Stadt-Anzeiger 651
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<strong>Stadt</strong>-<strong>Anzeiger</strong> Nr. <strong>651</strong> 13. Juni 2019 Seite 3<br />
„High Noon“ im Rittersaal: Der Ausschuss fasste einen überraschenden Beschluss und der Bauamtsleiter<br />
bekam deutliche Worte zu hören.<br />
Foto: Manfred Hütte<br />
Ausschuss für <strong>Stadt</strong>entwicklung und Liegenschaften will Windpark in Belle nicht durchwinken / Jetzt entscheidet der Kreis Lippe über das „gemeindliche Einvernehmen“<br />
Politiker sehen noch Planungsbedarf und bremsen Windpark<br />
Was die Bürger aus Belle und Billerbeck<br />
bei der letzten Ausschusssitzung<br />
gehört haben, wird ihnen gefallen<br />
haben. Und dem Investor, der „Energiequelle“<br />
aus Bremen, so gar nicht.<br />
Der Ausschuss für <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
und Liegenschaften versagte dem<br />
Bauherren, der Energiequelle GmbH<br />
aus Bremen, das gemeindliche<br />
Einvernehmen im Genehmigungsverfahren<br />
und beschloss eine Rückstellung<br />
bis zur Aufstellung eines<br />
neuen Flächennutzungsplanes. Damit<br />
könnte das Vorhaben gestoppt oder<br />
verlangsamt worden sein, wenn der<br />
Kreis diesen Beschluss nicht kassiert.<br />
Das Vorhaben<br />
Wie bereits berichtet, will die Firma<br />
sechs 230 Meter hohe Windräder<br />
des Typs Lagerwey L-147 zwischen<br />
Belle, Billerbeck, Wöbbel und Steinheim<br />
bauen. Damit können im Jahr<br />
bis zu 18.000 Haushalte versorgt<br />
und 33.000 Tonnen Kohlendioxid<br />
eingespart werden, so der Investor<br />
in einer Pressemitteilung. Bis Anfang<br />
nächsten Jahres läuft das Genehmigungsverfahren,<br />
so der Plan, der Bau<br />
kann voraussichtlich frühestens im<br />
Frühjahr 2020 beginnen. Das Gebiet<br />
liegt genau in dem Bereich, den die<br />
<strong>Stadt</strong> Horn-Bad Meinberg eigentlich<br />
bei ihren gescheiterten Planungen zur<br />
Schaffung von Windkraftkonzentrationsflächen<br />
bevorzugt hätte. Diese 2.<br />
Änderung des Flächennutzungsplans<br />
wurde vom Rat am 24. November<br />
2016 beschlossen, wurde aber vom<br />
Oberverwaltungsgericht für nicht<br />
wirksam erklärt.<br />
Der Investor<br />
Seit 1997 ist die Energiequelle<br />
GmbH als Projektierer und Betriebsführer<br />
von Windenergie-, Biomasse-<br />
und Photovoltaikanlagen sowie<br />
Umspannwerken und Speichern<br />
international aktiv. Hauptsitz des<br />
Hauses ist Kallinchen bei Berlin,<br />
weitere Standorte befinden sich<br />
in Bremen, Oldenburg, Hannover,<br />
Putlitz, Penzing, Erfurt, Dresden,<br />
Rostock sowie Rennes, Dijon und<br />
Royan (Frankreich) sowie Helsinki<br />
(Finnland). Mit über 200 Mitarbeitern<br />
und mehr als 750 errichteten Anlagen<br />
mit einer Gesamtleistung von rund<br />
1.300 MW ist Energiequelle ein<br />
führendes Unternehmen der Branche.<br />
Heim im Kreuzfeuer<br />
Die Politiker kamen im Zugzwang,<br />
denn bis zum 14. Juni 2019 musste<br />
eine Genehmigung oder Ablehnung<br />
vorliegen. „Wir werden unter Zeitdruck<br />
in eine Richtung gedrängt“,<br />
sagte Celil Celik (SPD) angesichts<br />
der Beschlussvorlage, die sich für eine<br />
Annahme ausspricht. Dabei kam es<br />
offenbar auch zu Lücken im Informationsfluss.<br />
Auf der letzten Ratssitzung<br />
am 16. Mai 2019 fragte Manfred<br />
Vogt (SPD) nach Neuigkeiten zum<br />
Windpark in Belle. Bürgermeister<br />
Stefan Rother verneinte nach bestem<br />
Wissen. Unterlagen für den Bau<br />
der Windräder in Belle erreichten<br />
am 15. April 2019 das Rathaus und<br />
lagen seit dem 2. Mai 2019 beim<br />
Bauamt aus. „Ich habe versäumt,<br />
den Bürgermeister zu informieren“,<br />
räumte Bauamtsleiter Martin Heim<br />
auf der letzten Ausschusssitzung ein.<br />
Somit wurden die Politiker verspätet<br />
informiert. Und die Versäumnisse<br />
gingen noch weiter: Am 3. April 2019<br />
beschloss der Ausschuss auf Antrag<br />
von Bürgerbündnis und SPD, gegen<br />
die Empfehlung der Verwaltung das<br />
Verfahren zur Windenergieplanung<br />
fortzuführen. Das Bauamt sollte dafür<br />
Planer finden und die Planungen<br />
vorantreiben, damit nicht der gesamte<br />
Außenbereich für die Windkraft<br />
nutzbar wäre. Jetzt fragte Frank<br />
Kuhlmann (Bürgerbündnis) nach den<br />
Fortschritten. Bauamtsleiter Martin<br />
Heim räumte ein, dass bis dato nichts<br />
unternommen worden sei. Daraufhin<br />
platzte dem Ausschussvorsitzenden<br />
Manfred Vogt (SPD) der Kragen:<br />
„Wenn Sie es verzögern (gemeint<br />
ist die Windkraftplanung), bis Sie<br />
glauben, dass es in Ihrem Sinne läuft,<br />
dann kriegen Sie richtig Ärger“. Da<br />
hat sich gehörig was angesammelt.<br />
Anlieger informieren sich<br />
Im Beller Schützenhaus fand Anfang<br />
Mai eine Informationsveranstaltung<br />
zum geplanten Windpark Belle statt.<br />
Die Projektentwickler der Energiequelle<br />
GmbH haben dazu eingeladen,<br />
um frühzeitig über das Vorhaben zu<br />
informieren und für Fragen zur Verfügung<br />
zu stehen, so der Investor in<br />
einer Pressemitteilung. Knapp 100<br />
interessierte Bürger haben sich an<br />
Ständen zu Themen wie Immissionsund<br />
Naturschutz, Bürgerbeteiligung<br />
sowie über den aktuellen Planungsstand<br />
informiert. Neben den Fachleuten<br />
der Energiequelle GmbH standen<br />
auch die EnergieAgentur.NRW, die<br />
Deutsche Kreditbank (DKB), Enercon<br />
sowie verschiedene Gutachter<br />
für den persönlichen Austausch zur<br />
Verfügung. Mit einer virtuellen Brille<br />
konnte man zudem den Blick in und<br />
aus einer Windenergieanlage werfen.<br />
Gegenwind aus Steinheim<br />
Seitdem startete die UWG in Steinheim<br />
eine Postwurfaktion, in der<br />
Anlieger zum Widerstand aufgerufen<br />
wurden. Vorgefertigte Widersprüche<br />
wurden an die Anlieger verteilt. Bis<br />
zum 3. Juli 2019 (Fristende) sind<br />
Einwände bei der Kreisverwaltung<br />
Lippe sowie bei den Städten<br />
Horn-Bad Meinberg oder Steinheim<br />
möglich. „Die Anlagen sollen bis auf<br />
691 Metern an die ersten Häuser der<br />
Wohngebiete errichtet werden. Jedem<br />
von uns sollte bewusst sein, welche<br />
Folgen mit der tatsächlichen Errichtung<br />
dieser Anlagen verbunden sind“,<br />
so die UWG. Auch die Steinheimer<br />
CDU beschäftigt sich mit dem Thema.<br />
So steht am Dienstag, den 18. Juni<br />
2019 ab 17 Uhr der Bürgermeister<br />
bereit und informiert im „Steinheimer<br />
Bürgerdialog“ u.a. zum Thema<br />
„Windpark Belle – Erwartungen und<br />
Entwicklungen“. Es geht um die Frage,<br />
wie sich der geplante Windpark Belle<br />
Billerbeck<br />
auf das Quartier aus und wie man Einwendungen<br />
erheben kann. Treffpunkt<br />
ist am Spielplatz Ina-Seidel-Weg/Ecke<br />
Bornebrucher Weg in Steinheim. Die<br />
SPD in Steinheim fordert eine stärkere<br />
wirtschaftliche Beteiligung der<br />
Bürger: „Die reinen wirtschaftlichen<br />
Interessen von Grundstückseigentümer<br />
und Projektierern, dürfen aber<br />
nicht das vorrangige Ziel des Ausbaus<br />
der Windenergie sein. Sollte es jedoch,<br />
wenn es sich mit rechtlichen Mitteln<br />
nicht verhindern lässt, zum Bau eines<br />
Windparks kommen, müssen sich auch<br />
die Betreiber und Flächeneigentümer<br />
des Windparks ihrer gesellschaftlichen<br />
Verantwortung stellen. „Gewinne<br />
und private Vorteile privatisieren, die<br />
Belastungen und Beeinträchtigungen<br />
aber zu vergesellschaften, passen nicht<br />
mehr in unsere Zeit“, so der Steinheimer<br />
SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen<br />
Unruhe. In vielen Teilen unseres Landes<br />
ist es selbstverständlich, dass über<br />
ein sogenanntes „Wind- oder Nachbarschaftsgeld“<br />
Teile von Erlösen, die<br />
ja auch durch alle Stromverbraucher<br />
über die EEG-Umlage gezahlt werden,<br />
in betroffene Ortschaften zurückfließen.<br />
„Bei den beiden geplanten<br />
Windparks Billerbeck-Belle und<br />
Steinheimer Becken, sollten sie denn<br />
genehmigungsfähig sein, wird sich die<br />
Steinheimer SPD dafür einsetzen, dass<br />
sich Flächeneigentümer und Betreiber<br />
über eine städtebaulich geregelte Vereinbarung<br />
mit einem Windgeld an der<br />
weiteren <strong>Stadt</strong>- und Dorfentwicklung<br />
beteiligen,“ so Jürgen Unruhe.<br />
Ein Spiel auf Zeit<br />
„Welche Entscheidungskompetenz<br />
haben wir überhaupt?“, fragte der<br />
Ausschussvorsitzende Manfred Vogt<br />
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in Horn-Bad Meinberg<br />
Belle<br />
(SPD) zu Beginn der Beratungen<br />
und brachte seine Einwände vor: Die<br />
Anlagen seien mit 228 Metern zu hoch<br />
und die vorhandene Fläche werde mit<br />
sechs Anlagen „ausgequetscht“. Sein<br />
Parteikollege Ralf Leßmann fragte:<br />
„Müssen sie so hoch sein?“ und<br />
warnte vor einer Verspargelung der<br />
Landschaft durch die „Riesendinger“.<br />
Allerdings wolle man auf Windkraftanlagen<br />
nicht verzichten. Sabine<br />
Beine (SPD) will die Beratung bis<br />
zur Aufstellung eines „vernünftigen“<br />
Flächennutzungsplanes zurückstellen.<br />
Bauamtsleiter Martin Heim machte<br />
klar: Bei einer Versagung des gemeindlichen<br />
Einvernehmens brauche<br />
man eine städtebauliche Begründung,<br />
aus der hervorgeht, dass das Projekt<br />
einer geordneten städtebaulichen<br />
Entwicklung entgegensteht.<br />
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Direkt an der Napte zwischen Billerbeck, Belle, Wöbbel und Steinheim sollen sechs Windräder entstehen, so die Planungen des Investors.<br />
Weil die ausgesuchte Fläche bereits<br />
im Rahmen des gescheiterten Flächennutzungsplans<br />
geprüft wurde, seien<br />
hierfür nur schwer Argumente zu finden.<br />
Wenn die <strong>Stadt</strong> keine plausiblen<br />
Gründe vorlege, würde der Kreis Lippe<br />
das gemeindliche Einvernehmen ersetzen<br />
und es sei nichts gewonnen. Frank<br />
Kuhlmann (Bürgerbündnis) machte<br />
deutlich: „Wir wollen die Nutzung der<br />
Windkraft im <strong>Stadt</strong>gebiet weiter aktiv<br />
planen. Bei der Fortführung der Flächennutzungsplanplanung<br />
habe man<br />
die Möglichkeit, bis zum Abschluss<br />
eine Rückstellung zu beantragen. Man<br />
sei im Planverfahren zur Aufstellung<br />
eines neuen Flächennutzungsplanes.<br />
„Vielleicht kommen bis zum Abschluss<br />
andere Grenzen dabei raus?“,<br />
fragte er. „Wir sollten Zeit gewinnen<br />
und unsere Planung nachbessern“,<br />
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schlug Celil Celik (SPD) vor, und<br />
schloss sich Kuhlmanns Vorschlag an.<br />
„Wir eiern seit Jahren an dem Thema<br />
rum“, bemängelte Fried Petringmeier<br />
(CDU) und kritisierte die Informationspolitik<br />
des Betreibers. Bei zwei<br />
Gegenstimmen und zwei Enthaltungen<br />
schloss sich der Ausschluss dem<br />
Vorschlag Kuhlmanns an. Jetzt ist es<br />
Sache des Kreises, diesen Beschluss<br />
zu kassieren oder der <strong>Stadt</strong> Raum und<br />
Zeit zu geben, einen neuen Flächennutzungsplan<br />
aufzustellen. Fazit: Es<br />
bleibt spannend.<br />
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