Ausgabe Surseer Woche 5. August 2010 - Trienger Woche
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6<br />
KINDERBÜCHER<br />
Der kleine Hase<br />
linkt den Wolf<br />
BILDERBUCH Ein kleiner Hase gerät<br />
in eine Falle. Er wird vom Wolf gefangen<br />
genommen und muss weitere Hasenfallen<br />
für ihn produzieren. Als dies<br />
dem Hasen zu dumm wird, schlägt er<br />
den Wolf mit seinen eigenen Mitteln.<br />
Der Hase produziert ab sofort eigene<br />
Fallen. Aus einer kleinen Revolution<br />
entsteht ein gut laufendes Geschäft.<br />
Das Bilderbuch von Michaël Escoffier<br />
ist für Kinder ab drei Jahren geeignet.<br />
Die Illustrationen von Eléonore Thuillier<br />
sind zum Teil Collagen, die durch<br />
ihre Schlichtheit und ihre Ausdrucksstärke<br />
überzeugen. Ein gelungenes<br />
Kinderbuch zum Vorlesen. PIA FUCHS<br />
Michaël Escoffier: «Der kluge Hase», illustriert<br />
von Eléonore Thuillier, Baumhaus Verlag<br />
Das blaue Kerlchen<br />
auf dem Sofa<br />
BILDERBUCH Sophies<br />
Familie<br />
brauchte dringend<br />
eine neue Couch.<br />
Dies ist aber kein<br />
leichtes Unterfangen.<br />
Den ganzen Tag<br />
sucht sie in diversen<br />
Trödelmärkten und<br />
Ausverkäufen nach dem geeigneten<br />
Objekt. Kurz vor dem Eindunkeln finden<br />
sie dann doch noch das passende<br />
Objekt.<br />
Auf dieser Couch sitzt jedoch ein blaues<br />
Männchen, das sich nicht vom Fleck<br />
rühren will. Also bleibt der Familie<br />
nichts anderes übrig, als sich an den<br />
kleinen Kerl zu gewöhnen. Es geht<br />
nicht lange, bis der alte Sessel ebenfalls<br />
erneuert werden muss. Was mit<br />
dem neuen Sessel ins Haus kommt,<br />
kann der Leser sich gut vorstellen.<br />
«Er kam mit der Couch» ist ein buntes<br />
Kinderbuch, dass vom Autor selbst<br />
gezeichnet wurde. Die Illustrationen<br />
sind sehr farbig, kindergerecht und<br />
mit viel Liebe zum Detail gemalt. Ein<br />
lustiges Bilderbuch für Kinder ab drei<br />
Jahren. PIA FUCHS<br />
David Slonim: «Er kam mit der Couch», Baumhaus<br />
Verlag, 2009<br />
HÖRBUCH<br />
Nichts ist so, wie es<br />
den Anschein macht<br />
THRILLER Der<br />
angebliche<br />
Selbstmord des<br />
Oberkommissars<br />
Gert Wegner<br />
stellt die Kripo<br />
Kiel vor ein grosses<br />
Rätsel. Der<br />
Tod seiner kleiner<br />
Tochter scheint den Oberkommissar<br />
um einiges mehr mitgenommen zu<br />
haben, als man ihm angemerkt hatte.<br />
Wegners Frau glaubt genauso wenig an<br />
einen Selbstmord wie Gerts Kollegen<br />
Sören Henning und Lisa Santos.<br />
Die Ermittlungen bringen denn auch<br />
Unglaubliches an den Tag. Wegner<br />
scheint ein Doppelleben geführt zu haben,<br />
das er selbst vor seiner Arbeitgeberin,<br />
der Kripo, geheim halten konnte.<br />
Welche Rolle spielte seine Frau bei<br />
der ganzen Geschichte? War der Autounfall<br />
seiner kleinen Tochter gar ein<br />
Mord? – und was hat die Schönheitsklinik<br />
mit der Angelegenheit zu tun?<br />
Es ist eine unheimliche Geschichte,<br />
die Andreas Franz hier erzählt. Die Zusammenhänge<br />
werden erst nach und<br />
nach klarer, doch am Schluss kommt<br />
es doch anders, als vermutet. Eben<br />
ganz im Sinne: Nichts ist so, wie es<br />
scheint.<br />
Ein Thriller, der die Spannung über<br />
die volle Länge beibehält und in einem<br />
grossen Finale endet. PIA FUCHS<br />
Andreas Franz: «Spiel der Teufel», gelesen von<br />
Stephan Benson, Lübbe Audio, Spielzeit 426<br />
Minuten<br />
BUCHTIPPS<br />
Meisterwerk des Grauens<br />
THRILLER JEAN-CHRISTOPHE GRANGÉ – «CHORAL DES TODES»<br />
Der Leiter mehrerer Kinderchöre<br />
in Paris lebt zurückgezogen und<br />
bescheiden. Eines Tages hängt<br />
er tot zwischen den Orgelpfeifen<br />
der Dorfkirche. Doch dann beginnt<br />
das Grauen erst richtig.<br />
Der raubeinige Lionel Kasdan ist gebürtiger<br />
Armenier und seit Kurzem<br />
pensioniert; er war Kommissar bei der<br />
Mordkommission Paris. Als in seiner<br />
Kirchgemeinde in der armenischen<br />
Kathedrale ein Mord passiert, ist er jedoch<br />
der Erste am Tatort.<br />
Kasdan beginnt seine Ermittlungen<br />
mehr oder weniger legal mit Hilfe seines<br />
abgelaufenen Polizeiausweises.<br />
Weil er weiss, dass ihn die im Einsatz<br />
stehende Mordkommission nur duldet<br />
und nicht mitarbeiten lässt, geht er seine<br />
eigenen Wege. Die ersten Recherchen<br />
ergeben, dass wahrscheinlich ein<br />
Kind als Täter für den schrecklichen<br />
Mord in Frage kommt.<br />
Allein gelingt es nicht<br />
Kasdan ist bewusst, dass er die Aufklärung<br />
des Mordes nicht alleine schaffen<br />
kann. Er erinnert sich an einen jungen,<br />
fähigen Kollegen, der zur Zeit jedoch<br />
versucht, seine Drogensucht in einer<br />
Klinik in den Griff zu bekommen. Cédric<br />
Volokine ist Russe, ebenfalls ein<br />
Einzelgänger und war beim Pariser Jugendschutz<br />
erfolgreich tätig, bevor<br />
sein Suchtproblem aufflog.<br />
In der Not vereint<br />
Die beiden sind ein eigenartiges Gespann:<br />
Eigentlich können sie einander<br />
nicht ausstehen, wissen aber gleichzeitig,<br />
dass sie sich gegenseitig helfen<br />
können und müssen. Kasdan will einen<br />
letzten Fall erfolgreich aufklären<br />
und hat die nötige Erfahrung und Autorität,<br />
die hier gebraucht wird.<br />
Volokine erhofft sich einen definitiven<br />
Ausstieg aus seiner Drogenkarriere<br />
und einen ruhmreichen Wiedereinstieg<br />
in seine Arbeitswelt. Er hat in seiner<br />
Vergangenheit im Umgang mit Kindern<br />
und Jugendlichen viel Erfahrung<br />
gesammelt und ein grosses psychologisches<br />
Gespür dafür entwickelt.<br />
Mysteriöse Todesursache<br />
Innerhalb von nur zwei <strong>Woche</strong>n werden<br />
drei weitere Morde verübt. Der<br />
Modus operandi ist immer derselbe.<br />
Der Tod wird durch eine kleine Verletzung<br />
im Trommelfell herbeigerufen.<br />
Wenig Blut, keine Zeugen und lediglich<br />
die Spuren von Kinderturnschuhen<br />
bleiben jeweils am Tatort zurück.<br />
Die Ermittlungen führen zu einigen<br />
Kinderchören der Stadt.<br />
Das erste Opfer war ein chilenischer<br />
Staatsangehöriger im Exil – ein Flüchtling<br />
des chilenischen Bürgerkrieges.<br />
Die Recherchen der beiden ausrangierten<br />
Polizisten gehen in diese Richtung,<br />
ergeben aber scheinbar nichts Brauchbares.<br />
Ein Name aber bleibt hängen<br />
und taucht in der Folge der Ermittlungen<br />
wieder auf im Zusammenhang<br />
rund um bestialische Klang-Folterungen<br />
im zweiten Weltkrieg.<br />
Der erste Blick täuscht<br />
Nur schon der Aufbau von Jean-Christophe<br />
Grangés Thriller ist grandios.<br />
Der Fall wird immer vielschichtiger,<br />
vertrackter und mit jeder Buchseite<br />
spannender. Die Puzzleteile stiften<br />
anfänglich Verwirrung. Werden dann<br />
aber nach und nach zu einem einleuchtenden<br />
Bild zusammengefügt,<br />
das die Abscheulichkeiten und den<br />
Van Leeuwen schlägt zurück<br />
DER VIERTE FALL «EISHERZ» – KRIMI VON CLAUS CORNELIUS FISCHER<br />
«Eisherz» macht seinem Namen<br />
alle Ehre: Kommissar Van Leeuwen<br />
ist verbittert und schlägt<br />
gnadenlos zurück. Privat und als<br />
Polizist.<br />
Der eigensinnige<br />
Amsterdamer<br />
Commissaris Van<br />
Leeuwen trauert<br />
immer noch um<br />
seine verstorbene<br />
Frau Simone.<br />
Sein Leben erscheint<br />
ihm kurz<br />
vor Weihnachten<br />
ganz besonders<br />
leer und sinnlos.<br />
Prügel für den Kommissar<br />
Als er in der heiligen Nacht auch noch<br />
von zwei Jugendlichen auf offener<br />
Strasse zusammengeschlagen wird,<br />
scheint das Mass voll zu sein. Doch<br />
Van Leeuwen täuscht sich.<br />
Grangé spannt die Leserinnen und Leser auf die Folter. FOTO ZVG<br />
Denn am zweiten Weihnachtsfeiertag<br />
wird eine verkohlte weibliche Leiche<br />
auf der Mülldeponie von Amsterdam<br />
aufgefunden. Geichzeitg wird Van<br />
Leeuwen von einem alten Schulkameraden<br />
um Hilfe gebeten, seine verschwundene<br />
17-jährige Tochter zu suchen<br />
und zu ihm zurückzubringen.<br />
Weltweiter Menschenhandel<br />
Unabhängig voneinander führen beide<br />
Spuren ins Rotlichtmilieu und weiter<br />
zum weltweit organisierten Menschenhandel.<br />
Die Schauplätze sind<br />
Amsterdam, Mailand, die USA und<br />
natürlich das «World Wide Web».<br />
«Eisherz» ist Van Leeuwens vierter<br />
Fall. Der neue Kriminalroman ist nicht<br />
mehr so sanft und feinfühlig gesponnen<br />
wie seine beiden Vorgänger. Claus<br />
Cornelius Fischer erzählt von einem<br />
verwandelten Commissaris Van Leeuwen,<br />
der durch den Tod seiner Frau<br />
hart und verbittert geworden ist. Ein<br />
Van Leeuwen, dessen Trauer sich lang-<br />
SURSEER WOCHE/SEMPACHER WOCHE/TRIENGER WOCHE • <strong>5.</strong> AUGUST <strong>2010</strong><br />
Irrsinn der psychischen Abgründe<br />
nicht einmal erahnen lässt.<br />
Grosse Spannung<br />
Mit diesem Werk ist dem vor allem in<br />
Frankreich sehr bekannten Krimiautor<br />
ein weiteres Meisterwerk gelungen,<br />
mit dem man sich etliche Stunden irgendwohin<br />
verkriechen und nicht<br />
mehr aufhören kann mit Lesen, bis der<br />
Albtraum endlich aufgelöst wird.<br />
Wer die packende Krimi-Trilogie von<br />
Stieg Larsson mag, wird von Jean-<br />
Christophe Grangés grausamem neuen<br />
Thriller begeistert sein.<br />
PIA FUCHS<br />
Jean- Christophe Grangé: «Choral des Todes»,<br />
Verlagsgruppe Lübbe 2009<br />
sam in blanke Wut verwandelt – Wut<br />
über die verlogene, korrupte und<br />
scheinheilige Gesellschaft.<br />
Brutal und gewalttätig<br />
Der Thriller ist nichts für zarte Seelen<br />
und schwache Nerven. Die Geschichte<br />
enthält einige sehr unschöne, brutale<br />
und gewalttätige Beschreibungen, die<br />
aber leider der Realität im Menschenhandel<br />
mindestens entsprechen.<br />
Wer Grausamkeiten erträgt und die<br />
Augen vor der real existierenden Gewalt<br />
nicht verschliessen will, für den<br />
ist diese Geschichte ein hervorragender<br />
Krimi, der die Abgründe der Profitgesellschaft<br />
brutal in den Fokus<br />
stellt. Für andere, eher zart besaitete<br />
Gemüter, die sich beim Lesen lieber<br />
entspannen möchten, ist Fischers<br />
Buch wohl nicht das richtige.<br />
PIA FUCHS<br />
Claus Cornelius Fischer: «Eisherz», Lübbe<br />
Verlag <strong>2010</strong><br />
Ein Krimi ohne<br />
blutige Szenen<br />
INDRIDASON Mitten<br />
in Reykjavik wird<br />
ein junger Mann tot<br />
aufgefunden. Runolfur<br />
liegt nackt und mit<br />
aufgeschlitzter Kehle<br />
in seiner Wohnung. In<br />
seiner Manteltasche<br />
und später auch in<br />
den Laboranalysen<br />
seines Blutes wird die «Vergewaltigungsdroge»<br />
Rohypnol gefunden.<br />
Da der Hauptkommissar Erlendur<br />
nach seinem letzten Fall dringend eine<br />
Auszeit braucht, ist nur seine Stellvertreterin<br />
Elinborg zur Stelle, um die ersten<br />
Ermittlungen zu leiten. Elinborg<br />
hat keinen leichten Job zu erledigen.<br />
Das Opfer verbrachte ein sozial unauffälliges<br />
und zurückgezogenes Leben.<br />
Niemand scheint etwas über den jungen<br />
Mann zu wissen.<br />
Dank ihrem Geruchssinn findet Elinborg<br />
die Frau, die in der Todesnacht<br />
von Runolfur vergewaltigt worden ist.<br />
Der Fall scheint geklärt, aber irgendwie<br />
traut Elinborg dieser einfachen Lösung<br />
nicht über den Weg.<br />
Plötzlich dämmert ihr, welcher Fehler<br />
ihr unterlaufen ist, und die Suche beginnt<br />
nochmals von vorne.<br />
Indridasons neuestes Werk ist ein<br />
gradliniger Krimi. Ein Roman, der<br />
ohne blutige Szenen auskommt. Die<br />
Geschichte dümpelt teilweise dahin,<br />
ist nicht mit Hochspannung gespickt,<br />
und trotzdem will man als Leser unbedingt<br />
wissen, wie es ausgeht.<br />
PIA FUCHS<br />
Arnaldur Indridason: «Frevelopfer», Bastei<br />
Lübbe <strong>2010</strong><br />
Ein Ballon löst eine<br />
Revolution aus<br />
PAASILINNA Ein Heissluftballon<br />
sorgt im Roman «Vom Himmel in<br />
die Traufe» für Liebe – und dann<br />
für eine Arbeiterrevolution.<br />
Der arbeitslose<br />
Wald- und Wanderarbeiter<br />
Hermanni<br />
Heiskari vertreibt<br />
seine Zeit mit Eisfischen<br />
auf dem Inarisee<br />
in Lappland. Als<br />
er neben dem Eisloch<br />
auf seinen grossen<br />
Fang wartet, hört<br />
er ein lautes Krachen,<br />
als würden Bäume umstürzen.<br />
Im selben Moment zerrt ein grosser<br />
Fisch an seiner Angel. Heiskari weiss<br />
nicht wie ihm geschieht, als gleich darauf<br />
ein grosser roter Luftballon über<br />
das Eis fliegt und eine zerfetzte Gondel<br />
hinter sich her zieht. Nun gilt es erst<br />
den <strong>Woche</strong>nfang zu sichern, und danach<br />
der hilferufenden Stimme, die<br />
aus dem Korb erschallt, auf den Grund<br />
zu gehen.<br />
Als beides erledigt ist, stellt sich heraus,<br />
dass sich der weibliche Passagier<br />
Lena, eine feine Dame aus Schweden,<br />
beim Absturz die Hüfte ausgerenkt hat.<br />
Heiskari bleibt nichts anderes übrig, als<br />
sie in das nächstgelegene Krankenhaus<br />
zu transportieren. Das jedoch ist einige<br />
Kilometer Fussmarsch entfernt, so dass<br />
sich Heiskari etwas einfallen lässt. Aus<br />
dem zerfetzten Korb und ein paar alten<br />
Skiern baut er einen Schlitten und<br />
spannt sich selbst als Zugpferd ein.<br />
Lena Lundmark verliebt sich in ihren<br />
Retter und plant, ihm als Dank ihren<br />
Onkel ein Jahr lang als Butler und «Erzieher»<br />
zur Seite zu stellen, um ihn<br />
dann wohlerzogen zu heiraten. Die beiden<br />
Männer leben ein Jahr lang in Saus<br />
und Braus – auf Kosten der wohlhabenden<br />
Dame, und bereiten so nebenbei<br />
die finnische Arbeiterrevolution vor.<br />
Das neuste Buch von Paasilinna ist wie<br />
von diesem Autor gewohnt, sehr skurril<br />
und fantasievoll. Die Geschichte ist<br />
erneut unglaublich und der Leser<br />
staunt immer wieder, auf welch ungewöhnliche<br />
Ideen er kommt.<br />
PIA FUCHS<br />
Arto Paasilinna: «Vom Himmel in die Traufe»,<br />
Bastei Lübbe GmbH & Co <strong>2010</strong>