Leseprobe CONNEXI Neurologie Ausgabe 3-2019
Science, Medicine, Magazine, doctors, neurology, neurointensive care
Science, Medicine, Magazine, doctors, neurology, neurointensive care
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MECHANISCHE HERZKLAPPEN UND INTRAKRANIELLE BLUTUNG<br />
verfügbaren Leitlinienempfehlungen zur Akuttherapie<br />
bei mechanischer Herzklappe und intrakranieller<br />
Blutung vergleichsweise vage. In der ESC/<br />
EACTS-Leitlinie wird darauf verwiesen, dass eine<br />
umgehende Antagonisierung mittels intravenöser<br />
Gabe von Prothrombin-Komplex-Präparaten und<br />
Vitamin K nur bei schwerer Blutung erforderlich<br />
ist, zu denen die intrakraniellen Blutungen gezählt<br />
werden. Zudem wird darauf verwiesen, dass keine<br />
Daten vorliegen, die belegen, dass das mit einer<br />
Antagonisierung assoziierte Risiko einer Thromboembolie<br />
die möglichen Folgen einer schweren<br />
Blutung überwiegt. Der Wiederbeginn einer oralen<br />
Antikoagulation sollte gemäß der ESC/EACTS-<br />
Leitlinie in Abhängigkeit von der Lokalisation, der<br />
Dynamik und Ursache der Blutung sowie von den<br />
bereits erfolgten therapeutischen Maßnahmen<br />
abhängig gemacht werden [1]. Allerdings wird im<br />
Expertenkonsensus der Europäischen Gesellschaft<br />
für Kardiologie empfohlen, eine systemische Antikoagulation<br />
mit Heparinen schon nach drei Tagen<br />
zu beginnen [7]. In der von der American Heart<br />
Association (AHA) und dem American College of<br />
Cardiology (ACC) herausgegebenen Leitlinie wird<br />
im Kontext einer Notfalloperation oder notfallbedingten<br />
invasiven Prozedur auf die begrenzte<br />
Datenlage zu einer Gabe von gefrorenem Frischplasma<br />
oder Prothrombin-Komplex-Präparaten<br />
bei Patienten mit mechanischer Herzklappe unter<br />
Einnahme eines Vitamin-K-Antagonisten verwiesen<br />
(Evidenzklasse IIa, Level C). Zudem wird auf die<br />
Möglichkeit eines „bridgings“ bei subtherapeutischer<br />
INR hingewiesen, welches in Abwägung des<br />
Thromboembolie- und Blutungsrisikos bei Patienten<br />
mit mechanischer Herzklappe erwogen werden<br />
sollte, die sich einer invasiven oder operativen Prozedur<br />
unterziehen und entweder eine mechanische<br />
Aortenklappe älterer Bauart haben, eine mechanische<br />
Aortenklappe und weitere Risikofaktoren<br />
für eine Thromboembolie aufweisen oder eine<br />
mechanische Mitralklappe haben [8]. Spezifische<br />
Empfehlungen zur Therapie der (spontanen) intrakraniellen<br />
Blutung bei mechanischer Herzklappe<br />
finden sich hingegen weder in der Leitlinie der<br />
American Heart Association (AHA) und American<br />
Stroke Association (ASA) noch in den Empfehlungen<br />
der European Stroke Organisation (ESO) [9, 10].<br />
RETRACE I & II<br />
Im Folgenden sollen die im Jahr 2018 im European<br />
Heart Journal von den Autoren publizierten<br />
Ergebnisse der retrospektiven RETRACE-I- & -II-<br />
Studien näher erläutert werden [11]. Unter Beteiligung<br />
von 22 deutschen Studienzentren wurden<br />
retrospektiv Daten von 2.504 Patienten mit intrazerebraler<br />
Blutung erhoben, die zwischen 2006<br />
und 2015 behandelt wurden. Darunter befanden<br />
sich 166 Patienten mit mechanischer Herzklappe,<br />
die bei Auftreten der Hirnblutung im Durchschnitt<br />
70 Jahre alt waren, zu 65 % eine mechanische<br />
Herzklappe in Aortenposition hatten und zu 28 %<br />
ein Vorhofflimmern aufwiesen. Eine suffiziente<br />
Antagonisierung (definiert als INR