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Arbeitswelten.<br />
3 x 30<br />
Jahre Pflege<br />
Neue Chance für Mitbürger<br />
mit Migrationshintergrund<br />
KWA Hanns-Seidel-Haus<br />
Manuela Rödel, Milena Dodig und Georg Löhr stehen<br />
zusammen für 90 Jahre Pflegekompetenz im KWA<br />
Hanns-Seidel-Haus. Ihre Motivation nach so vielen Berufsjahren<br />
in der Pflege? Verlässliche Kollegen, kompetente<br />
Führungskräfte und ein Arbeitgeber, der seine<br />
Mitarbeiter wertschätzt.<br />
Georg Löhr liegt die Pflege in den Genen. „Meine Mutter<br />
war Krankenschwester, meine Schwester Kinderkrankenschwester.<br />
Das prägt.“ Löhr startete beruflich zwar als<br />
Dreher, wollte dann aber doch lieber mit Menschen arbeiten.<br />
Nach der Ausbildung zum Altenpfleger in Gummersbach<br />
kam er im Juli 1988 zu KWA. „Eigentlich wollte<br />
ich ja nach Baden-Baden, aber dann wurde es Ottobrunn“,<br />
erzählt Löhr. Seit nunmehr 24 Jahren arbeitet er ausschließlich<br />
Nachtschicht. „Man handelt da innerhalb der<br />
Richtlinien überwiegend eigenständig. Das mag ich.“<br />
Nach sieben Nächten am Stück kommt eine Ruhephase.<br />
Wie Rödel schätzt Löhr die Kontinuität bei den Führungskräften<br />
sehr. Wie er sich motiviert? „Hier im Haus konnte<br />
und kann ich meine Arbeit in Ruhe und mit individuellem<br />
Gestaltungsspielraum erledigen.“ Wenn er nicht im<br />
Dienst ist, reist der passionierte Jogger sehr gerne, wenn<br />
möglich in die USA, um den Kopf freizubekommen.<br />
Teilnahme von KWA an einem Pilotprojekt zur Weiterbildung,<br />
das Kerstin Schreyer als Integrationsbeauftragte initiiert hatte.<br />
KWA Stift am Parksee<br />
Ein Workshop, zu dem die Bayerische Staatsministerin<br />
Kerstin Schreyer in ihrer damaligen Funktion als Integrationsbeauftragte<br />
eingeladen hatte, brachte den Stein ins<br />
Rollen: Eine Expertenrunde, zu der auch KWA Vorstand<br />
Dr. Stefan Arend zählte, entwickelte mit Kerstin Schreyer –<br />
in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium<br />
für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst,<br />
der Bundesagentur für Arbeit und der Hanns-Weinberger-Akademie<br />
– ein Programm, welches darauf zielt, Menschen<br />
mit Migrationshintergrund zu Altenpflegehelfern<br />
auszubilden.<br />
Manuela Rödel hat ihr gesamtes Berufsleben bei KWA<br />
verbracht. Nach der Altenpflegeausbildung im KWA Bildungszentrum<br />
in Bad Griesbach absolvierte die Münchnerin<br />
ihr Anerkennungspraktikum im Hanns-Seidel-<br />
Haus, wo sie im Oktober 1988 anfing – und bis heute<br />
geblieben ist. Rasch war ihr klar, dass sie in die Pflege<br />
gehört: „Meine Einstellung zum Beruf war immer positiv,<br />
ich habe keinen Tag daran gezweifelt.“ Sie durchlief alle<br />
Stationen – Pflegefachkraft, Stationsleitung, stellv. Pflegedienstleitung,<br />
Gesamtpflegedienstleitung, stellv. Hausleitung.<br />
„Auch heute noch ist jeder Tag spannend. Ich muss<br />
mich informieren, orientieren, nachfragen. Was mir auch<br />
gefällt: Das Haus ist immer in Bewegung. Wir beratschlagen<br />
über Wichtiges gemeinsam und entwickeln Neues<br />
sorgsam.“ Manuela Rödel hat ihre Berufung gefunden<br />
und betont, sie würde den beruflichen Weg noch einmal<br />
genauso gehen. Von der Arbeit erholt sie sich am liebsten<br />
daheim, sie sagt: „My home is my castle.“ Um Regen und<br />
Kälte zu entfliehen, reist Rödel so oft es geht nach Korfu.<br />
„Im Oktober 1988 war ich die erste ausländische Mitarbeiterin<br />
im Haus“, erzählt Milena Dodig. Nach ihrer Ausbildung<br />
zur Krankenschwester in Zagreb folgte sie ihrem<br />
Mann 1985 nach Ottobrunn. „Schon damals wurde Pflegepersonal<br />
gesucht, diese Chance habe ich genutzt.“ In<br />
ihren 30 KWA Jahren konnte Dodig Familie und Beruf<br />
stets vereinbaren. „Dafür bin ich immer noch dankbar.<br />
Heute lebt mein Mann wieder in Kroatien und ich arbeite<br />
zwei Wochen am Stück, dann bin ich zwei Wochen in Kroatien.<br />
Wo sonst ginge denn das?“ Dodig sieht sich als „die<br />
alte Schwester“, die vor allem jüngere Kollegen unterstützt.<br />
„Auch nach 30 Jahren komme ich immer noch gerne<br />
in die Arbeit. Das färbt ab.“ Ihre Motivation zieht Dodig<br />
aus der Dankbarkeit der Bewohner und der Wertschätzung<br />
ihrer Vorgesetzten. Bei der Lektüre von Liebesromanen<br />
und bei alten Heimatfilmen kann sie entspannen. Ihr<br />
Fazit: „Ich bin hier glücklich. Mehr geht nicht.“<br />
Bei guten Deutschkenntnissen und vorliegendem Mittelschulabschluss<br />
ist diese Ausbildung in zwölf Monaten zu<br />
bewältigen. Doch mit dem Projekt soll eine andere Zielgruppe<br />
erreicht werden. Adressiert werden vor allem,<br />
aber nicht ausschließlich, Frauen, die schon längere Zeit<br />
in Bayern leben und bislang keine Möglichkeit hatten, berufstätig<br />
zu werden. Aus Gesprächen mit diversen Interessensvertretern<br />
wussten Schreyer und ihr Team, dass<br />
es in vielen Kulturkreisen als ehrenwert gilt, sich um ältere<br />
Mitbürger zu kümmern. Um die Zielgruppe von Migrantinnen<br />
und Migranten anzusprechen, die bisher keine<br />
einschlägige Ausbildung nachweisen kann, wurde die<br />
Zugangsschwelle zum Programm bewusst niedrig angesetzt:<br />
Wer mindestens 25 Jahre alt war, zumindest fünf<br />
Jahre in Deutschland lebte sowie eine unbegrenzte Aufenthaltsberechtigung<br />
und Erfahrung in der Haushaltsführung<br />
und Betreuung von Kindern oder Angehörigen<br />
nachweisen konnte, hatte vor dem Schuljahr 2018/19<br />
erstmals die Möglichkeit, sich um einen Platz für eine<br />
24-monatige Weiterbildungsmaßnahme zu bewerben.<br />
Diese inkludiert außer den Inhalten der regulären Ausbildung<br />
zum/zur Pflegefachhelfer/-in unter anderem Sprach-,<br />
Kommunikations-, Ethik- und Berufskundeunterricht,<br />
auch Mathematik- und Sozialkundeunterricht. Ein<br />
Deutschkurs ist vorgeschaltet. Wer die Prüfung erfolgreich<br />
absolviert, bekommt gleichzeitig den Mittelschulabschluss<br />
zuerkannt. Alexandra Kurka-Wöbking, Stiftsdirektorin<br />
im KWA Stift am Parksee in Unterhaching,<br />
Staatsministerin Kerstin Schreyer (Mitte)<br />
und KWA Hausleiterin Alexandra Kurka-Wöbking<br />
(2. v. l.) mit den drei Auszubildenden des<br />
KWA Stifts am Parksee, die am Weiterbildungsprogramm<br />
teilnehmen.<br />
bekundete von Anfang an Interesse am Modellversuch<br />
und bot schließlich drei Interessierten – zwei Damen und<br />
einem Herrn – die Möglichkeit, diesen chancenreichen<br />
Weg im KWA Wohnstift zu gehen. Der KWA Vorstand befürwortete<br />
die Beteiligung am Projekt, zumal Kurka-Wöbking<br />
bei allen drei Interessierten das notwendige Potenzial<br />
sah und sieht. „Einfühlungsvermögen, Interesse an<br />
pflegerischen und sozialen Tätigkeiten, aber auch Verantwortungsbewusstsein<br />
und Freude am Umgang mit Menschen<br />
waren schon beim Probearbeiten erkennbar“, berichtet<br />
Kurka-Wöbking. „Die Ausbildung vermittelt nun<br />
auch die grundlegenden Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />
die im Bereich der pflegerischen Versorgung<br />
älterer Menschen benötigt werden.“ Für die Teilnehmer<br />
ist die Ausbildung kostenfrei. Sie wird über die Agentur<br />
für Arbeit oder das Jobcenter finanziert. Der theoretische<br />
Unterricht wird in der Berufsfachschule für Altenpflegehilfe<br />
erteilt. Die praktische Ausbildung leisten im KWA<br />
Stift am Parksee die Pflegeteams. Florian Scharfen, KWA<br />
Pflegeexperte für Ausbildung und Anerkennung, betreut<br />
die Auszubildenden.<br />
Sieglinde Hankele<br />
Jörg Peter Urbach<br />
22 <strong>alternovum</strong> | 1/2019<br />
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