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TITELSTORY<br />
Nachtwächterin<br />
Marita Zeyen<br />
AACHEN „Ich starte um 21 Uhr als<br />
‚Lühtemann‘ zur Nachtführung durch<br />
die Aachener Altstadt und habe nach<br />
der letzten Tour Feierabend – doch<br />
Schichtbeginn und -ende können je<br />
nach Jahreszeit variieren. Alles hängt<br />
von der Dämmerung ab. Auch tagsüber<br />
biete ich Führungen für private<br />
und betriebliche Gruppen. Ich mag<br />
sowohl die Tag- als auch die Nachtführungen.<br />
Wenn im Dunkeln allerdings<br />
die Gebäude wie der Aachener Dom,<br />
das Brunnendenkmal ‚Hotmannspief‘,<br />
das Rathaus und andere historische<br />
Gebäude beleuchtet sind, ist das eine<br />
besondere Atmosphäre. Seit <strong>18</strong> Jahren<br />
mache ich diesen Job jetzt schon.<br />
Und es wird nie langweilig: Als Nachtwächterin<br />
lerne ich immer wieder<br />
die unterschiedlichsten Leute kennen.<br />
Das genieße ich sehr. Hinzu kommt,<br />
dass Aachen bei Nacht ein toller<br />
Anblick ist, da arbeite ich gerne bis<br />
tief in die Dunkelheit.“<br />
<strong>DB</strong> Umschlagbahnhof<br />
Eifeltor<br />
Georg Schiefelbein, Leiter<br />
KÖLN „Unsere Nachtschichten<br />
beginnen klassisch um 22 Uhr und<br />
enden um sechs Uhr. Während<br />
dieser Zeit verladen 15 unserer<br />
Kollegen LKW-Sendungen, Container<br />
oder Sattelanhänger auf die<br />
Schiene und andersrum. Wir haben<br />
kein festes Personal für die Nachtschicht,<br />
jeder muss mal ran. Von<br />
Lebensmitteln über Autoteile und<br />
Elektrogeräte bis hin zu Gefahrengütern<br />
ist alles dabei: Es gibt nichts,<br />
was wir nicht verladen. Zu den<br />
Nachtarbeitern zählen Bodenpersonal,<br />
Kran- und LKW-Fahrer,<br />
Personal in Ein- und Ausfahrt und<br />
dem Check-Bereich. Natürlich geht<br />
die Nachtschicht nicht spurlos an<br />
einem vorbei. Gerade wenn man<br />
mehrere Nächte hintereinander<br />
gearbeitet hat, ist das für Körper<br />
und Geist anstrengend. Es gibt<br />
Menschen, die stecken die Nachtschicht<br />
gut weg, andere – vor allem<br />
unsere Mitarbeiter ab 40 – haben<br />
dann doch ganz schön daran zu<br />
knabbern.“<br />
GETRAG<br />
Ford Werk<br />
Julian Cebulla,<br />
Produktionsarbeiter<br />
KÖLN „Ich bin von 22:30 Uhr bis<br />
6:30 Uhr auf der Arbeit. Während<br />
dieser Zeit haben wir drei Pausen,<br />
eine Stunde insgesamt. Im Werk<br />
arbeiten nachts circa 25 Leute am<br />
Fließband und produzieren Getriebe<br />
für Ford Autos. Das Beste an der<br />
Nachtarbeit ist für mich die Bezah-<br />
lung, denn wir bekommen einen<br />
Zuschlag. Wenn ich Schichtende<br />
habe, gehen andere zur Arbeit und<br />
ich schlafe währenddessen und<br />
wenn meine Freizeit beginnt, haben<br />
meine Freunde Feierabend.<br />
Deswegen konnte ich ganz normal<br />
am sozialen Leben teilnehmen – da<br />
habe ich keinen Nachteil. Aber auf<br />
Dauer belasten die Nachtschichten<br />
die Physis. Nach der Arbeit komme<br />
ich nach Hause und weiß, ich muss<br />
schlafen. Mein Körper sagt mir<br />
allerdings etwas anderes: Es wird<br />
hell, draußen beginnt das Leben.<br />
Jetzt heißt es, Vorhänge zuziehen<br />
und Gehörschutz rein. Sonst kann<br />
ich mich nicht erholen. Und in der<br />
nächsten Schicht bin ich müde und<br />
nur halb dabei.“<br />
Notschlafstelle<br />
für Jugendliche<br />
Felia Ricke, studentische<br />
Hilfskraft<br />
DORTMUND „In der Nachtschicht<br />
fange ich um 19 Uhr an zu arbeiten<br />
und kann um acht Uhr nach Hause<br />
gehen und ins Bett fallen. Bei uns<br />
in der Notschlafstelle übernachten<br />
Jugendliche, die aus anderen Einrichtungen<br />
wie zum Beispiel betreutem<br />
Wohnen rausgeflogen sind.<br />
Die Jugendlichen sind nur nachts<br />
bei uns, tagsüber müssen sie gehen.<br />
Das dient dem Zweck, ihnen zu<br />
zeigen, wie es ist, auf der Straße zu<br />
leben – denn für viele wäre das der<br />
nächste Schritt. Nachts haben sie<br />
bei uns einen sicheren Schlafplatz.<br />
Wenn ich abends zur Arbeit komme,<br />
muss ich zunächst alle Protokolle<br />
des Tages lesen und Essen zubereiten.<br />
In der Nacht sind wir primär<br />
da, um mit den Jugendlichen zu<br />
sprechen, falls Bedarf besteht. Ich<br />
bin dann die erste Ansprechpartnerin.<br />
Mit mir können sie ihre Sorgen<br />
und Ängste teilen. Sofern nichts<br />
los ist, kann auch ich schlafen, aber<br />
das ist natürlich nicht erholsam.<br />
Ich wache einmal pro Stunde auf und<br />
merke das auch noch in den nächsten<br />
Tagen. Aber durch meine bloße<br />
Anwesenheit, durch ein offenes<br />
Ohr und aufmunternde Worte kann<br />
ich den Jugendlichen helfen.<br />
Bäckerei Willeke<br />
Stefan Willeke, Inhaber<br />
LEVERKUSEN „In der Backstube<br />
starten die ersten Mitarbeiter<br />
unseres 15-köpfigen Teams ihre<br />
Achtstundenschicht unter der<br />
Woche um zwei Uhr. Dann geht<br />
die Arbeitsnacht direkt los: Mehlund<br />
Körnersorten abwiegen, Teige<br />
zu bereiten, formen und ruhen<br />
lassen. Im Laufe des Vormittags<br />
backen wir dann Brote, Brötchen,<br />
Croissants und Baguettes ab. In<br />
der Bäckerei und Konditorei geht<br />
es um vier oder fünf Uhr morgens<br />
los. Auch unsere Auszubildenden<br />
fangen ungefähr um diese Uhrzeit<br />
an, denn das Jugendschutzgesetz<br />
verbietet den Start in den Arbeitstag<br />
um zwei Uhr. Aber egal ob<br />
Backstube oder Verkaufsfläche:<br />
Spätestens, wenn wir <strong>20</strong>0 Brötchen<br />
aus dem Ofen nehmen und unser<br />
fertiges Ergebnis sehen, riechen<br />
und schmecken können, hat sich<br />
das frühe Aufstehen gelohnt.“<br />
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