Enya-Windsbraut-Birte-Laemmle-Leseprobe

Hintergrund getreten und Josse kümmerte sich rührend um sie.
Aber im Augenblick wollte sie nur allein sein. Die Aurora
zog eine hellgrün leuchtende Spur durch die Adische See – Meeresleuchten.
Ihr Vater hatte es geliebt, wenn das Plankton durch
die Bewegung des Schiffes aufgeschreckt wurde und zu leuchten
begann. Es glitzerte wie Millionen winzig kleiner, funkelnder
Sterne. Als ob das Meer ihm seine letzte Ehre erweist, dachte sie,
nachdem wir ihn heute Abend seiner Obhut übergeben haben.
Die Zeremonie war sehr würdevoll und ergreifend gewesen.
Nachdem der Körper ihres Vaters den Wellen übergeben
worden war, hatte Enya nicht aufhören können, zu weinen.
Der Vollmond hatte die feierliche Szenerie an Deck der Aurora
erleuchtet:
Josse, Doc, Albert und Pépin hatten den Leichnam getragen,
er war fest in Sackleinen eingewickelt gewesen. Die Segel hatten
sie geborgen und die euronische Flagge am Heck hing auf Halbmast.
Die Mannschaft war vollständig an der Reling angetreten
gewesen, sie hatten Fackeln in den Händen gehabt und für Tore
einen tiefen Choral gesungen – das Lied der Toten.
Als dann auch der Klabauterich mit in das Klagelied eingestimmt
hatte, war Enya von einer seltsamen Mischung aus
Trauer und Trost erfüllt worden.
Die Töne des Klabauterichs waren aus seinem violetten
Schnabel direkt in ihr Herz gedrungen und hatten ihren
Schmerz damit auf wunderbare Weise abgemildert. Es hatte
zwar nichts an der schrecklichen Wahrheit geändert, aber Enya
war zum ersten Mal sehr froh über seine Anwesenheit an Bord
gewesen. Sie hatten die leere Hülle ihres Vaters die Bordwand
hinuntergelassen und er war in der Dunkelheit der Adischen See
verschwunden.
Heute Nacht würden sich alle zum traditionellen „letzten
Whiskey“ im Salon versammeln und Geschichten über den
21