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CMS-Magazin RADAR Nr. 7 April 2019

Das CMS-Magazin RADAR soll nicht nur ein Lesegenuss sein. Auch das Bild, die Illustration, hat einen besonderen Stellenwert. Kunstschaffende und Fotograf/innen haben für die bisherigen Ausgaben gearbeitet oder ihre Werke zur Verfügung gestellt. Zum 40. Geburtstag des Cartoonmuseums hat RADAR Schmuckstücke aus dem Fundus ausgewählt: Kostproben aus dem reichen Schatz in der St. Alban-Vorstadt 28. Ein Appetizer für die Dauerausstellung und die thematischen Ausstellungen in einem der kleinsten, aber bedeutendsten Museen für die neunte Kunst

Das CMS-Magazin RADAR soll nicht nur ein Lesegenuss sein. Auch das Bild, die Illustration, hat einen besonderen Stellenwert. Kunstschaffende und Fotograf/innen haben für die bisherigen Ausgaben gearbeitet oder ihre Werke zur Verfügung gestellt. Zum 40. Geburtstag des Cartoonmuseums hat RADAR Schmuckstücke aus dem Fundus ausgewählt: Kostproben aus dem reichen Schatz in der St. Alban-Vorstadt 28. Ein Appetizer für die Dauerausstellung und die thematischen Ausstellungen in einem der kleinsten, aber bedeutendsten Museen für die neunte Kunst

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Gespräch<br />

Erinnerungen an Begegnungen mit Künstlern?<br />

An Saul Steinberg natürlich. Der war damals schon ein älterer Herr.<br />

Er hat uns Basler in einer richtigen Ritterrüstung empfangen, als Gag.<br />

Und natürlich auch an Sempé – ein Gentleman alter Schule. Oder Loriot,<br />

den haben wir in der Nähe von München besucht. Ein aristokratischer<br />

Landlord. Viel ernster, als man es erwarten würde. Und Martial Leiter!<br />

Jesses, war das eine Nummer! Und Claire Bretécher, eine der wenigen<br />

Frauen. Eine beeindruckende, sehr direkte, sehr kritische Frau. Ich habe<br />

sie in Basel getroffen, und wir schrieben uns eine Zeit lang.<br />

Welche Karikaturisten mögen Sie am liebsten?<br />

Den grossen britischen Zeichner Ronald Searle mag ich sehr. Seine<br />

Katzen! Ich bin ein Katzennarr. Ein Bild von ihm habe ich behalten. Und<br />

Jüsp hat mir zum 60. Geburtstag ein Katzenbild geschenkt.<br />

Wer waren die Lieblinge Ihres Mannes?<br />

Vor allem Karikaturisten, die im ‹New Yorker› publiziert haben. Etwa<br />

Peter Arno. Diese Art von Humor gefiel Dieter ganz besonders: Wenn man<br />

die Karikaturen mit wenigen oder, noch besser: ohne Worte versteht. Oder<br />

Charles Addams: herrlich! Dieter mochte speziell auch jene Künstler,<br />

welche die bürgerliche Gesellschaft aufs Korn genommen haben. Das hat<br />

vielleicht auch mit seiner Herkunft zu tun: Er, der selber aus dem ‹Daig›<br />

Claire Bretécher (*1940, Frankreich), Die Schwangere, aus: Die Frustrierten, 1978,<br />

38 × 37 cm, Tusche und farbige Tusche auf Papier<br />

stammte, konnte sehr bissige Bemerkungen machen. Er hatte auch Spitznamen<br />

für Familienmitglieder: den gefrorenen Bajass zum Beispiel.<br />

Wie kamen Sie auf die Idee eines Museums?<br />

Dieter sagte einmal: «Auch du lebst nicht ewig.» Und wir waren uns<br />

einig: Unsere Arbeit und die Werke sollten in guter Hand und öffentlich<br />

zugänglich sein. Deshalb haben wir unsere Stiftung 1979 der Christoph<br />

Merian Stiftung übergeben. Unsere Sammlung ist jetzt vor einigen Jahren<br />

Wie muss man sich diese Reisen und Ankäufe vorstellen?<br />

aus dem alten Haus umgezogen in das von Herzog & de Meuron reno-<br />

Wir haben uns direkt mit den Künstlern in Verbindung gesetzt oder<br />

vierte neue Cartoonmuseum. Schön!<br />

über die Botschaften deren Adressen erhalten. Dann haben wir mit ihnen<br />

einen Termin abgemacht und sind in verschiedene Länder gereist: Argen-<br />

Verfolgen Sie die Aktivitäten des Cartoonmuseums noch?<br />

tinien, Japan, Brasilien, Frankreich, Belgien, Polen … Meistens haben wir<br />

Dieter ist vor bald dreissig Jahren gestorben, und ich bin jetzt selber<br />

sie in unser Hotel eingeladen. Zum Beispiel ins Hotel Lancaster in Paris<br />

alt. Letzten Sommer war ich noch im Cartoonmuseum und habe dem<br />

oder ins Algonquin in New York. Sie kamen und brachten ihre Mappen mit.<br />

Museum nach meinem Umzug in die Altersresidenz noch Werke aus mei-<br />

Wir haben mit den Künstlern diskutiert, ihre Werke ausgebreitet und<br />

nem privaten Bestand übergeben. Ich freue mich, dass das Museum so<br />

nahmen dann eine erste Auswahl vor. Und eine zweite und dritte. Jeder<br />

erfolgreich ist – und dass ich regelmässig eingeladen werde.<br />

von uns dreien sagte, welches Werk uns am besten gefiel. Und am Schluss<br />

sind Dieter und ich aus dem Zimmer raus und Jüsp hat mit den Künstlern<br />

Interview<br />

allein über das Finanzielle weiterverhandelt. Jüsp war der Profi und auch<br />

Sylvia Scalabrino und Anette Gehrig<br />

ein guter Geschäftsmann – er hatte ja eine eigene Werbeagentur. Aber wir<br />

haben nicht ‹gemärtet›. Wir haben den Künstlern immer gesagt, dass wir<br />

die Werke nicht weiterverkaufen, sondern einer breiten Öffentlichkeit<br />

zugänglich machen wollen. Das hat bei ihnen ‹gezündet› – deshalb haben<br />

sie uns oft auch Werke und Bücher dazugeschenkt. Und natürlich haben<br />

wir die Künstler auch in ihren Ateliers besucht.<br />

Zu dritt reisen ist ja noch speziell …<br />

mit zwei sehr selbstbewussten Männern!<br />

Wir waren ein eingeschworenes Trio. Jeder hat seine Rolle gehabt, ich<br />

war nicht nur das ‹Fraueli›. Mein Métier war es, mich in den Buchhandlungen<br />

der Länder umzuschauen und einzukaufen: Kataloge, Publikationen,<br />

Zeitschriften und Bücher. Da haben sie mir auch nicht reingeredet.<br />

Wir haben auf unseren Reisen laufend schwere Pakete nach Hause<br />

geschickt – so kam auch die internationale Bibliothek des heutigen Cartoonmuseums<br />

zustande, die ich in der Anfangszeit mit aufgebaut und<br />

betreut habe. Mit vielen historischen Standardwerken wie dem französischen<br />

‹Rire›, ‹L’assiette au beurre›, den ‹Münchner Bilderbogen›, dem<br />

amerikanischen ‹The New Yorker› oder dem ‹Simplicissimus›. Und ich<br />

habe während der Treffen auch übersetzt. Ich beherrsche mehrere<br />

Sprachen, und Dieter und Jüsp konnten kein Spanisch.<br />

Erinnern Sie sich noch an besondere Erlebnisse auf Ihren Reisen?<br />

In Buenos Aires zeigten uns mal zwei Herren das dortige Karikaturenmuseum<br />

am Stadtrand. Zwei Herren mit gelackten Haaren. Als wir<br />

dort waren, gab’s einen Wolkenbruch mit sintflutartigen Regenfällen.<br />

Und dann brach das Wellendach ein und wir standen buchstäblich im<br />

Regen. Wir haben so gelacht – aber den beiden Museumsbesitzern war<br />

das natürlich sehr peinlich.<br />

6<br />

Sempé (*1932, Frankreich), Ohne Titel, 1974, 45 × 41 cm, Aquarell, Kreide und Farbstift<br />

auf Papier<br />

Joann Sfar (*1971, Frankreich), Le chat du rabbin, Bd. 7, La tour de Bab-El-Oued, 2017, 42 × 29,6 cm, Tusche und farbige Tusche auf Papier

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