist einer der bekanntesten persischen Dichter<br />

<strong>und</strong> Mystiker. Jeder im Iran kennt ihn <strong>und</strong> <strong>al</strong>le Iraner, ob Jugendliche oder Erwachsene kennen <strong>und</strong> verehren ihn.<br />

16 Eine (umfangreiche) Gedichtsammlung in <strong>Persien</strong> <strong>und</strong> in der Arabisch sprechenden Welt<br />

9


Legenden <strong>und</strong> Überlieferungen – <strong>Die</strong> Hängenden <strong>Gärten</strong> von Babylon<br />

Bild: Ein Beispiel für die Vorstellung der Hängenden <strong>Gärten</strong> von Babylon<br />

Text <strong>und</strong> Bild stehen nicht zur Verfügung<br />

10


Der Turmbau zu Babel<br />

Bild: Der Turm von Babylon gem<strong>al</strong>t von Abel Grimmer (ca. 1565–1620) 17<br />

Text <strong>und</strong> Bild stehen nicht zur Verfügung<br />

17 Turm zu Babel, entstanden 1604, Source: http://www.christies.com/lotfinder/paintings/abel-grimmer-the-tower-ofbabel-5701782-details.aspx<br />

Uploaded by Caravaggista, 13.11.2015. ©Wikimedia Commons, public domain.<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grimmer_tower_of_babel.jpg<br />

11


<strong>Wasserbau</strong> im persischen Altertum: das Königreich Elam<br />

2.900 – 640 v. Chr.<br />

Das Königreich ELAM 18 (ca. 2.900-640 v. Chr.)<br />

<strong>Persien</strong>s Antike <strong>und</strong> Entwicklung sind kompliziert, sie werden vorwiegend geprägt von<br />

Landeroberungen, von Großreichen gew<strong>al</strong>tigen Ausmaßes <strong>und</strong> vom Ringen um die<br />

Vormachtstellung im Vorderen Orient <strong>und</strong> im mittelasiatischen Raum mit dem römischen<br />

Imperium. Daher zähle ich in dieser Veröffentlichung bei jedem wichtigen Zeitabschnitt für unser<br />

Thema <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> <strong>Gärten</strong> nur die unbedingt erforderlichen geschichtlichen Eckpunkte auf.<br />

In der Zeitfolge weist <strong>al</strong>les darauf hin dass die Entwicklung dessen was wir Zivilisation der<br />

Menschheit nennen vom fruchtbaren H<strong>al</strong>bmond 19 ausging, zu dem auch das mesopotamische<br />

Königreich Babylonien zählte. Seit dem 12. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung betrieben<br />

Menschen in dieser breitgefächerten Kulturlandschaft schon Ackerbau <strong>und</strong> Viehzucht. Das heißt<br />

dass es in Babylonien <strong>Wasserbau</strong> bzw. einfache hydraulische Systeme gegeben haben muss wenn<br />

dort bereits vor 5.000 Jahren Zikkurate erbaut wurden. Zu einer Bautätigkeit gehören Menschen die<br />

in Ansiedlungen leben, Landwirtschaft mit Bewässerung <strong>und</strong> Viehzucht betreiben <strong>und</strong> Trinkwasser<br />

für die tägliche Versorgung brauchen.<br />

Nachdem ich 2017 zum ersten M<strong>al</strong> im Iran war begann ich ganz gezielt meine Zeitreise durch<br />

<strong>Persien</strong>s <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> <strong>Gärten</strong> im April 2018 im Südwesten des Iran. Sie führte mich in eine<br />

Gegend die lange vor unserer Zeit <strong>und</strong> noch vor dem ersten Großreich <strong>Persien</strong>s zum ehem<strong>al</strong>igen<br />

Königreich ELAM gehörte: <strong>nach</strong> Tschogha Zanbil. Dort waren die Überreste einer Tempelstadt, eine<br />

w<strong>und</strong>erbar sorgfältig teilrestaurierte Zikkurat <strong>und</strong> die erste heute bekannte <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 3.000 Jahre<br />

<strong>al</strong>te Wasser“aufbereitungsanlage“ der Zivilisation.<br />

18 Karte Elam: ©German map of Elam (Persian), uploaded by Timk70 March, 4th March 2014.<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elam_Map-de.svg Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0.<br />

Public Domain<br />

19 Mesopotamien ist der Name einer Kulturlandschaft, Babylonien war ein Königreich in derselben. Mesopotamien war<br />

ein <strong>Teil</strong> des sogen. fruchtbaren H<strong>al</strong>bmonds, der sich vom Persischen Golf im Süden des heutigen Irak, über den Norden<br />

von Syrien, den Libanon, Israel, P<strong>al</strong>ästina <strong>und</strong> Jordanien erstreckt. Mehr dazu unter:<br />

https://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbarer_H<strong>al</strong>bmond<br />

12


<strong>Die</strong> Zikkurat von Tschogha Zanbil <strong>und</strong> die älteste bekannte<br />

Wasseraufbereitungsanlage der Welt<br />

<strong>Die</strong> Zikkurat von Tschogha Zanbil<br />

<strong>Die</strong> Zikkurat wurde von Untash Napirisha, König des Reichs Elam, um 1250 v. Chr. in der Nähe der<br />

dam<strong>al</strong>igen Hauptstadt Susa 20 für eine neue Residenz- <strong>und</strong> Tempelstadt mit dem elamitischen<br />

Namen Dur Untash, dem heutigen Tschogha Zanbil 21 gebaut, möglicherweise <strong>al</strong>s politisch-religiöses<br />

Bindeglied zwischen dem Unteren <strong>und</strong> dem Oberen Elam. Tschohga Zanbil liegt r<strong>und</strong> 40 km von der<br />

ehem<strong>al</strong>igen Königsstadt Susa entfernt auf einem Hochplateau im Südwesten des Iran, in der Provinz<br />

Chuzestan. Im Iran gibt es einige Zikkurate, doch ist keins so gut erh<strong>al</strong>ten wie die von Tschogha<br />

Zanbil. <strong>Die</strong> Zikkurat von Tschogha Zanbil wurde 1935 bei Luftaufnahmen entdeckt, die<br />

Ausgrabungen erfolgten um die Hälfte des 20. Jh. <strong>und</strong> im Jahr 1979 wurde das Bauwerk in die Liste<br />

der UNESCO <strong>al</strong>s Weltkulturerbe aufgenommen. Wir haben es schon beim Turm von Babel gesehen<br />

– eine Zikkurat 22 ist ein gestufter Tempelturm, von der r<strong>und</strong>en, babylonischen Form gibt es jede<br />

Menge phantasievoller Gemälde, hier sah ich zum ersten M<strong>al</strong> dass eine Legende die in zwei<br />

Religionen eingeflossen ist -der hebräischen <strong>und</strong> der christlichen- einen wahren Hintergr<strong>und</strong> hat. Es<br />

wurden zwei Terrassen ausgegraben <strong>und</strong> sorgfältig, man könnte fast sagen liebevoll, restauriert. <strong>Die</strong><br />

oberen Terrassen waren in mehr <strong>al</strong>s 3.000 Jahren der Erosion zum Opfer gef<strong>al</strong>len – von ihnen blieb<br />

nur eine hügelähnliche Masse von Lehm <strong>und</strong> Ziegeln.<br />

20 Auch: Shush<br />

21 Auch Choga Zanbil. Dur Untash hieß auf Elamitisch so viel wie „das Haus/das Zuhause des Untash“. <strong>Die</strong> Übersetzung<br />

Tschogha Zanbil kommt aus dem Persischen.<br />

22 auch Ziggurat oder Schiggorat (babylonisch: hoch aufragend/aufgetürmt, Himmelshügel, Götterberg)<br />

13


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Einer von den vier Eingängen zur Zikkurat mit einem R<strong>und</strong><strong>al</strong>tar davor<br />

Am Fuß des Tempelturms, vor den 25 ausgegrabenen Metern, kam ich mir klein<br />

vor, <strong>und</strong> ich konnte mir gut vorstellen wie die Zikkurat von Babylon mit einer Höhe<br />

von 91m auf die Menschen im Altertum gewirkt haben muss: ein Götterberg, wie<br />

eine Himmelsleiter – was von anderen Religionen durchaus <strong>al</strong>s gotteslästerliche<br />

Vermessenheit interpretiert werden konnte <strong>und</strong> ihre Zerstörung durch die Hand<br />

Gottes zur Folge gehabt hätte. Soweit die Überlieferung in den verschiedenen<br />

religiösen Erzählungen.<br />

Ψ<br />

14


Auf der letzten Stufe der Zikkurat stand ein Hochtempel oder Schrein für die wichtigsten Gottheiten<br />

der Elamiter: für den männlichen Hauptgott Inshushinak <strong>und</strong> die Hauptgöttin Kirinisha –sie werden<br />

auf den erklärenden Tafeln r<strong>und</strong> um das Bauwerk erwähnt. <strong>Die</strong> iranischen Zikkurate unterschieden<br />

sich von den babylonischen bei denen ein Weg außen herum in die Höhe führte, dahingehend, dass<br />

man nur über ein kompliziertes System von Innentreppen mit Scheingängen die nirgendwo<br />

hinführten das Allerheiligste ganz oben erreichen konnte. Nur Priester die dem Stufentempel<br />

zugeteilt waren hatten dort Zugang.<br />

Tschogha Zanbil ist ein Quadrat mit einer Seitenlänge von je 105,2m. Der gesamte Tempelbau war<br />

53m hoch; ausgegraben <strong>und</strong> sorgfältig restauriert wurde er nur bis zu einer Höhe von knapp 25m.<br />

<strong>Die</strong> Backsteine im Inneren des Baus waren an der Sonne getrocknet worden, die Ziegelsteine der<br />

Außenmauern, gebrannt. In der Mitte jeder Seite gibt es einen Eingang, vor jedem stand ein<br />

gemauerter R<strong>und</strong><strong>al</strong>tar. Auf die Zikkurat führte eine Prozessionsstraße zu die mit Backsteinfliesen<br />

gepflastert war. Um den Tempelturm herum gibt es noch zahlreiche dieser Fliesen die zum <strong>Teil</strong><br />

noch recht gut erh<strong>al</strong>ten sind. Es wird angenommen dass an bestimmten Feiertagen Prozessionen<br />

zur Zikkurat stattfanden <strong>und</strong> den Gottheiten die dann auf den R<strong>und</strong><strong>al</strong>tären standen, Opfer<br />

dargebracht wurden.<br />

In den Mauern wurden an die 5.000 Ziegelsteine mit Inschriften in akkadischer bzw. elamischer<br />

Keilschrift entdeckt – auf denen immer wieder der König <strong>und</strong> die Gottheiten erwähnt werden. Zum<br />

<strong>Teil</strong> beschreiben sie auch wie das Bauwerk ausgesehen hat: die verschiedenen Terrassen waren<br />

offenbar mit glasierten zum <strong>Teil</strong> farbigen Ziegelfliesen verkleidet <strong>und</strong> die oberen Stockwerke mit<br />

glasierten Knaufziegeln 23 verziert. Am Haupteingang der Zikkurat wurden h<strong>al</strong>b-lebensgroße,<br />

ebenf<strong>al</strong>ls farbig glasierte, Tonfiguren von mythischen Mischwesen mit Greifköpfen <strong>und</strong> Stierkörpern<br />

gef<strong>und</strong>en. Beide Tiere waren Symbole für Wachsamkeit <strong>und</strong> Stärke <strong>und</strong> wiederholen sich in<br />

späteren Jahren auch in zahlreichen historischen Stätten des Altpersischen Reichs wie z. B. in<br />

Persepolis.<br />

Text steht nicht zur Verfügung<br />

23 Auch: Tonnägel (Applikationen die wie Nagelköpfe geformt sind)<br />

15


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Vorwiegend elamische, teilweise auch akkadische Keilinschriften auf<br />

Backsteinen im Mauerwerk des Tempelturms<br />

16


Oben: Hochplateau von Tschogha Zanbil mit dem Fluss Dez im Hintergr<strong>und</strong>, in dem sich der Himmel<br />

spiegelt. Unten: Ansicht der Zikkurat vom ehem<strong>al</strong>igen P<strong>al</strong>astbereich aus.<br />

17


<strong>Die</strong> beiden noch vorhandenen Elemente der Wasserversorgung wurden ausgegraben <strong>und</strong> behutsam<br />

restauriert. Beide Konstruktionen gelten <strong>al</strong>s die Überreste der ersten bis heute bekannten<br />

Wasseraufbereitungsanlage der Welt. Ich erinnere mich nicht genau aber ich glaube ich war fast<br />

enttäuscht <strong>al</strong>s ich sah wie simpel das Prinzip war mit dem sie funktioniert hatte. Wir sind so an<br />

moderne Technik gewöhnt dass es einem schwer fällt <strong>nach</strong> den einfachsten Regeln zu denken. Um<br />

es ganz einfach auszudrücken: es war das Prinzip von zwei miteinander verb<strong>und</strong>enen Gefäßen,<br />

Rücken an Rücken, auf verschiedener Höhe. Sob<strong>al</strong>d das Wasser von einem Gefäß die Verbindung<br />

mit dem zweiten erreicht hat fließt es dort hinein.<br />

Übersetzt auf die Anlage von Tschogha Zanbil heißt das, dass das Wasser von einem tiefen großen<br />

Becken durch gemauerte vertik<strong>al</strong>e Schächte hochstieg bis es die Höhe der Öffnungen zu einem<br />

höher gelegenen, flachen Becken erreichte <strong>und</strong> hineinfloss. Das Erstaunliche ist dass sich die<br />

vertik<strong>al</strong>en Schächte im Inneren der dicken Trennmauer zwischen beiden Becken befinden. Durch<br />

den langsamen Anstieg in den Schächten im ersten Becken, blieb das Wasser ruhig – immer noch<br />

verbliebene Sedimente konnten sich setzen bis das Wasser oben auf der anderen Seite langsam<br />

herauslief. So wurde der Wasserfluss zur Tempelstadt zwar ständig <strong>und</strong> mit geringer<br />

Geschwindigkeit in Bewegung geh<strong>al</strong>ten.<br />

Das erste erh<strong>al</strong>tene Bauwerk ist ein großes Reservoir (Bild 1, oben) in dem das Wasser aus dem<br />

Kan<strong>al</strong> von Susa ankam. Wände <strong>und</strong> Boden des Reservoirs waren mit gebrannten Ziegelsteinen<br />

ausgekleidet <strong>und</strong> mit Teer abgedichtet. Es ist 10,70m lang, 7,25m breit <strong>und</strong> 4,35m tief <strong>und</strong> hat ein<br />

Fassungsvermögen von 350m3. An der Stirnseite unten hat es 9 senkrechte, schm<strong>al</strong>e Öffnungen.<br />

<strong>Die</strong> zweite Konstruktion ist an die Rückseite des großen Reservoirs gebaut. Ihre Oberkante ist die<br />

Unterkante des Mauerausschnitts der an der Stirnseite des großen Reservoirs oben zu sehen ist. An<br />

diesem zweiten Bauwerk sind ebenf<strong>al</strong>ls schm<strong>al</strong>e Öffnungen zu sehen. (Bild 2, unten). Beide <strong>Teil</strong>e<br />

der Anlage sind im Inneren der Mauer miteinander verb<strong>und</strong>en – von den Öffnungen im großen<br />

Reservoir führen 9 schm<strong>al</strong>e Stollen <strong>nach</strong> oben die auf dem Niveau der Öffnungen an der Rückseite<br />

enden. Stieg das Wasser im großen Becken, stieg auch das Wasser in den neun Schächten. War es<br />

es bis knapp unter den Mauerausschnitt angestiegen hatte es auch die Öffnungen an der Rückseite<br />

erreicht <strong>und</strong> floss durch die Ausgänge in ein kleines Becken. Von dort aus wurde es mit Rohren aus<br />

Ton 24 unterirdisch in die Stadt geleitet. <strong>Die</strong> Austrittsöffnungen zum höher gelegenen, flachen<br />

Becken sind ebenf<strong>al</strong>ls noch gut zu sehen, das Becken kann man nur noch erahnen.<br />

Es ist anzunehmen dass die Wasserzufuhr vom Kan<strong>al</strong> aus mit Flutschiebern zeitweise gesperrt <strong>und</strong><br />

das große Becken regelmäßig gereinigt wurde. Beide Bauwerke waren <strong>Teil</strong> der äußeren Stadtmauer.<br />

Das große Reservoir war zusätzlich durch r<strong>und</strong>um durch Mauern geschützt.<br />

Ψ<br />

Im Jahr 640 v. Chr. ging das Königreich Elam im ersten Persischen Imperium auf, blieb jedoch in<br />

mancher Hinsicht eine selbständige Provinz. Seine Geschichte ist untrennbar mit der Geschichte des<br />

heutigen Iran verb<strong>und</strong>en.<br />

Ψ<br />

24 wahrscheinlich. Eine offene Wasserleitung hätte wieder Verschmutzung bedeutet.<br />

18


Bilder 1 <strong>und</strong> 2 stehen nicht zur Verfügung<br />

Oben, Bild 1: Reservoir für das ankommende Wasser das schon einige<br />

Sedimentierungsbecken durchlaufen hatte. Im Hintergr<strong>und</strong> die Zikkurat. Unten Bild 2:<br />

An der Rückseite des Reservoirs mit den senkrechten Öffnungen kam das Wasser im<br />

kleinen höher gelegenen Becken durch ähnliche Öffnungen heraus.<br />

19


Das Reich der Achämeniden 25 Großkönig Kyros II. <strong>und</strong><br />

der erste persische Garten<br />

Wir überspringen jetzt r<strong>und</strong> 750 Jahrh<strong>und</strong>erte <strong>und</strong> kommen im 6. Jh. v. Chr. im <strong>al</strong>tpersischen<br />

Großreich der Achämeniden an. Ab dem Jahr 550 v. Chr. gab es unter König Kyros II. der Große 26<br />

eine persische Landeroberung der anderen, das Königreich breitete sich immer weiter aus bis es<br />

unter einem seiner Nachfolger, König Darius I. 27 seine größte Ausdehnung erreichte. Im späten 6.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert v. Chr. bis fast am Ende des 4. Jh. v. Chr. gehörten die heutigen Länder Türkei, Zypern,<br />

Iran, Irak, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Syrien, Libanon, Israel, P<strong>al</strong>ästina<br />

<strong>und</strong> Ägypten dazu. Heute noch erwähnen die zahlreichen patriotischen Iraner König Kyros II. immer<br />

mit dem Zusatz „der Große“ oder „König der Könige“, weltweit ist er mehr unter dem englischen<br />

Namen Cyrus II., The Great bekannt.<br />

Der bisher älteste persische Garten genannt „<strong>Die</strong> Vier <strong>Gärten</strong>“ wurde mit den Ausgrabungen in<br />

Pasargadae 28 gef<strong>und</strong>en, der ersten Residenzstadt der Achämenidendynastie die König Kyros II., der<br />

Große, im Südwesten des Iran, ca. 110km von Schiras entfernt, errichten ließ. Pasargadae <strong>und</strong><br />

Garten stammen aus dem 6. Jh. v. Chr., <strong>al</strong>so mehr <strong>al</strong>s 1000 Jahre bevor es <strong>Gärten</strong> in Arabien oder<br />

gar in Europa gab. Unter vielen anderen Ländern eroberte Kyros II. im Jahr 539 v. Chr. auch<br />

Mesopotamien mit der Hauptstadt Babylon. Hatte er dort die legendären „Hängenden <strong>Gärten</strong>“<br />

gesehen? Setzte er in Pasargadae die Sehnsucht <strong>nach</strong> Wasserläufen die eine Gartenanlage mit<br />

erfrischendem Grün <strong>und</strong> Pflanzen durchziehen, um?<br />

<strong>Die</strong> beeindruckende Ausgrabungsstätte der antiken Stadt in der auch die Überreste der „Vier<br />

<strong>Gärten</strong>“ identifiziert werden konnten wurden von der UNESCO <strong>al</strong>s<br />

„…herausragendes Zeugnis der königlichen achämenidischen Kunst <strong>und</strong> Architektur in <strong>Persien</strong> …“<br />

gewürdigt. Weiter heißt es im Text: „…<strong>Die</strong> „Vier <strong>Gärten</strong>“ wurden zum Prototypen für westasiatische<br />

Architektur <strong>und</strong> Kunst…“. <strong>Die</strong> Institution rühmt auch die Herrscherqu<strong>al</strong>itäten des Königs: „…<br />

Pasargadae war die Hauptstadt des ersten multikulturellen Großreichs in Westasien. Es umfasste<br />

Länder vom östlichen Mittelmeer <strong>und</strong> Ägypten bis zum Fluss Indus. Es gilt <strong>al</strong>s das erste<br />

multikulturelle Imperium von Westasien <strong>und</strong> das erste Großreich das die kulturelle Vielf<strong>al</strong>t seiner<br />

Untertanen respektierte. <strong>Die</strong>se Vielf<strong>al</strong>t spiegelt sich auch in der Baukunst wieder …“ 29 .<br />

<strong>Die</strong> Antwort auf die Frage ob der Großkönig diese Herrscherqu<strong>al</strong>itäten tatsächlich besaß könnte<br />

dahingestellt bleiben – Fakt ist jedoch dass sich ein Reich dieser Ausdehnung nur regieren ließ wenn<br />

die eingegliederten Völker ihre verschiedenen Bräuche <strong>und</strong> Religionen beh<strong>al</strong>ten durften – das war<br />

im Altertum etwas ganz Neues.<br />

Kyros II. gilt <strong>al</strong>s Vater des Persischen Gartens. Es gibt verschiedene traditionelle Arten von <strong>Gärten</strong>,<br />

Könige oder Fürsten pflegten den Tschāhār-Bāgh-Stil. <strong>Die</strong>ser Gartentyp hat eine genaue Struktur:<br />

mit einem Wasserbecken <strong>und</strong> Wegen zum lustwandeln, mit Grünflächen <strong>und</strong> Bäumen die von sanft<br />

plätschernden Wasserläufen durchquert werden. Ein Tschāhār-Bāgh-Garten war meist repräsentativer<br />

Natur, das Verhältnis von Bauwerken darin zu Grünflächen ist harmonisch, ausgewogen.<br />

Wichtige Besucher wurden gern im P<strong>al</strong>astpavillon eines solchen Gartens empfangen. Blumenbeete<br />

kamen später dazu, wahrscheinlich im Hochmittel<strong>al</strong>ter – eine Folge von Begegnungen mit<br />

westlichen Kulturen.<br />

25 Altpersisches Reich – ca. 641 – 330 v. Chr.<br />

26 König Kyros II. der Große (geb. um 590 bis 580 v.Chr. – gest. Aug. 530 v. Chr.). 6. König des Persischen Imperiums.<br />

27 S. Karte auf der nächsten Seite. König Darius I. war der 9. Großkönig des Altpersischen Reichs.<br />

28 Auch: Pasargadai<br />

29 https://whc.unesco.org/en/list/1106 (englisch)<br />

20


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Oben: Der Platz <strong>und</strong> öffentliche Garten Naqsch-e-Dschahan, Isfahan, ist wie auf dem Reißbrett angelegt.<br />

Nach dem Platz des himmlischen Friedens in Peking ist er mit 560m Länge <strong>und</strong> 160m Breite der zweitgrößte<br />

Platz der Welt. Gegenüber liegt die Moschee Masjed-e Schah, links die Moschee Lotfollah <strong>und</strong> rechts der<br />

P<strong>al</strong>ast Ali Qapu. Das vierte monument<strong>al</strong>e Gebäude ist das Eingangstor zum Basar. Von dort oben konnte ich<br />

das Foto machen. Unten: Nachts verwandelt sich der Platz in einen Märchengarten.<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

21


Persische <strong>Gärten</strong> können innere oder äußere, kleine oder große Anlagen sein. <strong>Die</strong> inneren <strong>Gärten</strong><br />

sind Symbol für das Häusliche, ähnlich dem Brauch der Innenöfe, der patios in And<strong>al</strong>usien, während<br />

die äußeren die umgebende Welt wiedergeben. Auch wurde ein Garten gern <strong>al</strong>s Ort der Spiritu<strong>al</strong>ität<br />

<strong>und</strong> sozi<strong>al</strong>er Aktivitäten, im Mittel- <strong>und</strong> Spätmittel<strong>al</strong>ter <strong>und</strong> noch da<strong>nach</strong>, trotz der islamischen<br />

Prägung <strong>Persien</strong>s, für Geselligkeiten oder Gelage genutzt. In der persischen M<strong>al</strong>erei <strong>und</strong> Dichtkunst<br />

werden <strong>Gärten</strong> auch immer wieder <strong>al</strong>s Treffpunkt für Schäferstündchen dargestellt bzw. besungen.<br />

Im Jahre 1928 begannen die Ausgrabungsarbeiten von Pasargadae. Der Archäologe Ernst Emil<br />

Herzfeld 30 hatte auf der Basis von historischen Gegebenheiten <strong>und</strong> F<strong>und</strong>stücken <strong>al</strong>tpersischer Kunst<br />

<strong>nach</strong>gewiesen dass dort gef<strong>und</strong>ene Skulpturen <strong>und</strong> der P<strong>al</strong>ast der Zeit von Kyros II. angehören.<br />

Auch <strong>al</strong>le anderen Denkmäler <strong>und</strong> Bauwerke datierte er in diese Zeit. E. Herzfeld <strong>und</strong> sein dam<strong>al</strong>iger<br />

Assistent Friedrich Krefter arbeiteten zusammen in Pasargadae. Von 1931 bis 1934/35 leitete<br />

Herzfeld dann die Ausgrabungen des University of Chicago Orient<strong>al</strong> Institute im nahen Persepolis,<br />

während F. Krefter in der gleichen Zeit die Leitung in Pasargadae übernahm. Ihm verdanken wir die<br />

gezeichnete Rekonstruktion der <strong>Gärten</strong> auf der nächsten Seite, die ein Archäologe namens David<br />

Stro<strong>nach</strong> 31 <strong>al</strong>s solche identifizierte. Eine schwierige Aufgabe da Überlieferungen aus der<br />

<strong>al</strong>tpersischen Antike kaum vorhanden waren <strong>und</strong> es immer noch sind – in der Antike wurde auf<br />

Papyrusrollen, auf Wachs- oder Tontafeln geschrieben. Zum besseren Verständnis für den Mangel<br />

an Überlieferungen greife ich kurz der Geschichte vor wenn ich hier erwähne dass das Persische<br />

Reich im 7. Jh. unserer Zeitrechnung im Eroberungssturm arabischer Streitkräfte eingenommen <strong>und</strong><br />

dabei wahrscheinlich <strong>al</strong>les Geschriebene auf den vorher erwähnten Materi<strong>al</strong>ien vernichtet wurde.<br />

Der Nachwelt sind <strong>al</strong>tpersische Inschriften vorwiegend auf gew<strong>al</strong>tigen Felsdenkmälern <strong>und</strong> nur<br />

gezählte beschriebene Gegenstände aus anderen Materi<strong>al</strong>ien geblieben.<br />

Bedeutend ist daher die früheste schriftliche Beschreibung eines persischen Gartens bei dem<br />

griechischen Geschichtsschreiber Xenophon 32 . Er erzählt wie ein Staatsmann <strong>und</strong> Feldherr aus<br />

Sparta namens Lysander um 400 v. Chr. <strong>al</strong>s Gesandter <strong>nach</strong> Sardes 33 kam <strong>und</strong> den dortigen Garten<br />

eines persischen Prinzen namens Kyros der Jüngere 34 bew<strong>und</strong>erte. Der Prinz soll seinen Gast<br />

persönlich empfangen <strong>und</strong> ihm versichert haben dass er den Garten selbst angelegt <strong>und</strong> bepflanzt<br />

habe. Zitat 35 :<br />

„…Der älteste erh<strong>al</strong>tene persische P<strong>al</strong>ast-Garten geht auf Kyros II., der Große, zurück. <strong>Die</strong> Überreste<br />

wurden in Pasargadae in [in der Provinz] Fars gef<strong>und</strong>en. <strong>Die</strong>ser Garten hatte einen rechteckigen<br />

Gr<strong>und</strong>riss <strong>und</strong> steingefasste Kanäle. Er wies auch auf einen Pavillon hin ….“. Und:<br />

„Xenophon überliefert wie der Spartaner Lysander um 400 v. Chr. <strong>al</strong>s Gesandter <strong>nach</strong> Sardes kam,<br />

<strong>und</strong> den dortigen Garten des persischen Prinzen Kyros des Jüngeren bew<strong>und</strong>erte. Kyros soll seinen<br />

Gast persönlich empfangen <strong>und</strong> ihm versichert haben, dass er den Garten selbst angelegt <strong>und</strong><br />

bepflanzt habe…“ 36 .<br />

30 Geb. 23. Juli 1879 in Celle – gest. 21. Januar 1948 in Basel<br />

31 David Stro<strong>nach</strong> (geb. 1931), schottischer Archäologe besonders für Iran <strong>und</strong> Iraq, ein Experte für Pasargadae. Er war<br />

in den 60er <strong>und</strong> 70er Jahre des 20. Jh. Direktor des British Institute of Persian Studies in Tehran.<br />

32 (geb. zwischen 430 <strong>und</strong> 425 v. Chr. in Athen – gest. <strong>nach</strong> 355 v. Chr. in Korinth) antiker griechischer Politiker, Feldherr<br />

<strong>und</strong> Schriftsteller in den Bereichen Geschichte, Politik, Ökonomie <strong>und</strong> Philosophie <strong>und</strong> war ein Schüler des Sokrates<br />

33 Sardes war die Hauptstadt von Lydien das zum persischen Großreich gehörte. Ihre Ruinen liegen heute in der Türkei<br />

34 Kyros war der zweitälteste Sohn des späteren persischen Großkönigs Dareios II. Griechische Quellen nennen ihn „den<br />

Jüngeren“, um ihn von König Kyros II. zu unterscheiden Er wurde kurz <strong>nach</strong> der Thronbesteigung seines Vaters geboren.<br />

(geb. 423 v. Chr. - gest. 401 v. Chr.)<br />

35 https://de.wikipedia.org/wiki/Persischer_Garten#Geschichte_der_persischen_Gartenkultur<br />

36 Wahrscheinlich aus dem Werk Kyrupädie über die Erziehung von Kyros II., eine Schrift zur politischen Bildung über<br />

den <strong>al</strong>s ide<strong>al</strong>en Herrscher dargestellten, persischen Großkönig Kyros II.<br />

22


Rekonstruktion von Friedrich Krefter von Pasargadae mit den <strong>Gärten</strong> 37 , lt. Bildbeschriftung<br />

sind die Gebäude in ihrer Reihenfolge von links unten bis rechts oben benannt: Eingangstor,<br />

Empfangsh<strong>al</strong>le, Pavillon am Eingang vom Garten <strong>und</strong> oben rechts das Throngebäude.<br />

Wahrscheinlich dürfen wir uns Pasargadae unter Kyros II. nicht <strong>al</strong>s Stadt im herkömmlichen Sinn<br />

vorstellen, der Ort hatte eher den Charakter eines Heerlagers für Tausende von Menschen von<br />

denen die meisten Krieger waren, dazu kamen Handwerker <strong>al</strong>ler Berufssparten mit ihren Familien<br />

<strong>und</strong> Händler. <strong>Die</strong> Krieger lebten möglicherweise in geräumigen soliden Zelten <strong>und</strong> es ist möglich,<br />

dass König Kyros selbst in einem großen persischen R<strong>und</strong>zelt wohnte das, wie zu jenen Zeiten<br />

üblich, prunkvoll ausgestattet war. Aus festem Materi<strong>al</strong> waren vermutlich zunächst nur die<br />

Säulenh<strong>al</strong>len um den Garten herum, ein Pavillon mit einem Thron -wahrscheinlich der<br />

Empfangsbereich des Großkönigs für Honoratioren der zu seinem Hoheitsgebiet gehörenden<br />

Länder- <strong>und</strong> Bewässerungsanlagen. Steingefasste Wasserläufe definierten angrenzende <strong>Gärten</strong>.<br />

Stro<strong>nach</strong> nahm an, dass der Thron des Kyros in der Achse von einem der <strong>Gärten</strong> stand. Es gab<br />

weitere Wasserläufe die zur Querwand des P<strong>al</strong>asts im Norden <strong>und</strong> zu einem kleinen Pavillon im<br />

Süden führten. Der Pavillon hatte eine steinerne rechteckige Basis, im Nordosten <strong>und</strong> Südwesten<br />

hatte das Bauwerk jeweils einen Portikus der höher <strong>al</strong>s das Gebäude selbst war. Von dem Gebäude<br />

selbst hatten sich nur wenige Reste erh<strong>al</strong>ten. Eine große steinerne Brücke führte über einen der<br />

Hauptkanäle. <strong>Die</strong> Residenzstadt hatte bereits ein unterirdisches Bewässerungssystem. Als Kyros II.<br />

im Jahr 530 oder 529 v.Chr. in einer Schlacht starb war Pasargadae unvollendet, die Stadt wurde<br />

unter Kambyses II., Sohn <strong>und</strong> Nachfolger von Kyros II. zwischen 559 v. Chr. <strong>und</strong> etwa 525 v. Chr.<br />

ausgebaut. Sie blieb Hauptstadt des Großreichs bis Kambyses II. in Susa, 45 km von Tschogha Zanbil<br />

entfernt, eine neue Stadt bauen ließ die jedoch vorwiegend Verw<strong>al</strong>tungzwecken diente.<br />

37 Geb. 15.10.1898 in Emden – gest. 25.01.1995 in Bad Honnef. Quelle der Zeichnung:<br />

http://www.iranicaonline.org/articles/art-in-iran-iii-achemenian (Fig. 34)<br />

23


Karte steht nicht zur Verfügung<br />

Das Achämenidenreich <strong>nach</strong> der Eroberung von <strong>Teil</strong>en Arabiens <strong>und</strong><br />

weiteren Territorien unter König Dareios I. der Große. 38<br />

Der nächste Großkönig der Kyros II. in der geschichtlichen Bedeutung gleichwertig sein sollte war<br />

Dareios I. 39 Er wurde um 549 v. Chr. <strong>al</strong>s Sohn des Fürsten Hystaspes geboren der ebenf<strong>al</strong>ls aus dem<br />

Geschlecht der Achämeniden stammte. Hystaspes war unter den Perserkönigen Kyros II. <strong>und</strong><br />

Kambyses II. Statth<strong>al</strong>ter der <strong>al</strong>tpersischen Landschaft Parthien.<br />

Unter Dareios I. erreichte das Imperium um ca. 500 v. Chr. seine größte Ausdehnung mit <strong>Teil</strong>en von<br />

Libyen, Griechenland, Bulgarien, Pakistan, mit Gebieten im Kaukasus, Zentr<strong>al</strong>asien <strong>und</strong> Sudan –<br />

obwohl die endgültige Eroberung des ausgedehnten Perserreichs bis in die <strong>al</strong>lerletzten Provinzen<br />

noch einige Jahre länger dauerte. Als 9. Perserkönig des Großreichs gründete Darius I. im Jahr 520 v.<br />

Chr. die Stadt Persepolis <strong>und</strong> verlegte die königliche Residenz dorthin; sie liegt r<strong>und</strong> 50 km von<br />

Pasargadae entfernt. <strong>Die</strong> antike Ausgrabungsstätte von Persepolis ist sehr weitläufig <strong>und</strong> ungemein<br />

beeindruckend – will man <strong>al</strong>les in Ruhe <strong>und</strong> ausführlich sehen sollte man einen Tag einplanen. Auch<br />

dort gab es ein hydraulisches Netz <strong>und</strong> einen Garten.<br />

Das Ende des Altpersischen Imperiums begann im Jahr 331 v. Chr. mit den Eroberungszügen<br />

Alexanders des Großen, König von Makedonien <strong>und</strong> Anführer des Korinthischen B<strong>und</strong>es 40 . <strong>Die</strong><br />

Königsstadt Persepolis wurde geplündert, geschleift <strong>und</strong> das was noch vorhanden war, in Brand<br />

gesteckt. In der Schlacht im Jahr 333 v. Chr. bei Issos wurde das persische Heer endgültig <strong>und</strong><br />

vernichtend von Alexander dem Großen geschlagen. Es wurde zwar ein Friedensvertrag<br />

ausgehandelt aber die Macht des persischen Weltreichs war endgültig gebrochen.<br />

38 Karte von <strong>Persien</strong>/Achämenidenreich, uploaded by History of Persia „darius conquered the indus“ on 10th August<br />

2015. Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic license<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_achaemenid_empire_en.png The origin<strong>al</strong> author of this map was<br />

Fabienkhan, on 24th of August 2006 (Inspired by Historic<strong>al</strong> Atlas of Georges Duby (p.11, map D)).<br />

39 Auch latein. Darius I. geb. 549 – gest. 486 v. Chr.<br />

40 Staatenverb<strong>und</strong> im antiken Griechenland<br />

24


Rekonstruktion von Persepolis anhand der Ausgrabungen, angefertigt 1884 von Charles Chipiez 41<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

<strong>Die</strong> Reliefs von Persepolis sind berühmt. Bew<strong>und</strong>ernswert: die zahlreichen restaurierten Origin<strong>al</strong>e.<br />

41 Ch. Chipiez war ein bekannter Ägyptologe, Iranologe <strong>und</strong> französischer Architekt (1839-1901)<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Persepolis_vue_d%27oiseau_Chipiez.jpg<br />

25


Persepolis: Der Eingang zur Stadt führt auch heute durch das Tor <strong>al</strong>ler<br />

Länder. Hier hielten Fürsten <strong>und</strong> Honoratioren aus <strong>al</strong>len Ländern des<br />

Persischen Weltreichs ihren Einzug um König Darius I. <strong>und</strong> seinen<br />

Nachfolgern ihre Ehrerbietung zu erweisen. <strong>Die</strong> gew<strong>al</strong>tigen Skulpturen am<br />

Eingangstor sind mythische Mischwesen genannt Lamassus: Stierkörper mit<br />

sichelförmigen Adlerflügeln <strong>und</strong> menschlichen Gesichtern die einen<br />

assyrischen Einfluss zeigen. Sie sind ein Symbol für Wachsamkeit <strong>und</strong> Stärke<br />

in der antiken persischen Geschichte.<br />

Ψ<br />

26


Das Neupersische Reich – Das Reich der Sassaniden 42<br />

Schuschtar, ein komplexes hydraulisches System<br />

Abschließend zum vorangegangenen Kapitel <strong>und</strong> <strong>al</strong>s Überleitung vom Altpersischen Großreich zur<br />

Neuzeit, sprich in unsere Zeitrechnung, möchte ich noch erwähnen dass die Iraner heute, <strong>al</strong>lem<br />

Nation<strong>al</strong>stolz zum Trotz durchaus Größe anerkennen – auch bei einem ehem<strong>al</strong>igen Feind. So<br />

werden die drei „Großen“ der <strong>al</strong>tpersischen Geschichte nicht selten zusammen erwähnt wie in dem<br />

Spruch: „Es gab drei Große in der persischen Geschichte – Kyros II. der Große, Darius I. der Große<br />

<strong>und</strong> Alexander der Große“.<br />

Nach dem Tod Alexanders im Jahr 323 v. Chr. in Babylon wurden im ehem<strong>al</strong>igen Großreich <strong>Persien</strong><br />

die Machtverhältnisse neu geordnet. Am Ende dominierte ein iranischer Volksstamm aus einer<br />

Gegend südöstlich vom Kaspischen Meer <strong>und</strong> gründete das Reich der Parther. Es gelang ihnen vom<br />

3. Jahrh<strong>und</strong>ert v. Chr. bis zur Machtübernahme durch die persischen Sassaniden im Jahr 224<br />

unserer Zeitrechnung ein fast ebenso großes Reich zu erh<strong>al</strong>ten bzw. wieder aufzubauen wie es einst<br />

das <strong>al</strong>tpersische gewesen war.<br />

Als Gründer des Sassanidenreichs gilt König Ardaschir I., ein Kleinkönig in der parthische Provinz<br />

Persis im Südosten des Iran. Er stammte aus der Familie der Sassaniden <strong>und</strong> strebte <strong>nach</strong> Höherem,<br />

zettelte einen Aufstand an, ermordete den letzten König des Partherreichs, eroberte 226 n.Chr. die<br />

parthische Hauptstadt Ktesiphon 43 errichtete dort herrliche Bauwerke <strong>und</strong> regierte bis ins Jahr 240.<br />

<strong>Die</strong> Zeit der Sassaniden wurde einerseits von einem ständigen Ringen mit dem Römischen Reich um<br />

die Vormachtstellung im Vorderen Orient, in Mittelasien <strong>und</strong> zuweilen sogar in Kleinasien geprägt,<br />

andererseits war es eine Ära großer technischer Fortschritte, vor <strong>al</strong>lem im <strong>Wasserbau</strong>. War das<br />

Verhältnis zwischen beiden Großmächten anfangs sehr gespannt scheint es sich im Lauf der<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte dahingehend gebessert zu haben, dass beide Großreiche, bzw. ihre Könige <strong>und</strong><br />

Cäsaren sich <strong>al</strong>s ebenbürtige Gegner, <strong>al</strong>s Vertreter gleichwertiger Zivilisationen zu betrachten<br />

schienen. In der Zeit der Perserkönige Schapur II. bis Yazdegerd I. (309-420) ging man<br />

ausgesprochen höflich miteinander um, was aus der überlieferten Korrespondenz zwischen den<br />

jeweiligen Herrschern herauszulesen ist. So bedienten sie sich zum Beispiel des Wortes „Bruder“<br />

wenn sie sich schrieben. Hier ein Zitat aus einem Briefwechsel zwischen dem Sassanidenkönig<br />

Schapur der von 240/42–270 n. Chr. regierte <strong>und</strong> Caesar Konstantin 44 :<br />

„Ich, König der Könige, Sapor, Gefährte der Sterne, Bruder von Sonne <strong>und</strong> Mond,<br />

entbiete dem Caesar Constantius, meinem Bruder, <strong>al</strong>les Gute.“<br />

<strong>Die</strong> Antwort des römischen Kaisers war ebenso höflich:<br />

„Ich, Sieger zu Wasser <strong>und</strong> zu Lande, Constantius 45 , <strong>al</strong>lzeit Augustus, entbiete meinem<br />

Bruder, dem König Sapor, <strong>al</strong>les Gute.“<br />

Bis zum 6. Jh. hatte sich ein ausgefeiltes diplomatisches Protokoll entwickelt das bei oströmischpersischen<br />

Kontakten beachtet wurde. So gehörte es offenbar auch zum guten Ton Thronwechsel<br />

im eigenen Reich dem jeweils anderen offiziell mitzuteilen ohne dass jedoch die Kampfhandlungen<br />

deswegen eingestellt wurden.<br />

42 (224-651) Auch: Sassaniden. Inzwischen scheinen sich die Historiker auf die Schreibweise mit nur einem „s“ geeinigt<br />

zu haben. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sassanidenreich<br />

43 Ursprünglich zwei Städte die zusammenwuchsen: Seleukia am Tigris <strong>und</strong> Ktesiphon. Unter Parthern <strong>und</strong> Sasaniden<br />

die Hauptstadt des Reichs.<br />

44 Zitat aus:<br />

https://de.wikipedia.org/wiki/Sassanidenreich#<strong>Die</strong>_Gr%C3%BCndung_des_Neupersischen_Reichs_%E2%80%93_Ardasc<br />

hir_I._<strong>und</strong>_Schapur_I.<br />

45 Constantius II. Sohn von Konstantin, der Große, <strong>nach</strong> dessen Tod ab 337 Kaiser im Osten des Römischen Reiches<br />

27


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Ein weiterer Pavillon in den ehem<strong>al</strong>igen königlichen <strong>Gärten</strong>. Heute ist er der Eingang<br />

zum P<strong>al</strong>astpavillon Tschehel Sotun, Isfahan, (s. Seite 8). Erbaut <strong>und</strong> angelegt wurden<br />

beide ebenf<strong>al</strong>ls von Schah Abbas II. Er regierte 1642 – 1666<br />

Ψ<br />

28


Fluss Karun<br />

Während der Sassanidenherrschaft vom 3. bis zum 7. Jahrh<strong>und</strong>ert n. Chr. <strong>und</strong> unter dem Einfluss<br />

des Zoroastrismus 46 wurde das Wasser auch in der Kunst <strong>al</strong>s Springbrunnen <strong>und</strong> Seen in <strong>Gärten</strong><br />

dargestellt. Ardaschir I. der erste sassanidische Herrscher, legte in Firuzabad einen ummauerten<br />

Garten an in dessen Zentrum ein r<strong>und</strong>er See lag. Er war wegen seiner zahlreichen Rosenarten <strong>und</strong><br />

Obstbäume berühmt. Im P<strong>al</strong>ast Königs Chosrau I. (531–579) teilten Wasserläufe<br />

blumengesprenkelte Wiesen die von blühenden Obstbäumen gesäumt waren – <strong>Die</strong> Beschreibung<br />

ist durch arabische Autoren wie Tabari 47 überliefert. Ansonsten hat nicht einm<strong>al</strong> ein Plan eines<br />

sassanidischen Gartens überlebt. Aber es gibt eine Überlieferung von einem Garten den König<br />

Chosrau II. für seine über <strong>al</strong>les geliebte Gemahlin Schirin bauen ließ. <strong>Die</strong> Geschichte erzähle ich am<br />

Ende dieses Kapitels. Eine Überlieferung ist anders zu betrachten <strong>al</strong>s eine Legende, sie beruht auf<br />

Tatsachen kann aber, vor <strong>al</strong>lem in der arabischen Literatur romanhaft ausgeschmückt sein.<br />

Dafür wird das Thema <strong>Wasserbau</strong> unter den Sassaniden mit greifbaren Tatsachen ab dem 3. Jh.<br />

umso spannender. Im Jahr 260 n. Chr. erhielt er einen entscheidenden Impuls. Der Gr<strong>und</strong> hierfür<br />

war eine noch nie dagewesene Niederlage der Römer im Oströmischen Reich <strong>und</strong> eine unerhörte<br />

Demütigung für Rom. In einer siegreichen Schlacht bei Edessa im Jahr 260 nahm Schapur I. König<br />

der Perser, den römischen Cäsar V<strong>al</strong>erian 48 <strong>und</strong> <strong>al</strong>le seine Soldaten gefangen.<br />

46 <strong>Die</strong> Religion des Zoroastrismus wurde vom Propheten Zarathustra gegründet, seine Anhänger werden Zoroastrier<br />

genannt. Wann er genau gelebt hat ist nicht bekannt, es wird angenommen zwischen 1800 <strong>und</strong> 600 v. Chr. <strong>Die</strong> Religion<br />

entstand im östlichen Perserreich, in der Provinz Baktrien (das heutige Usbekistan gehörte z. B. dazu) <strong>und</strong> war viele<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte lang Staatsreligion im Alten <strong>Persien</strong><br />

47 Muhammad ibn Dscharir <strong>al</strong>-Tabari, (geb. 839 in Amol, Tabaristan – gest. 19. 01. 923 in Bagdad) war ein persischer<br />

islamischer Historiker <strong>und</strong> Gelehrter in Bagdad.<br />

48 Von 253 bis 260 römischer Kaiser<br />

29


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Brücke <strong>und</strong> Stauwehr Band-e Kaisar (3. Jh.). Links im Vordergr<strong>und</strong> sind noch ein paar<br />

ursprüngliche R<strong>und</strong>bögen zu sehen; ein paar Seiten weiter zeigt ein Foto einige, im Lauf<br />

der Jahrh<strong>und</strong>erte instandgesetzte mit Spitzbögen.<br />

Kaiser V<strong>al</strong>erian verschwand im Dunkel der Geschichte – er kommt in keiner historischen<br />

Chronik mehr vor. Es gibt eine schaurige, überlieferte Legende über sein Schicks<strong>al</strong>, es<br />

heißt dass ihm die Haut abgezogen, rot eingefärbt <strong>und</strong> öffentlich ausgestellt wurde. Von<br />

seinen Soldaten jedoch weiß man umso mehr: sie wurden zum Re<strong>al</strong>isierung von<br />

wichtigen Bauvorhaben eingesetzt. In Überlieferungen ist die Rede von 70.000<br />

Gefangenen was übertrieben erscheinen mag, auf jeden F<strong>al</strong>l waren es ihrer genug um<br />

die Bauwerke zu schaffen die König Schapur im Sinn hatte. Schuschtar war eine der<br />

<strong>al</strong>tpersischen Königsstädte in der Provinz Chuzestan, im Südwesten des heutigen Iran.<br />

Sie lag an der sogenannten Königsstraße von Ktesiphon <strong>nach</strong> Pasargadae. Direkt an der<br />

Stadt vorbei führte der Fluss Karun, der wasserreichste Fluss im Iran; bislang war ein<br />

zeitraubender Umweg nötig um auf der Königsstraße zu reisen. <strong>Die</strong> Sassaniden hatten<br />

schon einm<strong>al</strong> versucht eine Brücke über den Karun zu bauen – der Versuch schlug fehl.<br />

<strong>Die</strong> gefangenen Soldaten mussten zum Arbeitsdienst für ein umfassendes 3-Phasen-<br />

<strong>Wasserbau</strong>projekt antreten: eine Abzweigung für den künstlichen Kan<strong>al</strong> GarGar mit dem<br />

Damm Band-e Mizan <strong>und</strong> eine Brücke in Verbindung mit einem Stauwehr namens Bande<br />

Kaisar. Zunächst wurde der Karun trocken gelegt, das Wasser wurde in den GarGar<br />

umgeleitet. Der Kan<strong>al</strong> verlief dam<strong>al</strong>s <strong>und</strong> verläuft auch heute zum <strong>Teil</strong> an der Stadt<br />

vorbei, zum <strong>Teil</strong> unter ihr hindurch, dann weiter südlich über gute 40-50km <strong>und</strong><br />

bewässert dabei ausgedehnte Anbaugebiete von Zuckerrohr, Reis <strong>und</strong> Obstplantagen,<br />

bis er wieder in den Karun mündet. Das wuchtige Bauwerk nahm fast die Hälfte vom<br />

Flusslauf ein, verengte ihn dement-sprechend <strong>und</strong> beschleunigte damit die<br />

Geschwindigkeit des Wasserlaufs.<br />

30


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Oben: Flussscheide des Karun. Oben im Bild setzt der Fluss seinen Lauf fort, unten<br />

fließt er in die verschiedenen Fluttore vom Damm Band-e Mizan. (3. Jh.)<br />

Unten: Rückseite des Band-e Mizan, Anfang vom Kan<strong>al</strong> GarGar<br />

31


Band-e Kaisar. <strong>Die</strong> ursprünglichen R<strong>und</strong>bögen wurden im Lauf der Jahrh<strong>und</strong>erte bei<br />

Instandsetzungsarbeiten durch Spitzbögen ersetzt<br />

Über das Stauwehr verlief eine 500 m lange, <strong>al</strong>lerdings nicht gerade ausgerichtete Straße, Bögen<br />

<strong>und</strong> Pfeiler wurden <strong>nach</strong> der Bodenbeschaffenheit angebracht; es scheint, dass der Band-e Kaisar<br />

ursprünglich 40 Bögen hatte. Heute sind auch Spitzbögen zu sehen, die Folge von zahlreichen<br />

Reparaturen <strong>und</strong> Instandsetzungen im Lauf der Jahrh<strong>und</strong>erte. Der Brückendamm Band-e Kaisar<br />

erfüllte seinen Zweck bis ins späte 19. Jh., heute ist er fast ganz verf<strong>al</strong>len. Inzwischen führt eine<br />

moderne 4-spurige Brücke auf die andere Seite vom Karunufer. Aber der Name des historischen<br />

Bauwerks erinnert immer noch an die Umstände unter denen die östlichste <strong>al</strong>ler römischen<br />

Brücken gebaut wurde: der Band-e Kaisar –Brückendamm des Cäsar. Ab dieser Zeit g<strong>al</strong>ten diese<br />

römischen Bauwerke <strong>al</strong>s Gr<strong>und</strong>lage für <strong>al</strong>le iranischen <strong>Wasserbau</strong>- Architekten.<br />

Wie wir an Pasargadae gesehen haben gab es im Alten <strong>Persien</strong> bereits im Altertum -wie bei <strong>al</strong>len<br />

anderen Zivilisationen- <strong>Wasserbau</strong> zur Versorgung von Landwirtschaft <strong>und</strong> Bevölkerung, lange vor<br />

den Sassaniden oder Römern. So auch in Schuschtar. Aber er war weit entfernt von dem<br />

ausgeklügelten System das mit den Römern seinen Anfang nahm. <strong>Die</strong> drei römischen Bauwerke<br />

schufen die Gr<strong>und</strong>lage für eine komplexe hydraulische Anlage das die Perser im Lauf vieler<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte bis in die Neuzeit weiter entwickelten.<br />

Ψ<br />

32


<strong>Die</strong> Wassermühlen von Schuschtar<br />

Der Kan<strong>al</strong> GarGar windet sich zunächst friedlich zwischen Sandsteinfelsen <strong>und</strong> Grün hindurch bis er<br />

ein großes Becken mit ringsum steil abf<strong>al</strong>lenden Felswänden erreicht. Denkt man zunächst es ist<br />

das Ende des Kan<strong>al</strong>s, ein Auffangbecken, wird man schnell eines Besseren belehrt:<br />

ununterbrochenes Wasserrauschen, hochwirbelnde weiße Gischt, aus Felsöffnungen stürzen<br />

Wasserfälle in die Tiefe – bei der Hitze im April sind <strong>al</strong>lein der Anblick <strong>und</strong> das Rauschen eine<br />

Wohltat. R<strong>und</strong> um das Becken stehen Überreste von Gebäuden, die einen größer, andere<br />

bescheidener, aber jeder Zentimeter um das Becken scheint einm<strong>al</strong> bebaut gewesen zu sein – erst<br />

bei der genauen Besichtigung der ganzen Anlage sieht man dass die Gebäudereste nur die Spitze<br />

einer Handwerkszunft sind: R<strong>und</strong> um das Becken hatten sich im Lauf der Jahrh<strong>und</strong>erte bis zu 36<br />

Müller angesiedelt, das Herzstück einer jeden Mühle -ein großes hölzernes Flügelrad- war unter<br />

Wasserniveau inst<strong>al</strong>liert war, wurde von der Strömung angetrieben 49 . Durch einen kräftigen r<strong>und</strong>en<br />

Holzpfosten war es mit dem Mahlstein im Raum darüber verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> hielt ihn in Bewegung 50 .<br />

Und die Wasserfälle, was hatte es mit damit auf sich? Durch die Sandsteinfelsen auf denen<br />

Schuschtar teilweise liegt wurden Stollen gegraben die Wasser vom GarGar vor dem Becken<br />

ableiteten um es im Felsinneren in den Bereich mit Mühlen zu leiten der nicht direkt an der<br />

Strömung lag. Man sieht dass das Becken im Lauf der Zeit erweitert, ein zweiter Wassertunnel <strong>al</strong>s<br />

Beckenablauf <strong>und</strong> ein Bereich für weitere Mühlen in ein zweites Becken gebaut wurde. Der Rest des<br />

Stollenwassers stürzte dann dam<strong>al</strong>s wie heute mit großer Kraft aus den Felsstollen <strong>und</strong> verliehen<br />

auch dem Wasser im Durchflussbecken mehr Geschwindigkeit. 51<br />

Text steht nicht zur Verfügung<br />

Ψ<br />

49 S. am Ende dieses Kapitels den Querschnitt einer Mühle <strong>und</strong> ein Foto vom Inneren einer solchen.<br />

50 S. die Bilder vom Querschnitt durch eine Mühle <strong>und</strong> von einem Flügelrad aus dem Wassermuseum der Wüstenstadt<br />

Yazd auf den Folgeseiten<br />

51 Ebd.<br />

33


Am ersten Tag in Schuschtar hatte ich viel Zeit bei den beiden Dämmen Band-e Kaisar <strong>und</strong> Band-e Mizan<br />

verbracht – ich kam erst kurz vor Sonnenuntergang bei den Wassermühlen an. Oben: Das erste große<br />

Durchlaufbecken vom GarGar. Im Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> rechts auf den Felsen stehen noch einige<br />

Mühlengebäude, dicht aneinander gedrängt. Ebenf<strong>al</strong>ls im Hintergr<strong>und</strong>, hinter dem Kahn, ist ein<br />

Abflusstunnel zu sehen. Unten im Hintergr<strong>und</strong>: Einmündung vom Kan<strong>al</strong> GarGar im Durchlaufbecken.<br />

34


In den Wassermühlen wurde <strong>al</strong>les bearbeitet was überhaupt mit großen, kleinen, groben oder<br />

feinen Mahlsteinen bearbeitet werden konnte: von Getreide über medizinische Kräuter bis hin zum<br />

Schälen von Reis – heute noch ein Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel im Iran. Bei der Besichtigung <strong>und</strong> auf den<br />

Bildern kann man nur die äußeren Gebäude der Anlage sehen, die Lagerhäuser der Müller. Der<br />

Arbeitsbereich, sprich, der Raum für den Mahlstein <strong>und</strong> für das noch ein Stockwerk tiefer liegende<br />

Flügelrad darunter sind im Inneren vom Fels verborgen <strong>und</strong> zum <strong>Teil</strong> verf<strong>al</strong>len – es wäre zu<br />

gefährlich Besichtigungen zu erlauben. Aber <strong>nach</strong>dem ich erklärt hatte was mein Projekt war ließ<br />

mich der zuständige Herr von der Verw<strong>al</strong>tung zumindest ein Foto von einem Raum machen in dem<br />

der Mahlstein untergebracht war 52 . Der letzte Handwerker auf der Anlage eröffnete sein Geschäft<br />

1954. Er stellte Eis her <strong>und</strong> schloss seinen Betrieb in den 60er Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Das Becken hatte zu <strong>al</strong>len Seiten Steilhänge, erst <strong>al</strong>s ich durch den ganzen Bereich lief sah ich, dass<br />

es eigentlich zwei Becken waren. Es sah so aus <strong>al</strong>s wäre das Becken vom ersten Bild der Anlage<br />

oben auf der Vorseite, das erste gewesen an dem Mühlen gebaut wurden – dieser Bereich war<br />

offenbar restauriert worden. Das zweite Becken lag etwas höher <strong>und</strong> war ebenf<strong>al</strong>ls ein<br />

Durchflussbecken. Genauso wie das erste, bekam es auch Wasser aus den umliegenden Felsen –<br />

das heißt dass die ganzen Steilwände r<strong>und</strong> um das Becken herum von Wasserstollen durchlöchert<br />

waren. Im zweiten Becken (s. Bild auf der nächsten Seite) steht keine Mühle mehr, aber die Zahl der<br />

hochragenden Rahmen der eisernen Flutschieber die ihren Zweck nicht mehr erfüllen erzählen<br />

davon wie dicht nebeneinander die Müller hier arbeiteten. Wurde in einer Mühle gerade nicht<br />

gearbeitet, schloss der Müller die Wasserzufuhr zu seinem Betrieb mit seinem Flutschieber, das<br />

Wasser floss vorbei oder stürzte in eins der Durchflussbecken.<br />

Ich war überrascht keine ausländischen Touristen zu sehen, das sollte auch am nächsten Tag so<br />

bleiben. Alle Besucher waren Iraner <strong>und</strong> äußerst liebenswürdig; wieder <strong>und</strong> wieder wurden Bilder<br />

mit mir gemacht – seit meiner Reise im Jahr 2017 war ich schon daran gewöhnt; ob jung oder <strong>al</strong>t,<br />

Frauen wie Männer, sie freuten sich so sehr wenn ich einverstanden war.<br />

<strong>Die</strong> Bekanntschaft des Führers machte ich dann später am Abend <strong>al</strong>s <strong>al</strong>le Besucher gebeten wurden<br />

die Anlage zu verlassen. Er war ein äußerst liebenswürdiger älterer Herr mit umfassenden<br />

Geschichtskenntnissen, ich war froh ihn kennengelernt zu haben – das sollte mir noch zu Gute<br />

kommen: Es stellte sich heraus dass er der -in jeder Hinsicht- älteste Führer der Stadt war. Wir<br />

verabredeten uns für den nächsten Tag – er meinte er wolle mir etwas Besonderes zeigen.<br />

Ψ<br />

52 Ebd.<br />

35


Oben: Das 1. Durchflussbecken mit dem GarGar im Hintergr<strong>und</strong>, mit Mühlenresten am Steilhang <strong>und</strong><br />

rechts. Unten: Ein <strong>Teil</strong> vom 2. Durchflussbecken, es sind nur noch die F<strong>und</strong>amente ehem<strong>al</strong>iger Mühlen<br />

zu sehen; die hochragenden Eisengestelle der Flutschieber zeigen wie dicht die Mühlen dort standen.<br />

36


Auf einm<strong>al</strong> war die Sonne war fast untergegangen – es wurde schnell Nacht. <strong>Die</strong><br />

Besucher durften noch ein Weilchen bleiben um <strong>al</strong>les mit der Nachtbeleuchtung<br />

bew<strong>und</strong>ern zu können<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

37


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

<strong>Die</strong> Mühlen waren so nah aneinander gebaut, dass der Arbeitsplatz eines Müllers sehr<br />

beengt war. Über diesem Raum liegt der Lagerraum für die Säcke mit der<br />

bearbeiteten Ware. Der Mahlstein lag in der r<strong>und</strong>en Vertiefung unten, in der Mitte<br />

verband ihn ein kräftiger Holzpfosten mit dem Flügelrad im Wasser darunter. S. Querschnitt<br />

durch eine Mühle auf der nächsten Seite oben rechts.<br />

Ψ<br />

38


Zeichnung steht nicht zur Verfügung<br />

Oben: 1) Wasserzufuhr zur Mühle, 2) es stürzt in den Schacht der zum Flügelrad führt, 3) wenn nicht<br />

gearbeitet wurde sperrte der Müller mit einem Flutschieber die Wasserzufuhr 4) Flügelrad<br />

verb<strong>und</strong>en mit 5) Mahlstein 6) Lagerhaus der Mühle. Unten: ein <strong>al</strong>tes Flügelrad im Wassermuseum<br />

der Wüstenstadt Yazd mit dem r<strong>und</strong>en Verbindungsstamm zum Mahlstein..<br />

39


Am nächsten Tag holte ich den Führer an den Wassermühlen ab – wir fuhren ein Stück mit dem Taxi<br />

auf die andere Seite der Felsen <strong>und</strong> Steilhänge um die Becken der Wassermühlen – zur ehem<strong>al</strong>igen<br />

Festung der Sassaniden auf einem Hügel, von der nur noch ein paar unscheinbare Lehmreste<br />

geblieben sind. Fast zwei Jahrtausende lang hat die Erosion ganze Arbeit geleistet – die Festung war<br />

viel zu spät unter die Fittiche der iranischen Verw<strong>al</strong>tung für Altertümer gekommen.<br />

Vor einem soliden Gitter das mit einem großen Schloss gesichert war machten wir H<strong>al</strong>t, dahinter<br />

sah ich eine Treppe die tief hinunter ging. Vor dem Gitter stand in Englisch auf einem etwas<br />

mitgenommenen Schild: „Dariun – Sassanidenzeit, möglicherweise Achämeniden.“ Mein Führer zog<br />

einen Schlüsselb<strong>und</strong> hervor – mit vereinten Kräften brachten wir das Schloss auf. Ich war gespannt<br />

– etwas Besonderes? Ich dachte er würde mit einen Qanat zeigen, das wäre ja auch sehr interessant<br />

gewesen, dafür war ich ja auch gekommen. Aber was ich dann sah war tatsächlich besonders <strong>und</strong><br />

vollkommen unerwartet. Der Führer hatte mir inzwischen erklärt dass ich den Kan<strong>al</strong> Dariun sehen<br />

würde der vor r<strong>und</strong> 2.000 Jahren gebaut wurde um Wasser für die landwirtschaftlichen Flächen von<br />

Schuschtar von einer Seite des Felsens auf die andere zu bringen. Der Dariun hatte sich mit den<br />

späteren, römischen Bauwerken, mit der Umleitung vom Fluss Karun, mit der Brücke, den<br />

römischen Stauwehren <strong>und</strong> Dämmen ab der Hälfte des 3. Jahrh<strong>und</strong>erts erübrigt. In der Nähe der<br />

Treppe sorgte ein vorsintflutlicher Sch<strong>al</strong>ter <strong>und</strong> weiter unten ein paar Glühbirnen für spärliches<br />

Licht <strong>und</strong> ich traute meinen Augen kaum: Ich hatte einen Qanat erwartet, vielleicht etwas großzüg<br />

angelegt … aber das was ich sah würde ich fast eine Wasserschnellstraße nennen. Der Kan<strong>al</strong> war<br />

riesig – riesig in der Höhe, riesig in der Breite. Inzwischen war der Boden befestigt, aber er war grob<br />

durch den Sandsteinfels gehauen. Rechts <strong>und</strong> links am Boden sah ich dass der Fels unterspült war,<br />

das zeigte dass dort tatsächlich ein Wasserweg gewesen war. Mein Führer setzte sich auf die<br />

Treppe <strong>und</strong> meinte er hätte es nicht eilig, ich solle mir Zeit lassen.<br />

Der spärlichen Beleuchtung zum Trotz verzichtete ich auf Blitzlicht, es war ein Vabanquespiel –<br />

entweder die Bilder wurden etwas oder auch nicht – eine zweite Gelegenheit würde ich nicht<br />

bekommen. <strong>Die</strong> nächsten zwei Seiten zeigen das Ergebnis: Auf den Fotos erscheinen Farben die es<br />

unten gar nicht gab – dort war mit bloßem Auge nur das weißliche Licht der Glühbirnen zu sehen<br />

gewesen die von der Decke hingen!<br />

Ψ<br />

Im Jahr 2009 wurde das gesamte hydraulische System von Schuschtar aus dem 3. Jh. n. Chr. zum<br />

UNESCO-Weltkulturerbe erklärt, die Organisation bezeichnete es enthusiastisch <strong>al</strong>s (Zitat)<br />

„Meisterwerk menschlichen Genies“.<br />

Ψ<br />

40


Ein Größenvergleich im Kan<strong>al</strong> Dariun, Schuschtar: Der Führer blieb auf der<br />

Treppe am Eingang sitzen <strong>und</strong> überraschte mich <strong>nach</strong> meinem<br />

Erk<strong>und</strong>ungsgang mit diesem Bild das er von mir mit dem Smartphone<br />

aufgenommen hatte. Erst damit sieht man wie riesig der Kan<strong>al</strong> ist <strong>und</strong> winzig<br />

ich in diesem gew<strong>al</strong>tigen unterirdischen Kan<strong>al</strong> erscheine.<br />

Ψ<br />

41


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Im Kan<strong>al</strong> Dariun, Schuschtar<br />

Ψ<br />

42


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Im Kan<strong>al</strong> Dariun, Schuschtar. Woher die unglaublichen Farben kommen,<br />

kann ich nicht sagen. Als ich unten war sah ich keine. Von der Decke hingen<br />

nur ganz einfache weiße Glühbirnen. Bei den Aufnahmen hatte ich keinen<br />

Blitz zugesch<strong>al</strong>tet,<br />

Ψ<br />

43


Chosrau II., Großkönig der Sassaniden <strong>und</strong> das Ende des Persischen<br />

Reichs<br />

Wieder überspringen wir ein paar Jahrh<strong>und</strong>erte bis im Jahr 590 unserer Zeitrechnung noch einm<strong>al</strong><br />

ein Großkönig namens Chosrau II. mit dem Zusatz Parwez 53 -was so viel heißt wie „der Siegreiche“-<br />

das Schicks<strong>al</strong> <strong>Persien</strong>s <strong>und</strong> der Dynastie der Sassaniden lenken sollte. Er war der letzte bedeutende<br />

Großkönig des Perserreichs, regierte bis ins Jahr 628 <strong>und</strong> wurde Anfang dieses Jahres ermordet.<br />

Bevor wir zum Kapitel der Qanate kommen lassen wir das Reich der Sassaniden hinter uns mit einer<br />

Überlieferung aus dem Leben des Chosrau Parwez die von seiner leidenschaftlichen Liebe zu seiner<br />

Gemahlin Schirin erzählt <strong>und</strong> auch mit <strong>Gärten</strong> zu tun hat.<br />

Der P<strong>al</strong>ast von Schirin 54<br />

Zitat aus Rosen der Wüste, die Architektur in der arabischen Literatur: „„Ein mythischer persischer<br />

P<strong>al</strong>ast ist für die Araber der P<strong>al</strong>ast von Schirin, sie war Christin <strong>und</strong> die Lieblingsfrau des Chosrau<br />

Parwez, den wir schon erwähnten. <strong>Die</strong> Überlieferung einer schönen Frau gab dem P<strong>al</strong>ast seinen<br />

Namen wie es auch später bei Medinat <strong>al</strong>-Zahra 55 gewesen sein soll. Den P<strong>al</strong>ast hat es wirklich<br />

gegeben <strong>und</strong> es gibt heute noch es einen Ort im Iran der Qasr-e Shirin heißt. Eine Überlieferung<br />

verdanken wir dem arabischen Literaten Al-Qazwini der sie wie folgt niederschrieb 56 : „Zwischen<br />

Bagdad <strong>und</strong> Hamadhan gibt es eine Ebene die sich neben einem Fluss ausbreitet. Der Chosrau Parwez<br />

erbaute dort einen P<strong>al</strong>ast für Schirin, eine seiner Frauen, das lieblichste Geschöpf auf Erden. <strong>Die</strong> Perser<br />

sagen: Parwez besaß drei Dinge die vor ihm niemand hatte <strong>und</strong> auch in Zukunft niemand haben werde:<br />

seine Ehefrau Schirin, seinen Sänger Barbad <strong>und</strong> sein Pferd Schabdiz. Der P<strong>al</strong>ast von Schirin existiert<br />

heute noch: Es ist ein großes Bauwerk mit weiten Säulenh<strong>al</strong>len, Gewölben, Säulengängen <strong>und</strong> Terrassen.<br />

Es gibt verschiedene Versionen über die Gründe für seine Erbauung: In den Büchern der Ungläubigen<br />

heißt es, dass Schirin die Tochter eines armenischen Königs war, <strong>und</strong> das schönste Geschöpf auf Erden.<br />

Man hinterbrachte dies dem Chosrau, der verliebten Gemütes war. Er entsandte einige Boten die die<br />

Prinzessin umgarnten damit sie auf Schabdiz‘ Rücken entfliehe. Als sie im Irak ankam, war Chosrau<br />

abwesend, <strong>und</strong> <strong>al</strong>s seine Frauen <strong>und</strong> Konkubinen sie sahen begriffen sie, dass der König sie bevorzugen<br />

werde. Voller Neid wählten sie ein unges<strong>und</strong>es <strong>und</strong> übelriechendes Stück Land aus <strong>und</strong> sagten zu ihr:<br />

“Der König hat befohlen, dass wir dir hier einen P<strong>al</strong>ast errichten.” Aber der P<strong>al</strong>ast von Schirin liegt neben<br />

einem Fluss, der süßes Wasser führt. Man erzählt sich, dass Schirin frisch gemolkene Milch liebte aber da<br />

der P<strong>al</strong>ast weit entfernt von den Viehweiden lag hatte die Milch, wenn man sie ihr brachte, ihre Wärme<br />

verloren. Man suchte <strong>nach</strong> einer Lösung <strong>und</strong> beschloss, einen Kan<strong>al</strong> aus Stein von den Viehweiden bis<br />

zum P<strong>al</strong>ast zu führen. Dann suchten sie jemanden der dies verwirklichen konnte, <strong>und</strong> man nannte ihnen<br />

einen Architekten namens Farhad, den sie baten, einen Bach von den Viehweiden aus zu bauen, so lang<br />

wie eine St<strong>und</strong>e zu Pferde. Der P<strong>al</strong>ast lag oben <strong>und</strong> die Weiden unten, daher errichtete der Architekt eine<br />

Mauer, die über zwei Pferdest<strong>und</strong>en lang <strong>und</strong> zwanzig Ellen hoch war. Auf der Mauer ließ er einen.<br />

Wasserlauf aus Stein anlegen, der mit großen Platten zugedeckt war <strong>und</strong> von einem Sammelbecken auf<br />

den Weiden bis zum P<strong>al</strong>ast reichte.<br />

53 auch Chosrau Parviz<br />

54 Zitat aus: Rosen der Wüste, die Architektur in der arabischen Literatur, S. 41-43, von María Jesús Rubiera, ins<br />

Deutsche übersetzt von Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong><br />

55 P<strong>al</strong>aststadt von Abd <strong>al</strong>-Rahman III. in der Nähe von Cordoba (And<strong>al</strong>usien/Spanien)<br />

56 S. 440–441, Buch Athar <strong>al</strong>-Bilad. Al-Qazwini war ein persischer Arzt, Astronom <strong>und</strong> Geograf (*1203 in Qazvin; † 1283 )<br />

Zitat aus seinem geographischen Lexikon Athar <strong>al</strong>-bilād. Übersetzt lautet der lange Titel in etwa Monument der Orte<br />

<strong>und</strong> Geschichte der Leibeigenen Gottes<br />

44


Garten Bagh-e Eram in Schiras. Er gehört wegen seiner Schönheit, seiner Größe <strong>und</strong><br />

seines Alters zu den bekanntesten historischen <strong>Gärten</strong> des UNESCO Weltkulturerbes.<br />

Er wurde in der Zeit der Dynastie der Seldschuken angelegt. (1038–1194). Ein Mitglied<br />

des Stammes der Kaschgai ließ unter der Zanddynastie (1750-1794) den herrlich<br />

verzierten P<strong>al</strong>astpavillon mit Garten bauen.<br />

Garten <strong>und</strong> Pavillon wurden einst für Fürsten <strong>und</strong> Könige errichtet, heute ist die Anlage<br />

ein botanischer Garten für die Universität von Schiras, eine historische<br />

Sehenswürdigkeit für Touristen <strong>und</strong> ein Erholungsort für die Einwohner von Schiras.<br />

Der P<strong>al</strong>astpavillon kann innen nicht besichtigt werden.<br />

Ψ<br />

45


All das hat bis zum heutigen Tag überdauert <strong>und</strong> ich habe es gesehen, <strong>al</strong>s ich dort vorbeikam“ 57 .<br />

Ein anderer Gelehrter, Muhammad <strong>al</strong>-Hamadhani 58 schreibt den P<strong>al</strong>ast von Schirin, der eins der<br />

W<strong>und</strong>er dieser Erde ist, jedoch einem anderen Ursprung zu:<br />

„Chosrau Parwiz hielt sich an seinem Hof in Qirmisin auf <strong>und</strong> befahl, dass in einer Entfernung von zwei<br />

Pferdest<strong>und</strong>en ein Garten gebaut werden solle für Vögel <strong>und</strong> andere Tiere, die dort aufwachsen sollten.<br />

Mit dem Bau wurden eintausend Mann betraut, denen er während der sieben Jahre die sie daran<br />

arbeiteten, Lohn bezahlte. Als sie ihn fertig gestellt hatten, nahm ihn der König in Augenschein <strong>und</strong> er<br />

gefiel ihm so sehr, dass er den Bauarbeitern mehr Geld gab. Eines Tages sagte er zu Schirin: „Du darfst<br />

dir etwas wünschen” <strong>und</strong> sie erwiderte: „Ich möchte, dass du mir einen P<strong>al</strong>ast in diesen Garten baust,<br />

wie es keinen anderen in deinem Reich gibt, <strong>und</strong> dass du mir einen Fluss aus Stein baust, in dem Wein<br />

fließt.” Chosrau stimmte zu aber da<strong>nach</strong> vergaß er es <strong>und</strong> Schirin sprach zum Sänger Barbad: „Wenn du<br />

ihn mit einem Lied daran erinnerst, gebe ich dir mein Landgut in Isfahan.” Der Sänger nahm den Handel<br />

an, verfasste ein Gedicht <strong>und</strong> sang es dem Parwiz vor, der sagte: „Du hast mich an den Wunsch von<br />

Schirin erinnert.” Und er baute den P<strong>al</strong>ast <strong>und</strong> den Fluss. Schirin bezahlte Barbad mit dem Landgut, der<br />

Sänger zog dorthin um <strong>und</strong> es gibt dort eine Familie, die von ihm abstammt.““<br />

Chosrau Parwez II. trat von seinem Vorgänger Chosrau I. ein ruhmreiches Erbe an – unter ihm<br />

erreichte das Sassanidenreich fast wieder die Größe des Altpersischen Reichs in der Antike. Im Jahr<br />

603 kam es zum letzten großen Krieg zwischen Römern <strong>und</strong> Persern. Bis 619 konnten Syrien <strong>und</strong><br />

Ägypten wieder den Sassaniden zugeordnet werden. Gegen Ende der Regierungszeit von Chosrau<br />

Parwez wurden die Perser im Jahr 627 in Mesopotamien, in der Schlacht bei Ninive von Ost-Rom<br />

geschlagen. Fast gleichzeitig fielen die Türken an der Ostgrenze des persischen Reichs ein, die<br />

Sassaniden wurden in einen fat<strong>al</strong>en Zweifrontenkrieg verwickelt. Chosrau Parwez wollte den Krieg<br />

mit Ost-Rom nicht abbrechen, der persische Adel sah in den Türken jedoch die größere Gefahr.<br />

Chosrau II. wurde Anfang 628 abgesetzt <strong>und</strong> kurz darauf ermordet. <strong>Die</strong> Perser gaben 629/30 die<br />

verlorenen Gebiete an Ost-Rom zurück. Das Sassanidenreich war von den langen Kriegen <strong>und</strong> den<br />

inneren Unruhen die vor <strong>und</strong> <strong>nach</strong> der Entmachtung des Chosrau II. das Reich erschütterten so<br />

geschwächt, dass seine wechselnden Nachfolger bis zu König Yazdegerd III. keine Gelegenheit<br />

hatten das Reich zu ordnen <strong>und</strong> zu festigen, <strong>und</strong> dem Ost-Römischen Reich ging es ähnlich.<br />

Beide Großmächte der Spätantike waren geschwächt, sie konnten dem plötzlichen<br />

Eroberungssturm der muslimischen Araber wenig entgegensetzen. 634 wehrten die Perser sie in<br />

einer bedeutenden Schlacht zwar noch einm<strong>al</strong> ab aber die Muslime eroberten in recht kurzer Zeit<br />

die römischen Ostprovinzen <strong>und</strong> 637, <strong>nach</strong> der Schlacht von Kadesia im heutigen Südirak, auch<br />

Mesopotamien. 642 konnten sie das letzte sassanidische Heer bei Nehawend vernichtend schlagen.<br />

Yazdegerd III. wurde 651 bei Merw im Nordosten des Iran getötet. Das letzte vorislamische<br />

Großreich war damit untergegangen <strong>und</strong> ein bedeutender Abschnitt der antiken Geschichte<br />

beendet. <strong>Die</strong> Perser wurden in der Folgezeit schrittweise islamisiert, sie behielten jedoch ihre<br />

Sprache <strong>und</strong> ihre Kultur bis heute. Es sollte bis zum Ende des 15. Jh. dauern bis sich ein neues<br />

glanzvolles Perserreich unter der Dynastie der Safawiden entstehen sollte.<br />

Ψ<br />

57<br />

Qasr-e Schirin ist eine Stadt in der iranischen Provinz Kermanschah nahe der Grenze zum Irak. <strong>Die</strong> Stadt liegt auf der<br />

rechten Seite vom Fluss Hulwan. Qasr-e Schirin war eine wichtige Karawanserei auf der Handelsroute, die Bagdad mit<br />

dem Iran verband. <strong>Die</strong> Stadt beherbergt viele Ruinen aus der Periode der Sassaniden. Dazu gehören auch P<strong>al</strong>astruinen.<br />

Der Name der Stadt bedeutet Schirins P<strong>al</strong>ast. https://de.wikipedia.org/wiki/Qasr-e_Schirin<br />

58 893-945 n. Chr, ein muslimischer Araber, berühmter Geograf, Chemiker, Dichter, Sprachgelehrter, Historiker <strong>und</strong><br />

Astronom vom Stamm der Banu Hamadan (Amran/Jemen)<br />

46


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Kharanaq, Provinz Yazd: <strong>Die</strong> Lehmstadt war 5.000 Jahre lang immer wieder bewohnt. Das<br />

älteste Haus wird auf 1.000 Jahre geschätzt. Heute ist der <strong>al</strong>te <strong>Teil</strong> des Orts verlassen, viele<br />

Gebäude sind h<strong>al</strong>b verf<strong>al</strong>len. <strong>Die</strong> letzten Einwohner verließen Kharanaq in den 60er Jahren des<br />

20. Jh. – direkt daneben entstand das neue Dorf. Wassermangel gibt es offenbar nicht – um<br />

das <strong>al</strong>te Kharanaq läuft ein Qanat, Er bewässert die weiten landwirtschaftlichen Flächen die<br />

ich rings um die <strong>al</strong>te Stadt sah.<br />

Eine Besichtigung ist nicht ganz ungefährlich: Lehm wird mit der Zeit brüchig wenn er nicht<br />

immer wieder mit Wasser gesprengt <strong>und</strong> ausgebessert wird. <strong>Die</strong> Lehmpfade durch das Dorf<br />

führen zum <strong>Teil</strong> über darunter liegende Räume bzw. Gewölbe Das wurde mir <strong>al</strong>lerdings erst<br />

bewusst, <strong>al</strong>s hinter mir ein großes, mit Holzplanken bedecktes Loch im Weg lag <strong>und</strong> vor mir ein<br />

etwas kleineres. Sollte ich weitergehen oder zurück? Das Risiko blieb dasselbe. Warnschilder<br />

waren nirgends zu sehen gewesen.<br />

Ψ<br />

47


Der persische Qanat<br />

Vor meiner ersten Reise 2017 bewegte mich vor <strong>al</strong>lem eine Frage: Der Iran war ein riesiges Land<br />

<strong>und</strong> zu einem großen <strong>Teil</strong> wüstenartiger Beschaffenheit – wie kam das Wasser bis in die<br />

entlegensten Ortschaften, wie hatte es vor Jahrh<strong>und</strong>erten, ja, vor Jahrtausenden, in <strong>Persien</strong> die<br />

Bevölkerung erreicht, die Wasserbecken von Moscheen oder historischen <strong>Gärten</strong> gefüllt bevor das<br />

moderne Zeit<strong>al</strong>ter auch im Iran einzog, Stauseen eingerichtet <strong>und</strong> Städte <strong>und</strong> Häuser mit modernen<br />

Wasserleitungen versehen wurden?<br />

Bis zur Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, <strong>al</strong>so bis vor wenigen Jahrzehnten, wurde das Land<br />

flächendeckend durch mehr <strong>al</strong>s 30.000 Qanate 59 versorgt. Wie schon im vorherigen Kapitel<br />

angesprochen ist ein Qanat ist ein unterirdischer Wasserlauf zur Versorgung mit Frischwasser für<br />

die Bevölkerung <strong>und</strong> für die Bewässerung von Feldern in Ländern, die gr<strong>und</strong>sätzlich wasserarm sind<br />

<strong>und</strong>/oder einen bedeutenden Anteil an Wüste haben. In geschlossenen Ortschaften verliefen sie<br />

überwiegend unter der Erde. Je <strong>nach</strong> Größe des Orts wurden sie mit einer oder mehreren Treppen<br />

<strong>nach</strong> unten zugänglich gemacht bis zu der Stelle an der die Bevölkerung sich mit Wasser versorgen<br />

konnte. Der Zugang zu einer unterirdischen Wasserstelle wird payab genannt. Außerh<strong>al</strong>b der Orte<br />

versorgten die Qanate die Landwirtschaft. Sie wurden in <strong>al</strong>len Ländern die mit der persischen oder -<br />

<strong>nach</strong> der Eroberung <strong>Persien</strong>s durch die muslimischen Araber im 7. Jh.- mit der arabischen Kultur in<br />

Berührung gekommen waren, <strong>nach</strong>gewiesen. Vom Iran aus verbreitete sich die Technik der<br />

unterirdischen Wasserläufe in der Antike vorwiegend über die Große Seidenstraße bis <strong>nach</strong><br />

Ägypten (ca. 525 v. Chr.). Also nicht nur am Persischen Golf, auch im heutigen Afghanistan, in<br />

Pakistan, Syrien, Ägypten, Libyen oder Nordafrika – selbst am Rand der chinesischen Taklamakan-<br />

Wüste <strong>und</strong> in Spanien, dem dam<strong>al</strong>igen <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us 60 , gab es <strong>und</strong> gibt es zum <strong>Teil</strong> immer noch<br />

funktionierende Qanate.<br />

Anfang des 8. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde auch das dam<strong>al</strong>ige Hispanien von muslimischen Arabern erobert,<br />

sie brachten das Wissen um die Technik der Qanate mit. Es gab flächendeckend Qanate in <strong>al</strong>len<br />

maurischen Gebieten. <strong>Die</strong> spanische Hauptstadt Madrid war dam<strong>al</strong>s ein Dorf <strong>und</strong> auch dort in der<br />

heutigen Millionenstadt, sind noch Überreste von Qanats gef<strong>und</strong>en worden. Heute funktionieren in<br />

Spanien nur noch ganz wenige wie auf den Kanarischen Inseln oder in der berühmten maurischen<br />

P<strong>al</strong>aststadt der Alhambra in Granada.<br />

Inzwischen gilt <strong>al</strong>s gesichert dass die Qanat-Technik vor über 2000 v. Chr. im Alten <strong>Persien</strong>, dem<br />

heutigen Iran, begann. Wahrscheinlich ist sie noch älter. Erstm<strong>al</strong>s werden sie in einem Bericht in<br />

akkadischer Keilschrift über einen Feldzug des assyrischen Königs Sargon II. 61 erwähnt. Als einer der<br />

frühesten Qanate im Iran kann der von Zavareh in der Provinz Ardestan betrachtet werden, er ist<br />

wahrscheinlich an die 5.000 Jahre <strong>al</strong>t. Der Qanat von Gonabad mit einem Mutterbrunnen in 350m<br />

Tiefe, mit einer Länge von etwas über 33km <strong>und</strong> einem Alter von r<strong>und</strong> 2500 Jahren gehört ebenf<strong>al</strong>ls<br />

zu den ältesten.<br />

59 Ein Qanat wird auch auf Persisch Kareez/Kariz genannt <strong>und</strong> wird im Deutschen oft <strong>al</strong>s Kanat geschrieben. Das Wort<br />

Qanat ist semitischen Ursprungs <strong>und</strong> ist das geläufigste im heutigen iranischen Sprachgebrauch. S. auch:<br />

https://de.wikipedia.org/wiki/Qanat<br />

60 <strong>Die</strong> Präsenz der Mauren (der Araber) in Spanien dauerte von der Eroberung der H<strong>al</strong>binsel Anfang des 8. Jh. bis zur<br />

vollkommenen Rückeroberung <strong>al</strong>l ihrer Territorien durch die spanischen Christen bis Ende des 15. Jh.<br />

61 Sargon II. war von 721 bis 705 v. Chr. König des neuassyrischen Reichs. <strong>Die</strong> assyrischen Fels- <strong>und</strong> Steininschriften<br />

waren in Keilschrift verfasst <strong>und</strong> wurden zum größten <strong>Teil</strong> entziffert, s. hierzu u. A. Das akkadische Syllabar, 4.<br />

durchgesehene <strong>und</strong> erweiterte Auflage von Wolfram von Soden <strong>und</strong> Wolfgang Röllig, Editice Pontificio Instituto Biblico,<br />

Rom, 1991<br />

48


Querschnitt durch einen Qanatbau: Mother well = Mutterbrunnen, Access Shaft = Wartungs<strong>und</strong><br />

Lüftungsschächte, Qanat Channel = (unterirdischer) Qanatverlauf, Outlet = der Qanat tritt<br />

an die Oberfläche, Distribution = Verteilung des Wassers an die Landwirtschaft. Irrigated Land =<br />

bewässertes Land. Watertable = Gr<strong>und</strong>wasserspiegel, Bedrock = Felsiger Untergr<strong>und</strong>, Alluvium<br />

= Alluvi<strong>al</strong>boden.<br />

Wichtig waren bei der Planung eines Qanats zunächst die Stelle zu finden wo das Gr<strong>und</strong>wasser<br />

angezapft werden konnte: einen Mutterbrunnen. Dafür eignete sich <strong>Persien</strong> besonders – Iran liegt<br />

auf einem Hochplateau <strong>und</strong> ist von sehr hohen Gebirgen umgeben die ide<strong>al</strong>e Wasserspeicher sind.<br />

Hatte man die Stelle gef<strong>und</strong>en musste das Gefälle auf die ganze Länge des Qanats berechnet<br />

werden. Das Wasser sollte über die ganze Länge fließen nicht zu schnell, aber es durfte auch nicht<br />

zum Stillstand kommen – stehendes Wasser wird modrig. Es g<strong>al</strong>t ja nicht nur die Landwirtschaft mit<br />

Wasser zu versorgen, auch die Menschen am Qanatverlauf waren von Frischwasser abhängig. Dazu<br />

g<strong>al</strong>t es das Wartungs- <strong>und</strong> Lüftungssystem von Anfang an im Auge zu beh<strong>al</strong>ten, d. h. wie viele<br />

vertik<strong>al</strong>e Schächte <strong>und</strong> in welchem Abstand voneinander mussten sie angelegt werden. Das war<br />

ebenso wichtig wie <strong>al</strong>les andere.<br />

An der Erdoberfläche ist ein Qanatverlauf leicht an den Stollenhügeln zu erkennen die sich über die<br />

Landschaft winden, wie riesige Maulwurfshügel. Bei jedem Qanat wurden für Lüftung <strong>und</strong> Wartung<br />

in regelmäßigen Abständen vertik<strong>al</strong>e, <strong>nach</strong> oben offene Schächte, genannt shafts, angelegt durch<br />

die nur ein einzelner Mann passt der mit einer Winde heruntergelassen <strong>und</strong> wieder hochgezogen<br />

wird. Da Aus- <strong>und</strong> Eintrittsöffnungen der Stollen nur im Bereich von Städten <strong>und</strong> Dörfern befestigt<br />

sind führt das Wasser immer wieder Geröll oder andere Verunreinigungen mit sich die ausgeräumt<br />

werden müssen. Auch da kommt die Winde zum Einsatz: ein Arbeiter befindet sich unten im<br />

Stollen, füllt Behälter die hochgezogen <strong>und</strong> wieder leer heruntergelassen werden. Dort wo es<br />

Qanate gab bzw. gibt wie im Iran, ist das ganze Land mit Qanatstollen buchstäblich „untergraben“.<br />

In <strong>al</strong>ten Zeiten erfolgte das Herunterlassen der Arbeiter in die Stollen <strong>und</strong> die Wartung mit einem<br />

Seil, mit der Hand mit Seilwinden aus Holz. Heute treiben kleine, leicht zu transportierende<br />

Motoren ähnliche Gestelle aus Met<strong>al</strong>l an. Ich hatte oft Glück im richtigen Moment am richtigen Ort<br />

zu sein <strong>und</strong> so gibt es auf den nächsten Seiten wenig Text <strong>und</strong> viele Bilder.<br />

49


Innenhof<br />

vom<br />

Wassermuseum in der Wüstenstadt Yazd<br />

Neun iranische Qanate gehören heute zum UNESCO Weltkulturerbe, es gibt <strong>al</strong>lerdings kaum noch<br />

Qanate die ihren ursprünglichen Zweck erfüllen. Ich hatte das Glück ein paar davon sehen zu<br />

können –einer lag in einer wüstenähnlichen Einöde, der erste, genannt Goharriz Qanat Joupar<br />

verlief in unmittelbarer Nähe vom Dorf Joupar 62 in der Provinz Kerman . Dort konnte ich w<strong>und</strong>erbar<br />

den Qanatverlauf auf dem Land sehen, wo <strong>und</strong> wie er im Dorf an- <strong>und</strong> später an die Oberfläche<br />

kommt <strong>und</strong> dann in ein einfaches, aber effektives Verteilungssystem für die Landwirtschaft geleitet<br />

wird.<br />

Aber zunächst einm<strong>al</strong> Bilder aus dem Wassermuseum der Wüstenstadt Yazd. Es wurde in einem<br />

ehem<strong>al</strong>igen großen Privathaus eingerichtet das einen eigenen payab hatte – einen eigenen Zugang<br />

zum Zarch-Qanat 63 in der Zeit <strong>al</strong>s Yazd nur auf den Qanat angewiesen waren. Das Museum ist<br />

sehenswert. Nicht nur der der Zugang ist erh<strong>al</strong>ten, dort ist auch <strong>al</strong>les ausgestellt was zum Bau, zur<br />

Wartung <strong>und</strong> zur Bemessung der fließenden Wassermenge -auch für die Landwirtschaft- früher<br />

gebraucht wurde. Es ist faszinierend zu sehen was Menschen ohne jegliche Technik in der Lage<br />

waren zu planen <strong>und</strong> zu bauen.<br />

62 Auch: Joopar<br />

63 Auch Zarach geschrieben, es wird in Yazd selbst meistens nur <strong>al</strong>s Zarch-Qanat ausgeschildert.<br />

50


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Oben links <strong>und</strong> rechts:<br />

Zugang zur Wasserstelle des Qanats im Wassermuseum von Yazd. Der Zarch-Qanat in<br />

Yazd ist berühmt – eine ganze Stadt <strong>und</strong> umliegende Felder, der Wüste abgerungen,<br />

wurden dank des Qanats mit Trinkwasser <strong>und</strong> einem umfassenden Bewässerungssystem<br />

versorgt.<br />

Links: die <strong>al</strong>te Wasserstelle; der Qanat füllte das Becken <strong>und</strong> lief weiter<br />

51


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

52


Der Gowhar-riz Qanat Joupar<br />

Mein Größenvergleich mit dem Hügel für einen der Qanatschächte.<br />

<strong>Die</strong> Aufschüttung der Hügel erleichtert die Orientierung für die Wartung<br />

Keine Frage, der kleine Ort Joupar wusste was er der Ernennung seines Qanats zum UNESCO-<br />

Weltkulturerbe schuldig war: fast schulbuchmäßig konnte ich die verschiedenen Stationen des<br />

Qanats verfolgen – von seinem Verlauf außerh<strong>al</strong>b des Dorfs, seine Ankunft dort wo die kleine<br />

Moschee ihn gebührend würdigt, bis zu der Stelle wo er, <strong>nach</strong>dem er den kleinen Ort noch unter<br />

der Erde in einem Stollen durchquert hat, <strong>al</strong>s ansehnlicher, baumgesäumter Bach zu Tage tritt <strong>und</strong><br />

in ein Verteilersystem zur Bewässerung der Landwirtschaft geleitet wird.<br />

Gerade <strong>al</strong>s ich am Bach an der Austrittstelle des Qanats ankam, sah ich eine Schulklasse mit ihrem<br />

Lehrer. Turnusmäßig kümmern sich offenbar Schüler des Orts um die Säuberung des Stollens unter<br />

dem Dorf, dort wo er zugänglich ist. Darin beseitigen sie Geröll, auch ab <strong>und</strong> zu Plastiküberreste<br />

oder Papier, oder sie entdecken ein seltenes F<strong>und</strong>stück wie das was die Schüler ihrem Lehrer<br />

brachten <strong>und</strong> ihn um Erklärung baten: es war eine handgefertigte Kette mit vielen kleinen<br />

angehängten, einzeln gef<strong>al</strong>teten <strong>und</strong> verschnürten Pergamentpäckchen mit Schriftzeichen darauf.<br />

Eine w<strong>und</strong>erschöne Handarbeit! Uns wurde erklärt, dass Mädchen <strong>und</strong> Frauen solche Ketten<br />

fertigen um etwas zu erbitten. In jedem Päckchen wird ein (oder ein <strong>und</strong> derselbe) Wunsch<br />

aufgeschrieben <strong>und</strong> Heilige oder Gott werden angerufen damit er ihr gewährt wird 64 Sie werfen die<br />

Kette in einen Qanatschacht <strong>und</strong> hoffen dass das Wasser ihn zu einem Ort bringt wo ihr Wunsch<br />

gehört würde. Lehrer <strong>und</strong> Schüler vertrauten die Kette dann dem Moscheewächter an, dort war sie<br />

gewiss gut aufgehoben.<br />

Ψ<br />

64 s. Bild auf S. 56<br />

53


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Der Verlauf des Qanats ist bis an den Gebirgsrand zu sehen. Oft konnten die<br />

unterirdischen Stollen nicht gradlinig angelegt werden, sie richteten sich <strong>nach</strong> der<br />

Bodenbeschaffenheit – je <strong>nach</strong>dem ob die Arbeiter auf Felsgestein stießen oder sich<br />

nur durch Erde graben mussten.<br />

Ψ<br />

54


Von hier sieht man die nächsten Stollenhügel, bei diesem Qanat liegen sie<br />

jeweils 20m voneinander entfernt<br />

Ψ<br />

55


Links: Tragbare Seilwinde mit der früher Arbeiter in die Schächte heruntergelassen wurden <strong>und</strong><br />

Schmutz aus dem Qanat hochgezogen wurde. An einem Qanatverlauf wurde sie von einem Schacht<br />

zum anderen transportiert. Rechts: Infotafel auf Persisch <strong>und</strong> Englisch mit technischen Einzelheiten<br />

über den Qanat. Unten: <strong>Die</strong> kleine Moschee von Joupar.<br />

56


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Oben: Unter der Moschee kommt der Qanat an <strong>und</strong> wird wirkungsvoll in einem<br />

ein Schacht mit Dekors-Fliesen präsentiert – Wasser ist heilig in diesem Land <strong>und</strong><br />

wo wäre der erste Blick auf das Wasser besser aufgehoben <strong>al</strong>s hier? Unten: in<br />

diesem Wassertunnel hatten die Schüler die fromme Kette bei ihrer<br />

Reinigungsaktion gef<strong>und</strong>en.<br />

57


Oben: Wer weiß wo am Qanat die Kette in einen Schacht geworfen <strong>und</strong> dem<br />

Wasser anvertraut wurde? Wenn ich richtig verstanden hatte sollte sie dem<br />

Moscheewächter zur Aufbewahrung übergeben werden.<br />

Unten: Wenn der Qanat am Dorfende ans Tageslicht kommt ist er ein<br />

ansehnlicher Bach mit krist<strong>al</strong>lklarem Wasser geworden.<br />

58


Oben <strong>und</strong> unten: weiter unten, schon fast außerh<strong>al</strong>b vom Dorf fließt der Bach in dieses<br />

Sammelbecken <strong>und</strong> dann in ein Irrigationsverteilungssystem für die Landwirtschaft.<br />

Text steht nicht zur Verfügung<br />

59


Ganz in der Nähe von Joupar, nur sechs Kilometer weiter, liegt das Städtchen Mahan<br />

<strong>und</strong> der entzückende persische Garten Schāhzādeh (Prinzengarten). Er liegt wie eine<br />

Oase inmitten der Wüste <strong>und</strong> wird ebenf<strong>al</strong>ls durch den Qanat genährt. Das<br />

Eingangsport<strong>al</strong> gehört zu einem p<strong>al</strong>astähnlichen Empfangsgebäude. Durch die<br />

Springbrunnen auf den Wassertreppen erahnt man ein weißes zweistöckiges<br />

Gebäude, das war die schlossartige Unterkunft der Fürsten aus Kerman wenn sie im<br />

Sommer hierher kamen. Wassertreppen <strong>und</strong> –fontänen bilden ein geschlossenes<br />

System, kein Wassertropfen wird vergeudet. Auch er gehört zum UNESCO<br />

Weltkulturerbe.<br />

Ψ<br />

60


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Das Eingangstor ist das Zentrum eines eindrucksvollen Pavillons für den offiziellen<br />

Empfang von Gästen. Der Garten wurde 1850 vom Kadscharenprinz Mohammad<br />

Hasan Khan Katschar Sardari Iravani angelegt <strong>und</strong> 1890 vom Statth<strong>al</strong>ter der Provinz<br />

Kerman endgültig fertiggestellt. <strong>Die</strong> Anlage diente <strong>al</strong>s Sommerresidenz der<br />

Fürstenfamilie, sie bewohnten den zierlichen, weißen P<strong>al</strong>aston oben im Garten. <strong>Die</strong><br />

Anlage ist rechteckig, ringsum von einer Mauer umgeben <strong>und</strong> hat eine Fläche von 5,5<br />

ha. Ich kam noch vor Sonnenuntergang im Schahzadeh-Garten an, das Himmelsblau<br />

begann zu verblassen <strong>und</strong> effektvolle Strahler fingen langsam an ein warmes Licht zu<br />

verbreiten. Der kleine P<strong>al</strong>ast schien bei Sonnenuntergang einem Märchen aus 1001<br />

Nacht entnommen.<br />

Ψ<br />

61


<strong>Die</strong> Wüstenstadt Yazd <strong>und</strong> ihr Qanat<br />

Das <strong>al</strong>te Yazd ist tatsächlich eine Stadt aus an der Sonne getrockneten Backsteinen, aus Lehm <strong>und</strong><br />

Stroh – enge verwinkelte Gassen, dunkle, schattige Durchgänge, schöne aber nicht pompöse<br />

Moscheen die fast von usbekischen Kunsthandwerkern hätten gefertigt worden sein können – so<br />

sehr ähneln sie sich in ihrem Baustil, in den Fassadendekorationen aus Mosaik <strong>und</strong> k<strong>al</strong>ligraphischer<br />

Ornamentik; auch die Glück bringende Swastika ist hier grün <strong>und</strong> in gleicher Weise an Fassaden der<br />

Gebetshäuser zu sehen ... Wer hat wen geprägt, bereichert ...? Das ist schwer zu sagen - im<br />

Hochmittel<strong>al</strong>ter herrschten Araber, Perser <strong>und</strong> die Timuriden 65 immer wieder über weite Gebiete<br />

der jeweils anderen.<br />

Yazd ist über 3.000 Jahre <strong>al</strong>t. Ursprünglich lag sie an einer Oase, ihre Quelle versiegte im Lauf der<br />

Zeit. <strong>Die</strong> gesamte Altstadt ist UNESCO Weltkulturerbe. Hier läuft das Leben im r<strong>al</strong>enti ab, morgens<br />

um 09.00 sind die Gassen noch menschenleer <strong>und</strong> von 13.00 bis ca.17.30 ist <strong>al</strong>les geschlossen ...<br />

Abends <strong>nach</strong> 20.00 streifen nur noch vereinzelte Touristen durch das <strong>al</strong>te Yazd. Viele wohnen auch<br />

hier weil es inzwischen an die sechs kleinere, richtig hübsche gemütliche Hotels gibt. Dafür wurden<br />

<strong>al</strong>te, traditionelle Häuser liebevoll hergerichtet. Einfach, aber geschmackvoll, mit herrlichen<br />

Innenhöfen mit Blumen, Brunnen oder Wasserbecken.<br />

In Yazd wurde mir bei meiner Reise 2017 sehr deutlich klar: es gibt mehrere Iran. <strong>Die</strong> Menschen<br />

hier sind ernsthaft, traditionsbewusst, tief religiös, konservativ aber fre<strong>und</strong>lich. Sie leben in einer<br />

Wertegesellschaft wie sie über<strong>al</strong>l auf der Welt noch bei Menschen die in der Einöde leben, existiert.<br />

Keine Spur mehr vom bunten Trubel in Isfahan – abends treffen sich am <strong>und</strong> im Amir Chakhmaq<br />

Komplex junge Leute an dieser Schnittstelle zwischen dem <strong>al</strong>ten <strong>und</strong> neuen Yazd. Dort ragt die sehr<br />

schöne Fassade eines religiösen Gebäudes hinter einem sehr großen Wasserbecken m<strong>al</strong>erisch in<br />

den Abendhimmel. Dahinter liegen kleine Lok<strong>al</strong>e, Garküchen, ein 2-stöckiges Einkaufszentrum <strong>und</strong><br />

eine <strong>al</strong>te Karawanserei. Über<strong>al</strong>l in der Altstadt gibt es etwas zu sehen, vorausgesetzt man mag <strong>al</strong>te,<br />

einfache Lehmstädte. Hier ist ein Bauwerk dem <strong>nach</strong>gesagt wird von Alexander des Großen gebaut<br />

worden zu sein, dort eine Wassermühle 25 m unter der Erde, heute außer Betrieb, immer wieder<br />

die lebensnotwendigen konisch zulaufenden Wasserspeicher <strong>und</strong> die vielen verschiedenen<br />

Windtürme – sie sind das Wahrzeichen der Stadt <strong>und</strong> zugleich die jahrtausende<strong>al</strong>ten Vorläufer<br />

unserer Klimaanlagen.<br />

<strong>Die</strong> Windtürme sind charakteristisch für das Stadtbild <strong>und</strong> brauchen keinen Strom. Einfache<br />

Versionen haben zwei vertik<strong>al</strong>e Schlitze für zwei Himmelsrichtungen, die Raffinesse geht bis zur<br />

DeLuxe-Ausführung mit jeweils acht, zwei für jede Himmelsrichtung. Sie fangen selbst die leichteste<br />

Brise ein <strong>und</strong> leiten sie <strong>nach</strong> unten ins Haus 66 . Auch sie sind eine persische Erfindung aus einer Ära<br />

weit vor unserer Zeitrechnung. Sie dienen der Lüftung <strong>und</strong> vor <strong>al</strong>lem der Kühlung der Häuser <strong>und</strong><br />

Wasserspeicher. Im Turm selbst sind, hinter den vertik<strong>al</strong>en Öffnungen senkrechte bewegliche, feine<br />

Met<strong>al</strong>llamellen angebracht. Sie können schwächste Luftbewegungen einfangen. Je mehr Öffnungen<br />

ein Windturm hat desto größer ist seine Wirkung. Dass sie hervorragend funktionieren kann ich nur<br />

bestätigen: bei meiner Reise 2017 wohnte ich auch in einem kleinen traditionellen Hotel, es war<br />

zwar warm aber trotz der Hitze tagsüber <strong>nach</strong>ts immer angenehm. Wegen der Mücken hätte man<br />

auch in der kühleren Nacht keine Fenster aufmachen können.<br />

Ψ<br />

65 =Turkvolk, s. Tamerlan/Amir Timur - Usbekistan<br />

66 https://en.m.wikipedia.org/wiki/Windcatcher<br />

62


In Yazd gibt es keine Brunnen <strong>und</strong> Niederschlag den man speichern könnte gibt es auch nicht. Wozu<br />

dann die Wasserspeicher, die ab-Anbars, die <strong>al</strong>te unterirdische Wassermühle <strong>und</strong>, wird das<br />

kostbare Nass nicht durch großzügige Wasserbecken in der Stadt <strong>und</strong> in Privathäusern vergeudet?<br />

<strong>Die</strong> Antwort ist, dass Yazd an einem der berühmtesten persischen Qanate liegt: dem Zarch-Qanat.<br />

Er hat eine Länge von zwischen 60-80km – hier sind die Quellen nicht ganz genau. Alle Orte <strong>und</strong> die<br />

gesamte Landwirtschaft der Provinz waren von dem „unterirdischen Aquäduct“ abhängig 67 .2018<br />

wohnte ich im Qanat Tradition<strong>al</strong> Hotel, im Innenhof hatte ich gleich einen hochgemauerten<br />

Qanatschacht entdeckt <strong>und</strong> darauf eine <strong>al</strong>te Seilwinde. Also gab es hier einen Qanat. Bei einem<br />

späteren Erk<strong>und</strong>ungsgang sah ich nirgends einen Zugang, <strong>al</strong>so gab ich erst einm<strong>al</strong> die <strong>Suche</strong> auf <strong>und</strong><br />

machte meinen R<strong>und</strong>gang durch den <strong>al</strong>ten <strong>Teil</strong> der Stadt bis zur Freitagsmoschee. Zwei Tage später<br />

zeigte mir der Hausmeister den <strong>al</strong>ten Qanat. Es lag gute 15m unter der Erde; auf dem Weg <strong>nach</strong><br />

unten sah ich dass man dabei war ihn zu restaurieren. Der Abstieg war nicht ganz einfach, teilweise<br />

waren Stufen noch nicht wiederhergestellt, Baumateri<strong>al</strong> stand im Weg, <strong>und</strong> viel Sand auf dem man<br />

nur schwer H<strong>al</strong>t fand lag auf dem oberen Treppenabschnitt des Zugangs. Einm<strong>al</strong> unten<br />

angekommen sah ich einen historischen Schatz: ich war überrascht wie groß dieser Zugang zur<br />

Wasserstelle gewesen <strong>und</strong> wie lang die Abzweigung des der Zufuhrstollens vom offiziellen Qanat<br />

war; er war breit aber niedrig. Und wieder, obwohl dort unten nur eine einfache weiße Glühbirne<br />

am Anfang der Treppe hing <strong>und</strong> die Taschenlampe des Hausmeisters nur ein schwach-weißes Licht<br />

abgab, fing die Kamera wieder ein besonderes, farbiges Leuchten ein wie im Dariun Kan<strong>al</strong> in<br />

Schuschtar.<br />

67 Mehr zu den persischen Qanate:https://www.unesco.de/kultur/2016/qanat-bewaesserungssystem<br />

<strong>und</strong> http://whc.unesco.org/en/list/1506/<br />

63


Garten Dowlat Abad in Yazd, auch ein UNESCO-Weltkulturerbe. Er wurde um 1750 angelegt<br />

<strong>und</strong> folgt den klassischen Regeln persischer <strong>Gärten</strong>: Viel Grün, Schatten spendende hohe<br />

Bäume ein großes Wasserbecken mit Wasserspielen vor dem zierlichen P<strong>al</strong>astpavillon, kaum<br />

Blumen.<br />

Nach Joupar <strong>und</strong> Mahan fuhr ich mit dem Bus in eine meiner Lieblingsstädte: die Wüstenstadt<br />

Yazd. Dort wollte ich unter anderem auch den berühmten Zarch-Qanat 68 von innen sehen. Es<br />

gibt viele stillgelegte payabs 69 aus der Zeit <strong>al</strong>s die Bevölkerung noch kein fließendes Wasser<br />

hatte <strong>und</strong> das kostbare Nass an unterirdischen Wasserstellen holen musste.<br />

68 Auf einigen deutschen oder englischen Informationsseiten findet man ihn <strong>al</strong>s Zarach-Qanat, in Yazd steht der Name<br />

auf Hinweisschildern oft ohne „a“.<br />

69 Zugänge zu den eingerichteten Wasserstellen<br />

64


Oben <strong>und</strong> unten: Eine Fre<strong>und</strong>in hatte mich in einer gerade eröffneten Unterkunft in der Altstadt von<br />

Yazd unter-gebracht: im Tradition<strong>al</strong> Qanat Hotel. Ich hatte gleich bei Ankunft den hochgemauerten<br />

Schacht eines Qanats mit einer <strong>al</strong>ten Seilwinde aus Holz entdeckt. Das sah vielversprechend aus.<br />

65


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Ehem<strong>al</strong>iger Zugang unter dem Qanat Hotel zur Wasserstelle. <strong>Die</strong> dam<strong>al</strong>igen Besitzer des großzügigen<br />

Privathauses richteten seinerzeit eine eigene Abzweigung vom öffentlichen Qanat ein. Das<br />

Hotel hat inzwischen mit Restaurierungs-arbeiten begonnen.<br />

Links oben: Wie man am oberen <strong>Teil</strong> der Treppe sieht mussten wir auf dem Zugang zur ehem<strong>al</strong>igen<br />

Wasserstelle große Vorsicht w<strong>al</strong>ten lassen, Stufen waren kaum mehr vorhanden.<br />

Rechts oben: in diesem <strong>Teil</strong> des Qanatstollens fragte ich mich wie die Arbeiter vor langer, langer Zeit<br />

den Zufuhrstollen wohl gegraben hatten. Das konnte nur knieend möglich gewesen sein.<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Links: Nach dem R<strong>und</strong>gang, in der<br />

Nähe zur Wasserstelle, konnten<br />

wir uns zwar nicht aufrecht, aber<br />

doch gebückt vorwärts bewegen.<br />

66


Der Zarch 70 Qanat<br />

Gleich am nächsten Tag meiner Ankunft eilte ich zur Freitagsmoschee von Yazd: im Innenhof ist ein<br />

öffentlicher Zugang zum Zarch-Qanat. Dort war ich mit einem befre<strong>und</strong>eten iranischen Ehepaar aus<br />

Yazd verabredet – zum Glück kann ich nur sagen. Der Moscheewächter gab mir nur zu verstehen<br />

dass der Zugang bis auf unbestimmte Zeit gesperrt sei. Was für eine Enttäuschung! Als meine<br />

Fre<strong>und</strong>e ankamen ging der Mann noch einm<strong>al</strong> zum Moscheewächter – b<strong>al</strong>d waren beide in ein<br />

reges Gespräche verstrickt, es wurde etwas gestikuliert, dann in eine Richtung gezeigt, mein Fre<strong>und</strong><br />

schien sich zu bedanken <strong>und</strong> kam mit freudigem Gesicht wieder zurück: Ihm, uns, war empfohlen<br />

worden doch zum nahegelegenen Büro Cultur<strong>al</strong> Heritage Base Historic<strong>al</strong> Yazd zu gehen, dort dem<br />

Chef unser Anliegen vorzutragen, vielleicht hätte er ein Einsehen. Und so war es: ich sollte erzählen<br />

wer ich war, dem fre<strong>und</strong>lichen Herrn genau erklären was ich im Sinn hatte <strong>und</strong> dass ich nur noch 2<br />

Tage mehr in der Stadt wäre. Er hörte aufmerksam zu, stand irgendwann auf, zog sein Jackett an,<br />

holte einen dicken Schlüsselb<strong>und</strong> aus einer Schublade <strong>und</strong> meinte nur „Let’s go“ … Ich konnte mein<br />

Glück kaum fassen … <strong>und</strong> meine Fre<strong>und</strong>e strahlten weil ich dank ihrer Hilfe doch <strong>al</strong>les Mögliche<br />

sehen würde. Dicke Schlösser mit denen die schweren Schutzgitter vor den Zugängen zu den<br />

Wasserstellen gesichert waren wurden von beiden Herren geöffnet. <strong>Die</strong> payabs waren mit der<br />

Einkehr vom fließenden Wasser in den Häusern überflüssig geworden, um Unfällen vorzubeugen<br />

waren sie stark gesichert. Am Ende des Tages war ich zwar nicht im kleinen <strong>Teil</strong> des Zarch-Qanats<br />

im Moscheehof gewesen den jeder Besucher zu sehen bekommt, ich hatte aber <strong>al</strong>le möglichen<br />

Zugänge <strong>und</strong> einen der eindrucksvollsten Abschnitte des Qanats gesehen, der sonst nicht einfach zu<br />

sehen ist. Ich konnte über<strong>al</strong>l <strong>nach</strong> Belieben hinuntersteigen, mich umschauen <strong>und</strong> fotografieren.<br />

Der Herr vom Cultur<strong>al</strong> Heritage Büro ließ mich <strong>al</strong>lerdings nicht aus den Augen, manche Zugänge<br />

waren etwas baufällig, in anderen waren offenbar Bauarbeiten im Gange, Werkzeug lag herum <strong>und</strong><br />

die Beleuchtung war zuweilen schwach. Ich kann heute nicht mehr sagen wie viele Treppen <strong>und</strong><br />

Stufen ich an diesem Tag hinunter- <strong>und</strong> wieder hinaufgestiegen bin – ich erinnere mich vor <strong>al</strong>lem an<br />

den Muskelkater am Tag da<strong>nach</strong>.<br />

Auf dem Weg von einem Zugang zum anderen erfuhr ich, dass Yazd eine „Route des Qanats plant –<br />

ein phantastischer Gedanke, denn die Altstadt von Yazd ist nicht nur berühmt für ihre Bauweise aus<br />

Lehm, Stroh oder Lehmbacksteinen. Beides – Altstadt <strong>und</strong> Zarch Qanat wurden zum UNESCO<br />

Weltkulturerbe erklärt. Es gibt viele Touristen die hierher kommen, sei es der Stadt wegen oder<br />

weil sie Ausgangspunkt für Wüstentourismus ist.<br />

In der UNESCO-Bekanntgabe zum Weltkulturerbe Yazd heißt es:<br />

„<strong>Die</strong> Stadt Yazd liegt mitten auf dem iranischen Hochplateau, 270 km südöstlich von Isfahan, in der<br />

Nähe der Handelswege Gewürz- <strong>und</strong> Seidenstraße. Sie ist ein lebendiges Beispiel dafür wie<br />

begrenzte Ressourcen das Überleben in einer Wüste möglich machen. <strong>Die</strong> Stadt wird durch ein<br />

Qanatsystem mit Wasser versorgt das von Gr<strong>und</strong>wasser genährt wird. <strong>Die</strong> Lehmstrukturen von Yazd<br />

konnten den Modernisierungen widerstehen die leider viele traditionelle Lehmstädte zerstört hat.<br />

<strong>Die</strong> Stadt hat ihre traditionellen Viertel, das Qanatsystem, traditionellen Häuser, den Bazar, die<br />

Hamams, Moscheen, Synagogen, den zoroastrischen Tempel <strong>und</strong> den historischen Garten Dowlat<br />

Abad 71 bewahrt“.<br />

Ψ<br />

70 Auf einigen deutschen oder englischen Informationsseiten findet man ihn <strong>al</strong>s Zarach Qanat, in Yazd steht er auf den<br />

Hinweisschildern meistens ohne das 2. „a“.<br />

71 Auch: Dolat Abbad<br />

67


Oben: <strong>Die</strong>ser Zugang zum Qanat hat<br />

einen richtig eindrucksvollen Eingang.<br />

Unten links: Anfangs war die Treppe<br />

<strong>nach</strong> unten noch beleuchtet.<br />

Unten rechts:<br />

An der Wasserstelle angekommen<br />

herrschte fast vollkommene Dunkelheit.<br />

Ein schwacher Scheinwerfer<br />

beleuchtete den Qanatverlauf.<br />

Zuweilen war auch der Aufenth<strong>al</strong>t im<br />

Untergr<strong>und</strong> etwas abenteuerlich.<br />

Bei unserer Tour durch die Unterwelt<br />

von Yazd musste ich oft entscheiden<br />

ob ich Aufnahmen mit oder ohne Blitz<br />

machen sollte – ich zog letzteres vor;<br />

die Bilder geben genau die<br />

Verhältnisse unter der Erde wieder, so<br />

wie sie waren.<br />

Bilder stehen nicht zur Verfügung<br />

68


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Oben: In einer Gasse trafen wir auf Arbeiter die gerade dabei waren einen <strong>Teil</strong>abschnitt des Qanats<br />

durch einen Wartungsschacht zu reinigen.<br />

Unten: Der einzige Unterschied zu „<strong>al</strong>ten Zeiten“ <strong>al</strong>s die Stollen noch mit einer handbetriebenen<br />

Holzwinde von Geröll <strong>und</strong> anderen Verschmutzungen gereinigt wurden bestand darin, dass jetzt ein<br />

kleiner Motor dabei h<strong>al</strong>f den Schuttbehälter aus Blech leer herunter zu lassen <strong>und</strong> ihn voll wieder<br />

hinaufzuziehen.<br />

69


Oben: Der volle Eimer war wieder oben, eine Schubkarre stand schon bereit. Unten: Alle<br />

Stollen, Abzweigungen <strong>und</strong> Zugänge gehören zum Zarch-Qanat – einige in besserem,<br />

andere in weniger guten Zustand. Alle sind strategisch über die gesamte Altstadt verteilt.<br />

Ich dachte bei jeder Treppe <strong>nach</strong> unten daran dass die Einwohner, lange vor der<br />

modernen Zeit mit Wasseranschluss in jeder Wohnung, zunächst mit Tonkrügen,<br />

vielleicht sogar zwei oder drei M<strong>al</strong> am Tag, die Treppen zu ihrer Wasserstelle bewältigt<br />

hatten. Was für eine Leistung!<br />

Unten: Hinweise auf den Zarch-Qanatverlauf sind in der Altstadt von Yazd an vielen<br />

Hausmauern befestigt die aus dem üblichen Gemisch aus Lehm <strong>und</strong> Stroh gebaut sind.<br />

70


Kohan Tradition<strong>al</strong> Hotel, Yazd, Frühjahr 2017: Das Freizeitleben der Iraner findet<br />

vorzugsweise in öffentlichen Parkanlagen, <strong>Gärten</strong> oder in Innenhöfen statt. In<br />

öffentlichen <strong>Gärten</strong> <strong>und</strong> Parks der Städte wird vorwiegend <strong>nach</strong>mittags gern <strong>al</strong>les<br />

Grün in Beschlag genommen: Große oder kleine Familien oder Fre<strong>und</strong>esgruppen<br />

breiten Decken aus, sie bringen Essen <strong>und</strong> Getränke mit <strong>und</strong> können St<strong>und</strong>en, oft bis<br />

über den Einbruch der Dämmerung hinaus dort bleiben. In Yazd gibt es<br />

verständlicherweise kaum <strong>Gärten</strong>, aber in der Altstadt laden zauberhafte, gemütliche<br />

Innenhöfe zum Verweilen ein. Bei großen Innenhöfen in Hotels wird darüber ein<br />

gewölbtes Gerüst mit einer starken Plastikfolie bespannt um vor Hitze <strong>und</strong><br />

Sandstürmen zu schützen <strong>und</strong> zugleich auch vor k<strong>al</strong>ten Wüstennächten.<br />

71


Oben links <strong>und</strong> rechts:<br />

Eingang <strong>und</strong> Treppen zum Zarch Qanat<br />

Unten: Der eindrucksvollste Streckenabschnitt ist wohl die Zarch G<strong>al</strong>lery – das sieht man schon am<br />

Eingang. Je weiter man <strong>nach</strong> unten kommt, desto spektakulärer wird die Beleuchtung obwohl nur<br />

einfache Glühlampen an der Decke hängen.<br />

<strong>Die</strong> Fotos vom Qanatverlauf unter der Erde wurden mir fre<strong>und</strong>licherweise vom Büro Cultur<strong>al</strong><br />

Heritage Base überlassen, das Licht war ausgef<strong>al</strong>len. Sie zeigen wie gew<strong>al</strong>tig dieser Qanat ist, dieser<br />

Stollen wäre die Freude eines jeden Höhlenforschers.<br />

.<br />

Bilder rechts oben <strong>und</strong> unten:<br />

© Cultur<strong>al</strong> Heritage Base Historic City of Yazd<br />

72


Bilder stehen nicht zur Verfügung<br />

Ich kann im Nachhinein nur sagen dass es im Gr<strong>und</strong>e ein Segen war dass das Licht unten nicht<br />

funktionierte <strong>und</strong> dass ich diese Bilder bekam, ich selbst hätte nicht hier herumklettern <strong>und</strong> solche<br />

Aufnahmen machen können.<br />

Alle Bilder auf dieser Seite:<br />

© Cultur<strong>al</strong> Heritage Base Historic City of Yazd<br />

Inzwischen haben die Stadt <strong>und</strong> die Provinz Yazd den Qanattourismus entdeckt: <strong>Teil</strong>e der Qanate<br />

sind jetzt für „Wassertouristen“ zugänglich. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis durch die ur<strong>al</strong>ten<br />

engen Gänge im Wasser zu waten. Nicht nur Erwachsene, auch Kinder gehen begeistert auf<br />

unterirdische Entdeckungsreisen.<br />

Ψ<br />

73


Am nächsten Tag wurde ich von einem Fahrer abgeholt – heute ging die Fahrt ins wüstenartige<br />

Umland von Yazd; vielleicht passt das Wort Steppe eher <strong>al</strong>s das was wir uns unter Wüste vorstellen.<br />

Iran hat zwei „richtige“ Wüsten, eine davon, die spektakulärste, ist die Wüste Lut. Aber hier war es<br />

noch eine flache Einöde soweit das Auge reichte bis zu den gew<strong>al</strong>tigen Gebirgsformationen am<br />

Horizont, die fast das ganze iranische Hochplateau umgeben. Einöde ja, aber so beeindruckend,<br />

dass ich fast schon wieder von Schönheit reden würde. Was für ein Gegensatz!<br />

Ich war einem Qanat auf der Spur der heute noch seine ursprüngliche Bestimmung erfüllt: eine<br />

Wasserstelle zu der die Menschen kommen um frisches Wasser zu holen. Mein Fahrer war ein<br />

reizender Mensch, aber eine Verständigung mit ihm war fast unmöglich: außer einfachen,<br />

<strong>al</strong>ltäglichen Floskeln verstand er kein Englisch. Aber ich vertraute darauf dass ich dem Vermittler<br />

der den Fahrer anheuerte genau beschrieben hatte wo<strong>nach</strong> ich suchte <strong>und</strong> er das auch genau<br />

weitergegeben hätte. Nach einiger Zeit bogen wir von der Straße ab, nahmen eine Schotterpiste<br />

von der aus wir irgendwann ebenf<strong>al</strong>ls herunterfuhren um ohne Weg weiterzufahren. Ab <strong>und</strong> zu rief<br />

mein Fahrer jemanden an, dann gab ein lebhaftes Hin <strong>und</strong> Her <strong>und</strong> weiter ging es. Hin <strong>und</strong> wieder,<br />

<strong>nach</strong> einem Telefonat, machten wir kehrt aber <strong>nach</strong> einigen Umwegen kamen wir tatsächlich dort<br />

an, wo er hinwollte <strong>und</strong> ich natürlich auch.<br />

Wir waren <strong>al</strong>lein auf weiter Flur, keine Menschenseele war zu sehen, nur ein paar kleine,<br />

kümmerlich wirkende Bäumchen waren zu sehen. Der Fahrer nickte zufrieden, fuhr einen kleinen<br />

Bogen <strong>und</strong> wir hielten direkt oberh<strong>al</strong>b vor einem Qanat. Als hätte er sie bestellt, ging gerade eine<br />

dunkel gekleidete Frau die Stufen hinunter, ich war begeistert – versteht sich. Zufrieden strahlte<br />

mein Fahrer über das ganze Gesicht <strong>al</strong>s er sah wie ich mich freute.<br />

Ψ<br />

74


Oben: Zugang zum Qanat<br />

<strong>Die</strong> Treppe hatte nur wenige <strong>und</strong> breite<br />

Stufen – <strong>nach</strong> dem was ich in Yazd hinter<br />

mich gebracht hatte, ein Kinderspiel.<br />

Unten war es angenehm kühl, das<br />

Wasser war frisch, klar <strong>und</strong> so weich wie<br />

ich es schon lange nicht mehr gefühlt<br />

hatte.<br />

Links: Mein Fahrer füllte sein Wasser<br />

auf; plötzlich hörten wir Motorengeräusch,<br />

Stimmen <strong>und</strong> dann kam einer<br />

<strong>nach</strong> dem anderen mit großen<br />

Plastikbehältern um Wasser zu holen.<br />

Vor dem Qanatzugang standen zeitweise<br />

vier Autos, manche kamen mit Familie,<br />

andere <strong>al</strong>lein, <strong>und</strong> jeder hatte<br />

mindestens zwei große Plastikkanister<br />

zum Auffüllen mitgebracht.<br />

75


Bilder stehen nicht zur Verfügung<br />

76


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Nach vier Tagen in Yazd <strong>und</strong> Umgebung nahm ich Abschied von der Wüstenstadt – es fiel mir<br />

schwer – Ich hatte in den zwei Jahren in denen ich jeweils mehrere Tage hier verbracht <strong>und</strong><br />

richtige Fre<strong>und</strong>e gef<strong>und</strong>en. <strong>Die</strong> Bougainvillea waren abgeblüht, m<strong>al</strong>erisch blieben die<br />

Blütenblätter noch auf dem Wasserbecken vom Kohan Tradition<strong>al</strong> Hotel liegen. Inzwischen<br />

war es Mitte April <strong>und</strong> es wurde langsam heiß. Im Sommer kommt der Tourismus in Yazd fast<br />

zum Erliegen, wer von den Einwohnern kann verbringt die heißen Monate bei Verwandten an<br />

einem etwas kühleren Ort.<br />

Mein nächstes Ziel war die Stadt Kaschan; ich fuhr mit dem Zug dorthin, Kaschan war die<br />

letzte Station auf meiner Reise.<br />

Ψ<br />

77


Der Garten Bagh-e Fin in Kaschan <strong>und</strong> auf der Spur eines Qanats mit<br />

Namen S<strong>al</strong>omo’s Quelle 72<br />

<strong>Die</strong> Stadt Kaschan gehört zur Provinz Isfahan, liegt etwas über 900m hoch auf dem Zentr<strong>al</strong>en<br />

Hochland des Iran, am Nordrand des Kuhrud-Gebirges <strong>und</strong> am Rand der zentr<strong>al</strong>iranischen Wüste ca.<br />

200 km südlich von Teheran. Der Ort wurde einst inmitten der ersten großen Oase an der<br />

bedeutenden Handelsstraße von Qom <strong>nach</strong> Kerman gegründet. Im 18. <strong>und</strong> 19. Jh. erlebte Kaschan<br />

eine außerordentliche Blütezeit. Das zentr<strong>al</strong>e persische Hochland gehört zu den Wiegen<br />

<strong>al</strong>torient<strong>al</strong>ischer Hochkulturen. Bei Ausgrabungen in Tape Si<strong>al</strong>k 73 <strong>und</strong> im Weichbild 74 von der<br />

Umgebung von Kaschan fanden sich Häuser aus dem 6. Jahrtausend v. Chr., einige der ältesten<br />

Zeugnisse von Met<strong>al</strong>lgewinnung aus dem 4. Jahrtausend, proto-elamitische Schrifttafeln, Rollsiegel,<br />

Keramiken aus dem 3. Jahrtausend <strong>und</strong> eine der vier bis heute bekannten elamitischen Zikkurate 75<br />

im Iran.<br />

<strong>Die</strong> vorletzte große Dynastie in <strong>Persien</strong> war die der Kadscharen, sie waren Alleinherrscher von 1779<br />

bis 1925. <strong>Die</strong> turkmenischstämmige Familie, die auf den Mongolen-Herrscher Hülegü zurückgeht,<br />

kam <strong>nach</strong> der Ermordung des letzten Zand-Herrschers Lotf Ali Khan im Jahr 1794 an die Macht. Sie<br />

wurde 1925 von der Dynastie Pahlavi abgelöst, der Familie des letzten Schahs von <strong>Persien</strong>.<br />

Kaschan war im Mittel<strong>al</strong>ter berühmt für eine bedeutende Keramikindustrie. Heute ist der Ort Sitz<br />

einer ebenso wichtigen Textilindustrie; die meisten mechanischen Teppichwebstühle des Landes<br />

stehen in Kaschan. <strong>Die</strong> Kaschanteppiche (eine klassische Art der Perserteppiche) die im 16.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert unter den Safawiden weithin berühmt waren <strong>und</strong> vermutlich auf die Seldschuken<br />

zurückgehen, wurden <strong>nach</strong> der Stadt benannt. 1778 wurde die Stadt durch ein Erdbeben völlig<br />

zerstört – es kostete 8000 Menschen das Leben. Kaschan wurde wieder aufgebaut – die<br />

historischen, reich ausgestatteten Patrizierhäuser des 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts aus der Zeit der<br />

Kadscharendynastie zeugen vom großen Wohlstand der Stadt in jener Zeit – sie sind eine<br />

Touristenattraktion 76 .<br />

Das Glanzstück Kaschans ist der Bagh-e Fin Garten, zum einen wegen seiner Weitläufigkeit <strong>und</strong> den<br />

perfekten Proportionen eines historischen Gartens, zum anderen wegen des Wasserreichtums <strong>und</strong><br />

den w<strong>und</strong>erschönen Garten- bzw. P<strong>al</strong>astpavillons. Es ist der „Persische Garten“ par excellence mit<br />

einer klaren Aufteilung, Wasserläufe die Grünflächen teilen, zahlreiche große Bäume darunter auch<br />

Zypressen, mehrere Wasserbecken <strong>und</strong> zierliche, geschmackvoll dekorierte <strong>und</strong> einfühlsam<br />

restaurierte hochherrschaftliche Pavillons. Blumenbeete sind nur hier <strong>und</strong> da vorhanden.<br />

Der Ursprung des Gartens soll auf die Zeit vor den Safawiden zurückgehen, das wurde jedoch bis<br />

heute nicht bewiesen. Aber es gibt eine überlieferte Beschreibung des Bagh-e Fīn aus dem Jahr<br />

1504 <strong>al</strong>s der safawidische Herrscher Ismail hier empfangen wurde. So wie wir den Garten heute<br />

sehen wurde er unter dem Safawidenherrscher Abbas I. (1571–1629) erbaut <strong>und</strong> angelegt. Das ist<br />

durch eine Beschreibung aus seiner Zeit belegt.<br />

Ψ<br />

72 Soleymaniyeh’s (S<strong>al</strong>omo’s) Spring.<br />

73 Auch Teppe Si<strong>al</strong>k/Tappe Si<strong>al</strong>k: eine ca. 8.000 Jahre <strong>al</strong>te Ausgrabungsstätte<br />

74 Unter Weichbild versteht man den Anblick <strong>und</strong> das Erscheinungsbild eines urbanen Raumes, einer Stadt oder eines<br />

Ortes. Es kann aber auch auf die gesamte Ausdehnung eines bewohnten Gebietes angewandt werden <strong>und</strong> damit seine<br />

Begrenzung oder sein Einflussgebiet bedeuten. S. https://de.wikipedia.org/wiki/Weichbild<br />

75 Stufentempel, s. Tschogha Zanbil am Anfang dieses Reiseberichts<br />

76 Bilder von diesen Häusern sind jeweils unter „G<strong>al</strong>lery“ von https://en.wikipedia.org/wiki/Borujerdis_House oder<br />

https://en.wikipedia.org/wiki/Tabātabāei_House zu finden, es lohnt sich sie anzuschauen<br />

78


Bagh-e Fīn (Fin Garten). Ab der Mitte des 19. Jh. lag der Fin-Garten lange brach, wurde bis<br />

1935 mehrm<strong>al</strong>s zerstört, kam aber im gleichen Jahr unter Denkm<strong>al</strong>schutz. Da<strong>nach</strong> wurde er<br />

wieder hergestellt <strong>und</strong> 2011 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. <strong>Die</strong><br />

Anlage ist 2,3 Hektar groß <strong>und</strong> wird von einer Mauer mit vier Wehrtürmen geschützt. Der<br />

Wasserreichtum ist erstaunlich – er ist in einem Qanat begründet das im Volksm<strong>und</strong><br />

Soleymaniyeh‘s-Spring (S<strong>al</strong>omo’s Quelle) genannt wird – einer der ergiebigsten Qanate im<br />

Iran. Schon weit vor unserer Zeit versorgte er die Siedlungen <strong>al</strong>ler Völker in diesem <strong>Teil</strong> des<br />

iranischen Hochplateaus mit Wasser. Bis heute spendet er Wasser für den Garten <strong>und</strong> große<br />

landwirtschaftliche Flächen, vor <strong>al</strong>lem Obstplantagen, im Umland von Kaschan.<br />

Ψ<br />

79


Mehrere wasserführende Elemente des Gartens werden hauptsächlich aus der Soleimaniyeh-Quelle<br />

besser gesagt, aus dem erwähnten Qanatsystem gespeist. Der Wasserdruck ist offenbar so hoch<br />

dass eine Reihe von Wasserbecken <strong>und</strong> Springbrunnen ohne mechanische Pumpen betrieben<br />

werden können.<br />

Soleimaniyeh heißt übersetzt S<strong>al</strong>omo <strong>nach</strong> dem legendenumwobenen, biblischen König. Es könnte<br />

sein dass der Name des Qanats wegen seines Wasserreichtums von jüdischen Einwohnern so<br />

genannt wurde. Im 17. Jh., zu Zeiten von Schah Abbas II., soll es in Kaschan eine Gemeinde von r<strong>und</strong><br />

1.000 Juden gegeben haben. König S<strong>al</strong>omo wird in Legenden <strong>und</strong> biblischen Überlieferungen oft mit<br />

Wasserreichtum in Verbindung gebracht – immer wieder ist die Rede vom „Meer“ König S<strong>al</strong>omos<br />

im Zusammenhang mit Bauwerken oder Brunnen. So ist uns das Eherne Meer aus dem Alten<br />

Testament der Bibel geläufig, dem<strong>nach</strong> war es ein großes Wasserbecken aus Bronze <strong>al</strong>s <strong>Teil</strong> des<br />

S<strong>al</strong>omonischen Tempels.<br />

1. Buch der Könige: „… (23) Und er machte das Meer, gegossen, von einem Rand zum andern,<br />

zehn Ellen weit, ganz r<strong>und</strong> <strong>und</strong> fünf Ellen hoch, <strong>und</strong> eine Schnur von dreißig Ellen war das Maß<br />

ringsherum. (24) Und um das Meer gingen Ranken an seinem Rand ringsherum, je zehn auf<br />

eine Elle; es hatte zwei Reihen Ranken, die beim Guss mitgegossen waren. (25) Und es stand<br />

auf zwölf Rindern, von denen drei <strong>nach</strong> Norden gewandt waren, drei <strong>nach</strong> Westen, drei <strong>nach</strong><br />

Süden <strong>und</strong> drei <strong>nach</strong> Osten, <strong>und</strong> das Meer stand obendrauf, <strong>und</strong> ihre Hinterteile waren <strong>al</strong>le<br />

<strong>nach</strong> innen gekehrt. (26) <strong>Die</strong> Wanddicke des Meeres aber war eine Hand breit, <strong>und</strong> sein Rand<br />

war wie der Rand eines Bechers, wie eine aufgegangene Lilie, <strong>und</strong> es gingen zweitausend<br />

Eimer hinein.“ (1. Buch der Könige 7,23-26, Lutherbibel 2017)<br />

Es gab vergleichbare Wasserbecken in mesopotamischen Tempelanlagen denen man den Namen<br />

„Süßwasserozean“ gegeben hatte. Neuassyrische Reliefs zeigen auch Met<strong>al</strong>lbecken die vor Tempeln<br />

stehen teilweise auch auf Rinderfiguren. Aber nicht nur in frommen Schriften kommt das „Meer“<br />

des S<strong>al</strong>omo vor, auch in eher amüsanten, in der arabischen Literatur erwähnten Legenden in denen<br />

erzählt wird wie König S<strong>al</strong>omo bei seinen Bauvorhaben tatkräftig von Djinns 77 unterstützt wurde<br />

<strong>und</strong> er eine „Burg aus Glas“ baute. In der muslimischen wie in der biblischen Überlieferung besucht<br />

die Königin von Saba S<strong>al</strong>omo an seinem Hof. Hier fließen typisch arabische Elemente in die<br />

Erzählung ein die der Koran in der Sure 27 “<strong>Die</strong> Ameisen” wiedergibt: Ein Wiedehopf berichtet<br />

S<strong>al</strong>omo von einem Volk von Ungläubigen das von einer Frau regiert wird – das Volk von Saba.<br />

S<strong>al</strong>omo entsendet seine Boten dorthin <strong>und</strong> bittet darum dass die Sabäer den Glauben Allahs<br />

annehmen. <strong>Die</strong> Sabäer weigern sich jedoch, daraufhin befiehlt S<strong>al</strong>omo einem Ifrit 78 den prunkvollen<br />

Thron von Bilqis, der Königin von Saba, zu rauben. <strong>Die</strong>se erscheint am Hof des S<strong>al</strong>omo wo ihr der<br />

gestohlene Thron gezeigt wird <strong>und</strong> man führt sie in ein Gebäude, dessen Boden aus Glas ist:<br />

„Gesprochen ward zu ihr [S<strong>al</strong>omo sagte zu ihr]: “Tritt ein in die Burg” <strong>und</strong> da sie sie sah, hielt sie sie<br />

für einen tiefen See <strong>und</strong> entblößte ihre Schenkel; er sprach: “Siehe, es ist eine Burg, getäfelt mit<br />

Glas.” (Koran, 27, Vers 44). <strong>Die</strong> Legende wird vom ägyptischen Gelehrten <strong>al</strong>-Nuwairi 79 in seinem<br />

Werk Nihayat <strong>al</strong>-Arab 80 wiedergegeben <strong>und</strong> weiter ausgeführt:<br />

77 Gute oder dämonische Geister<br />

78 Ebenf<strong>al</strong>ls ein Geistwesen<br />

79 (*1279 in Kairo; †1333) Er war ein ägyptischer Literat, Historiker <strong>und</strong> Enzyklopädist in der Mamelucken-Zeit in<br />

Ägypten. Er ist u. a. Verfasser der Enzyklopädie Nihāyat <strong>al</strong>-arab fī funūn <strong>al</strong>-adab<br />

80 XIV, S. 121-122. Übersetzung aus: Rosen der Wüste – <strong>Die</strong> Architektur in der arabischen Literatur von María Jesus<br />

Rubiera, ins Deutsche Übersetzt von Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong>, Verlag RoseNoire 2001, S. 53, 54<br />

80


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Wasserbecken in einem Prunk-Pavillon des Bagh-e Fin Gartens<br />

Gemäß der Legende ging Folgendes dem Koranzitat voraus: „… Als man die Ankunft von<br />

Bilqis, der Königin von Saba, am Hof des S<strong>al</strong>omo erwartete, näherte sich S<strong>al</strong>omo ein Ifrit<br />

unter den Geistern <strong>und</strong> sagte: “O Prophet Allahs! <strong>Die</strong> Beine von Bilqis haben Eselshufe” <strong>und</strong><br />

S<strong>al</strong>omo erwiderte: “Wenn das, was du sagst, nicht der Wahrheit entspricht, werde ich dich<br />

bestrafen.” Listig antwortete der Ifrit: “Ich würde gern einen P<strong>al</strong>ast aus Glas bauen in den ich<br />

Wasser einlassen <strong>und</strong> sogar Fische einsetzen werde sodass, wer ihn sieht glauben muss, dass<br />

es fließendes Wasser ist.”<br />

So baute er ihn <strong>und</strong> <strong>al</strong>s er fertig war bedankte sich S<strong>al</strong>omo <strong>und</strong> der Ifrit sprach: “O Prophet<br />

Allahs! Vergib mir, denn ich habe dir über die Beine von Bilqis Lügen erzählt.” Und S<strong>al</strong>omo<br />

vergab ihm. Bilqis kam <strong>und</strong> sah dass Menschen, Geister, Vögel, andere Tiere <strong>und</strong> Lebewesen<br />

in Frieden zusammenlebten. Da<strong>nach</strong> begab sie sich zu dem getäfelten P<strong>al</strong>ast, wo sich ihr<br />

Thron befand <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erte sich. Man fragte sie: “Ist das dein Thron?” <strong>und</strong> sie antwortete:<br />

“Er sieht so aus” aber sie wusste dass es ihrer war <strong>und</strong> dass darin die Macht der Propheten<br />

lag.<br />

Als sie in den Glasp<strong>al</strong>ast eintrat meinte sie dort wäre tiefes Wasser <strong>und</strong> schürzte ihren Rock<br />

aber S<strong>al</strong>omo sagte: “Es ist eine Burg, getäfelt mit Glas.” Voller Scham vor S<strong>al</strong>omo bedeckte<br />

sie ihre Beine <strong>und</strong> sagte: “Meine Seele war von Dunkelheit umfangen <strong>und</strong> zusammen mit<br />

S<strong>al</strong>omo ergebe ich mich dem Herrn der Menschen in den beiden Welten.” Nach ihr nahm<br />

auch ihr Volk den Glauben an““. <strong>Die</strong> Geschichte endet mit einer amüsante Note: Wenn Bilqis<br />

auch keine Eselshufe hatte seien doch ihre Beine so stark behaart gewesen dass für sie die<br />

Enthaarung erf<strong>und</strong>en wurde. <strong>Die</strong> Legende geht weiter:<br />

81


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Prunk-Pavillon im Fin Garten Bagh-e Fin mit dem Wasserbecken von innen gesehen<br />

„<strong>Die</strong> meisten sagen dass S<strong>al</strong>omo sie heiraten wollte <strong>al</strong>s sie bekehrt wurde aber die hässliche<br />

Behaarung die er an ihren Beinen gesehen hatte machte ihm Sorgen <strong>und</strong> er soll ausgerufen haben:<br />

„Wie abscheulich!” Er befragte seine menschlichen Untertanen: “Wie verschwindet so etwas?” <strong>Die</strong><br />

Männer antworteten: „Mit einem Rasiermesser” aber die Frauen gaben zu bedenken: “Nie darf an<br />

einem solchen Ort Eisen Verwendung finden.” Enttäuscht wandte sich S<strong>al</strong>omo an die Geister aber<br />

diese sagten dass sie nicht wüssten, wie man die Haare entfernt. Darauf fragte er die Dämonen die<br />

sich über ihn lustig machten aber da er beharrlich blieb, erwiderten sie: “Wir werden ihre Beine<br />

blank wie Silber machen.” Und sie taten dies mit ungelöschtem K<strong>al</strong>k“ Und jetzt, <strong>nach</strong> dieser<br />

vergnüglichen Episode, wenden wir uns dem Qanat, genannt S<strong>al</strong>omo’s Quelle zu.<br />

82


Oben links: Der Qanat tritt in der Nähe der südöstlichen Begrenzung des Bagh-e Fin Gartens ans<br />

Tageslicht. Ein Eingang liegt in dieser kleinen Gasse. Oben rechts <strong>und</strong> unten: Der Zugang war sehr<br />

bescheiden. Erst <strong>al</strong>s ich unten war sah ich es durch 3 stark bewehrte Öffnungen: Wasser r<strong>und</strong>um,<br />

soweit das Auge reicht. Außerh<strong>al</strong>b des Beckens dehnte es sich <strong>nach</strong> <strong>al</strong>len Seiten aus <strong>und</strong> erschien<br />

tatsächlich groß wie ein „Meer“.<br />

83


Bilder stehen nicht zur Verfügung<br />

Oben links <strong>und</strong> rechts: Auf den Bildern die ich durch die schützenden Eisengitter machen konnte<br />

sieht man links im Hintergr<strong>und</strong> eine Stollenöffnung die wahrscheinlich zum Fin Garten führt. Rechts<br />

fließt das Wasser unter einer Art Brücke durch <strong>und</strong> breitet sich dann <strong>nach</strong> <strong>al</strong>len Seiten aus. Davon<br />

wird ein <strong>Teil</strong> in den Stollen links oben geleitet, der Rest -fließt durch das Becken das wir auf der<br />

Vorseite sehen <strong>und</strong> in dem ich stehe um die Bilder zu machen.<br />

Links unten:<br />

Ein Rätsel war mir der Qanatstollen der links ins Becken mündete. Er war sehr großzügig gebaut, ich<br />

konnte darin aufrecht gehen. Er führte kaum Wasser hatte aber, soweit wir gehen <strong>und</strong> sehen<br />

konnten, nichts mit dem Wasser hinter den Gittern außerh<strong>al</strong>b des Durchlaufbeckens zu tun.<br />

Vielleicht hatte er das Becken in <strong>al</strong>ten Zeiten gefüllt, <strong>al</strong>s die in der Nähe wohnenden Menschen noch<br />

hierher zum Wasserholen kamen?<br />

Ψ<br />

84


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Links: Auf der Vorseite unten sieht man diese Stollenöffnung, sie liegt direkt am Rand des<br />

Wasserbeckens. Wir gingen ein Stück hinein, er war mannshoch. Im Stollen war das Wasser nicht tief,<br />

aber in dem etwas tiefer liegenden Durchlaufbecken umso mehr. Rechts: Hinter mir links um die Ecke<br />

liegt der Qanatstollen von der Vorseite (links unten). Wie man sieht, hatte ich mich von der Höhe des<br />

Wasserspiegels im Becken täuschen lassen – die wasserdichten Überziehstiefel waren nicht lang<br />

genug gewesen. Kaum war ich anfangs mit einem Bein hineingestiegen war der Stiefel auch schon<br />

vollgelaufen… <strong>al</strong>so brauchte ich das zweite Bein auch nicht zu schonen. Es war warm, die Sportschuhe<br />

<strong>und</strong> Socken würden schon irgendwann wieder trocken werden.<br />

So langsam komme ich zum Schluss dieses Berichts über „<strong>Persien</strong> – <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> <strong>paradiesische</strong><br />

<strong>Gärten</strong>“. Wir haben eine lange Zeitreise hinter uns, vielleicht sind die LeserInnen am Ende auch so<br />

überrascht wie ich es anfangs war darüber, was die Zivilisation dem Alten <strong>Persien</strong> <strong>al</strong>les verdankt.<br />

Es bleibt noch das letzte aber gar nicht unwichtige Element des persischen <strong>Wasserbau</strong>s: die Ab<br />

Anbar: die Wasserspeicher oder Zisternen. Es gibt rechteckige oder r<strong>und</strong>e Gr<strong>und</strong>risse bei den<br />

Zisternen, sie laufen oben kegelförmig zu, der wichtige <strong>Teil</strong>, der Wasserspeicher selbst liegt in der<br />

Erde. <strong>Die</strong> Wände eines Ab Anbars können bis zu 2m dick sein. Innen sind sie aus<br />

Backsteinmauerwerk das mit einer ca. 3 cm dicken Schicht von wasser<strong>und</strong>urchlässigem Mörtel<br />

verputzt ist. Alle Wasserspeicher haben Windtürme, wie viele ein Ab Anbar hat hängt von seiner<br />

Größe ab: zwei oder vier je <strong>nach</strong> Größe ist norm<strong>al</strong> – in Yazd konnte ich <strong>al</strong>lerdings einen so großen<br />

fotografieren der zur Lüftung <strong>und</strong> Kühlung sechs Windtürme hat.<br />

Ψ<br />

85


Vor der modernen Zeit mit T<strong>al</strong>sperren <strong>und</strong> fließendem Wasser (aber auch noch heute) gab<br />

<strong>und</strong> gibt es mindestens einen Ab Anbar in jedem Dorf. In großen Städten wie Yazd, Isfahan<br />

oder Teheran gab es ihrer viele die strategisch verteilt lagen. Alle waren an das jeweilige<br />

Qanatsystem angeschlossen, heute sind sie es an unterirdische Wasserleitungen. Sie<br />

haben Zugänge genauso wie die Wasserstellen der Qanate unter der Erde.<br />

86


Bilder stehen nicht zur Verfügung<br />

Oben: Einer der größten Ab Anbar steht in Yazd inmitten enger Gassen. Er ist so groß dass er sechs<br />

Windtürme hat <strong>und</strong> kaum im Ganzen fotografiert werden kann. Zwischen ihnen sieht man die Spitze<br />

des Speichers. Der Eingang ist der Größe angemessen, fast majestätisch. Unten: Ich hatte Glück, ich<br />

konnte von der Terrasse eins der gegenüberliegenden Häuser den oberen <strong>Teil</strong> <strong>und</strong> die Windtürme<br />

aufnehmen.<br />

87


Am Ende meiner Wanderung durch den persischen <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Gärten</strong> bleibt ein lieblicher Duft …<br />

Zum Iran gehört auch das meistbesungene Geschöpf der Pflanzenwelt das ohne Wasser nicht<br />

gedeihen könnte – die Duftrose. Ursprünglich kommt das Wissen um die Herstellung von Rosenöl<br />

ebenf<strong>al</strong>ls aus <strong>Persien</strong>. Es ist überliefert dass Anfang des 9. Jh. im arabischen Bagdad aus der Provinz<br />

Fars, die vor der arabischen Eroberung auch zu <strong>Persien</strong> gehörte, eine Lieferung von r<strong>und</strong> 30.000<br />

Flaschen mit Rosenwasser ankam. In der klassischen persischen <strong>und</strong> arabischen Dichtkunst<br />

bedienen sich Poeten der Rose für zahlreiche Vergleiche mit den Vorzügen der Angebeteten. Eine<br />

Rose erblüht auf einer Jungfrau Wangen (wenn sie errötet), ihr lieblicher Atem verströmt Rosenduft<br />

oder „… wie w<strong>und</strong>erschön war die Rose, <strong>al</strong>s sich die Knospe zur Blüte öffnete…“ (wenn ein Mädchen<br />

zur jungen Frau wird ...)<br />

Rosenwasser <strong>und</strong> Rosenöl sind Irans schönstes Exportprodukte. In Qamsar, nur ca. 25 km von<br />

meiner letzten Station Kaschan entfernt liegt das bedeutendste iranische Zentrum der Rosenkultur.<br />

Rosenwasser- <strong>und</strong> -öl aus Qamsar sind berühmt. <strong>Die</strong> Rose die hier wächst wird Damaskus- oder<br />

auch Mohammed-Rose genannt. Es heißt dass sogar die Kaaba, die heilige Stätte der Muslime in<br />

Mekka, einm<strong>al</strong> im Jahr, kurz vor Beginn der jährlichen Pilgerreise zum heiligen Ort r<strong>und</strong>um mit<br />

Rosenwasser aus Qamsar gewaschen wird.<br />

Im Jahr 2017 war ich zu früh in Qamsar – die Rosenblüte hatte noch nicht begonnen. Ich hatte zwar<br />

die Hoffnung gehegt, aber wurde enttäuscht. Ich nutzte die Zeit um mich schon einm<strong>al</strong> ausführlich<br />

über die Herstellung beider Produkte zu informieren. In Qamsar scheint fast jeder der ein Stück<br />

Land besitzt Rosen zu kultivieren. Viele Familien stellen selber Rosenwasser her, ganz wenige sogar<br />

Rosenöl in ganz geringen Mengen. Denn für das Destillieren braucht man jedoch zum einen Platz<br />

<strong>und</strong> zum anderen die entsprechende Ausrüstung. Einige benutzen noch den traditionellen,<br />

kegelförmig zulaufenden Kupferkessel zum Sieden der Blütenblätter. Ganz gleich an welche Tür<br />

man klopft, jeder hat Rosenwasser anzubieten, ob jetzt aus eigener Gewinnung oder nicht.<br />

Der Prozess der Rosenölgewinnung ist anspruchsvoll, inzwischen ziehen es kleinere<br />

Rosenfeldbesitzer vor die Blüten zu ernten <strong>und</strong> sie an einen größeren Betrieb zu verkaufen der<br />

zusätzlich noch sehr beliebten Erfrischungsgetränke mit Rosenwasser vermischt herstellt oder<br />

Süßigkeiten die etwas von dem duftenden Wasser enth<strong>al</strong>ten. Das Destillieren von Rosenöl <strong>und</strong> die<br />

Herstellung in größeren Mengen erfordert vor <strong>al</strong>lem Platz <strong>und</strong> ist zunächst eine Investition. Dazu<br />

muss man bedenken, dass die Zeit für das Pflücken der Blüten sehr begrenzt ist. Wenn man das Jahr<br />

hindurch Rosenöl, Rosenwasser oder Ware mit Rosenwasserzusatz verkaufen will müssen Tonnen<br />

von Blütenblättern gepflückt, evtl. dazugekauft <strong>und</strong> verarbeitet werden.<br />

Durch einen glücklichen Zuf<strong>al</strong>l landete ich bei meiner ersten Reise in dem Familienbetrieb Behin<br />

Golab Co. in Qamsar. Nur Vater <strong>und</strong> Sohn waren anwesend, zwei Drittel des Raums waren<br />

Ladengeschäft, der Rest beherbergte <strong>al</strong>les was man zur Gewinnung von Rosenwasser oder Rosenöl<br />

braucht. Zu meinem Entzücken sah ich dass ein <strong>Teil</strong> des Destillier-Inventars neben zwei enormen<br />

<strong>und</strong> modernen Kesseln, auch die traditionellen Kupferkessel aufwies. Hier <strong>al</strong>so werden in der<br />

Hochsaison, ab ca. Mitte April <strong>und</strong> nur ein paar Wochen lang, die wertvollen Essenzen gewonnen<br />

solange wie die Rosenblüte dauert. Von Mojteba, so hieß der Sohn, erfuhr ich <strong>al</strong>les was ich nur über<br />

Rosen <strong>und</strong> die kostbaren Essenzen wissen wollte – er war ein wandelndes Nachschlagewerk im<br />

Thema „Rosen“ <strong>und</strong> nicht nur was sein Heimatland Iran anbetraf. In der westlichen Welt ist Rosenöl<br />

bei der Parfum- <strong>und</strong> Kosmetikherstellung nicht mehr wegzudenken.<br />

88


Links: Bei meiner zweiten Reise 2018 kam ich<br />

genau zur rechten Zeit für die Rosenblüte wieder<br />

<strong>nach</strong> Qamsar – es war Mitte April. Der ganze Ort<br />

war festlich geschmückt mit Fahnen <strong>und</strong><br />

Girlanden an <strong>und</strong> über den Straßen.<br />

Es wird meistens mit vielen anderen Essenzen<br />

<strong>und</strong> Düften gemischt <strong>und</strong> ist für <strong>al</strong>tbekannte<br />

traditionelle Parfums ebenso wie für neue Duft-<br />

Kreationen unerlässlich. Inzwischen gibt es kaum<br />

mehr Kosmetikprodukte oder Parfums die kein<br />

Rosenöl, <strong>und</strong> sei es nur eine winzige Menge,<br />

beinh<strong>al</strong>ten.<br />

Vor mehr <strong>al</strong>s 1.000 Jahren wurden Rosenessenzen<br />

auch <strong>al</strong>s Heilmittel verwendet. Dem<br />

Rosenöl wird auch ein, die Nerven beruhigender<br />

Effekt, eine entzündungshemmende <strong>und</strong> sogar<br />

bakterizide Wirkung <strong>nach</strong>gesagt. Im Iran, im<br />

Orient <strong>und</strong> auch in der Türkei wird Rosenwasser<br />

oder eine winzige Menge Rosenöl zum Kuchenbacken,<br />

für Süßspeisen, Kekse, Schokoladenprodukte,<br />

Bonbons oder <strong>al</strong>lgemein für Süßigkeiten<br />

verwendet. Im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert dehnte<br />

sich die Duftrosenkultivierung von <strong>Persien</strong> <strong>nach</strong><br />

Indien, <strong>nach</strong> Nordafrika <strong>und</strong> in die Türkei aus. Anfang des 18. Jh. begann der Duftrosenanbau in<br />

Europa. In Europa ist Bulgarien das Land das am meisten Rosenöl <strong>und</strong> –wasser liefert.<br />

Das Öl ist eins der kostbarsten ätherischen Öle. Ein wichtiger Faktor ist dabei dass schon ein<br />

winziger Tropfen jeder Mischung, sei es für eine Creme oder ein Parfum, einen besonderen Duft<br />

verleiht. So kostete z. B. ein Liter echtes bulgarisches Rosenöl von der Damaskusrose im Jahr 2017<br />

bis zu 10.000€ <strong>und</strong> ein Kilogramm türkisches, ca. 3.000€. Es mag seltsam klingen wenn ich in Bezug<br />

auf Rosenöl von Kilogramm spreche – in Qamsar hatte ich im Jahr 2017 zu meinem großen<br />

Erstaunen dass Rosenöl in k<strong>al</strong>tem Zustand verdickt <strong>und</strong> zu einer fast festen Masse wird. Ich konnte<br />

es fast nicht glauben aber der Senior lud meinen Fahrer <strong>und</strong> mich in sein kleines Büro ein um es mir<br />

zu demonstrieren; gegenüber der Tür standen ein massiver, schön gefertigter Schreibtisch davor<br />

ein paar schon durchgesessene Ledersessel. Ein Ofen bullerte in einer Ecke, jemand brachte uns Tee<br />

– es war gemütlich. Der Vater öffnete den Tresor hinter dem Schreibtisch <strong>und</strong> nahm ein winziges<br />

Glasröhrchen mit Rosenöl heraus. Und tatsächlich es war eine feste Masse. Mojteba legte es einen<br />

Moment lang auf einer Platte auf den Ofen <strong>und</strong> tatsächlich, <strong>nach</strong> ungefähr einer Minute wurde die<br />

Masse zähflüssig <strong>und</strong> dann immer flüssiger.<br />

Das zweite M<strong>al</strong>, im Jahr 2018, war ich absichtlich etwas später in den Iran gereist, dieses M<strong>al</strong> sollte<br />

mir die Rosenblüte <strong>und</strong> die Verarbeitung der kostbaren Blättchen nicht entgehen. Ich sah es schon<br />

<strong>al</strong>s wir <strong>nach</strong> Qamsar hineinfuhren, der kleine Ort war in Feierstimmung, das Fest der Rosen hatte<br />

begonnen. Es war Hochsaison für das Pflücken der Blüten <strong>und</strong> ihre Verarbeitung. Und im<br />

Familienbetrieb meiner Bekannten Behin Golab herrschte Hochbetrieb.<br />

Ψ<br />

89


Als ich bei Behin Golab ankam waren <strong>al</strong>le Gerätschaften die ich im Jahr davor zur Gewinnung<br />

von Rosenwasser <strong>und</strong> Rosenöl gesehen hatte, voll im Einsatz. Feuer loderten unter <strong>al</strong>len<br />

Kesseln – unter den großen industriellen im Hintergr<strong>und</strong> wie auch unter den traditionellen<br />

aus Kupfer.<br />

Bild stehen nicht zur Verfügung<br />

90


Bilder stehen nicht zur Verfügung<br />

Gerade <strong>al</strong>s wir gehen wollten kam ein <strong>al</strong>ter Mann mit zwei Säcken voller Rosenblätter um sie zu<br />

verkaufen. Bevor er ging griff er noch einm<strong>al</strong> in die Blüten – fast liebevoll ließ er sie noch einm<strong>al</strong><br />

durch seine Hände gleiten <strong>al</strong>s wolle er sich von ihnen verabschieden<br />

91


Es war spät geworden, auch wir verabschiedeten uns. Am nächsten Tag musste ich <strong>nach</strong> Teheran<br />

<strong>und</strong> von dort zurück <strong>nach</strong> München fliegen. Der Juniorchef brachte uns noch zu einem Rosenfeld<br />

damit ich die Pflücker bei der Arbeit sehen konnte. Wir parkten etwas weiter weg, <strong>und</strong> es ist kaum<br />

zu glauben: noch etwa 20 m vom Rosenfeld entfernt duftete die ganze Luft <strong>nach</strong> Rosenblüten!<br />

Es war ein unvergesslicher Abschied vom Iran! Mamnun Iran! Thank you Iran!<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

92


Das Ende einer Reise –Rückkehr <strong>nach</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

<strong>Die</strong> P<strong>al</strong>aststadt Alhambra in Granada, (Spanien). Rechts: ein <strong>Teil</strong> der Alcazaba, des militärischen<br />

Verteidigungsbereich.<br />

Es war eine lange Reise: vom maurischen <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us über Marokko, Syrien, Jordanien <strong>und</strong><br />

Usbekistan mit einem <strong>Teil</strong> der Großen Seidenstraße. Mit diesem Kapitel – <strong>Persien</strong> ist meine<br />

Reiseserie beendet. Für meine Fragen von Seite 4 hatte ich Antworten gef<strong>und</strong>en.<br />

Ab dem Jahr 711 eroberten die syrischen Omaijaden Nordafrika <strong>und</strong> den größten <strong>Teil</strong> der<br />

spanischen H<strong>al</strong>binsel. Das Heer war vielfältiger Herkunft: Syrer, Berber, Ägypter. Nur wenige kleine,<br />

christliche Königreiche im Norden Spaniens blieben davon unberührt. In der Mitte des 11.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts begannen spanische Könige mit der christlichen Eroberung von <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us –sie zog<br />

sich über 4,5 Jahrh<strong>und</strong>erte hin. Sie konnte am 02. Januar 1492 mit der Kapitulation des letzten<br />

hispano-arabischen Reichs Granada abgeschlossen werden.<br />

<strong>Die</strong> Mauren brachten das Wissen um Wasser- <strong>und</strong> Gartenbau <strong>nach</strong> Spanien. Wenn sich auch Vieles,<br />

ja, fast <strong>al</strong>les in den <strong>nach</strong>folgenden Jahrh<strong>und</strong>erten änderte <strong>und</strong> es seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.<br />

keine Muslime mehr auf der Iberischen H<strong>al</strong>binsel gab blieb eine bedeutendes Hinterlassenschaft<br />

erh<strong>al</strong>ten: der <strong>Wasserbau</strong>, die Wasser- <strong>und</strong> Gartenkultur <strong>und</strong> das Wassergericht, die älteste<br />

Institution Europas.<br />

Nirgendwo in Europa ist das jahrtausende<strong>al</strong>te Erbe der einst persischen <strong>und</strong> in Folge, arabischen<br />

Wasserkultur so greifbar nah wie in der and<strong>al</strong>usischen Stadt Granada <strong>und</strong> ihrem Umland: von der<br />

Stadtgründung im 11. Jh. durch einen Berberfürsten auf dem ältesten Stadtteil dem Hügel<br />

Albaicín 81 , bis zu den letzten Zeugen der hispano-arabischen Zeit: den Maurenp<strong>al</strong>ästen der<br />

Alhambra auf dem Hügel Sabikah. Anfang Januar 1492 übergab Boabdil, der letzte Maurenkönig,<br />

Granada an die christlichen Könige Isabella I. von Kastilien <strong>und</strong> Ferdinand II. von Aragón.<br />

81 Das Foto ist von dort aufgenommen<br />

93


Oben: Der dichtbesiedelte Albaicín ist das älteste Stadtviertel von Granada. <strong>Die</strong> Stadt wurde<br />

1012/1013 von einem Berberfürsten aus dem Stamm der Ziriden gegründet. Unten: Drei<br />

wichtige Wasserlieferanten für das <strong>al</strong>te Granada. Alle drei liegen an den Nordausläufern vom<br />

Gebirge Sierra Nevada. <strong>Die</strong> wichtigsten für die Versorgung des Albaicín <strong>und</strong> später der<br />

Alhambra waren: die Fuente Grande, die „Große Quelle“ in Alfacar, die von den Mauren<br />

Aynadamar „Auge der Tränen“ genannt wurde <strong>und</strong> der Fluss Darro.<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

94


Was die Stadtgründung Granadas anbelangt schauen wir zunächst einm<strong>al</strong> r<strong>und</strong> 1000 Jahre zurück:<br />

Als Zawi ibn Ziri, der hochrangige Anführer einer muslimisch-berberischen Truppe mit seinen<br />

Kriegern in der Gegend um das heutige Granada 1012/1013 82 ankam beschloss er auf dem Hügel<br />

Albaicín eine Stadt zu gründen. Im Umland war viel Wasser vorhanden <strong>und</strong> die Lage war ide<strong>al</strong> für<br />

die Verteidigung. <strong>Die</strong> Neuankömmlinge fanden auch hier wie fast über<strong>al</strong>l auf der Iberischen<br />

H<strong>al</strong>binsel ein inzwischen zwar heruntergekommenes, doch auf- <strong>und</strong> ausbaufähiges römisches Erbe<br />

vor. Vorhandene hydraulische Systeme wurden ausgebessert, mit dem Wissen um sinnvolle<br />

Wassernutzung verbessert oder ganz neu geplant. Alle nur erdenklichen Techniken zur<br />

Wasserförderung von Wasserrädern bis zur archimedischen Schraube 83 –der Anwendung des<br />

Prinzips einer Kurbelwelle –gehörten zum <strong>Wasserbau</strong> <strong>und</strong> dam<strong>al</strong>s wie heute war die spanische Erde<br />

außerordentlich fruchtbar, nur gab es zu jener Zeit noch Wasser im Überfluss.<br />

Es gab zwei Hauptlieferanten für die Wasserversorgung im mittel<strong>al</strong>terlichen Granada, beide liegen<br />

an den Nordausläufern vom Gebirge Sierra Nevada: die Fuente Grande, die „Große Quelle“ in<br />

Alfacar, die von den Mauren Aynadamar „Auge der Tränen“ genannt wurde <strong>und</strong> der Fluss Darro.<br />

Anfangs kam das kostbare Nass von der Großen Quelle über eine offene, zum großen <strong>Teil</strong> über der<br />

Erde verlaufende, gemauerte Wasserrinne, eine acequia 84 . Am höchsten Punkt des Albaicín kam sie<br />

in der königliche Burgfeste an. Innerh<strong>al</strong>b ihrer Mauern befand sich der Aljibe del Rey, die „Zisterne<br />

des Königs“, mit einem öffentlichen Brunnenzugang. Sie nährte auch <strong>al</strong>le Brunnen im Stadtviertel<br />

die <strong>nach</strong> <strong>und</strong> <strong>nach</strong> stufenweise hügelabwärts angelegt wurden. Auch die Wasserverkäufer füllten<br />

ihre Vorräte hier auf bevor sie, laut rufend, durch die Gassen gingen. Es gab immer Einwohner die<br />

nicht bis zum nächsten öffentlichen Brunnen laufen konnten oder wollten.<br />

Seit ein paar Jahren kann man die Zisterne des Königs auch besichtigen – es gibt eine<br />

ausgezeichnete Führung zum Thema Wasser in Granada 85 – Gruppen müssen sich anmelden,<br />

Einzelpersonen sollten um 12:00 86 am Eingang sein. Wer möchte kann am Ende der Führung auch in<br />

die <strong>al</strong>te Zisterne hinabsteigen. Auch der Besuch der Fuente Grande in Alfacar <strong>und</strong> eines <strong>Teil</strong>s der<br />

erh<strong>al</strong>tenen <strong>und</strong> zu einem <strong>Teil</strong> noch wasserführenden acequia lohnt sich. Wer durch den Albaicín<br />

wandert stößt immer wieder auf strategisch angelegte Brunnen; es ist offensichtlich dass <strong>al</strong>le<br />

Einwohner des Albaicín Zugang zum Wasser bekamen. Im Gegensatz zu vielen persischen<br />

öffentlichen Wasserstellen die oft tief unter der Erde lagen, brauchten die Einwohner des Albaicín<br />

keine Treppen steigen 87 , die Brunnenöffnungen waren von den Gassen aus erreichbar; man zog das<br />

Wasser aus den in den Berg gegrabenen Zisternen mit Eimern an Seilrollen hoch. Ganz unten am<br />

Albaicín lagen öffentliche Bäder <strong>und</strong> Handwerksbetriebe. Sie bekamen das nötige Wasser über ein<br />

Stauwehr außerh<strong>al</strong>b von Granada <strong>und</strong> eine Abzweigung vom Fluss Darro der ebenf<strong>al</strong>ls von der<br />

Nordseite der Sierra Nevada kommt. <strong>Die</strong>se Abzweigung verläuft heute weiter par<strong>al</strong>lel zum Unteren<br />

Albaicín. <strong>Die</strong> Brunnen <strong>und</strong> ihre in den Hügel Albaicín gegrabenen Zisternen erfüllten ihren <strong>Die</strong>nst bis<br />

in die Hälfte des 20. Jh. – heute sind sie historische Zeitzeugen.<br />

82 <strong>Die</strong> tatsächliche Stadtgründung von Granada wurde bisher nicht eindeutig bestimmt<br />

83 <strong>Die</strong> archimedische Schraube ist eine mechanische Wasserhebeanlage. Sie reicht in die Antike zurück <strong>und</strong> wird Archimedes von<br />

Syrakus (*ca. 287 v. Chr.in Syrakus-† 212 v. Chr.ebd) zugeschrieben. Er war ein griechischer Mathematiker, Physiker <strong>und</strong> Ingenieur<br />

<strong>und</strong> gilt <strong>al</strong>s einer der bedeutendsten Mathematiker der Antike. https://de.wikipedia.org/wiki/Archimedische_Schraube<br />

84 Der Bedeutung <strong>nach</strong> eine Wasserleitung, eine Wasserführung wie ein Qanat. Sie legte einen großen <strong>Teil</strong> des Wegs<br />

über der Erde zurück.<br />

85 Der Besitz wird heute von der Stiftung F<strong>und</strong>ación Agua Granada Aljibe del Rey verw<strong>al</strong>tet. Adresse: Plaza Cristo de las<br />

Azucenas, s/n, Albaicín, Granada<br />

86 Stand Oktober 2018<br />

87 Bis auf einen Brunnen: San Cristob<strong>al</strong>, ebenf<strong>al</strong>ls ganz oben am Albaicín<br />

95


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Oben: Fuente Grande, die Große Quelle bei Alfacar. Unten: die acequia, die Wasserführung die von<br />

der Großen Quelle, vorwiegend über Land, bis zur Zisterne des Königs auf den Albaicín in Granada<br />

96


ging. Heute ist nur noch ein <strong>Teil</strong> in Betrieb.<br />

<strong>Die</strong> hispano-arabische Wasserkultur brachte eine bedeutende Neuerung mit sich: Mit den<br />

Einwanderern aus dem Orient <strong>und</strong> Nordafrika bekam das Wasser zum ersten M<strong>al</strong> eine tiefere<br />

Bedeutung. <strong>Die</strong> Wüstensöhne sahen es <strong>al</strong>s Gottesgeschenk das zwischen <strong>al</strong>len gerecht verteilt<br />

werden sollte. <strong>Die</strong> Gesellschaft hatte ein Recht darauf. Der Gebrauch wurde reguliert <strong>und</strong> sorgfältig<br />

verw<strong>al</strong>tet. Es war die Geburtsst<strong>und</strong>e des europäischen Wassermanagements fast könnte man sagen<br />

einer Art Wasserdemokratie. Archäologische Studien des mittel<strong>al</strong>terlichen Granada zeigen <strong>al</strong>le<br />

dam<strong>al</strong>s üblichen Möglichkeiten der Wassernutzung auf:<br />

Für den religiösen Gebrauch:<br />

Reinigung vor dem Gebet: Zisternen, Brunnen <strong>und</strong> irdene Behälter (Tonkrüge), Waschungen vor<br />

dem gemeinschaftlichen Gebet in den Moscheen: Hof mit Brunnen für die Waschungen, Zisternen<br />

<strong>und</strong> sprudelnde Brunnenrohre.<br />

Für die Öffentlichkeit:<br />

Städtische <strong>und</strong> private Versorgung: Rohre aus Ton, Hauptverteiler, Brunnen <strong>und</strong> Zisternen,<br />

Tonkrüge, öffentliche Wasserstellen. Öffentliche <strong>und</strong> private Bäder: Badehäuser, Handbecken mit<br />

Wasserkrügen, Lehmkübel <strong>und</strong> Badewannen. Für die Hygiene oder zu medizinischen Zwecken:<br />

Therm<strong>al</strong>- oder medizinische Miner<strong>al</strong>bäder.<br />

Für die Landwirtschaft<br />

Bewässerungsleitungen, unterirdische Wasserführung, Rohre <strong>und</strong> Verteiler. Hydraulische Systeme:<br />

Wasserbecken, -stollen, Wasser- <strong>und</strong> Schöpfräder, Stauschleusen <strong>und</strong> Ableitungen.<br />

Für das Handwerk:<br />

Verwendung des Wassers <strong>al</strong>s Triebkraft: Getreide- <strong>und</strong> Ölmühlen, Gerbereien, Webereien.<br />

Drehscheiben <strong>und</strong> Drehwellen <strong>und</strong> -spindeln für die Seidenherstellung; in Schreinereien, Gießereien<br />

<strong>und</strong> Töpfereien.<br />

Zur Erbauung <strong>und</strong> Zierde:<br />

In <strong>Gärten</strong>, P<strong>al</strong>ästen, großen Anwesen <strong>und</strong> Sommerresidenzen: Wasserbecken, Zierbrunnen,<br />

Springbrunnen, künstliche Wasserfälle, Wassertreppen, Wasservorhänge.<br />

Der österreichische Reisende Hieronymus Münzer kam auf seiner And<strong>al</strong>usienreise im Jahr 1494<br />

durch Granada. Er zeigte sich erstaunt über die Fortschrittlichkeit der sanitären Einrichtungen <strong>und</strong><br />

schrieb in sein Reisetagebuch:<br />

„<strong>Die</strong> Häuser der Sarrazenen 88 sind zumeist so klein, mit winzigen Zimmern, außen schmutzig, innen<br />

sauber, dass man es kaum glauben kann. Fast <strong>al</strong>le haben Wasserleitungen <strong>und</strong> Brunnen. Der<br />

Wasserrohre <strong>und</strong> -leitungen gibt es zwei: einm<strong>al</strong> für Trinkwasser, <strong>und</strong> dann um den Unrat hinweg zu<br />

schaffen. <strong>Die</strong> Sarrazenen verstehen viel davon. In <strong>al</strong>len Straßen gibt es Kanäle für schmutziges<br />

Wasser, sodass auch die Einwohner, deren Häuser aufgr<strong>und</strong> ihrer Lage für Leitungen schwer<br />

erreichbar sind, des Nachts ihren Unrat in diesen Kanälen entsorgen können. Es gibt nicht viele<br />

Sickergruben aber trotzdem sind die Menschen äußerst sauber“ 89 .<br />

Münzer schätzte dam<strong>al</strong>s die Einwohnerzahl des Albaicín auf ca. 30.000 Einwohner.<br />

Ψ<br />

88 Oft ein geläufiger Ausdruck für die Hispano-Araber<br />

89 Aus: Reise durch Spanien <strong>und</strong> Portug<strong>al</strong>, Hieronymus Münzer (* 1437 oder 1447 bis 27. 08.150 in Nürnberg) war ein<br />

Humanist, Arzt <strong>und</strong> Geograph in Nürnberg.<br />

97


Oben links: Der Aljibe del Rey: ehem<strong>al</strong>iger öffentlicher Zugang zum Wasserholen. Oben rechts: privater,<br />

nicht öffentlicher Bereich. Unten: In der Zisterne.<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

<strong>Die</strong> mittel<strong>al</strong>terliche P<strong>al</strong>astburg aus dem XI. Jh. ist im Lauf der Jahrh<strong>und</strong>erte einem Carmen gewichen,<br />

einem großzügigen Landsitz wie es viele auf dem Albaicín gibt – dieser ist der größte von <strong>al</strong>len. Der<br />

etwas tiefer liegende Garten hat zusätzlich ein r<strong>und</strong>es Wasserbecken <strong>und</strong> einen Springbrunnen.<br />

Inzwischen sind hier die Büros der Stiftung „F<strong>und</strong>ación Agua Granada Aljibe del Rey“ (Wasser Granada<br />

Zisterne des Königs).<br />

Während in Cordoba oder in Sevilla die Hauseingänge tagsüber geöffnet sind <strong>und</strong> jeder Passant die<br />

patios, die Innenhöfe, durch eine schmiedeeiserne Gittertür sehen <strong>und</strong> bewun-dern kann, ist die<br />

orient<strong>al</strong>ische Tradition wie in <strong>al</strong>len islamischen Ländern üblich in Granada erh<strong>al</strong>ten geblieben: jedes Haus<br />

auf dem Albaicín ist r<strong>und</strong>um mit hohen Mauern geschützt. Kein Blick von außen kann in den privaten<br />

Bereich f<strong>al</strong>len.<br />

98


Der Brunnen des Königs war auch <strong>al</strong>s Alter Brunnen oder Großer Brunnen der Burgfeste bekannt.<br />

<strong>Die</strong> Decke des Wasserspeichers besteht aus 4 Tonnengewölben. Er hat eine Höhe von 3,82 m <strong>und</strong><br />

ist 10,63m lang; die mittlere Breite eines jeden Gewölbes beträgt 2,40 m. Gesamtbreite: 11,37m.<br />

Damit war er der größte Wasserspeicher in Granada mit einem Fassungsvermögen von mehr <strong>al</strong>s<br />

300m3. <strong>Die</strong> Brunnenöffnung ist heute in die Mauer des Carmen der Stiftung F<strong>und</strong>ación Agua<br />

Granada Aljibe del Rey integriert, die Fassade wurde 1985 renoviert. Im 11. Jh. lag der Brunnen<br />

innerh<strong>al</strong>b der starken Mauern der P<strong>al</strong>astburg der Ziriden. Hier lag auch das Schatzhaus, die Münze –<br />

la Casa del Tesoro.<br />

Im 18. Jh. wurden am Haus eines granadinischen Domkapitulars Arbeiten durchgeführt. Durch<br />

Zuf<strong>al</strong>l stießen die Maurer auf einen unterirdischen Gang aus der Maurenzeit in dem auch<br />

F<strong>und</strong>stücke aus der Römerzeit entdeckt wurden. <strong>Die</strong> Neugier war geweckt <strong>und</strong> <strong>al</strong>le möglichen<br />

Gr<strong>und</strong>stücke wurden umgegraben. 1754 wurden <strong>nach</strong> wichtigen F<strong>und</strong>en die Ausgrabungen beendet<br />

<strong>und</strong> <strong>al</strong>le Baugruben geschlossen. Dam<strong>al</strong>s entbrannte ein heftiger Streit um maurische Schätze die<br />

möglicherweise am Ende des Geheimgangs in den Gewölben unter dem <strong>al</strong>ten Königsp<strong>al</strong>asts<br />

versteckt lagen. Alles endete mit einem öffentlichen Skand<strong>al</strong> <strong>und</strong> einem Gerichtsprozess. Aber noch<br />

100 Jahre da<strong>nach</strong> war die Meinung im Volk verbreitet dass die Mauren in dem Berg unermessliche<br />

Reichtümer vergraben hatten. Tatsache ist dass die Ausgrabungen des Domkapitulars kein Gold <strong>und</strong><br />

keine Edelsteine zu Tage förderten wohl aber bedeutende archäologische Erkenntnisse. <strong>Die</strong><br />

Legende hielt sich jedoch hartnäckig <strong>und</strong> ist in den Erzählungen von der Alhambra verewigt 90 .<br />

Später, während der Bauzeiten der Alhambra im 13. Jh. auf dem Hügel Sabikah wurde weit vor den<br />

Toren Granadas am Fluss Darro ein Stauwehr eingerichtet. Von dort führte die Acequia Re<strong>al</strong> 91 zu<br />

einem komplexen hydraulischen System das heute weiter existiert – wenn auch modernisiert: das<br />

Wasser kam oberh<strong>al</strong>b des Gener<strong>al</strong>ife an. Der Gener<strong>al</strong>ife ist eine zierliche, p<strong>al</strong>astähnliche<br />

Sommerresidenz der Könige der Nasriden auf einem nahen be<strong>nach</strong>barten Hügel neben der<br />

Alhambra. Das Wasser füllte zunächst mehrere Speicherbecken für die landwirtschaftlichen Flächen<br />

oberh<strong>al</strong>b des Gener<strong>al</strong>ife, floss durch ein längliches Wasserbecken im Innenhof des kleinen P<strong>al</strong>asts,<br />

durchlief dann weitläufige <strong>Gärten</strong> um durch ein Aquädukt über einem Geländeeinschnitt zwischen<br />

dem Gener<strong>al</strong>ife <strong>und</strong> den Maurenp<strong>al</strong>ästen die P<strong>al</strong>aststadt zu erreichen. Heute ist diese<br />

Wasserführung auch Fußgängerbrücke von der Alhambra zum Gener<strong>al</strong>ife <strong>und</strong> den großen <strong>Gärten</strong>.<br />

Über Land, außerh<strong>al</strong>b von Granada aber auch innerh<strong>al</strong>b des Geländes der Nasridenp<strong>al</strong>äste wurde<br />

wegen der hügeligen, zum <strong>Teil</strong> auch felsigen Landschaft oft auf die Qanattechnik zurückgegriffen.<br />

<strong>Die</strong> Stollen sind noch vorhanden. Aus der Zeit der Nasriden ist oberh<strong>al</strong>b des Gener<strong>al</strong>ife auch noch<br />

ein großes Speicherbecken <strong>und</strong> ein tiefer Brunnen erh<strong>al</strong>ten. Von dem <strong>al</strong>ten Stauwehr des Darro<br />

außerh<strong>al</strong>b von Granada sind keine Überreste mehr vorhanden.<br />

Im Lauf der Geschichte wurde die Wasserverteilung zunehmend durch Vorschriften <strong>und</strong> Gesetze<br />

geregelt. Das Wasser in der Nacht gehörte immer den öffentlichen Brunnen <strong>und</strong> den Häusern. Das<br />

Wasser am Tag gehörte der Landwirtschaft, ausgenommen am Montagvormittag, an Donnerstagen<br />

<strong>und</strong> Freitagen. Das Wasser an öffentlichen Brunnen war umsonst <strong>und</strong> konnte von jedem der einen<br />

Krug voll benötigte mit Eimern hochgezogen werden. Wer die <strong>Die</strong>nste von Wasserverkäufern in<br />

Anspruch nahm zahlte einen amtlich festgeschriebenen aber erschwinglichen Preis für jede<br />

Maßeinheit die in einem geeichten Messkrug bestand.<br />

90 Autor: der amerikanische And<strong>al</strong>usienreisende Washington Irving (19. Jh.). Es ist weltweit das meistverkaufte Buch über<br />

And<strong>al</strong>usien, Granada <strong>und</strong> die Alhambra <strong>und</strong> wurde in <strong>al</strong>le nur erdenklichen Sprachen übersetzt. Auch heute ist es noch ein Bestseller.<br />

91 <strong>Die</strong> Königliche Wasserleitung. Ein, zu einem großen <strong>Teil</strong> über der Erde verlaufender Qanat<br />

99


Bild stehen nicht zur Verfügung<br />

Oben: Das große Speicherbecken mit Ablauf zu einem tiefen Brunnen datiert aus der Nasridenzeit. Es<br />

liegt oberh<strong>al</strong>b des Gener<strong>al</strong>ife. Unten: links unten ein Speicherbecken aus der Neuzeit. Auch das<br />

hydraulische System der Alhambra bedient sich inzwischen technischer Hilfsmittel für den<br />

Wasserkreislauf in <strong>Gärten</strong>, Brunnenbecken <strong>und</strong> P<strong>al</strong>ästen. <strong>Die</strong> Landwirtschaft ist auch nicht mehr auf<br />

die mittel<strong>al</strong>terliche Regulierung der Wasserversorgung angewiesen.<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

100


Wer einen höheren Preis <strong>al</strong>s den festgeschriebenen verlangte musste eine empfindliche Strafe<br />

zahlen, kam 10 Tage ins Gefängnis <strong>und</strong> sein Messkrug wurde zerbrochen. <strong>Die</strong> Strafzahlung wurde<br />

wie folgt aufgeteilt: Je ein Drittel erhielten der Geschädigte, die Stadtkasse <strong>und</strong> der Richter, der den<br />

Betrüger verurteilt hatte. Das Auffüllen großer Wasservorräte in Häusern mit <strong>Gärten</strong> war ebenf<strong>al</strong>ls<br />

den Wasserverkäufern vorbeh<strong>al</strong>ten.<br />

Für die Einh<strong>al</strong>tung <strong>al</strong>ler Regeln <strong>und</strong> zur Schlichtung von strittigen Fragen gab es die Tribun<strong>al</strong>es de<br />

Agua, die Wassergerichte <strong>und</strong> die Ämter derer die für die Einh<strong>al</strong>tung der Vorschriften sorgten. <strong>Die</strong><br />

Vorschriften stammten zum <strong>Teil</strong> noch aus den Zeiten der Assyrer (2000 BC) <strong>und</strong> dem Antiken<br />

Persischen Imperium. Auch die Römer die seit der Antike in der Zeit des Oströmischen Imperiums<br />

mit der Kultur dieser Völker in Berührung gekommen waren hatten sie schon teilweise<br />

übernommen.<br />

Das erste Wassergericht wurde ca. im Jahr 960 von K<strong>al</strong>if Abd <strong>al</strong>-Rahman III. in Cordoba eingerichtet.<br />

Das heutige Wassergericht von V<strong>al</strong>encia ist ein Relikt aus der Vergangenheit das sich über 1000<br />

Jahre bis in unsere Zeit geh<strong>al</strong>ten hat. Es gilt <strong>al</strong>s die älteste Institution Europas. <strong>Die</strong> Richter sind<br />

ehrenamtlich <strong>und</strong> treten immer noch regelmäßig zusammen – dam<strong>al</strong>s wie heute ist ihr einziges<br />

Bestreben ...“Gerechtigkeit in der Wasserverteilung für die Landwirtschaft, dass somit Friede unter<br />

den Bauern herrsche ...“ Vom Wassergericht im muslimischen Granada fehlen präzise überlieferte<br />

Texte zu dem Thema. Aber die neue christliche Stadtverw<strong>al</strong>tung übernahm die Institution eins zu<br />

eins <strong>nach</strong> der Eroberung von Granada im Jahr 1492. Mit einem Dekret vom 2. Oktober 1501 wurde<br />

das maurische Erbe amtlich. Aus dieser Zeit weiß man z. B. auch wie die Wasserversorgung über die<br />

Leitung von Aynadamar funktionierte.<br />

Alle Amtsinhaber der Wassergerichte waren selber Landwirte: es gab einen obersten Verw<strong>al</strong>ter für<br />

Wasserver-<strong>und</strong> –entsorgung, auch für die Landwirtschaft. <strong>Die</strong>ser ernannte für ein Jahr zwei<br />

Bewässerungskan<strong>al</strong>beamte <strong>al</strong>s direkte Adjudanten sowie mehrere Bewässerungskan<strong>al</strong>aufseher<br />

sowie Brunnen- <strong>und</strong> Zisternenmeister. Ihre wichtigsten Aufgaben waren die landwirtschaftliche<br />

Bewässerung, die Anwendung neuer Verfahren, die Verhütung von Missbrauch <strong>und</strong> Vergeudung<br />

<strong>und</strong> die Verhütung <strong>und</strong> Behebung von Verschmutzungen. Das Modell der Wassergerichte wurde<br />

später auch im Ausland übernommen: in Südamerika <strong>und</strong> in Indien wo die Engländer das gleiche<br />

Verfahren im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert bei der Bewässerung der Felder anwandten.<br />

Den Hispano-Arabern lag nicht nur die Wasserversorgung der Bevölkerung am Herzen, auch die<br />

Hygiene <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Entsorgung der Abwässer. Seit dem 10. Jahrh<strong>und</strong>ert gab es sie -<br />

ebenf<strong>al</strong>ls unterirdisch- in großen Städten. In der Ausgrabungsstätte der P<strong>al</strong>aststadt Medina<br />

Azahara 92 von K<strong>al</strong>if Abd <strong>al</strong>-Rahman III., der einst glanzvollsten Stadt in <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us, sind Toiletten<br />

<strong>und</strong> entsprechende unterirdische Wasserführungen zu sehen.<br />

Wenn auch inzwischen Wasserversorgung <strong>und</strong> -management in <strong>und</strong> um die Maurenp<strong>al</strong>äste der<br />

Alhambra <strong>und</strong> die <strong>Gärten</strong> <strong>und</strong> landwirtschaftlichen Anlage über <strong>und</strong> um den P<strong>al</strong>astpavillon<br />

Gener<strong>al</strong>ife durch moderne Hilfsmittel unterstützt wird, ist die Verw<strong>al</strong>tung der Maurenp<strong>al</strong>äste 93<br />

bemüht <strong>und</strong> auch darin erfolgreich <strong>al</strong>te Traditionen auch landwirtschaftlicher Art <strong>nach</strong>zuempfinden<br />

<strong>und</strong> so weit wie möglich wiederzubeleben, wie die Pflanzung von Olivenbäumen für die eigene<br />

Ölproduktion oder das Anpflanzen bestimmter Blumenarten ist. Zum Thema <strong>Gärten</strong> <strong>und</strong><br />

Landwirtschaft liegen ausführliche Überlieferungen aus der Zeit der Könige der Nasridendynastie<br />

vor. Darin gibt es präzise schriftliche Anweisungen auch für das Anlegen von <strong>Gärten</strong>, ja sogar<br />

welche Pflanzen oder Bäume darin stehen sollen. Dasselbe gilt für den landwirtschaftlichen Betrieb.<br />

92 <strong>Die</strong> Ausgrabungsstätte liegt nur acht Kilometer westlich von Cordoba <strong>und</strong> gehört seit dem Jahr 2018 zum UNESCO<br />

Weltkulturerbe.<br />

93 Patronato de la Alhambra y Gener<strong>al</strong>ife<br />

101


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez<br />

Los Jardines del Part<strong>al</strong>, die <strong>Gärten</strong> des Part<strong>al</strong>: Sie liegen direkt am P<strong>al</strong>astbereich der Alhambra; vor<br />

der Kapitulation Granadas waren sie stufenförmig auch um die P<strong>al</strong>äste herum angelegt.<br />

Wenn auch die maurische Architektur auf den ersten Blick wenig mit der persischen gemein hat<br />

werden beim Durchstreifen der P<strong>al</strong>astanlage unweigerlich Erinnerungen an die historischen <strong>Gärten</strong><br />

im Iran wach: beim Anblick des großzügigen Wasserbeckens im Myrtenhof mit immergrünen<br />

Seitenstreifen ohne jeden Blumenschmuck (s. S. 103) oder beim Betrachten des Garten des Part<strong>al</strong>.<br />

Er ist ein Beispiel par excellence für einen klassischen persischen Garten: klare Linienführung, ein<br />

kleiner P<strong>al</strong>astpavillon, Wasserbecken, Bäume, Grün <strong>und</strong> kaum Blumen.<br />

Das Wasser ist ohne jeden Zweifel ein Hauptakteur in der gesamten P<strong>al</strong>astanlage. Es fügt sich wie<br />

ein <strong>Teil</strong> der Architektur in das Gesamtbild ein, ist ständig <strong>und</strong> über<strong>al</strong>l zugegen. Das kaum hörbare<br />

aber ununterbrochene Flüstern der vielen Brunnen, die Ruhe der Wasserbecken <strong>und</strong> das Murmeln<br />

von Wasserläufen die <strong>al</strong>lgegenwärtig scheinen <strong>und</strong> einen selbst noch beim Hinuntergehen in die<br />

Stadt durch den Alhambraw<strong>al</strong>d fröhlich begleiten, vermitteln über<strong>al</strong>l <strong>und</strong> jederzeit ein Gefühl von<br />

Frische <strong>und</strong> Entspannung. Wie erfolgreich die Verw<strong>al</strong>tung dieses Kulturerbes war <strong>und</strong> ist zeigte im<br />

Jahr 2016 eine gezielte Studie die die Universität Granada in Zusammenarbeit mit internation<strong>al</strong>en<br />

Wissenschaftlern durchführte. <strong>Die</strong> von der traditionellen orient<strong>al</strong>ischen Architektur bereits<br />

bekannten positiven Auswirkungen einer Verbindung von Wohnbereichen mit Wasserbecken,<br />

Wasserspielen, <strong>Gärten</strong> <strong>und</strong> Bäumen ergab im F<strong>al</strong>l der Alhambra dass jeder Bereich der gesamten<br />

Anlage im Zusammenspiel mit dem Alhambraw<strong>al</strong>d trotz seiner direkten Nähe zur Stadt ein eigenes<br />

Mikroklima entwickelt hat <strong>und</strong> dass sie, der Aussage des wissenschaftlichen Projektleiters der<br />

Universität von Granada <strong>nach</strong> „verglichen mit den Bautechniken <strong>und</strong> den modernsten Materi<strong>al</strong>ien<br />

der heutigen Zeit eine höhere Energieeffizienz aufweist <strong>al</strong>s die von vielen Bauwerken des 21.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts“.<br />

102


Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez<br />

Oben: <strong>Die</strong> Sommerresidenz der Nasridenkönige, der Gener<strong>al</strong>ife. Blick auf den Innenhof mit<br />

Wasserbecken, Grünpflanzen <strong>und</strong> Blumenbeeten. Unten: Der zierliche P<strong>al</strong>astpavillon träumt des<br />

<strong>nach</strong>ts vielleicht noch von glanzvollen Zeiten, <strong>al</strong>s die Herrscher hier Entspannung vom Tagesgeschäft<br />

suchten <strong>und</strong> Ruhe fanden umgeben von liebevoll verzierter Architektur, von Blumen <strong>und</strong><br />

immergrünen Pflanzen <strong>und</strong> Tag <strong>und</strong> Nacht dem beruhigenden Gesang des Wassers lauschend.<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez<br />

103


Oben: <strong>Die</strong> Alhambra vom Albaicín aus gesehen. Vorn im Bild <strong>und</strong> Bildmitte: ein <strong>Teil</strong> vom Unteren<br />

Albaicín. Am linken Hügel: das kleine weiße Bauwerk das sich von Bäumen umringt an die<br />

Hügelflanke schmiegt ist der Gener<strong>al</strong>ife, eine kleine p<strong>al</strong>astartige Sommerresidenz der Könige der<br />

Alhambra. Wenn der Sonnenuntergang den Mauern <strong>und</strong> P<strong>al</strong>ästen ein warmes Leuchten/Schimmern<br />

verleiht <strong>und</strong> wenig später die Nachtbeleuchtung angeht, scheint es fast <strong>al</strong>s durchlaufe ihre Mauern<br />

ein pulsierender Atem, <strong>al</strong>s erwache sie wieder, ihrer ewigen Schönheit gewiss, für ein paar St<strong>und</strong>en<br />

zum Leben. Unten: Blick vom Barkensa<strong>al</strong> S<strong>al</strong>a de la Barca auf das große Wasserbecken im<br />

Myrtenhof.<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

Bild: © Javier Rodriguez Jimenez<br />

104


Sehnsucht <strong>nach</strong> <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us<br />

In der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts erschienen<br />

die Erzählungen von der Alhambra des<br />

amerikanischen Schriftstellers Washington<br />

Irving 94 <strong>und</strong> setzten der Maurenzeit in<br />

Spanien ein Denkm<strong>al</strong>. <strong>Die</strong> Welt entdeckte <strong>al</strong>-<br />

And<strong>al</strong>us aufs Neue – der Okzident mit<br />

romantischer Begeisterung <strong>und</strong> der Orient mit<br />

verklärender, wehmütiger Nost<strong>al</strong>gie – wie sie<br />

aus dieser Elegie auf <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us von dem<br />

syrischen Poeten Nizar Qabbani auf das<br />

hispano-arabische Spanien herausklingt:<br />

Bild steht nicht zur Verfügung<br />

„Ich habe immer die Farbe Grün gewählt,<br />

um die arabische Zeit in Cordoba zu beschreiben.<br />

Als die Araber <strong>nach</strong> And<strong>al</strong>usien kamen,<br />

lebten sie nur durch das Grün.<br />

Ihre Lyrik, ihre Prosa, ihre Gedanken<br />

<strong>und</strong> ihre Seele waren so.<br />

<strong>Die</strong> Eroberer – <strong>al</strong>le Eroberer –<br />

haben Schwerter gesät,<br />

wohin sie auch kamen.<br />

<strong>Die</strong> arabische Eroberung aber<br />

war die erste, die P<strong>al</strong>men, Orangenbäume,<br />

Jasmine <strong>und</strong> Springbrunnen brachte.<br />

<strong>Die</strong>se kordobesischen Häuser,<br />

schläfrig auf ihrem Lager<br />

aus Veilchen <strong>und</strong> Myrte ruhend,<br />

mit ihren Mosaiken <strong>und</strong> Verzierungen aus Alabaster,<br />

verstecken sich in engen, gew<strong>und</strong>enen Gässchen<br />

wie kleine Paradiese – in ihrer Stille ungestört.<br />

<strong>Die</strong>se Brunnen, die Tag <strong>und</strong> Nacht<br />

in den patios eurer bezaubernden<br />

Häuschen singen, wovon erzählen sie?<br />

Als Dichter kann ich es euch sagen:<br />

Sie erzählen davon, dass die Araber<br />

nicht <strong>al</strong>s Eroberer <strong>nach</strong> Cordoba kamen,<br />

sondern <strong>al</strong>s Liebende.<br />

Und so ist es das erste M<strong>al</strong> in der Geschichte,<br />

dass aus einer Eroberung Liebe wurde<br />

<strong>und</strong> aus dem Schwert eine Rose ...<br />

<strong>Die</strong> Araber gaben And<strong>al</strong>usien das Beste ihrer Kultur,<br />

<strong>und</strong> And<strong>al</strong>usien nahm Einfluss auf ihre Seele.<br />

<strong>Die</strong> Hände der Araber<br />

wurden zu sensiblen Instrumenten,<br />

ihre Gedanken öffneten sich,<br />

<strong>und</strong> ihre Sprache wurde sanft.<br />

Das grüne And<strong>al</strong>usien verlieh der arabischen Poesie<br />

Fantasie <strong>und</strong> Schönheit,<br />

umhüllte sie mit süßen Düften<br />

<strong>und</strong> seidenen Gewändern;<br />

der trockene Wüstenstaub, die glühende Sonne,<br />

fanden wohltuenden Schatten.<br />

Auf der and<strong>al</strong>usischen Erde<br />

wurde aus dem arabischen Traum eine Serenade,<br />

wie für den Vogel der Nacht bestimmt,<br />

der sich von Note zu Note<br />

in eine Freiheit ohne Grenzen schwingt.“<br />

(Nizar Qabbani, Damaskus, 20. Jh 95 )<br />

94 Erschienen 1832 in englischer Sprache, fast zeitgleich<br />

folgte die deutsche Übersetzung. Washington Irving<br />

(geb. 1783 in New York, gest. 1859 in Sunnyside,<br />

Tarrytown) war ein amerikanischer Schriftsteller <strong>und</strong><br />

stand zeitweise im diplomatischen <strong>Die</strong>nst der<br />

amerikanischen Botschaft in Madrid.<br />

95 aus Ich pflückte die Rose … © Übersetzung:<br />

Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong>, Verlag RoseNoire, S. 122, 124.<br />

Syrischer Dichter <strong>und</strong> Diplomat geb. 21. März 1923 in<br />

Damaskus; gest. 30. April 1998 in London<br />

105


GESCHICHTE, GESCHICHTEN <strong>und</strong> GEDICHTE aus der SPANISCHEN<br />

MAURENZEIT … <strong>und</strong> mehr …<br />

Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong><br />

In ihren Büchern geht die Autorein die<br />

Geschichte von <strong>al</strong>-And<strong>al</strong>us -dem maurischen<br />

Spanien- nicht wissenschaftlich an, sie ist eine<br />

leidenschaftliche Erzählerin <strong>und</strong> folgt dem<br />

Schreibstil arabischer Chronisten aus der Zeit<br />

der klassischen islamischen Literatur:<br />

Geschichtliche Ereignisse <strong>und</strong> Entwicklungen<br />

wurden mit Gedichten, mit P<strong>al</strong>astgeflüster,<br />

amüsanten Anekdoten, <strong>und</strong> romantischen oder<br />

tragischen Geschichten aus dem Leben von<br />

K<strong>al</strong>ifen <strong>und</strong> Königen, von Wesiren, Poeten,<br />

heiligen Männern <strong>und</strong> mehr oder weniger<br />

berühmten Frauen ihrer Zeit ausgeschmückt.<br />

Damit waren die arabischen Chronisten nicht<br />

nur Geschichtsschreiber, ihre jahrh<strong>und</strong>erte<strong>al</strong>ten<br />

Werke liefern gleich-zeitig ein Gesellschaftsbild,<br />

sie geben den Zeitgeist der jeweiligen Epoche<br />

wieder. In den vielen Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

muslimischer Herrschaft in Spanien hatte es<br />

Blütezeiten der Wissenschaften gegeben, die<br />

auch das Abendland befruchteten, Zeiten des friedlichen Zusammenlebens der drei Religionen aber<br />

auch Epochen ausufernder Dekadenz.<br />

Es war eine Ehre dass Frau Dr. Dr. h.c. mult. Annemarie Schimmel das Vorwort zur 3. Auflage von<br />

Isabel Blancos Ersterscheinung „GESCHICHTEN aus AL-ANDALUS“, schrieb. <strong>Die</strong><br />

stimmungsvollen Lesungen, <strong>und</strong> die fachk<strong>und</strong>igen, lebendigen Vorträge der Autorin sind beliebt.<br />

Auf ihrer Webseite finden Sie Leseproben <strong>und</strong>/oder Inh<strong>al</strong>tsverzeichnisse der verschiedenen Bücher<br />

<strong>und</strong> Rezensionen. Isabel Blanco del Piñ<strong>al</strong> ist für Sie da, gern beantwortet sie weiterführende Fragen<br />

per Telefon oder per Email.<br />

Verlag RoseNoire Gisela Fischer, 2008<br />

81827 München / Germany – Tel. +49(89) 439 53 21 – Fax +49(89) 439 75 89<br />

Email : rosenoiregf@gmail.com <strong>al</strong>le Bücher <strong>und</strong> Veröffentlichungen auf der Webseite:<br />

https://www.rosenoire.de<br />

Inh<strong>al</strong>tsbeschreibungen der Bücher <strong>und</strong> <strong>al</strong>le digit<strong>al</strong>en Veröffentlichungen kostenlos lesen:<br />

https://www.yumpu.com/user/rosenoiregf<br />

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