Peter Rademann FIN 13.02.2019
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Das kurze Leben von <strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> 1888-1916<br />
1<br />
Als seine Eltern im Frühsommer 1887 vor dem Traualtar in der mehr als<br />
700 Jahre alten Kirche in Tellingstedt sich einander versprachen, wussten<br />
sie um die Geburt ihre ersten Kindes.<br />
So gab der Landmann Jürgen <strong>Rademann</strong> am 20 Februar 1888 zu Protokoll,<br />
das seine Frau Helene Catharina Holm einem Sohn das Leben geschenkt<br />
hat. Neun Tage später wird das Kind in der evangelischen Kirche zu<br />
Hennstedt auf den Namen <strong>Peter</strong> getauft. Die Mutter starb 1893 bei der<br />
Geburt ihres vierten Kindes, der Tochter Anna Helene, die Jahre später in<br />
Hamburg den Rechtsanwalt Ewald Butt heiratete<br />
Der sechsjährige <strong>Peter</strong> ist jetzt mit dem Vater und dem Baby allein, zwei<br />
weitere Geschwister sind auch zu Grabe getragen. Der Bruder der<br />
verstorbenen Mutter Gabriel Holm und dessen Frau Anna Reihe sind ohne<br />
Kinder und sie nehmen die zwei Kinder zu sich als Jürgen <strong>Rademann</strong> nach<br />
Dänemark übersiedelt. Die Familie Holm lebte seit eh und je am südlichen<br />
Ufer der Eider, als Fischer und als Fährleute. Die Eider teilt die Landschaften<br />
Schleswig und Holstein. Familie <strong>Rademann</strong> lebt seit vielen hundert Jahren in<br />
den Elbmarschen, der Name ist auch heute noch häufig anzutreffen.<br />
<strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> 1814-1894 kam aus Hohdorf, nach Bargen an die Eider<br />
und lernte 1845 hier die um zehn Jahre jüngere Wiebke Lafrenz aus<br />
Friedrichsholm kennen die als Dienstmagd bei Jürgen Claussen einem<br />
Schiffer in Lohn und Brot stand. Jürgen <strong>Rademann</strong> ist eines der fünf Kinder<br />
dieser Ehe die bis 1860 geboren wurden. Der ältere Bruder <strong>Peter</strong> Friedrich<br />
<strong>Rademann</strong> verlässt seine Heimat im Mai 1888 Richtung New York und lebte<br />
in New Jersey. Jürgen <strong>Rademann</strong> 1862-1955 wird die letzten zehn Jahre bei<br />
seiner Tochter in New York verleben. Das er seinem Bruder räumlich so<br />
nahe war, hat er nicht gewusst.<br />
1895 verlässt Jürgen seine beiden Kinder in Richtung Hadersleben. Nach<br />
dem Deutsch-Dänischen Krieg wurde Nordschleswig 1864 den Preußen zu<br />
gesprochen. Jürgen findet Arbeit beim Ausbau der Eisenbahn und er heiratet<br />
noch in Hennstedt Charlotte Caroline Eleonore Witzleben mit der er vier<br />
Kinder zeugt , den Sohn Adolf bringt seine zweite Frau in die Ehe mit, er<br />
wird später den Namen <strong>Rademann</strong> annehmen<br />
<strong>Peter</strong> in Hennstedt hört nicht viel vom Vater, während er umhegt von<br />
Verwandten der Mutter in Bargen in der Gemeinde Erfde lebt. Nach kurzem<br />
Schulbesuch muss er sich als Landarbeiter, als Dienstknecht verdingen. Die<br />
goldenen Jahre der Kaiserzeit sind für <strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> meinem Großvater<br />
nicht besonders golden.<br />
Ab 1912 fällt ein Tropfen Gold vom Himmel auf <strong>Peter</strong>s Seele als er Maria<br />
Helene kennenlernt. Sie verfasste einige Jahre später über ihn „dem meine<br />
Seele liebte, du treuer Gatte, meiner Kinder Glück der nie mein Herz<br />
betrübte“<br />
Maria Helene ist Tochter des pensionierten Weichenstellers Albert Kawalek<br />
und seiner Gattin Anna Ohlen. Maria ist in Hohenwestedt geboren und war.<br />
Albert hatte zusammen mit seinen Brüdern die Heimat in Mährisch Ostrau<br />
verlassen um über Hamburg nach Nordamerika auszuwandern. In der<br />
Wartezeit für eine günstige Passage fanden die Brüder Arbeit beim Bau der<br />
Eisenbahn.<br />
Wojeiech Kawalek der Vater war in der Ortschaft Czarnylas [dtsch.<br />
Schwarzwald] im Kreis Aldenau, heute im südlichen Polen Dorfschulze.<br />
Leider sind wenige Kirchenbücher vorhanden Gerne hätte ich die<br />
Genealogie der Familie ausreichend erforscht. Zwölf Kinder des Ehepaares<br />
fand ich in den katholischen Kirchenbüchern. Über die Familie Kawalek<br />
berichte ich an anderer Stelle ausführlicher.<br />
Meine Geschichte - Meine Geschichten - Zornig Ahnen 1550 bis 2019 - © <strong>Peter</strong> Zornig Wien
Das kurze Leben von <strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> 1888-1916<br />
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Meine Großmutter musste ihre slawische Herkunft nicht verbergen die<br />
wenigen Fotoaufnahmen zeigen sie als selbstbewusste hübsche Frau. Marie<br />
Helene wusste, dass sie bei Ihrer Hochzeit mit Jürgen im August 1913 in<br />
Nordhastedt schwanger. Sohn Johann kam ersten Tag im Jahre 1914 zur<br />
Welt kam. Ein Schicksalsjahr in vieler Hinsicht.<br />
Denn Mitte August 1914 verkündet der viel verehrte Kaiser einen neuen<br />
Krieg, der sich schnell zu einem Weltkrieg ausbreitet. Als in der Nähe von<br />
Itzehoe im Lockstedter Lager, ein neues Regiment zusammengestellt wird,<br />
muss sich auch <strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> 1914 dort für den Fronteinsatz vorbereiten.<br />
Der Krieg tobt an der Ostfront für Preußen erfolgreich. Das Reserve wird<br />
ab Januar 1915 an die Ostfront transportiert. Hier hatte der Kaiser im<br />
Spätsommer 1914 mit seinem Fußvolk große Erfolge gegen die Russen<br />
errungen. So verharrten große Truppenteile seit Monaten in einem<br />
Stellungskrieg der noch ein weiteres Jahr andauern sollte.<br />
Die Schlacht am Naratsch See im Frühjahr 1915 war ein Versuch des<br />
zaristischen Heeres, die Initiative an der Ostfront nach dem Großen<br />
Rückzug des Jahres 1915 Russlands. Der Narotsch ist der größte See<br />
Weißrusslands und ein gleichnamiger Ort an dessen Ufer im Norden des<br />
Landes in der Woblast Minsk. Der See liegt inmitten einer wald- und<br />
moorreichen Landschaft rund 160 Km von Vilnius der Hauptstadt des<br />
heutigen Litauens entfernt.<br />
Die Geschichte des Reserve Regiments RIR 266 ist in zwei dicken<br />
Tagebüchern mit je 700 Seiten. Aus diesen Informationen lassen sich die<br />
letzten Tage aus dem Leben meines Großvaters Punkt genau zusammen<br />
Während dieser Zeit des Wartens, der Gebete und der Angst um den<br />
geliebten Mann in der Ferne ist Marie Helene wieder schwanger, am 17 Mai<br />
1915 wird in Westermoor bei Hennstedt die Tochter Anna Helene [meine<br />
Mutter] geboren. Nach einem kalten und nassen Winter in den<br />
Grabenbehausungen freuen sich die ermüdeten Soldaten 1916 über die<br />
ersten Sonnenstrahlen und die kleine Kompanie stellt sich einem<br />
Fotografen. Wir sehen hier <strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> mit 28 Jahren Vater zweier<br />
Kinder abgemagert, schwach<br />
Als Feldpost Karte gelangt das Foto zwei Monate später bei Maria Helene<br />
in Westermoor bei Hennstedt Kreis Norderdithmarschen ein.<br />
Das Foto auf der Postkarte ist im Frühjahr 1916 entstanden ein Kamerad<br />
aus Holstein gibt die Karte während eines Heimaturlaubes zur Post Der<br />
Absender ist der Gefreiter Rathmann 12/266 zZt. Urlaub Poststempel<br />
Fahretoft 218/16<br />
An Frau <strong>Rademann</strong> Westermoor<br />
Frau <strong>Rademann</strong>, Ihrem Schreiben nach möchten Sie gerne Karte [das Foto]<br />
haben, wie Herr Feldwebel Kuhlmann mir erzählte. Wollen Sie mir bitte<br />
senden. Leider ist es ihrem Mann ja nicht vergönnt gewesen, die Karte zu<br />
sehen. Hochachtungsvoll Gefreiter Rathmann dzt. auf Urlaub Seeth. Kreis<br />
Schleswig 12/266<br />
Einzig eine Postkarte ist uns erhalten geblieben und tauchte erst 2014 beim<br />
Sortieren auf. Der Text der Rückseite einer wenig beachteten Feldpostkarte<br />
aus Besitz meiner Mutter erklärt die Umstände des Todes und gibt Einblicke<br />
in die letzten Tage des jungen Familien Vaters. Das Foto auf der Vorderseite<br />
zeigt die schlecht bekleidete, acht Mann starke Gruppe links, stehend <strong>Peter</strong><br />
<strong>Rademann</strong>.<br />
Viele Kameraden leiden unter Typhus. Obwohl sich die Umstände im Lager<br />
verbessern sind immer wieder Tote und Verwundete zu beklagen. Das<br />
Waldlager Pronik das nach den erfolgreichen Kämpfen des Sommers 1916<br />
hier für die Überwinterung errichtet wurde, liegt in Reichweit der feindlichen<br />
Artillerie.<br />
Meine Geschichte - Meine Geschichten - Zornig Ahnen 1550 bis 2019 - © <strong>Peter</strong> Zornig Wien
Das kurze Leben von <strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> 1888-1916<br />
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Die wenigen verfügbaren Sanatorien liegen jedoch außer Reichweite der<br />
Stellungen. [Aus dem Aufenthalt in einem Sanatorium wahrscheinlich im<br />
Frühsommer 1916 ist ein Fotofragment überliefert. Es zeigt <strong>Peter</strong> in<br />
gestreifter Anstaltskleidung.] Zum Zeitpunkt der Aufnahme des<br />
Gruppenbildes war er möglicherweise gerade zur Einheit zurückgekehrt.<br />
Doch als man die Russen aus ihrer Stellung vertrieben hat, stellt man fest,<br />
dass die Nachbarhöhe 138 immer noch besetzt ist. Und von hier schlägt<br />
permanent Feuer in die Reihen der 266er. Ein erster Angriff am 18. scheitert,<br />
auf dieser Höhe ist der Feind noch nicht erschüttert. So wird für den 19. der<br />
Angriff nochmals angesetzt.<br />
Früh morgens wird das III. Bataillon bereitgestellt, die 9. und 12. Kompagnie<br />
bilden die vorderste Linie, die von überhöhtem MG-Feuer unterstützt wird.<br />
Bis auf 300 m kommen die Männer an die feindliche Stellung heran, die<br />
entdeckt … und nun Dampf in die Schützenlöcher. Da hilft nur noch der<br />
Sturm nach vorne. Um kurz nach ein Uhr blitzen die Bajonette, und die<br />
schweren deutschen MG jagen Garbe auf Garbe hinüber in die feindliche<br />
Stellung.<br />
Die schweratmenden Stürmer der Kompagnie starren gegen den Kamm.<br />
Kein Schussfeld! Weiter! Am jenseitigen Hang zieht sich ein 40 m breites<br />
Grabenstück hin. Hinein! Der Graben ist knietief mit Toten und Verwundeten<br />
vorzudringen ist nicht möglich. Die Kompagnien können froh sein, wenn zur<br />
Nacht das Erreichte einigermaßen verteidigungsfähig ist.<br />
Um Mitternacht schließlich ist der Graben durchgehend verbunden. Da wird<br />
es vor der Stellung der 9. und 12. Kompagnie lebendig. Bis auf 40 m ist der<br />
Russe an die deutsche Stellung herangekommen, nun tritt er zum Sturm an.<br />
Ein heftiges Abwehrfeuer schlägt ihm entgegen, in der Dunkelheit kommt es<br />
Immer wieder greifen die Russen an, der zäheste, tapferste Gegner, dem<br />
das Bataillon je begegnet ist. Aber die Stöße werden schwächer. Gegen 1<br />
Uhr erstirbt das Feuer in Einzelschüssen. Dann wird vorn ein<br />
stillschweigender Waffenstillstand zum Bergen der Toten und zum Fort<br />
schaffen der Verwundeten benutzt. Als der Morgen des 20. freundlich, klar<br />
und lautlos heraufsteigt, klaffen auch im Bataillon die Lücken auf: 32 Tote<br />
und 121 Verwundete."<br />
Auf dem von den deutschen Truppen angelegten Soldatenfriedhof wird er<br />
<strong>Peter</strong> wahrscheinlich bestattet. Von den meisten Friedhöfen dieser Art ist<br />
heute allerdings nichts mehr bekannt. Der Kampfverlauf wie hier<br />
beschrieben ist ident mit den Informationen die uns über den frühen Tod von<br />
<strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> vorliegen.<br />
Fünf Tage nach den Ereignissen am 30. Juni 1916, erhält Maria Helene über<br />
das Standesamt in Hennstedt Nachricht, dass Ihr Mann und Vater ihrer zwei<br />
Kinder am 25. Juni im Kampf gefallen sei.<br />
Plötzlich und unerwartet erhielt ich die tieftraurige Nachricht, dass mein<br />
lieber, guter Mann und meiner beiden Kinder treusorgender und Neffe <strong>Peter</strong><br />
<strong>Rademann</strong> Landessturmmann im Res.-Inf.-Reg. Nr. 226 auf dem...<br />
Kriegsschauplatz im Alter von 28 Jahren den Heldentod erlitten hat. In tiefer<br />
Trauer Maria <strong>Rademann</strong> nebst Familie Westermoor bei Hennstedt, den 30.<br />
Juni 1916<br />
Noch einmal 10 Tage später hält die Witwe das zwei Monate alte Foto ihres<br />
Mannes durch die Post. Ein Kamerad befindet sich in Holstein auf<br />
Heimaturlaub und übermittelt das wertvolle Dokument per Feldpost:<br />
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Das kurze Leben von <strong>Peter</strong> <strong>Rademann</strong> 1888-1916<br />
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Mein guter Mann<br />
Du gingst dahin den meine Seele liebte, du treuer Gatte, meiner Kinder<br />
Glück. Du gingst dahin, der nie mein Herz betrübte und lässt mich trostlos<br />
hier zurück. Wir könnten beide glücklich sein. Doch grausam griff das<br />
Schicksal ein, nahm mir das Liebste auf der Erde. Wie kann es denn nur<br />
möglich sein? Mein guter Mann ruh still in Frieden ein kurzes Glück war uns<br />
beschieden. Er war mein ganzes Glück ruhe sanft du edles Herz. Dir der<br />
Friede uns der Schmerz.<br />
Foto: Traueranzeige 1916, Postkarte aus Aufnahme 1916, Ausschnitt aus<br />
Das Foto das Maria 1919 mit ihren beiden Kindern machen lässt ist das<br />
Einzige das wir heute als Erinnerung an sie haben, tapfer blick sie in die<br />
Kamera. Die Kinder schauen fassungslos, Freude kommt da nicht auf.<br />
Ein Verwandter wird zum Vormund der Kinder gestellt der Bäckermeister<br />
Uwe Ohlen der immer wieder in den Erzählungen meiner Mutter als<br />
rettender Anker auftaucht. Beide Kinder werden in Nordhastedt unter den<br />
verwandten herumgereicht“, als sie die Schule in verlassen nach der<br />
Konfirmation sorgt „Onkel Uwe“ für eine entsprechende Ausbildung des<br />
jungen Mädchen .<br />
Wohl zur Absicherung für Ihre Kinder heiratet Maria Helene <strong>Rademann</strong> geb.<br />
Jahr schließt sie für immer die Augen. Johann <strong>Rademann</strong> bleibt mit elf<br />
Jahren und seine Schwester Anna Helene mit zehn Jahren auf sich allein<br />
gestellt. Wäre da nicht die Familie Ohlen gewesen.<br />
Zwei Kawalek Brüder hatten um 1880 zwei Ohlen Schwestern geheiratet.<br />
Uwe Ohlen Bäckermeister aus Nordhastedt, Sohn eines Bruders der beiden<br />
Schwestern wurde zum Vormund für die beiden Kinder <strong>Rademann</strong> bestellt<br />
und hat sich als wahrer Segen für die beiden Waisen erwiesen.<br />
Quelle: Texte unter Verwendung der Geschichte des Reserve Regiments<br />
RIR 266 Quelle: Text erstellt unter Verwendung von Ausschnitte aus dem<br />
Tagebuch Ludwig Bill, Musketier, aus dem 9./ResInfReg266, verw.<br />
19./20.06. bei Kalwarja infolge Kopfschuß, gest. 28.06.15 in Wylkowyszki in<br />
einem Kriegslazarett Bilder: Luth. Kirche Tellingstedt Unten Albert Michael<br />
Kawalek 1851 -1921 seine Frau Anna Ohlen1852-192<br />
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