Reisebericht - Sonderausgabe
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“Alles Fliesst”<br />
festhalten zu wollen, und schultere den Rucksack.<br />
Nach einer Weile gelange ich an den nächsten<br />
Wasserfall. Doch er ist nicht, wie die anderen.<br />
Er tost und donnert nicht, sondern ergießt sich<br />
verspielt und lebendig in glitzernden Kaskaden<br />
in einen wunderschönen flachen Pool, der wie<br />
zum Baden gemacht scheint. Es gibt nur ein<br />
Problem: Zwischen mir und diesem Pool liegt<br />
der Fluss. In seiner ganzen Breite.<br />
Für erfahrene Outdoorer wäre das wohl kaum<br />
ein Hindernis. Flussquerungen gehören ja<br />
quasi zum Outdoor-1x1 und weder Wassertiefe<br />
noch Strömung wären hier objektiv betrachtet<br />
bedenklich.<br />
Für mich und meine fröhliche „101 Dinge,<br />
die hierbei schiefgehen könnten“-Dauerwerbesendung,<br />
stellt sich das jedoch als regelrecht<br />
unüberwindbar dar. Wenn die Schuhe<br />
nass werden, laufe ich mir bestimmt Blasen.<br />
Wenn ich barfuss gehe, könnte ich wegknicken<br />
oder ins Wasser fallen und dann wird<br />
das ganze Gepäck nass – womöglich mache<br />
ich dabei sogar das Handy kaputt. Ich könnte<br />
über die Steine balancieren – aber nicht mit<br />
20 kg auf dem Rücken. Ich könnte den Rucksack<br />
auf dieser Seite lassen, aber dann könnte<br />
ihn jemand klauen…<br />
Meine Vernunft hat die Hoffnung auf ein Bad<br />
im Wasserfall bereits aufgegeben. Niedergeschlagen<br />
wende ich mich zum Gehen. Doch<br />
ich komme nicht weg. Der Wasserfall hält<br />
mich in seinem Bann. „Wir wandern einfach,<br />
bis wir einen Wasserfall auf unserer Seite des<br />
Weges finden“, will mein Hirn mich trösten,<br />
doch jetzt geht mein Bauchgefühl auf die<br />
Barrikaden. „Und wenn dann keiner kommt?<br />
Dann ärgerst Du Dich Dein Leben lang,<br />
dass Du es nicht wenigstens versucht hast!