Dortmund bauen – Masterplan für eine Stadt
ISBN 978-3-86859-495-9 https://www.jovis.de/de/buecher/product/dortmund-bauen.html
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Strategieformate und Entwicklungsprozesse <strong>für</strong> die Gesamtstadt<br />
Großprojekt ohne »Leuchtturm«?<br />
Der Strukturwandel in <strong>Dortmund</strong> folgte dem Lauf der<br />
Kohle: Im Süden stand sie hoch an, im Norden taucht<br />
sie ab. Im Süden gab es daher schon früh Impulse<br />
<strong>für</strong> die Gestaltung des Wandels — beginnend mit den<br />
Entwicklungen im Umfeld der Technischen Universität<br />
bis hin zur Entwicklung der PHOENIX-Standorte. Im<br />
Nordteil der <strong>Stadt</strong> hingegen »fielen in großem Umfang<br />
Arbeitsplätze weg. Dazu kam ein Verlust an Kaufkraft,<br />
der wiederum mit Segregation einher ging. Der<br />
Norden drohte abgehängt zu werden. Und das darf<br />
nicht sein.«* So fasste Oberbürgermeister Sierau den<br />
Hintergrund <strong>für</strong> ein Programm besonderer Art zusammen,<br />
mit dem die ganze nördliche Hälfte der <strong>Stadt</strong> in<br />
den Blick genommen wurde: »nordwärts« wurde in<br />
Gang gesetzt, um dem Süd-Nord-Gefälle in der <strong>Stadt</strong><br />
entgegenzuwirken.<br />
Strategie der vielen Schritte<br />
Für diese Entwicklung wurde <strong>eine</strong> Strategie gewählt,<br />
die man ansonsten vor allem aus dem Kontext<br />
Internationaler Bauausstellungen kennt und die<br />
exem plarisch mit der IBA Emscher Park (1989—1999) —<br />
nicht zufällig auch in der Gebietskulisse des nördlichen<br />
Ruhrgebietes — vorexerziert wurde: Es gibt<br />
k<strong>eine</strong>n »großen Plan«, auf den hinentwickelt wird,<br />
sondern Ziel- und Wertvorgaben, die <strong>eine</strong>m offenen,<br />
projektorientierten Prozess Orientierung geben.<br />
In diesem Fall gilt als Oberziel die »Harmonisierung<br />
der Lebensbedingungen«. Dies soll sich auf alle<br />
Eckpunkte der Nachhaltigkeit — soziale, ökologische<br />
und ökonomische Entwicklung — sowie die Stärkung<br />
der Zivilgesellschaft beziehen.<br />
Mit dieser Ausrichtung wurden inzwischen drei<br />
Projektgenerationen ins Leben gerufen — mit über<br />
200 Projekten. Deren thematische Spannweite ist<br />
groß und reicht von der Restaurierung <strong>eine</strong>s Kirchturms<br />
bis zur <strong>Dortmund</strong>er Seenplatte, von Bildungsnetzwerken<br />
bis zu <strong>eine</strong>r Fußballgolfanlage … und<br />
vielem mehr. Nicht zuletzt sind auch die — was ihre<br />
Ausdehnung betrifft — ganz großen Projekte wie<br />
die Entwicklung des 450 Hektar umfassenden Standortes<br />
Westfalenhütte Teil dieses Spektrums.<br />
* Ullrich Sierau, »Ohne die <strong>Stadt</strong>gesellschaft<br />
geht es nicht.« — <strong>Dortmund</strong>s<br />
Oberbürgermeister Ullrich Sierau im<br />
Gespräch mit Klaus Selle, in: pnd | online<br />
Ausgabe I / 2018 (www.planung-neudenken.de<br />
/ images / stories / pnd /<br />
dokumente / 1_2018 / sierau_selle.pdf,<br />
Zugriff: 17. 04. 2018)<br />
Wer diese Projekte sichtet, wird zu dem Ergebnis<br />
kommen, dass der Vergleich mit Internationalen<br />
Bauausstellungen an <strong>eine</strong>m Punkt nicht greift:<br />
Während bei <strong>eine</strong>r IBA der Aspekt der internationalen<br />
Sichtbarkeit <strong>eine</strong> ganz zentrale Rolle spielt und nicht<br />
selten in spektakulären Projekten s<strong>eine</strong>n Ausdruck<br />
finden soll, geht es in <strong>Dortmund</strong> deutlich »bodenständiger«<br />
zu. Viele Projekte setzen an Alltagssorgen<br />
der Menschen in den <strong>Stadt</strong>bezirken an — gehe es um<br />
den Erhalt <strong>eine</strong>s Nahversorgungszentrums oder die<br />
Verbesserung der Bildungschancen von Kindern<br />
aus marginalisierten Milieus. Auch die ganz großen<br />
Aufgaben, die schon bei der IBA Emscher Park von<br />
besonderer Bedeutung waren, insbesondere die<br />
Wiedernutzung von vielen hundert Hektar Industrieflächen,<br />
werden in <strong>Dortmund</strong> mit anderer Ambition<br />
angegangen. Hier spielt etwa die Frage, wie viele<br />
Arbeitsplätze mit der Ansiedlung von Logistikzentren<br />
(IKEA, Amazon) geschaffen werden, <strong>eine</strong> größere Rolle<br />
als die besondere bauliche Umsetzung <strong>eine</strong>s solchen<br />
Projekts. »Sichtbarkeit« ist zwar auch ein Kriterium,<br />
aber sie richtet sich vorrangig nach Innen — auf<br />
<strong>Stadt</strong> und Region selbst und soll dort auch zur Image-<br />
Verbesserung des <strong>Dortmund</strong>er Nordens beitragen.<br />
Das schließt natürlich nicht aus, dass es noch<br />
Projekte mit besonderer Symbolkraft geben wird. Der<br />
Prozess ist offen — auch <strong>für</strong> solche Vorhaben. Aber<br />
auch <strong>für</strong> <strong>Dortmund</strong> gilt: Solche Projekt-Leuchttürme<br />
sind weder Ursache noch Motor des Wandels, sondern<br />
deren sichtbarer Ausdruck — und der muss zu Ort<br />
und Aufgabe passen.<br />
Governance <strong>eine</strong>r<br />
Gemeinschaftsaufgabe<br />
»nordwärts« ist von Beginn an als Projekt der<br />
ganzen <strong>Stadt</strong>gesellschaft angelegt worden. Der Rat<br />
der <strong>Stadt</strong> <strong>Dortmund</strong> hat es 2015 beschlossen und<br />
begleitet ebenso wie die Bezirksvertretungen die<br />
Aktivitäten kontinuierlich. Auch die Verwaltung spielt<br />
<strong>eine</strong> wichtige Rolle bei vielen Teilprojekten und bei<br />
dem Bemühen, den Prozess im Zusammenhang<br />
zu gestalten. Aber es war von vornherein klar, dass<br />
das »Dekadenprojekt« nur gelingen kann, wenn viele<br />
Kooperationspartner gefunden werden — in der<br />
Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Zivilgesellschaft.<br />
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