Gesund+
Das Medizin-Magazin aus Bielefeld - Ausgabe 7; Schwerpunktthema: Frauengesundheit Download unter: https://evkb.de/gesundplus
Das Medizin-Magazin aus Bielefeld - Ausgabe 7; Schwerpunktthema: Frauengesundheit Download unter: https://evkb.de/gesundplus
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
FRAUENGESUNDHEIT<br />
29<br />
Männer hingegen neigen in Belastungssituationen<br />
eher zu Alkohol.“<br />
Nicht nur Schlaf- und Beruhigungsmittel bergen<br />
das Risiko für Missbrauch und Sucht,<br />
auch Antidepressiva, Schmerzmittel, Appetitzügler,<br />
Anabolika, Aufputschmittel oder Nasentropfen.<br />
Eine Arzneimittelsucht verläuft<br />
schleichend und wird meist sehr spät erkannt.<br />
Zunächst werden die Medikamente zu oft, in<br />
zu hoher Dosis oder grundlos eingenommen<br />
– die Betroffenen meinen, das Mittel zu brauchen.<br />
Um es weiter zu erhalten, werden Arzt<br />
Wir leben in einer sehr<br />
leistungsorientierten<br />
Gesellschaft. Gerade von<br />
Frauen wird erwartet,<br />
dass sie in Job und<br />
Familie funktionieren.“<br />
Dr. Martin Reker<br />
und Apotheke ständig gewechselt. Es kommt<br />
zur Toleranzentwicklung (der Patient braucht<br />
immer mehr) bis die Situation eskaliert: Weglassen<br />
oder Dosisreduktion führen zu seelischen<br />
und körperlichen Entzugserscheinungen.<br />
Für Angehörige ist das Problem schwer<br />
zu erkennen, da die Einnahme unauffällig<br />
oder sogar heimlich geschieht. „Und die Betroffenen<br />
selbst fühlen sich nicht süchtig wie<br />
Drogen- oder Alkoholabhängige und erst recht<br />
nicht krank“, so Dr. Reker, „sie suchen auch<br />
keine Selbsthilfegruppen auf, sondern wollen<br />
das Ganze eher mit sich selber ausmachen.“<br />
Dr. Reker kritisiert, dass oftmals zu leichtfertig<br />
verschrieben wird. „Tabletten sind die schnelle<br />
Lösung für 90 Prozent aller seelischen Störungen.<br />
In einer akuten Krise können sie eine<br />
wertvolle Hilfe sein. Sie sind aber kein Zaubermittel<br />
auf Dauer. Entscheidend ist, herauszufinden,<br />
was hinter den Problemen und Ängsten<br />
steckt. Es gibt ja auch andere Lösungen,<br />
wie zum Beispiel Psychotherapien. Diese sind<br />
natürlich für Arzt und Patient anstrengender<br />
und zeitaufwendiger.“ Seiner Meinung nach<br />
sollten Ärzte besonders bezüglich Psychopharmaka<br />
bei der Indikation strenger sein und<br />
Risikogruppen im Auge behalten. Der Patient<br />
wiederum müsse mehr Verantwortung für sich<br />
tragen, sich gut über die verschriebenen Medikamente<br />
informieren und sehr kritisch damit<br />
umgehen. „Wissen und Selbstkontrolle sind<br />
der beste Schutz vor einer Abhängigkeit!“<br />
Wie Medikamentensucht<br />
therapiert<br />
wird – Möglichkeiten<br />
im EvKB<br />
Bei einem motivierten<br />
Patienten und unterstützenden<br />
Angehörigen<br />
lohnt sich ein<br />
ambulanter Versuch,<br />
bei welchem die Dosis<br />
des Medikaments unter<br />
ärztlicher Anleitung zu<br />
Hause langsam reduziert<br />
wird. Vorteil: Man kann<br />
sich hierfür viel Zeit<br />
lassen. Alternativ geht<br />
der Patient in die Tagesklinik<br />
am Königsweg.<br />
Hat dies keinen Erfolg,<br />
wird er 4-6 Wochen<br />
stationär aufgenommen,<br />
erhält dort psychologische<br />
Unterstützung im<br />
Rahmen von Einzel- und<br />
Gruppentherapie, sowie<br />
Ergo-, Arbeits-, Bewegungs-<br />
und<br />
Musiktherapie.