Land Rover ONELIFE 37 - DE
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ESSAY<br />
F R E I R Ä U M E<br />
Wir leben im Zeitalter der Ablenkung<br />
und Angst. Achtsamkeit ist daher das<br />
Gebot der Stunde. Und wo lässt sie<br />
sich besser praktizieren als ... im Auto?<br />
TEXT<br />
E R I N B A K E R<br />
ILLUSTRATION<br />
J Ö R N K A S P U H L<br />
Bis zu acht Milliarden Dollar. So viel geht der Menschheit<br />
jährlich durch psychische Erkrankungen an Produktionsleistung<br />
verloren, wie das Weltwirtschaftsforum errechnete.<br />
Bis 2030 sollen Depressionen die Gesellschaft mehr<br />
kosten als Diabetes, Krebs und Atemwegserkrankungen<br />
zusammen. Kein Wunder, dass Headspace, eine 2014<br />
gestartete Meditations-App für Einsteiger, inzwischen<br />
schon über 16 Millionen Mal heruntergeladen wurde.<br />
Warum? Weil wir zwar immer reicher, gesünder und<br />
älter werden, aber auch gestresster denn je. Durch das<br />
Internet, mobile Endgeräte und den unaufhaltsamen Siegeszug<br />
der sozialen Medien kann man Tag und Nacht in<br />
unsere Privatsphäre eindringen. Die vor Aktivität förmlich<br />
sirrenden Neurotransmitter in unserem Gehirn müssen<br />
unaufhörlich Anfragen, Forderungen, Diskussionen und<br />
Interaktionen verarbeiten. Kurzum: Wir leiden unter konstantem<br />
Hintergrundrauschen. Edward Bullmore, Neurowissenschaftler<br />
und Professor für Psychiatrie an der Universität<br />
Cambridge, nennt das den „chronischen Stress,<br />
mit dem wir im 21. Jahrhundert zu kämpfen haben“.<br />
„Chronisch“ versteht er dabei im medizinischen Sinne<br />
von „ständig“ und „nicht mehr heilbar“. Früher war<br />
es der größte Luxus, erreichbar zu sein. Futurist Gerd<br />
Leonhard glaubt, dass bald die Nichterreichbarkeit<br />
unser wertvollstes Gut sein wird.<br />
Kein Wunder, dass das Fahren den meisten von uns<br />
nach wie vor Freude bereitet, auch wenn der politische<br />
Druck, uns in die öffentlichen Verkehrsmittel zu treiben,<br />
groß ist. Das Auto gehört zu den wenigen wahrhaft privaten<br />
Räumen, die uns geblieben sind. Fahren ist heute eine<br />
der wenigen Alltagsaktivitäten, bei denen man gezwungen<br />
wird, sich von allem zu lösen und auf eine physisch wie<br />
mental fordernde Tätigkeit zu konzentrieren.<br />
Das Schöne am Auto: Es ist – sofern man nicht gerade<br />
vier Jungs zu Hause hat, die ständig befördert werden<br />
müssen – im Grunde ein Rückzugsraum. Wohl deshalb<br />
weigern sich viele Pendler, auf öffentliche Ver kehrs mittel<br />
umzusteigen. Man kann seinen Sound track, das Klima,<br />
die Sitzposition oder die Beleuchtung personalisieren<br />
und ist frei von äußeren Einflüssen. Da Autos sich immer<br />
mehr zum dritten Lebensraum nach Wohnung und Büro<br />
entwickeln, werden sie zunehmend ein Ort, an dem wir<br />
meditieren, still Probleme lösen und einfach nur unseren<br />
Kopf frei bekommen. Schlichte, saubere, glatte Flächen,<br />
die sich angenehm anfühlen, helle Stoffe und dezentes<br />
Design vermitteln ein Gefühl der Ruhe und Weite. Genau<br />
die Umgebung, die Achtsamkeit fördert.<br />
Wenn Autos in den nächsten Jahren immer autonomer<br />
werden, gewinnen wir beim Kriechen durch Staus<br />
bald Zeit zum Nachdenken, ohne ein schlechtes Gewissen<br />
haben zu müssen. Ist der Weg dann frei, wird der<br />
Fahrspaß stets eine sinnvolle Erfahrung bleiben.<br />
Also: Ob Sie sich zurücklehnen und relaxen oder eins<br />
mit Ihrem Aufo fühlen: einfach atmen. Und sein.<br />
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