NATUR-REISE Bunte Überlebenskünstler Die Eifel lockt mit mehr als <strong>40</strong> prächtigen Orchideenarten. Nichts wie hin, meint Sebastian Teichmann. 36
NATUR-REISE Die Luft flimmert, das Hemd klebt am Körper, die Wiese ist steil. Wie zur Entschädigung zirpen Grillen und piepen Vögel aus jedem Busch. Die Mai-Wiese in der Südeifel sieht so aus, wie eine Wiese aussieht, die vermeintlich für gar nichts taugt: kunterbunt. Blaue, gelbe, rote und violette Blumen stehen hier, Bienen summen, und Schmetterlinge flattern. Das Gras ist eher olivgrün als satt, Löwenzahn und Hahnenfuß sucht man hier vergeblich. Eine typische Magerwiese eben, uninteressant für die Landwirtschaft. AUF KARGEM BODEN Würde sie gedüngt, wäre sie zwar satt dunkelgrün, voller Löwenzahn und lecker für Kühe. Die Exoten unserer Heimat aber würden auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Denn zwischen dem mageren Gras stehen spektakuläre Schönheiten – Orchideen. Sie sind viel kleiner als die prachtvollen Orchideen im Blumenladen. Sie müssen auf karge Böden ausweichen, damit sie nicht im mastigen Gras der gedüngten Böden ersticken. Orchideen sind Überlebenskünstler. Oft dauert es viele Jahre, bis sie erste Blätter austreiben und irgendwann ihre Blüten in die Sonne recken. Möglich wird dies, weil die winzigen Samen eine Symbiose, Mykorrhiza genannt, mit einem Wurzelpilz im Erdboden eingehen. Daher ist Dünger ihr Tod, weil die Pilze durch Nitrat-Düngung abgetötet werden. Zusätzlich werden magere Wiesen immer seltener, weil es immer weniger Schäfer gibt. Mehr als <strong>40</strong> wilde Orchideenarten gibt es in Deutschlands westlichstem Mittelgebirge zwischen Aachen und Trier, und ihre Namen sind nicht weniger abenteuerlich als ihr Aussehen: Da gibt es den »Hängenden Menschen«, dessen Blüten aussehen wie kleine, gelbe Männchen, das schöne, bedrohte »Rote Waldvögelein«, dessen Silhouette an einen Vogel erinnert, dazu die »Bocks-Riemenzunge«, die bis zu einem Meter hoch wird, mit weit abstehenden Blüten, die wie ein alter Ziegenbock stinken. Viele Arten sind im Laufe der letzten Jahrhunderte durch die Luft oder an den Flusstälern entlang vom Mittelmeer aus eingewandert und nicht wenige besiedeln nur die wärmsten Areale. Die auf Wiesen wachsenden Orchideen brauchen den Menschen. Ihm sind sie gefolgt, als er Wälder rodete, um Weideflächen für sein Vieh zu gewinnen. Auf den extensiv bewirtschafteten Wiesen konnten sich viele Arten ansiedeln. Bleiben solche Wiesen sich selbst überlassen, wachsen sie schnell mit Büschen und schließlich mit Wald zu, der mitteleuropäischen Klimax-Gesellschaft. Deshalb sorgen Orchideen-Freunde, die sich zu Arbeitskreisen Heimische Orchideen (AHO) zusammengeschlossen haben, dafür, dass solche Wiesen erhalten bleiben. Die Mitglieder sind regelmäßig in der Eifel in Sachen Orchideenschutz unterwegs. Dazu gehört nicht nur die genaue Kartierung der Orchideen-Bestände, die oft einer Schatzsuche gleicht, sondern auch die Pflege der Biotope: Auf einer Magerwiese bei Euskirchen etwa wuchs der »Hängende Mensch«. In manchen Jahren stand da nur noch ein Pflänzchen, weil die Fläche mit Sträuchern zuzuwachsen drohte. 37 01 Schöne Eifel: Hier gibt es naturnahe Wälder, Wiesen, Gewässer, Felsen, Moore und Heiden. / C. Püschel 02 Das Rote Waldvögelein ist sehr auffällig, blüht aber nur unregelmäßig. / Sebastian Hennigs 03 Ohne die Symbiose mit Pilzen nicht überlebensfähig: Der Violette Dingel / Robert Lücke 04 Das Ohnhorn wird wegen seiner Blütengestalt auch »Hängender Mensch« genannt. / Hans Schwarting 05 Wie viele andere Orchideen hat die Sumpf-Stendelwurz mit dem Schwund geeigneter Lebensräume zu kämpfen. / Wolfgang Kühn