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HOBBY 7 500 Kilometer durch den Ostblock: Mit dem Unimog nach Moskau Eine der verrücktesten Episoden der Landtechnik spielte sich 1966 ab, als der Unternehmer Heinrich Weiste versuchte, mit seinen Erfindungen den Ostblock zu erobern. Sein damaliger Mitarbeiter Norbert Kleine war dabei und kann schier Unglaubliches berichten. Das Leben im Allgemeinen und speziell die Abenteuer lassen sich oft nicht planen. So erging es auch Norbert Kleine aus Anröchte (Ostwestfalen), heute 81 Jahre alt. Im Jahr 1961 wurde Heinrich Weiste aus Sieningsen auf ihn aufmerksam. Der Landmaschinenfabrikant suchte für den Ausbau des Exports einen englischsprachigen, jungen Landwirt. Weiste hatte gehört, dass Kleine als Jugendlicher ein Jahr in den USA war und perfekt Englisch sprach. Heinrich Weiste stellte Kleine ein, und in den folgenden Jahren kümmerte dieser sich im Ausland um Kontakte, Vorführungen und Ausstellungen. Die Firma Weiste-Accord, mit Sitz in Soest gehörte damals zu den innovativsten Landmaschinenherstellern Deutschlands. Groß geworden mit Pflanz- und Hacktechnik, erfanden Heinrich und Helmut Weiste unter anderem die pneumatische Sätechnik und das Kuppeldreieck. Mit beiden Entwicklungen erlebte Accord ab 1964 ein rasantes Wachstum. Auch das Anlegen von Fahrgassen geht auf die Weistes zurück. Heinrich Weiste war ein weitsichtiger Unternehmer und erkannte das riesige Potenzial für seine Dosiertechnik in der Sowjetunion und den anderen Ländern Osteuropas. In der Person von „Herrn Iveljić“ fand er 1965 einen exzellenten Kenner der Region mit hervorragenden Kontakten. Gemeinsam mit ihm plante Weiste die Teilnahme an einer Ausstellung in Moskau und eine anschließende Vorführtour durch die wichtigsten Agrarländer in Osteuropa. Die Ausstellung fand im Mai 1966 zeitgleich mit der DLG-Ausstellung in Frankfurt statt, damals vergleichbar mit der heutigen Agritechnica. Während ein Team von Accord in Frankfurt ausstellte, machten sich Norbert Kleine sowie seine Kollegen Andreas Paulini und Friedrich Maas am 3. Mai 1966 auf den Weg nach Moskau — per Achse! Billiger wäre der Transport mit einer Spedition gewesen. Doch der Seniorchef hatte nach der Ausstellung in Moskau weitere Stationen für Vorführungen geplant. Weiste ließ sich nicht lumpen und gab Kleine Norbert Kleine ist seit 1980 selbstständig, heute leitet Matthias Kleine den Betrieb gemeinsam mit seinem Vater. 120 profi 8 - 2019
und den Kollegen sogar seinen Privat-Pkw mit, einen Opel Kapitän. Ein Klein-Lkw des Typs Hanomag Garant mit 65 PS samt angehängtem Wohnwagen sowie ein Unimog U 406 (66 PS) mit einem zweigeschossigen Anhänger transportierten die Ausstellungsstücke. Dies waren unter anderem zwei pneumatische Drillmaschinen von je fünf Meter Arbeitsbreite und ein Kuppelrahmen für zehn Meter Gesamtbreite. Eine 4-m-Saatbettkombination sollte dazu dienen, das Kuppeldreieck vorzuführen. Nach fünf Tagen und 2 400 Kilometern durch die DDR, Polen und Weißrussland kamen Kleine und seine Kollegen am Abend des 7. Mai 1966 in Moskau an. Sie waren froh, in einem Hotel wieder in einem richtigen Bett schlafen zu können. Die Ernüchterung folgte am nächsten Morgen: Des Nachts hatten Ganoven von allen drei Fahrzeugen die Rückspiegel und die Scheibenwischerblätter entwendet. Die wertvolle Fracht hatte sie Gott sei Dank nicht interessiert. Zum Beginn der Messe waren Heinrich Weiste und Herrn Iveljić mit dem Flugzeug in Moskau eingetroffen. Ihnen gelang es sogar, den damaligen Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, persönlich kennenzulernen und ihm die Vorzüge der Accord-Technik zu erklären. Und obwohl die Vorführung der großen Drillmaschine wegen eines Bruchs des Hubzylinders am Unimog nicht ganz glatt lief, bekam Accord in Moskau eine Goldmedaille. Nach der Messe ging es im Konvoi Richtung Süden. Heinrich Weiste und Herr Iveljić fuhren nun im Opel Kapitän mit. Genehmigungen für Vorführungen und Kontakte zu großen landwirtschaftlichen Betrieben hatte Iveljić in Rumänien, Bulgarien und Jugoslawien organisiert. Wie schon die Fahrt nach Moskau war die Weiterfahrt wegen der teils sehr schlechten Straßen kein Zuckerschlecken — für die Menschen wie für die Fahrzeuge. Neben einem trocken gefahrenen Unimog und dem temporären Verlust des Wohnwagens aufgrund einer gebrochenen Deichsel hielten die Maschinen aber wacker durch. Im Mai und Juni 1966 folgten Vorführungen auf großen Kolchosen und volkseigenen Gütern. Die letzte Station war Wien, und von dort ging es direkt zurück nach Soest. Die Fahrzeuge hatten nach acht Wochen 7 500 Kilometer mehr auf dem Tacho und der Firmenchef ein erkleckliches Loch in seiner Kasse. Er und seine Mitarbeiter hatten aber sehr viel gelernt. Die Landwirtschaft im Ostblock war auf Vorkriegsniveau, es mangelte vor allem an Traktoren, Pflügen und Saatbetttechnik. Insofern waren die Bedingungen für den Einsatz der Drilltechnik von Accord nicht die besten. Deshalb entwickelte sich das große Geschäft im Osten nicht. Und obwohl Heinrich Weiste später Patente in der Sowjetunion erhielt, hielten diese die Techniker dort nicht davon ab, das Kuppeldreieck und die Pneumatikdrillen ohne Rücksprache zu kopieren. Die Weiste-Mitarbeiter Friedrich Maas, Norbert Kleine und Andreas Paulini (von links) fuhren im Mai 1966 von Soest nach Moskau, hier auf einem späteren Foto. ... lesen Sie diesen und viele weitere Artikel komplett in der aktuellen profi Ausgabe. Bestellen Sie jetzt Ihr kostenloses Probeheft oder ein Abo von profi kostenloses Probeheft bestellen Abonnement bestellen Der Weiste-Konvoi Anfang Mai 1966 bei einem Zwischenstopp in Weißrussland. Der Frontlader diente dazu, die Maschinen vor Ort abzuladen. Die Vorführung der Drillmaschine fand vor der Messehalle statt. Um die Tauglichkeit zu verdeutlichen, kam dabei ein MTS zum Einsatz. Fotos: Archiv Weiste, Kleine, Holtmann Nach der Mammut-Tour 1966 war Norbert Kleine noch viele Jahre lang der Außenminister der Firma Accord. „Im Jahr 1980 war ich das Zigeunerleben leid. So kam das Angebot der Firmenleitung gerade recht, mich als Werksvertreter selbstständig zu machen“, erinnert sich Norbert Kleine. Aus dieser Selbstständigkeit entwickelte sich ein Landmaschinenhandel, den Norbert Kleine und sein Sohn Matthias Kleine heute gemeinsam führen. Kleines Begeisterung für die Landtechnik und die Maschinen seines Kernfabrikats sind nach wie vor ungebrochen. Denn seit 1962 verkauft er ausschließlich Anbaugeräte und heute auch Traktoren von Accord, Kverneland und Kubota. Das bleibt festzuhalten: Im Jahr 1966 stellte die Firma Weiste-Accord ihre neuen Maschinen auf einer Messe in Moskau aus. Wagemutige Mitarbeiter übernahmen den Transport, und der Messe folgte eine Vorführtour durch den Ostblock. Der Feldzug war zwar nicht erfolgreich, blieb für Norbert Kleine aber ein prägendes Erlebnis. profi 8 - 2019 121
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