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akzent Magazin Juni'19 BO

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SEE-LEUTE<br />

Der Bergbauernsohn aus Alberschwende in Vorarlberg war<br />

sechs Jahre alt, als er den Tod seiner Mutter erleben musste.<br />

Er wuchs mit seinen acht Geschwistern als Halbwaise<br />

auf; die älteste Schwester Elsa übernahm die mütterlichen<br />

Aufgaben im Haus. Ein Stipendium ermöglichte ihm den<br />

Besuch des Gymnasiums in Feldkirch. Nach dem Krieg begann<br />

er im Herbst 1946 in Innsbruck Medizin zu studieren.<br />

Er wurde zudem Leiter der Dekanatsjugend Innsbruck und<br />

begegnete vielen Kriegswaisen. Ihr Schicksal erschütterte ihn<br />

– auch wegen seiner eigenen Kindheitserfahrungen. Es kann,<br />

so dachte sich Gmeiner, doch nicht angehen, dass all diese<br />

Kinder in Waisenhäusern landen. „Es muss einen Weg geben,<br />

diese Kinder wieder hereinzuholen in die Gesellschaft,<br />

dieses Kind zu einem unsrigen zu machen“, sagte er einmal.<br />

Der Weg, den Hermann Gmeiner einschlug, war für die damalige<br />

Zeit geradezu revolutionär. Waisenkinder wurden<br />

damals in Massenunterkünften untergebracht, die eher<br />

Gefängnissen glichen und abschätzig „Erziehungskasernen“<br />

genannt wurden. Die Kinder litten unter Lieblosigkeit<br />

und brutaler Härte. Gmeiner setzte die Idee von familienähnlichen<br />

Einrichtungen mit einer kontinuierlichen<br />

Bezugsperson dagegen. Jedes verlassene, Not leidende<br />

Kind sollte wieder eine (Kinderdorf-)Mutter haben, mit<br />

Geschwistern aufwachsen und mit ihnen in einem Haus leben,<br />

das zu einem kleinen Dorf mit weiteren Familienhäusern<br />

gehört. „Und von diesem Dorf gehen sie dann hinaus<br />

in die große Welt“, beschrieb er seine Vision. Vorbild war<br />

übrigens das „Kinderdorf Pestalozzi“, das bereits 1944 bis<br />

1946 hauptsächlich für Kriegswaisen in der Schweizer Gemeinde<br />

Trogen AR entstanden war. Und 1947 wurde bei<br />

Stockach das „Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf Wahlwies“<br />

gegründet – als erstes Kinderdorf in Deutschland.<br />

Von Imst in alle Welt<br />

Am 25. April 1949 gründete Hermann Gmeiner mit einem<br />

Kreis junger Frauen und Männer in Innsbruck den Verein<br />

„Societas Sociales“ (Soziale Gemeinschaft), der später in<br />

den Verein SOS-Kinderdorf umgewandelt wurde. Für den<br />

Start hatte Gmeiner persönlich nur 600 Schilling zur Verfügung.<br />

In der Tiroler Gemeinde Imst konnte er nach langer<br />

Suche ein Grundstück für das erste SOS-Kinderdorf kaufen.<br />

Die finanzielle Basis dafür stellte Mitstreiterin Maria Hofer<br />

mit dem Erlös eines Grundstückes in Igls (ca. 50.000 Schilling)<br />

zur Verfügung. 1951 konnten die ersten 40 Kriegswaisen<br />

im ersten Familienhaus aufgenommen werden. Es folgten<br />

weitere Häuser – bald auch jenseits der Landesgrenzen:<br />

Das erste SOS-Kinderdorf in Deutschland wurde 1956 in<br />

Dießen am Ammersee gebaut, 1963 entstanden erste SOS-<br />

Kinderdörfer in Asien und Lateinamerika.<br />

Hermann Gmeiner starb am 26. April 1986 im Alter von<br />

65 Jahren in Innsbruck. Bis heute umgibt den charismatischen<br />

Kinderdorf-Gründer ein Mythos, der ihn – wie<br />

Kritiker bisweilen anmerken – jahrelang zum ruhmreichen<br />

Übervater hochstilisierte, während Frauen auf ihre Mütterrolle<br />

festgelegt wurden. Aufsehen erregte 2014 eine<br />

Studie, die nachwies, dass es in der Gründerphase in<br />

SOS-Kinderdörfern auch Gewalt und Missbrauch gegeben<br />

habe. Die SOS-Leitung selbst hatte die Studie in Auftrag<br />

gegeben, um eine Aufarbeitung zu ermöglichen.<br />

Hilfe für 1,5 Millionen Menschen<br />

Über allem steht das große Ziel, die Welt ein bisschen<br />

besser zu machen. Auch nach Gmeiners Tod wird sein<br />

Lebenswerk fortgesetzt und weiterentwickelt. Noch zu<br />

Lebzeiten hat er 1985 den Chefposten an Helmut Kutin<br />

abgegeben, der selbst ein SOS-Kind aus dem ersten SOS-<br />

Kinderdorf in Imst war. 2012 wurde der Inder Siddharta<br />

Kaul zum neuen Präsidenten gewählt. Heute betreibt die<br />

SOS-Hilfsorganisation 572 Kinderdörfer, 744 Jugendbetreuungsprogramme,<br />

237 Kindergärten, 786 Sozialzentren<br />

und Programme für Familienhilfe, 70 medizinische<br />

Zentren, 38 Nothilfeprogramme, 185 Hermann-Gmeiner-<br />

Schulen und 104 Berufsausbildungszentren. Insgesamt<br />

unterstützt dieses Kinderhilfswerk nach eigenen Angaben<br />

weltweit rund 1,5 Millionen Kinder und Erwachsene. In<br />

der Bodenseeregion gibt es zwar kein traditionelles SOS-<br />

Kinderdorf, jedoch Wohngruppen für Jugendliche in Bregenz<br />

und Dornbirn.<br />

„Alle Wunder dieser Welt entstehen dadurch,<br />

dass einer mehr tut, als er tun muss.“<br />

Eine solche Organisation kann natürlich nur dann erfolgreich<br />

Hilfe leisten, wenn sie zahlreiche Förderer hat. „Es<br />

gibt viele Möglichkeiten, sich zu engagieren, zum Beispiel<br />

mit Einzelspenden oder mit Patenschaften“, erklärt Hermann<br />

Kley aus Konstanz, der sich als ehrenamtlicher Berater<br />

für die SOS-Kinderdörfer einsetzt. Denn er und seine<br />

Frau seien, wie er sagt, in intakten Familien mit mehreren<br />

Geschwistern aufgewachsen und in der Gesellschaft ordentlich<br />

vorangekommen. „Wir wollen etwas zurückgeben<br />

von dem, was wir erreichen konnten“, sagt Kley, der sich<br />

in vielerlei Hinsicht sozial engagiert. Bei den SOS-Kinderdörfern<br />

sei er vom Sinn, von der Notwendigkeit und vom<br />

Konzept überzeugt.<br />

www.sos-kinderdorf.de<br />

www.sos-kinderdoerfer.de<br />

TEXT: RUTH EBERHARDT<br />

FOTO (GROSS): ALEXANDER GABRIEL/SOS-KINDERDÖRFER WELTWEIT;<br />

FOTO (KLEIN): SOS-ARCHIV/SOS-KINDERDÖRFER WELTWEIT<br />

Hermann Gmeiner<br />

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