19.12.2018 Aufrufe

01-2019 HEINZ MAGAZIN Essen

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Liza Kos ©Michel Kitenge<br />

„Ich wünschte mir, dassdie<br />

MenschenihreSicherheit<br />

wenigstens mal vorübergehendverlassenkönnten<br />

und sich Dingeaus der Nähe,vielleicht<br />

sogarvon<br />

innenanschauen.“<br />

dass das Introvertiert-Sein ein Gegensatz zur Bühne ist. Die Bühne<br />

gibt einem die Möglichkeit, laut zu sein, ohne sich anzustrengen.<br />

Ein introvertierter Mensch sitzt ineiner Menschenmenge und es<br />

fällt ihm schwer, gegen alle anzuschreien. Mit dem Mikro in der<br />

Hand hast dudie Macht. Du kommunizierst mit dem Publikum und<br />

es antwortetdir,wenndudas erlaubst.<br />

Gibt es etwas, dasdunicht wagen würdest?<br />

Dinge, die mit einem enormen Risiko verbunden sind. Wo man<br />

denkt, das wäre jetzt ein dummer Tod. Ich möchte einen schlauen<br />

Tod.<br />

Wie bist du eigentlich zurComedy gekommen?Duhastmit Musik angefangen,richtig?<br />

Ja. Mein Vater ist Musiker. Ich sage immer, erhat mich indie Musikschule<br />

gebracht, als ich sechs war und mit 14 Jahren wieder abgeholt.<br />

Das stimmt natürlich nicht ganz, aber ich habe die klassische<br />

russische Musikschulausbildung absolviert. 2<strong>01</strong>1 habe ich damit angefangen,<br />

Lieder zu schreiben. Ich bin mit lustigen und ernsten<br />

Songs auf die Bühne gegangen und habe zwischendurch auch ein<br />

paar Sachen erzählt. Dahabe ich gemerkt: Ohmein Gott, das kann<br />

ich doch! Humor habe ich von meinem Vater gelernt. Erhat einen<br />

zynischen Humor, davon habe ich als Kind sehr viel eingesaugt.<br />

Dann hieß es oft: Warum bist dusofrech? Dabei habe ich eigentlich<br />

nur meineElterngespiegelt.<br />

Istder Begriff„Integrations-Comedy“ eigentlichvon dir?<br />

Ich glaube nicht. Den Begriff hat man mir irgendwann mal zugeschrieben.<br />

Wenn ich mich selbst beschreibe, sage ich multikultiple<br />

Persönlichkeit. Und Multikulti-Talent. Und integrierteste Russin<br />

Deutschlands, weil ich perfekt Türkisch spreche. Aber klar, es geht in<br />

meinem Programm die ganze Zeit umIntegration, weil esummein<br />

Leben geht.<br />

Wie hältst du es überhauptmit nationalen Identitäten? Du bist aus Russland<br />

nach Deutschlandgekommen,hasteinen Ausfluginden Islamunternommen<br />

und dein Vaterkommtursprünglichaus der Ukraine…<br />

Ich bin ein sehr offener Mensch. Kosmopolitisch, kann man sagen.<br />

Innendrin bin ich gegen alle Grenzen. Ich setze mich für die Gleichberechtigung<br />

der Frauen und der LGBT-Community ein sowie gegen<br />

Islamophobie. Und da merke ich sehr schnell, dass esrussischsprachige<br />

Menschen –auch in Deutschland –gibt, die das nicht so<br />

cool finden. Ich habe dazu mal ein Statement auf Facebook geschrieben<br />

und dann wurde mir gesagt, essei kein gutes Zitat inZeiten<br />

der Russland-Phobie. Aber ich sehe das anders. Die Menschen,<br />

die homophob sind, sind meiner Meinung nach instrumentalisiert<br />

worden vom Gesetz gegen homosexuelle Propaganda. In Russland<br />

ging es schon mal viel toleranter zu, in den Neunzigerjahren zum<br />

Beispiel. Ich finde das furchtbar schade. Esgibt natürlich auch viele,<br />

die genauwie ichdenken. Aber dasmacht es schwierig.<br />

Du warstneulich im Urlaub in der Türkeiund hast aufdeiner Facebookseite<br />

geschrieben„Ichliebe diesesLand“.Das istjawahrscheinlichgenauso<br />

einambivalentesVerhältnis?<br />

Die Türkei ist wunderschön. Ich liebe die türkische Kultur ohne Ende.<br />

Ich möchte mein Türkisch weiter perfektionieren und weiter lernen.<br />

Und ich finde die Menschen einfach toll. Ich bin sehr easy damit.<br />

Viele Deutsche sagen, in dieser Situation fahre ich nicht indie<br />

Türkei. Daskannich nichtsoganzverstehen,weilPolitik das eineist.<br />

Aber das Land ist für mich eine andere Kiste. Die Mentalität ist mir<br />

sehr nah geworden. Ich habe dort das Gefühl, als wäre ich zuhause.<br />

Was ich übrigens auch inDeutschland und in Russland habe. Ich habe<br />

ganzschön vieleZuhauses.<br />

Liegt das auch ander Sprache? Und: Wie viele Sprachen sprichst dueigentlich?<br />

Ich habe gesehen, dass du auch mal Tschetschenisch gelernt<br />

hast…<br />

Genau, ich habe viele Sprachen angefangen zu lernen. Auch Albanisch<br />

und Tschetschenisch. Russisch, Deutsch, Englisch und Türkisch<br />

kann ich. Das sind dann vier Sprachen. Und ich muss wohl bemerken,<br />

Türkisch ist amschwächsten und ich vergesse leider auch<br />

vieles, wenn ich nicht übe. Aber esliegt nicht so sehr an der Sprache.<br />

Es geht darum, dass ich aus meiner Schublade herausgekommen<br />

bin und in die türkische Kultur eingetaucht bin. Richtig mit<br />

Kopfund allem. MitKopftuch, kann man sagen.<br />

❚ LIZA KOS–Wasglaub‘ ich,wer ichbin? TheaterTakelgarn,Philipp-Reis-Str.10Düsseldorf; Termin: 11.1., 20<br />

Uhr; Tickets: 9,99-19,90 €//Cabaret Queue,Hermannstr. 74, Dortmund; Termin: 9.2., 19:30 Uhr; Tickets: ab 16 €//<br />

Stratmanns TheaterimEuropahaus,Kennedyplatz7,<strong>Essen</strong>; Termin: 15.2., 20 Uhr; Tickets: 20,80-25,20 €<br />

Liza Kos ©Michel Kitenge<br />

<strong>01</strong>.2<strong>01</strong>9| <strong>HEINZ</strong> |45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!