alternovum.
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Symposium.<br />
„Die rigorose Ökonomisierung des Sozialen,<br />
der (Aber)Glauben an den Markt mit der<br />
immer stärkeren Herausbildung von börsennotierten<br />
und gewinnmaximierenden<br />
Pflegekonzernen birgt die große Gefahr<br />
einer den menschlichen Bedürfnissen und<br />
Bedarfen verschlossenen Sackgasse …“<br />
Dr. Stefan Arend<br />
Gute Pflege kann, soll<br />
und wird es geben –<br />
sagt Andreas Westerfellhaus<br />
„Gutes Leben, gute Pflege?“ – Unter diesem Titel stand<br />
das 17. KWA Symposium, das im KWA Stift im Hohenzollernpark<br />
in Berlin stattfand.<br />
Von vielen unbemerkt ist die Fachwelt gerade dabei, Pflege<br />
zu revolutionieren. Prof. Dr. Andreas Büscher sagte<br />
auf dem KWA Symposium dazu einen Satz, den er bereits<br />
in der Ausbildung gelernt habe: „Pflege ist ein Problemlösungs-<br />
und Beziehungsprozess.“ Zweitgenanntes werde<br />
oft vergessen. Doch das soll sich ändern. Ein Zeitbudget<br />
für Pflege könnte dazu beitragen, dass Pflegende mehr<br />
Freiheiten haben und sich nicht auf das Abarbeiten pflegerischer<br />
Verrichtungen beschränken müssen. Prof. Dr.<br />
Thomas Klie benannte das übergeordnete Ziel: „Von Pflegeschlüsseln<br />
und Fachkraftquoten müssen wir zum Menschen<br />
kommen.“ Gute Pflege ziele nicht auf Wellness. Es<br />
gehe vielmehr darum, Bedingungen zu schaffen, die es<br />
auch Menschen mit Pflegebedarf ermöglichen, am Leben<br />
teilzunehmen und für andere bedeutsam zu sein.<br />
KWA Vorstand Dr. Stefan Arend beschrieb die aktuelle<br />
Situation: „Die rigorose Ökonomisierung des Sozialen,<br />
der (Aber)Glauben an den Markt mit der immer stärkeren<br />
Herausbildung von börsennotierten und gewinnmaximierenden<br />
Pflegekonzernen birgt die große Gefahr<br />
einer den menschlichen Bedürfnissen und Bedarfen verschlossenen<br />
Sackgasse, in der zwar normiert und staatlich<br />
beaufsichtigt wird, aber das gute Leben des Menschen<br />
keinen Platz mehr hat.“<br />
Andreas Westerfellhaus, der Bevollmächtigte der Bundesregierung<br />
für Pflege, sieht das anders, sagte: „Gute<br />
Pflege kann, soll und wird es geben.“ Als Gastredner des<br />
Symposiums legte der gelernte Krankenpfleger seine<br />
Sicht der Dinge dar, benannte die Gründe für den Berufsausstieg<br />
von Pflegekräften – oder den Wechsel in ein europäisches<br />
Nachbarland: zu wenige Kollegen, zu wenig<br />
Zeit, zu wenig Anerkennung. Aber auch: fehlende Autonomie,<br />
fehlende Verordnungsfähigkeit und fehlende Entscheidungsmöglichkeiten<br />
vor Ort. All dem wolle Politik<br />
nun entgegenwirken.<br />
warte man noch auf Richtlinien zur Verwendung der zusätzlich<br />
geschaffenen Stellen. Auf einen Paradigmenwechsel<br />
vorbereitet hat sich KWA schon seit Jahren. Als<br />
KWA Pflegeexpertin Bianca Jendrzej im Jahr 2015 mit<br />
Nolan's Six Senses bei KWA erstmals bedeutsame Aspekte<br />
der Pflege vorstellte, die sich am Menschen orientieren,<br />
kamen prompt Rückmeldungen, dass dieser Ansatz in<br />
der Pflegerealität nicht leistbar sei. Doch Jendrzej eröffnete<br />
die Diskussion. Und man kam zu dem Schluss: fehlende<br />
Dimensionen der Pflege sollen durch starke Führungspersönlichkeiten<br />
und klare Prozesse gefördert<br />
werden. Zudem wurde klar: Begleitung und Pflege müssen<br />
eine Balance herstellen zwischen Mitarbeitern, Bewohnern<br />
und Angehörigen. Denn: „Zufriedene Mitarbeiter<br />
pflegen gut“, so Jendrzej. Mit dem KWA Leitbild Begleitung<br />
und Pflege gibt es seit 2018 einen Leitfaden.<br />
Im Bereich der häuslichen Pflege steht Deutschland vor<br />
ganz großen Herausforderungen. Die Leiterin der Abteilung<br />
Pflege beim AOK-Bundesverband, Nadine Michèle<br />
Szepan, verwies auf einen riesigen blinden Fleck: „Fast<br />
Dreiviertel der Pflegeempfänger leben im häuslichen Bereich.<br />
Alle Einrichtungen haben heute eine Benchmark<br />
über Indikatoren. Über häusliche Pflege wissen wir hingegen<br />
fast nichts.“ Thomas Klie sieht ebenfalls dringenden<br />
Handlungsbedarf und sagt: „Diese Menschen<br />
brauchen unsere Solidarität.“ Die Pflegenden und die zu<br />
Pflegenden. Auch für die 600.000 Menschen aus dem osteuropäischen<br />
Raum, die in deutschen Haushalten pflegen,<br />
brauche man eine Lösung, so Klie.<br />
Westerfellhaus möchte zur Entlastung von Angehörigen<br />
im ersten Schritt die Zahl der Kurzzeitpflegeplätze steigern.<br />
Doch das Vorhalten der Plätze ist für viele Anbieter<br />
ein Minusgeschäft. Deshalb blickt der Pflegebevollmächtigte<br />
mit Interesse auf den laufenden bayerischen Modellversuch:<br />
Das Schaffen von Kurzzeitpflegeplätzen<br />
wird finanziell gefördert. Leerstehende Krankenhausbetten<br />
sollen dabei eine wichtige Rolle spielen.<br />
Sieglinde Hankele<br />
Manfred Zwick, der KWA Pflegeverantwortliche, wies<br />
darauf hin, dass bisher in Einrichtungen noch verrichtungsorientiert<br />
gepflegt wird. „Mitarbeiter müssen erst<br />
lernen, ein Mehr an Zeit sinnvoll zu verwenden.“ Derzeit<br />
Ein ausführlicher Bericht zum 17. KWA<br />
Symposium ist auf www.kwa.de zu finden.<br />
18 <strong>alternovum</strong> | 1/2019<br />
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