Vorwort <strong>Brasilien</strong> hat, seitdem ich im September 1978 hier ankam, um eine Vorstandsposition in einem deutschen Automobilzulieferer zu übernehmen, nie „normale“ Zustände erlebt. Im Oktober 1978 wurde der letzte Staatspräsident der Militärregierung gewählt, nach dessen Amtszeit starb der erste gewählte Zivilpräsident noch vor seinem Amtsantritt. Sein Vizepräsident übernahm das Amt und gab es ab, als die Inflation 1.200 % jährlich erreichte. Sein Nachfolger wurde wegen Korruption des Amtes enthoben und wieder übernahm ein Vizepräsident. Dessen Nachfolger war sein Wirtschaftsminister, Universitätsprofessor und Soziologe, dem wie Wirtschaftsminister Erhard, der seinem Chef Adenauer im Amt folgte, das Kunststück gelang, dem Land <strong>durch</strong> eine erfolgreiche Bekämpfung der Inflation wieder Luft zu verschaffen. Sein Nachfolger, ein Arbeiter, Sozialist und Gewerkschaftsführer, schaffte den Sprung in das Präsidentenamt erst im vierten Anlauf und brachte es fertig, <strong>Brasilien</strong> vordergründig zu Prestige und vielen Brasilianer zu bescheidenem Wohlstand zu verhelfen. Dass ihm auch das Kunststück gelang, seinen Nachfolger auszuwählen und in das Amt zu drücken, war fast der Sargnagel <strong>Brasilien</strong>s. Der Nachfolger, eine unfähige ehemalige Terroristin, wurde wegen Haushaltsvergehen des Amtes enthoben und zum dritten Mal erlebte ich, dass ein Vizepräsident das höchste Staatsamt übernehmen musste. Dieser war trotz unbestreitbarer Erfolge bei seinen Bemühungen, das Land aus der bis dato größten moralischen, wirtschaftlichen und politischen Krise zu führen und die Hinterlassenschaft von dreizehn Jahren sozialistischer Regierung, Vetternwirtschaft und parteilicher Justiz aufzuräumen, höchst unbeliebt und konnte vor allem die dringend erforderliche Neuordnung der Sozialversicherung nicht beenden, weil er die politische Kraft nicht aufbrachte. Das lag nicht zuletzt daran, dass er, berechtigt oder nicht, vom damaligen Generalstaatsanwalt regelrecht verfolgt und an den Pranger gestellt wurde. Welche Kräfte dahinterstanden, wird die Geschichte offenbaren – oder auch nicht. Zur Zeit, wir schreiben Mitte Dezember 2018, sitzt der ehemalige Gewerkschaftsführer, der es bis zum Präsidenten geschafft hat, im Gefängnis und verbüßt eine langjährige Haftstrafe, Konsequenz seiner kriminellen Machenschaften, um sich und seine Genossen zu bereichern und an der Macht zu halten. Und der aktuelle Präsident, ungeachtet aller Meriten, die er sich <strong>durch</strong> seine <strong>durch</strong>aus erfolgreichen Anstrengungen verdient hat, <strong>Brasilien</strong> aus einer Krise herauszuführen, hat diese als Vizepräsident mit verschuldet und ihn erwartet nach Ablauf seiner Amtszeit, verbunden mit dem Erlöschen seiner parlamentarischen Immunität, der Staatsanwalt. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er, der Universitätsprofessor für Verfassungsrecht, dem Arbeiterpräsident bald Gesellschaft in einer Strafvollzugsanstalt leisten darf, falls auch er sich nachweisbar einer Straftat schuldig gemacht hat. Aber natürlich nicht in einer Gemeinschaftszelle mit gewöhnlichen Kriminellen, sondern in einer Einzelzelle für White collar – Sträflinge mit Sonderbehandlung. Ein neues Kapitel in der Geschichte <strong>Brasilien</strong>s hat aber schon begonnen, denn am 28.10.2018 wurde Jaír Messias Bolsonaro, Hauptmann der Reserve und langjähriger Parlamentsabgeordneter, aktuell für die PSL, zum neuen Präsidenten gewählt und wird sein Amt am 1. Januar 2019 antreten. Die Wahl war gekennzeichnet von Polemik, Verleumdung, einem fast gelungenen Mordanschlag auf den erfolgreichen Kandidaten, seinem extrem kostengünstigen Wahlkampf, der von ihm per Internet vom Krankenhausbett mit breitester Unterstützung von Freiwilligen geführt wurde, die die PT, PSOL, PCdB und ähnliche linke Parteien und ihre kriminellen Machenschaften, Ignoranz und Inkompetenz, gepaart mit Arroganz, gründlich satt haben. Er hatte fast die gesamte nationale und internationale Presse gegen sich, dazu Gewerkschaften, TV - Sender, linke Organisationen, Künstler, Pseudointellektuelle und Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes, die, soweit es sich um brasilianische Organisationen und Personen handelt, fast immer sehr gut vom bisherigen Zustand profitiert hatten. Unterstützt wurde er u.a. von den Kirchen und der nicht mehr schweigenden Mehrheit, die unter der stärksten Rezession seit Menschengedenken in <strong>Brasilien</strong> und der da<strong>durch</strong> hervorgerufenen Massenarbeitslosigkeit leidet. 2
Ich wünsche meiner zweiten Heimat, dass diese nicht mehr schweigende Mehrheit sich <strong>durch</strong>setzen kann und dass die Amtszeit Bolsonaros von Erfolg gekrönt sein wird. Nomen est Omen, der Vorname Messias ist zumindest ein gutes Zeichen und der Wahlspruch des neuen Präsidenten BRASIL ACIMA DE TUDO, DEUS ACIMA DE TODOS (<strong>Brasilien</strong> über alles, Gott über allen) sollte auch für Nichtchristen akzeptierbar sein. São Paulo, 30. Dezember 2018 Karlheinz K. Naumann +55 11 5666 8266 +55 11 98111 8267 +49 175 272 2254 naumann@eurolatina.biz www.eurolatina.biz www.eurolatinainternational.com.br www.brasilienaktuell.blogspot.com 3