14 PARTNERSCHAFT PATRIMONIO MIT BECHTOLSHEIM An die Freude Nichts ist leichter zu pflegen als Hass, Vorurteile und Verbitterung. Dann scheinen die Gedenkfeiern dieser Tage ein Stachel im Fleisch zu sein, weil von Ereignissen voller Schmerz, Scham und Schuld die Rede ist. Mancher wünscht sich, den Mantel des Schweigens über die Geschichte zu breiten. Aber vergeben heißt gerade nicht zu vergessen. Deshalb war es ein Segen, als die Delegation aus Bechtolsheim in Patrimonio auf Korsika an den Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Waffenstillstandes teilnahm. Das Kriegsende am Martinstag war unseren beiden Gemeinden Anlass, eine Partnerschaft zu begründen. Nach der Schweigeminute für die Kriegstoten wurden die Stimmen später auch vereint zur Europahymne, der „Ode an die Freude“. Eines Freundes Freund zu sein sei ein großer Wurf, heißt es darin. Das stimmt! Diese Versöhnung war harte Arbeit. Und es ist eine Ehre sie zu gestalten, indem wir mit den Weinenden weinen und mit Lachenden lachen. Im Gedenken an die Toten und unsagbaren Schrecken der Kriege tut es gut, miteinander zu schweigen. Aber damit die Erinnerung Zukunft hat, darf es dabei nicht bleiben. Versöhnung braucht Menschen, die sich aus den eigenen Grenzen herauswagen – ohne Waffen, wie einst Martin von Tours, selbst wo trennende Gräben tief und leidgefüllt sind. Nichts ist schwerer zu pflegen als eine Freundschaft. Aber es lohnt sich. Immer noch und immer wieder. Bei der Europahymne erwiesen sich im Übrigen beide Völker als nicht wirklich textsicher. Aber das Feuer der Verständigung war endgültig entfacht, als man miteinander aus voller Kehle „Lalalalalalaaa“ schmetterte… Wo der Funke überspringt, herrscht eben einfach helle Freude! Friedrich Schiller Ode an die Freude Textfassung für die Europahymne Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum. Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt, Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt. Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein, wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein! Ja - wer auch nur eine Seele sein nennt auf dem Erdenrund! Und wer's nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund! Freude heißt die starke Feder in der ewigen Natur. Freude, Freude treibt die Räder in der großen Weltenuhr. Blumen lockt sie aus den Keimen, Sonnen aus dem Firmament, Sphären rollt sie in den Räumen, die des Sehers Rohr nicht kennt. Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum. Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt, Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt. Pfarrer Markus Krieger Evangelische Kirchengemeinde Bechtolsheim
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