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3SAM Zeitschrift 1-2019

Die Gemeindezeitschrift der 3SAM-Kirchengemeinde

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EDITORIAL<br />

6.30 Uhr, der Wecker klingelt. Das Bett ist so schön warm und draußen regnet es. Was kann der<br />

Tag schon bringen, wenn er mit Aufstehen anfängt? Heute ist einer meiner beiden Schultage - Religionsunterricht<br />

in der 3. und in zwei 4. Klassen. Ich würde mich nicht unbedingt als Morgenmuffel<br />

bezeichnen, aber es ist schon besser, wenn meine Frau mich nicht gleich in der ersten Stunde<br />

des Tages anspricht ... sie spricht mich an.<br />

Gestern Abend habe ich bemerkt, dass alle "Kontakte" in meinem Handy verschwunden sind. Na<br />

super, das hatte ich schon mal und es war recht kompliziert, das zu fixen. Wie das ging, weiß ich<br />

heute natürlich nicht mehr. Also ist klar, was nach der Schule dran ist - recherchieren und wiederherstellen.<br />

Beim Gedanken daran kommt Freude auf ;-(<br />

Jetzt aber erstmal nen Kaffee und dann ab in die Schule - wenigstens bin ich gut vorbereitet. Schultasche,<br />

meinen Koffer mit den Buzzern und meine Gitarre geschnappt und los geht's. Es gießt immer<br />

noch in Strömen. Als Regenschirm umfunktioniert laufe ich mit meiner Gitarre über den Kopf<br />

gehalten über den Schulhof. Einer meiner Viertklässler findet das lustig. Ein paar Meter weiter - die<br />

ganzen Schüler, die unter dem Vordach auf Einlass ins Gebäude warten, finden das genauso lustig.<br />

Meine Stimmung steigt.<br />

Sowieso: Ich habe mir vor vielen Jahren vorgenommen, niemals meine schlechte Laune an den<br />

Schülern auszulassen. Es gibt nichts Ätzenderes und Unmotivierenderes für Schüler als Lehrer, die<br />

ihre schlechte Laune mit in die Schule bringen. (Eine andere Sache ist es natürlich, wenn die Ursache<br />

der schlechten Laune aus dem Verhalten der Schüler entspringt.) Deshalb ist sinngemäß eines<br />

meiner Schullebensmottos: "Es ist ein guter Tag, wenn nicht am Morgen ein Zettel an deinem<br />

großen Fußzeh hängt." Oder mit Worten der Bibel ausgedrückt: "Dies ist der Tag, den der Herr gemacht<br />

hat. Lasst uns jubeln und fröhlich sein." (Psalm 118,24) Fröhlich bin ich nun eigentlich schon;<br />

mal sehen, ob es noch zum Jubeln kommt.<br />

Die erste Stunde beginnt. Wie eigentlich jedes Mal sind einige Schüler noch todmüde. Manche von<br />

ihnen können nicht einmal ihren Kopf aufrecht halten und legen ihn deshalb seitlich auf den Tisch<br />

ab (was ich als konsequenter Lehrer natürlich sofort unterbinde ;-)). Ich frage mich immer wieder,<br />

wann denn meine Grundschüler so ins Bett gehen? Aber es hilft ja nichts: Jetzt sind erstmal meine<br />

Fähigkeiten als Animateur gefragt. Dabei kommt mir mein Gitarrespielen sehr entgegen. Wir singen<br />

am Anfang der Relistunde erstmal ein paar Lieder - das macht wach. Irgendwie bin ich auf einmal<br />

ganz gut drauf und meine Motivation springt auf die Schüler über. Ich merke aber auch, dass<br />

meine gute Laune leicht in Albernheit umkippen kann - nach "müd" kommt ja bekanntlich "blöd".<br />

Darf ein Lehrer so sein? Egal, wenn ich ehrlich bin, gehört das irgendwie auch zu meinem Charakter.<br />

Die Schüler freut's auf jeden Fall.<br />

Thematisch haben wir es gerade davon, wie gut es uns eigentlich geht. In der Regel fehlt es uns<br />

hier in Deutschland an nichts: Essen, Trinken, ein Dach überm Kopf, im Winter warm, Gesundheitsversorgung,<br />

Schulbildung ... - anderen Kindern in anderen Ländern fehlt es an vielem von dem,<br />

was für uns hier selbstverständlich ist. Da sehe ich plötzlich aus dem Augenwinkel, wie zwei ältere<br />

Frauen und ein älterer Herr über den Schulhof gehen und die Mülleimer durchsuchen. Die eine<br />

Frau entdeckt darin eine Plastikpfandflasche und steckt sie in ihre Tasche - 15 Cent mehr im Portemonnaie.<br />

Und das hier in Ellmendingen!? Die Schüler haben die Szene nicht bemerkt und ich<br />

will sie nicht darauf aufmerksam machen, weil ich diese drei Senioren nicht "bloßstellen" möchte.<br />

Mir wird durch diese Situation aber wieder deutlich von Gott vor Augen geführt, wie gut es mir<br />

geht, wie privilegiert ich bin und was für ein Geschenk es ist, diese Schüler, die vor mir sitzen, unterrichten<br />

zu dürfen ... auch wenn es frühmorgens ist. "Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat<br />

..." - und er hat bestimmt, dass ich ihn (er)leben darf und ich will ihn zu seiner Ehre leben. Das ist<br />

dann auch Grund innerlich zu jubeln!<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und euch einen schönen regnerischen und müden Tag!<br />

Ihr/euer<br />

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