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01-2019 HEINZ MAGAZIN Essen

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KINO | TIPP DES MONATS<br />

Das neue Absurd<br />

Neuer Ansatz Mitseinem neusten Film „The Favourite“ zeigtRegisseur Yórgos Lánthimoseineneue Seite<br />

seiner Kunst.Der Macher vonIndiehitswie „The Lobster“,„Dogtooth“oder„TheKilling Of ASacredDeer“<br />

wagt sich an ein Kostümdrama. Stattdie Absurditätunseres Daseinswie gewohntdurch Entrückung und<br />

stilisierte Kältezuunterstreichen, lehntersich diesmalvollins lautstarkeGefühlschaos. MitErfolg.<br />

T<br />

he Favourite“ verfolgt die verwobenen Geschichten dreier<br />

Frauen im England des 18. Jahrhunderts: Die der so exzentrischen<br />

wie kränklichen Queen Anne, ihrer engsten Vertrauten Lady<br />

Sarah Marlborough und deren entfernter und vom Oberschichtsglück<br />

abgefallenen Cousine Abigail, die im Königshaus als Dienstmädchen<br />

anheuert. Und sich Stück für Stück ihren Weg zurück nach<br />

obenund an die Seiteder Queen intrigiert.<br />

Lánthimos entblättert in „The Favourite“ wie inallen seinen Filmen<br />

erneut, aber auf andere Art die Abgründe und Absurditäten des<br />

menschlichen Handelns. Setzte er sonst auf Distanz und Verfremdung,<br />

die das übersteigerte Leinwandgeschehen in Metaphernsprech<br />

verwandeln, wagt er sich in seinem dritten englischsprachigen<br />

Film an einen zugänglicheren Ansatz. Der Irrsinn tropft und<br />

trieft in „The Favourite“ dennoch aus allen Poren. Kein Wunder,<br />

strotztdie feudale Gesellschaft des 18.Jahrhunderts mit all ihrerDekadenz<br />

doch sowieso vor Wahnwitz. Die größeren Strukturen stehen<br />

in„The Favourite“ allerdings an zweiter Stelle, obwohl durchaus<br />

gewichtige und auf heute übertragbare Botschaften zufinden sind,<br />

etwa von Herrschern, die nur aus persönlichen Motivationen handeln<br />

und den Blick für die Reichweite ihrer Entscheidungen nie besaßen.<br />

Oder vom moralischen Verfall, der nötig ist, um in der Gesellschaft<br />

aufwärts zu kraxeln. Zentral ist in „The Favourite“ aber die äußerst<br />

merkwürdige (aber niemals unglaubwürdige) Dreiecksbeziehung<br />

der Hauptfiguren. Hier beweist Lánthimos ein geniales Händchen<br />

für perfide konstruierte Charakterkonstellationen, die in immer<br />

pikanteren Machtspielen gipfeln. Getragen wird dieser wichtigste<br />

Aspekt des Films von drei phänomenalen Hauptdarstellerinnen,<br />

die alle auf ihre eigene Art die Leinwand einnehmen, ohne einander<br />

die Show zu stehlen.<br />

Zudem ist der sonst sehr unterschwellige, knochentrockene Humor<br />

Lánthimos‘ hier viel offenbarer. Man muss den Witz nicht mehr zwischen<br />

den Zeilen suchen, er sprüht einem düster, launisch und genüsslich<br />

böse ausjeder Ecke an.<br />

„The Favourite“ ist ein grandioser neuer Eintrag imWerkskatalog eines<br />

der aufregendsten, weil rigorosesten Regisseure unserer Zeit.<br />

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