Positive_Ausgabe_8_August-2019
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<strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
VR-Präsident der<br />
IB Langenthal AG<br />
Heinz Trösch<br />
Es braucht ein<br />
Umdenken!<br />
St. Helena<br />
Die letzte stressfreie<br />
Oase der Menschheit<br />
im Südatlantik.<br />
Kultur<br />
Michel Zumbrunn zeigt die<br />
Schönheit der Stromlinien-<br />
Autos.<br />
Eishockey Prognosen<br />
Die ganze Eishockey-Meisterschaft<br />
in ein paar Fragen –<br />
und Prognosen.
Editorial<br />
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Impressum<br />
Herausgeber<br />
Inserateverkauf<br />
s‘positive AG<br />
St. Urbanstrasse 31<br />
4914 Roggwil<br />
Telefon 062 929 24 25<br />
info@spositive.ch<br />
Redaktion<br />
Bruno Wüthrich<br />
Klaus Zaugg<br />
Geschäftsleitung<br />
Christophe Buchmann<br />
Layout<br />
sehruum11 | werk:8<br />
Digital Druckcenter Langenthal AG<br />
Langenthal<br />
Auflage<br />
76‘000 Exemplare<br />
Erscheinung<br />
monatlich<br />
Druck<br />
Merkur Druck AG Langenthal<br />
Kommunikation<br />
macht sehr vieles<br />
möglich, wenn wir<br />
sie nutzen.<br />
In unserer letzten <strong>Ausgabe</strong> befassten<br />
wir uns intensiv mit dem 125-Jahr-Jubiläum<br />
der Industriellen Betriebe<br />
Langenthal (IBL) sowie mit dem Eidgenössischen<br />
Schwing- und Älplerfest<br />
in Zug (ESAF).<br />
Gerade am ESAF und damit am Schwingen<br />
erkennen wir, was moderne Kommunikation<br />
mit Fernsehen und Internet bewirken<br />
kann. Wo war das Schwingen in<br />
unserer Wahrnehmung, bevor es durch<br />
SRF entdeckt wurde? Wie hat es sich seither<br />
entwickelt? Selbst kleine Schwingfeste<br />
sind heute grosse Events. Das ESAF<br />
ist sogar der grösste Sport-Event, den die<br />
Schweiz zu bieten hat. Dabei repräsentieren<br />
die über 56 000 glücklichen Zuschauer,<br />
die an den beiden Tagen ein Ticket<br />
hatten, nur einen kleinen Teil von all den<br />
Menschen, die sich in irgendeiner Form<br />
für das Fest begeisterten. Man musste<br />
kein Schwingfan sein, um an diesem<br />
Wochenende auf dem Festgelände Party<br />
zu machen. Und man musste kein Ticket<br />
haben, um die Schwinger von ganz nah<br />
bei der Arbeit zu sehen. Dass die Nation<br />
derart ins Schwingfieber geraten könnte,<br />
war vor einigen Jahren noch völlig undenkbar.<br />
Daran erkennen wir, was Kommunikation<br />
möglich macht, wenn wir sie<br />
nutzen.<br />
Dass mit Christian Stucki der «König<br />
der Herzen» auch noch Schwingerkönig<br />
wurde, setzt auch dem tollen Fest die<br />
Krone auf.<br />
Viel Spass beim Lesen dieser <strong>Ausgabe</strong><br />
Herzlich,<br />
Ihr Bruno Wüthrich<br />
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26<br />
6<br />
18<br />
32<br />
Menschen<br />
Heinz Trösch 6<br />
Der Präsident des Verwaltungsrates der<br />
IB Langenthal AG.<br />
Reisen<br />
Reise zur Inser St. Helena 18<br />
Das grüne, hügelige Innere von St. Helena<br />
mahnt ein wenig an das Napfgebiet.<br />
Kultur<br />
Ausstellung 26<br />
Michel Zumbrunn zeigt die Schönheit<br />
der Stromlinien-Autos.<br />
Sport<br />
Eishockey Prognosen 32<br />
Die ganze Eishockey-Meisterschaft<br />
in ein paar Fragen – und Prognosen.<br />
Weitere Themen<br />
Wussten Sie schon? 24<br />
Leserbriefe | Ihre Meinung 46<br />
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s’<strong>Positive</strong> | <strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
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4<br />
5
Menschen<br />
Artikelthema<br />
Heinz Trösch<br />
Es braucht ein<br />
Umdenken<br />
Text<br />
Gedanken zum 125-Jahr-Jubiläum<br />
der IB Langenthal<br />
Klaus Zaugg und Bruno Wüthrich (Text) | Pius Koller (Bilder)<br />
Der IBL-Präsident<br />
führte<br />
18 Jahre lang die<br />
Clientis Bank in<br />
Huttwil.<br />
Die Industriellen Betriebe Langenthal (IBL) versorgen die<br />
Stadt Langenthal mit Wasser, Strom, Gas und Kommunikation.<br />
Die Firma feiert dieses Jahr ihr 125-jähriges Jubiläum.<br />
Heinz Trösch, Präsident des Verwaltungsrates erklärt in<br />
s‘<strong>Positive</strong>, wo der Weg bei der Energie- und Wasserversorgung<br />
sowie in der Kommunikation hinführt.<br />
6<br />
7
Heinz Trösch<br />
Die IBL war früher an Frachtschiffen<br />
auf dem Mittelmeer beteiligt<br />
Heinz Trösch<br />
In erster Linie<br />
sorgen wir für<br />
die Verteilung<br />
von eingekaufter<br />
Energie.<br />
In der letzten <strong>Ausgabe</strong> von s‘<strong>Positive</strong> arbeiteten<br />
wir die Geschichte der Industriellen<br />
Betriebe Langenthal auf. Die 125 bisherigen<br />
Jahre hätten deutlich mehr als nur einen<br />
Artikel hergegeben. Vieles ist passiert.<br />
Vieles hat sich verändert. Unter anderem<br />
unser Leben. Heute geht es jedoch darum,<br />
herauszufinden, was die Zukunft bringt.<br />
Zum Beispiel, wie wir unsere Energieversorgung<br />
sichern bei steigender Nachfrage,<br />
wenn wir zugleich die Atomkraftwerke<br />
abschalten wollen. Heinz Trösch, VR-Präsident<br />
der IB Langenthal, erzählt uns, wo<br />
die Schwierigkeiten liegen und was getan<br />
werden muss.<br />
s‘<strong>Positive</strong>: Sie sind Präsident des Verwaltungsrates<br />
der IB Langenthal AG<br />
(IBL). Bitte beschreiben Sie uns, für was<br />
die IBL steht.<br />
Heinz Trösch: Die IB Langenthal AG<br />
versorgt die Menschen und Unternehmen<br />
im Oberaargau mit Strom, Gas, Wasser<br />
und Kommunikationssignalen. Wie der<br />
Name schon sagt, ist die Firma eine Aktiengesellschaft,<br />
die jedoch zu 100 % der<br />
Stadt Langenthal gehört. Der Gemeinderat<br />
wählt den Verwaltungsrat und dessen<br />
Präsidenten. Und uns werden Einschränkungen<br />
auferlegt. So dürfen wir beispielsweise<br />
im Ausland ohne Zustimmung der<br />
Eigentümerin keine Kapitalbeteiligungen<br />
erwerben...<br />
Also nicht wie beim Postauto…<br />
...genau. Oder wir dürfen auch die Netze<br />
nicht ohne Zustimmung der Eigentümerin<br />
an Dritte verkaufen. Aber betriebswirtschaftlich<br />
sind wir als Unternehmen<br />
in allen Entscheidungen frei.<br />
Schreiben Sie schwarze Zahlen?<br />
Ja, wir schütten der Stadt Langenthal jährlich<br />
eine Dividende von 1.5 Mio. CHF<br />
aus und zahlen zudem eine Konzessionsgebühr<br />
von 0.9 Mio. CHF. Ich gehe heute<br />
davon aus, dass die finanziellen Erwartungen<br />
der Stadt in Zukunft eher noch steigen<br />
werden. Es ist und bleibt unsere Aufgabe,<br />
dass wir diesen Ansprüchen mit einer entsprechenden<br />
strategischen Ausrichtung<br />
entsprechen können.<br />
Am Auftrag hat sich ja aber eigentlich<br />
wenig geändert.<br />
Das ist so. 1894 wurde die Kommission<br />
für Licht, Wasser und Kraft gegründet,<br />
um der aufkommenden Industrialisierung<br />
gerecht zu werden. Seither sind die<br />
Versorgung der Region sowie deren Abrechnung<br />
unsere Hauptaufgaben. Früher<br />
produzierten wir auf dem Areal, wo heute<br />
die Motorex angesiedelt ist, mit Kohle<br />
auch selber Gas. Und um die Versorgung<br />
während der Kriegsjahre sicherzustellen,<br />
war die IBL sogar an zwei Handelsschiffen,<br />
die auf den Weltmeeren unter<br />
Schweizer Flagge verkehrten, beteiligt,<br />
damit die Kohle zu uns gebracht werden<br />
konnte.<br />
Für die ganze Energiebeschaffung<br />
brauchte es wohl damals – vor 125 Jahren<br />
– die öffentliche Hand.<br />
Da haben Sie wohl recht. Die Versorgung<br />
einer grösseren Anspruchsgruppe wie es<br />
die Stadt Langenthal ist, wäre wohl damals<br />
anders nicht machbar gewesen.<br />
Wie kommt ein Unternehmen wie die<br />
IBL, die sich zu hundert Prozent im<br />
Besitz der Stadt befindet, mit der Liberalisierung<br />
und Privatisierung im<br />
Strommarkt zu recht?<br />
Beim Strom unterscheiden wir mehrere<br />
Komponenten: Einerseits braucht es Netze,<br />
damit der Strom in die Haushalte bzw.<br />
zur Verbraucherin oder dem Verbraucher<br />
kommt. Dies hat mit dem eigentlichen<br />
Strommarkt nichts zu tun. Anders sieht es<br />
aber bei den beiden anderen Komponenten,<br />
der Produktion beziehungsweise dem<br />
Ein- und Verkauf von elektrischer Energie,<br />
aus. Hier gibt es einen Konkurrenzkampf<br />
und schon heute kann z.B. eine Verbraucherin<br />
oder ein Verbraucher, die oder der<br />
mehr als 100’000 Kilowattstunden bezieht,<br />
den Strom frei auf dem Markt einkaufen.<br />
Die Zeit naht, in der jede Kundin<br />
und jeder Kunde, ungeachtet der Bezugsmenge,<br />
den Strom dort beziehen kann, wo<br />
er am günstigsten zu haben ist.<br />
Schwer vorstellbar, dass sich diese<br />
Marktöffnung mit dem Bestreben vereinbaren<br />
lässt, künftig vermehrt auf<br />
erneuerbare Energie zu setzen.<br />
Da haben Sie recht. Der billigste Strom<br />
kommt oft aus dem Ausland und wir haben<br />
keine Kontrolle darüber, wie er produziert<br />
worden ist. Die IBL produzieren heute<br />
lediglich in kleinem Umfang eigenen<br />
Strom. In erster Linie sorgen wir für die<br />
Verteilung von eingekaufter Energie über<br />
unser Netz.<br />
Heisst das, die grossen Ziele bezüglich der<br />
erneuerbaren Energien werden den Billigproduzenten<br />
zum Frass vorgeworfen?<br />
Nein, das denke ich nicht. Die Welt-Klimadebatte<br />
ist ja heute in aller Munde und<br />
somit aktueller denn je. Auf kommunaler<br />
Ebene erarbeitete die Stadt Langen thal<br />
den Richtplan Energie, der aktuell dem<br />
Kanton zur Vorprüfung vorliegt. Darin ist<br />
u.a. ein sehr ambitiöses Ziel enthalten: so<br />
will die Stadt ihren Anteil an erneuerbaren<br />
Energien für Wärme bis ins Jahr 2035 von<br />
heute 3% auf 25% steigern. Soll dieses Ziel<br />
erreicht werden, so muss bei allen Beteiligten<br />
ein Umdenken stattfinden.<br />
Aber Sie haben ja keine direkte Einflussmöglichkeit<br />
– wie wollen Sie dieses<br />
Ziel erreichen?<br />
Unsere Strategie 2025 ist so ausgerichtet,<br />
dass wir – nebst der sicheren Versorgung<br />
der Bevölkerung und der Unternehmen<br />
(sozusagen unser «Grundauftrag») – die<br />
Stadt Langenthal bei der Erreichung dieser<br />
ehrgeizigen Ziele möglichst gut unterstützen<br />
können. Dies können wir nur erreichen,<br />
wenn wir zielgerichtet in entsprechende<br />
Projekte investieren.<br />
Sie wollen also bewusst auch in Projekte<br />
der erneuerbaren Energie investieren?<br />
Richtig. Die IBL sind prädestiniert, die<br />
Stadt Langenthal bei der Umsetzung der<br />
im Richtplan Energie gesetzten Ziele zu<br />
unterstützen. Eine Möglichkeit, den Anteil<br />
erneuerbarer Energien zu erhöhen,<br />
liegt bei gezielten Investitionen in die<br />
Produktion. So planen wir beispielsweise<br />
sehr konkret den Bau des Wärmeverbund<br />
Hards, von dem die Stadt, der Kanton<br />
und eine Wohnbaugenossenschaft – sowie<br />
eventuell dereinst das neue Eisstadion – im<br />
Hard Wärme beziehen werden. Es handelt<br />
sich dabei um eine Holzschnitzelheizung,<br />
die wir später noch erweitern können.<br />
Ähnliche Projekte sind in Planung. Im<br />
Bereich der Stromproduktion mittels Photovoltaikanlagen<br />
konnten wir letztes Jahr<br />
die Firma clevergie ag aus Wyssachen als<br />
Mehrheitsaktionärin erwerben.<br />
Wer ist die clevergie ag?<br />
Ein Startup-Unternehmen, gegründet von cleveren<br />
jungen Leuten, die sich auf Solartechnik,<br />
kombiniert mit einer intelligenten Vernetzung<br />
mit Energiespeichern und -verbrauchern<br />
spezialisiert haben. Dank dem Zusammengehen<br />
mit uns werden sie sich noch besser entwickeln<br />
können. Sie wachsen bereits jetzt rasant.<br />
Wieviel erneuerbare Energie wird<br />
schliesslich über das IBL-Netz fliessen?<br />
Das hängt von vielen Faktoren ab und ist<br />
nur schwer abzuschätzen. Wollen wir die<br />
ehrgeizigen Energieziele erreichen, braucht<br />
es von allen Beteiligten ein Umdenken<br />
und die Bereitschaft, in erneuerbare Energien<br />
zu investieren.<br />
Da die clevergie ag sozusagen zu Ihrem<br />
Portefeuille gehört – heisst das, dass ich<br />
die IBL anrufen kann, wenn ich auf Solarenergie<br />
umstellen will?<br />
Ja, so ist es. Die Mitarbeitenden der IBL<br />
und der clevergie ag werden Ihnen als Generalunternehmerinnen<br />
bei der Planung<br />
und Realisierung der Anlage helfen.<br />
Wie läuft das ab?<br />
Da kann ich gleich aus eigener Erfahrung<br />
berichten, denn ich will mein Haus künftig<br />
mit Solarenergie betreiben. Deshalb rief<br />
ich Lukas Meister von clevergie ag an. Ich<br />
zeigte ihm meine Stromrechnungen und<br />
wir ermittelten den Energiebedarf für das<br />
Einfamilienhaus. Dann schaute er sich<br />
das Haus an und erstellt nun ein massgeschneidertes<br />
Projekt. Mit der Firma habe<br />
ich einen Ansprechpartner vor, während<br />
und nach der Installation der Anlage. Sie<br />
werden sich später auch um den laufenden<br />
Betrieb der Anlage kümmern.<br />
Die IBL wird also mit clevergie ag ein<br />
Player auf dem Solarmarkt.<br />
Das ist so. Da liegt viel Potential im<br />
Oberaargau und auch viel Arbeit vor uns.<br />
Darauf freue ich mich ganz besonders. Das<br />
ist unsere Zukunft.<br />
Ein anderes Thema: Vereinigen Sie bei<br />
der IBL in Zukunft alle Stromnetze im<br />
Langetental?<br />
Zuerst ist wichtig zu wissen, dass es ja nicht<br />
nur das Stromnetz gibt. Auch die Versorgung<br />
mit Gas, Wasser oder Kommunikationssignalen<br />
erfolgt über entsprechende<br />
Netze. Dass dabei ausgerechnet die Strom-<br />
Zur Person<br />
Heinz Trösch ist 64-jährig,<br />
aufgewachsen und wohnhaft<br />
in Roggwil. Er ist verheiratet.<br />
Als Dipl. Betriebswirtschafter<br />
HF leitete er während 18<br />
Jahren (bis Ende 2017) als<br />
Direktor die Clientis Bank<br />
Oberaargau.<br />
Heute ist er in verschiedenen<br />
Verwaltungsratsmandaten<br />
engagiert. So in der Energiebranche,<br />
in Immobilienund<br />
Consulting Firmen und im<br />
Sport.<br />
Seine Freizeit verbringt er oft<br />
am Lago Maggiore und auf der<br />
Jagd.<br />
8<br />
9
Heinz Trösch<br />
netze als erstes regional zusammengeführt<br />
werden, bezweifle ich. Etwas anders sieht<br />
es bei den Kommunikationsnetzen aus.<br />
Hier kann ich mir gut vorstellen, dass in<br />
mittlerer Zukunft die Netze zusammengeführt<br />
werden und zum Beispiel innerhalb<br />
einer «Energy Oberaargau» (lacht…) geführt<br />
und unterhalten werden könnten.<br />
Beispielsweise über die Kabelnetz- und<br />
Kommunikationsanbieterin Renet AG<br />
mit ihren Quickline-Produkten.<br />
Gehört denn die Renet AG ebenfalls der<br />
IBL?<br />
Nein, aber wir sind eine grosse Aktionärin<br />
und das bestehende Engagement ist ausbaubar.<br />
Bereits heute wird die Renet AG<br />
durch die IBL administrativ betreut.<br />
Gibt es eine engere Zusammenarbeit<br />
oder allenfalls gar Fusionen unter den<br />
Versorgungsunternehmen in der Region?<br />
Ob es jemals so weit kommt, ist fraglich.<br />
Die zögerliche Haltung ist einesteils auch<br />
verständlich. Mit den grossen Herausforderungen<br />
der Zukunft dürfte aber der<br />
Druck auf die Gemeinden eher steigen. Es<br />
ist ähnlich wie bei den Banken. Wird eine<br />
Fusion oder Zusammenarbeit angedacht,<br />
heisst es zuerst einmal: Sicher nicht! Doch<br />
dann steigt der Kosten- und der Margendruck<br />
und die Erkenntnis reift, dass ein<br />
Zusammengehen eben doch Sinn macht.<br />
Auch in unserer Branche geraten wir mehr<br />
und mehr unter Innovations- und Kostendruck.<br />
Hinzu kommen immer mehr Regulierungen.<br />
Sie waren 18 Jahre Direktor der Bank<br />
Oberaargau. Das war einst die Bank<br />
in Huttwil und heute ist es die Bank<br />
für den ganzen Oberaargau. Die Verlegung<br />
des Hauptsitzes nach Langenthal<br />
dürfte nicht mehr fern sein. Steht also<br />
10<br />
Die IBL setzt künftig stark auf erneuerbare Energie.<br />
im Energiebereich eine ähnliche Phase<br />
der Fusionierung an? Haben wir am<br />
Ende noch einen einzigen grossen Energiedienstleister,<br />
– z.B. eben «Energy<br />
Oberaargau», – der an alle Haushalte<br />
den Strom liefert?<br />
Ich halte fest, dass Sie das mit dem Umzug<br />
des Hauptsitzes der Bank von Huttwil<br />
nach Langenthal gesagt haben. Nur damit<br />
es keine Missverständnisse gibt. Aber<br />
tatsächlich zeichnet sich in der Energieversorgung<br />
eine ähnliche Entwicklung ab wie<br />
im lokalen Bankensektor. Auch wegen der<br />
gesetzlichen Regulierungen. Um zu bestehen,<br />
müssen wir wachsen. Aber das ist ja<br />
in Langenthal nur bedingt möglich, da ja<br />
schon alle Haushalte zu unseren Kunden<br />
zählen. Wir können wachsen, indem wir<br />
zusätzliche Dienstleistungen anbieten –<br />
Stichwort clevergie ag –, erneuerbare Energie<br />
selber produzieren und indem wir die<br />
Betriebsführungen für andere Gemeinden<br />
übernehmen.<br />
Wie gross wird in Zukunft die IBL?<br />
Das hängt in erster Linie vom Wachstum<br />
ab. Wir sind heute gut auf eine Wachstumsstrategie<br />
eingestellt und vorbereitet.<br />
Im Gegenzug kann bei den Gemeinden<br />
z.B. bei Betriebsführungen durch die IBL<br />
der Personalbestand und damit die Personalkosten<br />
deutlich gesenkt werden. Wir<br />
spüren heute in genau diesem Bereich ein<br />
grosses Interesse bei den Gemeinden für<br />
eine Zusammenarbeit. So arbeiten wir auch<br />
mit über 30 Gemeinden in verschiedenen<br />
Dienstleistungen bereits eng zusammen.<br />
Gibt es dafür konkrete Beispiele?<br />
Die Gemeinde Roggwil, die fast 4‘000<br />
Einwohner zählt, ist ein gutes Beispiel.<br />
Sie gliederte die Gemeindebetriebe in eine<br />
öffentlich-rechtliche Anstalt aus. Diese<br />
Wir müssen die<br />
Chancen und<br />
nicht die Risiken<br />
in den Mittelpunkt<br />
stellen.<br />
schloss mit der IBL ein Betriebsführungsmandat<br />
ab. Heute sind in der Gemeinde<br />
Roggwil noch zwei Personen mit gesamthaft<br />
150 Stellenprozenten tätig. Den ganzen<br />
Rest besorgt die IBL, die im Auftragsmandat<br />
für die ganze Betriebsführung<br />
verantwortlich ist.<br />
Wir verstehen. Aber eigentlich könnten<br />
Sie somit die Versorgung von Roggwil<br />
auch gleich ganz übernehmen.<br />
Die heutige Lösung passt für die Gemeinde<br />
Roggwil. Die Verantwortlichkeiten<br />
sind klar geregelt und der Betrieb funktioniert<br />
einwandfrei.<br />
Sie haben vorher den Namen «Energy<br />
Oberaargau» angesprochen – was<br />
steckt da dahinter?<br />
Aus meiner Sicht ist dies mehr ein Arbeitstitel<br />
als eine neue Marke. Tatsache<br />
ist, dass mit der Erweiterung der Geschäftsfelder<br />
im ganzen Oberaargau<br />
auch der Name der IBL zu überdenken<br />
ist. Als gute Vorreiterin dazu nehme ich<br />
das Beispiel der heutigen Clientis Bank<br />
Oberaargau. Mit dem Ausbau der Bank<br />
in mehreren Gemeinden im Oberaargau<br />
passte der frühere Name Bank in Huttwil<br />
ganz einfach nicht mehr. Also mussten<br />
Aktionäre und Kunden vom neuen Namen<br />
überzeugt werden. Am Anfang gab<br />
das schon etwas zu reden…<br />
… und heute schreit niemand mehr nach<br />
dem alten Namen.<br />
Ja, genau! Will der Oberaargau weiter erfolgreich<br />
wachsen, müssen wir die Chancen<br />
und nicht die Risiken in den Mittelpunkt<br />
stellen. Gemeinsam ist Vieles<br />
möglich. Dazu braucht es aber die Bereitschaft<br />
von allen Seiten. Anders gesagt: es<br />
ist ein Geben und Nehmen. Aber kommen<br />
wir auf den Energiesektor zurück. Dabei<br />
stelle ich wie bereits vorgängig erwähnt in<br />
den letzten Jahren fest, dass die Gemeinden<br />
zunehmend die Bereitschaft für eine<br />
Zusammenarbeit zeigen. Insbesondere bei<br />
Dienstleistungen, Kommunikation, erneuerbaren<br />
Energien und in der Wasserversorgung.<br />
Das stimmt mich sehr zuversichtlich<br />
und zeugt vom Weitblick im Oberaargau.<br />
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s’<strong>Positive</strong> | <strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
Der Trend geht in<br />
Richtung Solarenergie.<br />
Anhand dessen, was die Enron mit Kalifornien<br />
gemacht hat, sieht man, was<br />
geschehen kann, wenn die Netze privatisiert<br />
werden. Enron liess absichtlich<br />
die Netze verludern, um künstlich eine<br />
Stromknappheit zu erzeugen, damit sie<br />
höhere Preise verlangen kann.<br />
Wir sind ja zum Glück im Oberaargau und<br />
nicht in Kalifornien... Wir haben klare<br />
Richtlinien für unsere Tätigkeit und sind<br />
uns unserer Verantwortung gegenüber<br />
den Menschen und der Natur voll bewusst.<br />
Tatsache im Energiesektor ist aber<br />
auch: Gemeinsam sind wir stärker und<br />
haben eine bessere Positionierung auf dem<br />
Markt.<br />
Ist es denkbar, den Oberaargau mit erneuerbarer<br />
Energie zu versorgen?<br />
Das Ziel ist, möglichst viel des Bedarfs mit<br />
erneuerbarer Energie abzudecken. Aber<br />
100%? Da muss ich ein grosses Fragezeichen<br />
setzen. Das Problem ist, dass wir ja<br />
den Strom nicht gleichmässig verbrauchen.<br />
Wir müssen Schwankungen ausgleichen<br />
und dafür werden wir wohl nicht um<br />
Strom aus grossen Kraftwerken, welche<br />
von Sonne und Wind unabhängig sind<br />
(z.B. AKWs), herumkommen.<br />
AKW-Strom ist nicht eben populär.<br />
Es ist legitim, die Abschaltung von AKWs<br />
zu fordern und durchzusetzen. Aber dann<br />
müssen wir Alternativen haben. Wir brauchen<br />
Strom auch für den Verbrauch in<br />
Spitzenzeiten oder wenn eine sogenannte<br />
«Dunkelflaute» (Windstille bei gleichzeitig<br />
fehlender Sonneneinwirkung) besteht.<br />
Dabei sind wir auf den Strombezug<br />
aus dem Ausland angewiesen. Ausserdem<br />
ist die Entwicklung auch an den Atomkraftwerken<br />
nicht vorbeigegangen. Es ist<br />
kaum denkbar, dass AKW’s heute noch<br />
genau gleich gebaut und betrieben werden<br />
wie vor dreissig oder vierzig Jahren.<br />
Wo wäre Sparpotenzial beim Stromverbrauch?<br />
Jeder einzelne von uns kann dazu seinen<br />
Beitrag leisten. Wegweisend wird sein, wie<br />
wir es künftig schaffen, die Stromproduktion<br />
und den Stromverbrauch optimal aufeinander<br />
abzustimmen. Intelligente Steuersysteme<br />
werden uns dabei unterstützen<br />
und den vorhandenen Strom punktuell genau<br />
dort einsetzen, wo er gebraucht wird.<br />
Was müssen wir denn sonst noch beachten?<br />
Sparen ist die eine Seite. Dies kann aber<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir<br />
in Zukunft deutlich mehr Elektrizität benötigen<br />
werden. Die Digitalisierung beansprucht<br />
enorm viel Energie, genauso wie<br />
der Trend in Richtung E-Mobilität.<br />
Deshalb brauchen wir weiterhin auch<br />
AKWs?<br />
Schauen Sie – Verschiedene Faktoren<br />
verhindern hier leider eine einfache Lösung:<br />
Erstens wollen wir alle sinkende<br />
CO2-Emissionen. Zweitens brauchen wir<br />
zur Deckung unserer Bedürfnisse leider<br />
immer mehr Energie. Und Drittens sollen<br />
wir parallel dazu noch möglichst rasch<br />
aus den fossilen Energien und dem Atomstrom<br />
aussteigen. Diese drei Faktoren unter<br />
einen Hut zu bringen – das wird die<br />
grosse Herausforderung für uns und die<br />
nächste Generation.<br />
Welche Rolle spielt eigentlich Gas?<br />
Für die Industrie und viele Privathaushalte<br />
ist Gas nach wie vor sehr wichtig. In unserer<br />
Strategie ist Erdgas aber nicht mehr ein<br />
Hauptenergieträger. Als Überbrückungsenergie<br />
wird Erdgas aber nach wie vor eine<br />
Rolle spielen. Neben der Stadt Langenthal<br />
versorgen wir heute auch Teile von Aarwangen,<br />
Bleienbach, Gutenburg, Lotzwil,<br />
Roggwil, St. Urban und Thunstetten-Bützberg<br />
mit Erd- und Biogas.<br />
Also ist Gas eher auf dem Rückzug?<br />
Ja, der Trend der Privathaushalte geht<br />
eher Richtung Solarenergie. Wenn es um<br />
den Entscheid geht, ob noch einmal in<br />
eine neue Gasheizung investiert oder auf<br />
eine Anlage mit erneuerbarer Energie gesetzt<br />
werden soll, dann entscheiden sich<br />
Heinz Trösch geht gerne auf die Jagd<br />
heute bereits viele – auch wenn es teurer<br />
ist – für die umweltfreundliche Lösung.<br />
Auch aus der Politik kommt Druck zum<br />
schrittweisen Rückzug aus der Versorgung<br />
mit Gas, zumal sich Gas als Treibstoff für<br />
Autos nicht durchgesetzt hat. Wie bereits<br />
erwähnt: Hier läuft der Trend in Richtung<br />
E-Mobilität.<br />
Sie sitzen auch im Verwaltungsrat des<br />
SC Langenthal (SCL). Wie steht es in<br />
Sachen Energie mit dem Kultstadion<br />
Schoren?<br />
Der Schoren ist mit Sicherheit keine Vorzeigelösung<br />
bezüglich Energie. Die Halle<br />
ist baufällig und eigentlich nicht mehr renovierbar.<br />
Der SCL muss froh sein, wenn<br />
die Kunsteisbahn AG das Stadion bis zum<br />
Einzug in ein neues Stadion in Stand halten<br />
kann.<br />
Der SCL ist ein erstklassiger Werbeträger.<br />
Ein Engagement der IBL beim SCL<br />
macht also Sinn.<br />
Die IBL ist seit langer Zeit ein wichtiger<br />
Partner des SCL. Eine enge Zusammenarbeit<br />
der beiden Akteure liegt auf der<br />
Hand: Beide Firmen stehen ein für einen<br />
starken Oberaargau und sind lokal sehr<br />
stark verwurzelt. Das Engagement der IBL<br />
zeigt sich aber nicht nur darin, dass sie seit<br />
vielen Jahren beim SCL als Sponsoringpartnerin<br />
auftritt. Sie unterstützt den SCL<br />
auch bei der Sicherstellung des technischen<br />
Betriebes, sei es bei der Versorgung<br />
mit Energie oder als Dienstleisterin für deren<br />
Kommunikationsbedürfnisse.<br />
Sie sind ja ganz nahe dran: Wie ist Ihre<br />
Einschätzung über den Ausgang der<br />
Abstimmung über die Sanierung des<br />
Schorens bzw. für die Testplanung für<br />
ein neues Stadion im Hard?<br />
Das Thema ist jetzt auf der politischen<br />
Agenda. Die Stimmbevölkerung wird sich<br />
überlegen müssen, ob sie in der Region<br />
Oberaargau überhaupt noch eine Mann-<br />
13
Heinz Trösch<br />
schaft in der Nationalliga haben will.<br />
Wenn dem so ist, braucht es zwingend eine<br />
neue Stadionlösung. Die Infrastruktur im<br />
Schoren genügt den Anforderungen für<br />
Nationalligaeishockey nicht mehr.<br />
Wir haben vor allem von der Stromversorgung<br />
gesprochen. Wie steht es mit<br />
dem Kommunikationsnetz?<br />
Wir leben im Kommunikationszeitalter<br />
und die Kundschaft erwartet zu Recht,<br />
dass sie rund um die Uhr auf ein leistungsfähiges<br />
Kommunikationsnetz mit dazugehörenden<br />
Dienstleistungen vertrauen<br />
kann. Beides – ein Unterbruch im Kommunikations-<br />
oder im Stromnetz – bedeutet<br />
für die Kundinnen und Kunden eine<br />
erhebliche Einschränkung und ist daher<br />
nur schwer tolerierbar.<br />
Ist die Digitalisierung in Langenthal<br />
auf einem guten Niveau?<br />
Ja. Wir ersetzen zudem zurzeit die bestehenden<br />
Kupferkabel durch Glasfaserkabel.<br />
Dies sind hohe Investitionen, die wir aber<br />
mit Überzeugung tätigen. Wir sichern uns<br />
damit langfristig die Konkurrenzfähigkeit<br />
durch eine leistungsstarke und technisch<br />
einwandfreie Netzversorgung.<br />
Braucht es denn die Netze noch in Zukunft?<br />
Die mobile Datenübertragung<br />
wird ja immer stärker. Auf 5G werden<br />
wohl bald 6G und 7G folgen.<br />
Die Netze werden immer wichtig sein und<br />
mit der weiteren Digitalisierung noch wichtiger<br />
werden. Welche Auswirkungen die<br />
mobilen Datenübertragungsmöglichkeiten<br />
in Zukunft haben werden, ist nur schwer<br />
vorherzusagen. Zu schnell verändern sich<br />
in diesem Bereich die Marktgegebenheiten.<br />
Sicher scheint mir aber: Der Konkurrenzkampf<br />
sowohl bei Anbietern als auch bei<br />
Betreibern wird sich weiter verschärfen.<br />
Dies ist ein krasser Gegensatz zu früher,<br />
als noch die Nachfrage den Markt<br />
gemacht hat. In der Kommunikation<br />
– und in andern Branchen durch die<br />
Kommunikation - macht heute der Anbieter<br />
den Markt.<br />
So ist es. Unsere Aufgabe als Anbieterin<br />
ist es, bei den Dienstleistungen wie auch<br />
den Netzen stets à jour zu sein. Im Bereich<br />
der Netze konnten wir uns da früher auf<br />
die Wasser-, Strom- und Gasnetze konzentrieren.<br />
In jüngerer Zeit haben sicher<br />
die Kommunikationsnetze an Bedeutung<br />
gewonnen.<br />
Stichwort Wasser: Im Vergleich zu<br />
Energie und Kommunikation dürfte<br />
die Wasserversorgung ein beschauliches<br />
Geschäft sein.<br />
Tatsächlich verändern sich die Gegebenheiten<br />
(auch aus regulatorischer Sicht)<br />
beim Wasser sicher weniger schnell als in<br />
den anderen Bereichen. Zudem gibt der<br />
Gesetzgeber vor, dass wir mit dem Wasser<br />
nur so viele Einnahmen erzielen dürfen,<br />
um die Anlagen nachhaltig in Betrieb zu<br />
halten. Da Wasser ein wichtiges Lebensmittel<br />
ist, fokussieren wir uns zudem auf<br />
das Halten der hohen Wasserqualität.<br />
Ist eigentlich die Versorgung mit Wasser<br />
sichergestellt?<br />
Ja. Seit 1983 besorgt der Gemeindeverband<br />
Wasserversorgung untere Langete<br />
(WUL) die meisten Aufgaben der Wasserversorgung<br />
für die Stadt Langenthal<br />
und zehn anderer Gemeinden mit über<br />
30‘000 Einwohnerinnen und Einwohnern.<br />
Sie versorgt alle mit genügend und<br />
nachweislich einwandfreiem Trink-,<br />
Brauch- und Löschwasser. Die IBL sind<br />
auch für den WUL eine wichtige Partnerin:<br />
Wir planen, projektieren, bauen,<br />
betreiben und unterhalten die örtliche<br />
Wasserversorgung sowie deren Feinverteilanlagen<br />
und Hydranten. Im Übrigen<br />
nahm die heutige IBL bereits in ihrem<br />
Gründungsjahr 1894 den ersten Hydranten<br />
in Betrieb. Bis heute ist deren Zahl<br />
in Langenthal auf 668 angewachsen. Ein<br />
weiteres symbolisches Beispiel dafür, was<br />
die IBL in den letzten 125 Jahren geleistet<br />
hat – und in diesem Sinne auch ein Versprechen<br />
für die Zukunft.<br />
Ein Kombi mit Geschichte.<br />
Und Zukunft.<br />
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Reisen<br />
Die letzte<br />
stressfreie Oase<br />
der Menschheit<br />
Hier lebt das älteste Landtier der Welt, hier<br />
verbrachte Napoleon seinen<br />
Lebensabend. Die Insel St. Helena ist einer<br />
der abgelegensten Orte der Welt und ein<br />
vergessenes Paradies im Südatlantik.<br />
Klaus Zaugg (Text) | Wanda Frischknecht (Bilder)<br />
16<br />
Und dort,<br />
wo die Schafe<br />
weiden, ist es auf<br />
St. Helena halt ein<br />
bisschen weniger<br />
grün.<br />
Reiseinformationen<br />
Die Reise dauert mindestens zwei Tage.<br />
Jeden Samstag fliegt die Südafrikanische Regionalflug-Gesellschaft<br />
Airlink mit maximal 87 Passagieren von Johannesburg<br />
nach Jamestown und wieder zurück. Der Hinflug<br />
dauert wegen des Tankstopps im namibischen Walvis Bay<br />
(es braucht genug Sprit, um im Notfall zum afrikanischen<br />
Festland zurückzufliegen) rund sechs, der Non-Stop-<br />
Rückflug etwas mehr als vier Stunden. Eine Reise aus der<br />
Schweiz führt von Zürich über Johannesburg und dauert<br />
mindestens zwei Tage. Administrativ gehören zu St. Helena<br />
auch Ascension (1200 Kilometer nördlich) und Tristan da<br />
Cunha (1300 Kilometer südlich).<br />
Kein Netz. Das ist schon mal erfreulich.<br />
Später werden wir erfahren, dass auch<br />
das Privat-Handy des Gouverneurs nicht<br />
funktioniert. Die grossen internationalen<br />
Telekommunikationsfirmen beteiligen<br />
sich nicht am Hosentelefon-Business, das<br />
hier erst 2015 begonnen hat. Der Umsatz<br />
ist zu gering. Ich müsste eine SIM-Karte<br />
des lokalen Anbieters kaufen. Die ist mir<br />
viel zu teuer. Auch der Gouverneur verzichtet<br />
darauf. Er hat ja noch sein Diensthandy.<br />
Und das funktioniert.<br />
Ich habe in zwei Wochen auf St. Helena<br />
niemanden mit dem Handy am Ohr herumlaufen<br />
sehen. Das dürfte ein Grund<br />
sein, warum Ebbe und Flut des Alltags<br />
beschaulich dahinplätschern. Es ist wohl<br />
so wie bei uns vor der Erfindung des Kapitalismus,<br />
des Telefons und des Automobils<br />
war. Hier gibt es keinen Stress. Keine Eile.<br />
Keine Hektik. Die Menschen sind freundlich.<br />
Alle grüssen und kommt uns ein<br />
Auto entgegen, hebt der Fahrer die Hand<br />
zum Grusse. Jeder hat Zeit: spazieren wir<br />
durch Jamestown, so lassen sich die Menschen<br />
noch so gerne in ein Gespräch verwickeln,<br />
fragen mit freundlicher Neugier<br />
nach dem Befinden und erzählen gleich<br />
eine Geschichte aus ihrem Alltag. Die<br />
digitale Welt ist hier sowieso noch nicht<br />
recht angekommen. Es gibt nach wie vor<br />
nur einen teuren, langsamen, über einen<br />
Satelliten laufenden Internetzugang. Das<br />
schnelle Internet kommt mit dem Tiefseekabel<br />
frühestens 2022.<br />
Wahrscheinlich ranken sich nur um wenige<br />
Plätze der Erde so viele Vorurteile wie<br />
um St. Helena. Auf der Insel von der ungefähren<br />
Grösse des Kantons Appenzell<br />
Innerhoden, über 2000 Kilometer vor der<br />
Küste Afrikas, hat Napoléon die letzten<br />
Jahre seines Lebens in der Verbannung verbracht<br />
(1815 bis 1821). In unserem Kopfkino<br />
erscheint das Bild einer sturmumtosten,<br />
öden, tristen Insel. Doch St. Helena<br />
ist weder sturmumtost noch öde oder trist.<br />
Und Longwood House, wo der grosse<br />
Korse seinen Lebensabend verbrachte,<br />
war das Sommerhaus eines reichen Geschäftsmannes.<br />
Wunderbar gelegen auf der<br />
Hoch ebene. Weit geht der Blick über die<br />
grünen Hügel und hinaus ins Meer. Wenn<br />
es dem Kaiser (und seiner Entourage) hier<br />
nicht gefallen hat, dann wohl, weil er sich<br />
unendlich langweilte. Immerhin war er ja<br />
zeitweise der mächtigste Mann der Erde,<br />
und es muss etwa so gewesen sein, wie wenn<br />
Donald Trump hierher verfrachtet würde.<br />
Ohne Zugang zu seinem Twitter-Account.<br />
Um der historischen Wahrheit willen sei<br />
also gesagt: seine Majestät hat ihren Le-<br />
17
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s’<strong>Positive</strong> | <strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
bensabend in einem Ferienhaus auf einer<br />
Insel verbracht, die eigentlich eine Ferieninsel<br />
ist. Ohne Badestrand zwar, aber<br />
mit einer Badi in Jamestown, die einst<br />
ein Trainingsbecken für die Soldaten war.<br />
Der Bademeister ist Gitarrist der lokalen<br />
Country- und Rockband. Und hat nicht<br />
Thomas Cavendish, der erste Engländer,<br />
der die Insel erreichte, St. Helena spontan<br />
eine «paradiesische Insel» genannt? Das<br />
Wetter ist auch jetzt, im tiefen südatlantischen<br />
Winter angenehm mild, so um 20<br />
Grad. Schönes Spätsommerklima mit hin<br />
und wieder auffrischender Brise.<br />
Was beim Rundgang durch die Räume der<br />
napoleonischen Residenz (fotografieren leider<br />
verboten) auffällt: sein Bett mahnt an<br />
ein Kinderbett. Die ausgestellten Kleider,<br />
Mäntel und Uniformen an Kostüme für<br />
ein Kindertheater. Er muss offensichtlich<br />
noch kleiner gewesen sein als uns überliefert<br />
wird. René Fasel oder Nicolas Sarkozy,<br />
Napoleons unserer Zeit, würden bei weitem<br />
nicht in seine Hosen passen.<br />
Die höchste Autorität auf St. Helena ist seit<br />
Mai dieses Jahres seine Exzellenz Dr. Philip<br />
Rushbrook. Als Gouverneur ist er hier der<br />
Stellvertreter der Königin. Sein Dienstwagen<br />
– ein Jaguar – ist das schönste Automobil<br />
auf der Insel. Gerne ist er bereit, uns nicht<br />
unten im Büro in Jamestown, sondern oben<br />
auf seinem Amtssitz («Plantation House»<br />
mit 38 Zimmern) zu empfangen. Sozusagen<br />
zum privaten Staatsbesuch. Schliesslich verirrt<br />
sich kaum je ein Chronist mit Freundin<br />
in sein kleines Reich. Als Fussball-Kenner<br />
Napoléon verbrachte<br />
die letzten<br />
Jahre seines<br />
Lebens auf<br />
St. Helena.<br />
Hier hat Napoleon seinen Lebensabend verbracht: Longwood House.<br />
freut er sich sehr über das YB-Meisterbuch,<br />
das wir ihm mit Widmung als Präsent<br />
mitgebracht haben. Tee (of course) und<br />
köstliches Gebäck wird aufgefahren. Der<br />
freundliche Gentleman ist ein wunderbarer<br />
Erzähler. Er lässt uns tief eintauchen in die<br />
Bräuche und Historie «seines» wundersamen<br />
Inselreiches. Erst einmal räumt er mit<br />
einer «Medien-Lüge» auf. Die Geschichte<br />
über den im Oktober 2017 eröffneten Flughafen<br />
als eine 150 Millionen Pfund teure,<br />
kaum brauchbare Fehlinvestition, sei eine<br />
Sensationsstorys der britischen Boulevardpresse,<br />
die sich im Internet über den ganzen<br />
Globus verbreitet habe und nicht mehr aus<br />
der Welt zu schaffen sei. Natürlich könne<br />
nur auf Sicht geflogen werden, die Piloten<br />
müssten gut ausgebildet sein und die Grösse<br />
der Maschinen sei eingeschränkt. Aber es<br />
sei keineswegs so, dass es wegen der Seitenwinde<br />
kaum möglich sei, sicher zu landen.<br />
Der Grund, warum es nur eine samstägliche<br />
Verbindung nach Johannesburg gibt, ist also<br />
ganz offensichtlich nicht Wind noch Wetter.<br />
«Wir haben einfach noch keine Fluggesellschaft<br />
dazu bringen können, unsere<br />
Insel öfter anzufliegen. Obwohl wir bereit<br />
sind, ein allfälliges Defizit des Flugbetriebes<br />
zu übernehmen.» So kommt es, dass jährlich<br />
nicht die erhofften 30 000 Besucher<br />
einfliegen. Sondern bloss ein paar hundert.<br />
Immerhin ist St. Helena der restlichen Welt<br />
nun ein klein wenig näher gerückt. Die Reise<br />
dauert nicht mehr fünfeinhalb Tage mit<br />
dem Schiff von Kapstadt. Von Johannesburg<br />
aus sind es mit Zwischenlandung in<br />
Walvis Bay an der namibischen Küste noch<br />
gut sechs Stunden.<br />
Etwas mehr als 4000 Menschen leben auf<br />
St. Helena. Fast die Hälfe davon in der dörflichen<br />
Hauptstadtregion Jamestown/Half<br />
Tree Hollow. Hier gab es nie Eingeborene.<br />
Die Insel ist erst im 16. Jahrhundert von<br />
den Portugiesen besiedelt worden. Später<br />
kamen die Briten. Die meisten Einwohner<br />
dürften jedoch Nachfahren befreiter Sklaven<br />
und chinesischer Wanderarbeiter sein.<br />
Die Royal Navy brachte nach dem Verbot<br />
der Sklaverei Sklavenschiffe in Südatlantik<br />
auf und brachte die befreiten Sklaven nach<br />
St. Helena. Der häufigste Vorname auf der<br />
Insel sei, so wird uns erzählt, weder Henry<br />
noch George. Sondern Yon.<br />
Reise nach St. Helena<br />
Natürlich gibt es unter diesem wunderbaren,<br />
freundlichen Völkergemisch auch das<br />
Böse. Im Gefängnis, gleich an der Kirche<br />
angebaut (die Insassen dürften in ihren<br />
Zellen die frommen Gesänge hören), sitzt<br />
ein gutes Dutzend Bösewichte ein. Der<br />
Gouverneur erzählt, einer sei gar ein zu<br />
einer lebenslänglichen Strafe verurteilter<br />
Mörder. Der einzige «Murder Case» hier<br />
seit Menschengedenken. Der Delinquent<br />
hätte das Recht, seine Strafe in einer modernen<br />
Besserungsanstalt im Mutterland<br />
abzusitzen. Er wolle aber lieber hierbleiben.<br />
Ich kann es verstehen. Jedes Mal, wenn wir<br />
hinter dem Gefängnis durch zu unserer<br />
Unterkunft gehen, dringt Musik durch<br />
die Mauern. Pro Woche muss die Polizei<br />
zwei oder dreimal irgendwo eingreifen.<br />
Meistens bei Handgreiflichkeiten unter<br />
Alkoholeinfluss. Radarkontrollen braucht<br />
es keine. Die Strassen sind so eng, dass auf<br />
der ganzen Insel nur auf insgesamt etwa<br />
einem Kilometer höher als in den dritten<br />
Gang geschaltet werden kann. Am Freitag<br />
und Samstag steppt der Bär im lokalen Pub<br />
und weithin schallen Country-Songs. Das<br />
ist die beliebteste Musik hier. Sonst ist es<br />
so friedlich, dass die Katzen ganz zutraulich<br />
sind. Nach einer Woche kennen wir in<br />
Jamestown bereits die meisten und wissen,<br />
zu welchem Haus sie gehören. Und dass<br />
nur die Hauskatze aus einem der vier Restaurants<br />
Flöhe hat. Wahrlich, die letzte<br />
stressfreie Oase der Menschheit.<br />
St. Helena ist die zweitälteste britische<br />
Kolonie (heute: British Overseas Territories).<br />
Noch so gerne wäre das Mutterland<br />
bereit, die Insel in die Unabhängigkeit zu<br />
entlassen. Aber es kommt nicht einmal ein<br />
Referendum zustande. Die Zugehörigkeit<br />
18<br />
19
Reise nach St. Helena<br />
Reise nach St. Helena<br />
zu Grossbritannien bringt einfach zu viele<br />
Vorteile. Die medizinische Versorgung ist<br />
hervorragend. Ärzte aus aller Welt kommen<br />
für ein paar Jahre nach Jamestown.<br />
Im lokalen Krankenhaus werden auch<br />
neue Hüftgelenke eingesetzt und für Notfälle<br />
gibt es eine medizinische Luftbrücke<br />
in eine Privatklinik in der südafrikanischen<br />
Hauptstadt Pretoria. Das öffentliche<br />
Schulsystem ist exzellent. Jedes Jahr schaffen<br />
im Schnitt vier Studenten den Zugang<br />
zu einer Universität in England. Die Kosten<br />
übernimmt die öffentliche Kasse von<br />
St. Helena. Der Gouverneur kann über ein<br />
20<br />
Budget von rund 50 Millionen Pfund gebieten,<br />
wovon 60 Prozent davon aus London<br />
kommen. Die lokale Wirtschaft ist<br />
fragil. Sie funktioniert nur, weil der staatliche<br />
Sektor mit rund 900 Arbeitsplätzen<br />
60 Prozent der Gesamtökonomie ausmacht.<br />
Gerne würde der Gouverneur dazu<br />
beitragen, dass der öffentliche Sektor weniger<br />
als die Hälfte beträgt und der private<br />
Sektor wächst. «Aber das wird wohl nur<br />
durch eine langsame Entwicklung möglich<br />
sein.» Evolution, nicht Revolution. Das<br />
grösste Entwicklungspotenzial hat der<br />
Tourismus. «Wir versuchen, die Reiseveranstalter<br />
zu motivieren, bei Touren nach<br />
Namibia oder Südafrika eine Anschlusswoche<br />
auf St. Helena anzubieten.» Die<br />
Insel wäre eigentlich perfekt für nachhaltige<br />
touristische Nischenangebote. Weil es<br />
hier nie eine nennenswerte kommerzielle<br />
Fischerei gegeben hat (auf der ganzen Insel<br />
gibt es nur 10 Fischerboote) ist das Meer<br />
so fischreich, dass die Legende geht, die<br />
Fische würden den Sportfischern ins Boot<br />
springen. Und die Tauchgründe rund um<br />
die Insel sollen zu den besten der Welt gehören.<br />
Wer lieber auf dem Festland bleibt,<br />
findet ein Netz von 21 sehr gut ausgebauten<br />
Wanderwegen («Post Box Walks»),<br />
die bis auf über 800 Meter aufsteigen. Wer<br />
den Kick sucht, kann in Jamestown die<br />
Jakobsleiter hochsteigen. Mit 699 Stufen<br />
sind auf einer Länge von 300 Metern 200<br />
Meter Höhendifferenz zu überwinden.<br />
Erst nach einer Woche Training schaffe<br />
Auf der ganzen<br />
Insel gibt es nur<br />
10 Fischerboote.<br />
ich es, ohne Verschnaufpause durchzusteigen.<br />
Ein Mont Ventoux für Fussgänger.<br />
Das Innere der Insel ist grün, hügelig und<br />
von Krächen durchzogen wie das Napfgebiet.<br />
Und als ganz besondere Attraktion<br />
gibt es den angeblich teuersten und besten<br />
Kaffee der Welt. Für die hier geernteten<br />
Kaffebohnen werden in London bei<br />
«Harrod’s» 100 Pfund für 100 Gramm<br />
bezahlt. Es gibt nur eine einzige kleine<br />
Plantage. Der Besitzer verkauft den Kaffee<br />
auf der Insel im Souvenirshop für einen<br />
Fünftel dieses Betrags und er serviert ihn<br />
in seinem Kaffeehaus für knapp drei Franken<br />
die Tasse.<br />
Das Regieren ist für den Stellvertreter der<br />
Königin nicht so einfach. Sein Pflichtenheft<br />
umfasse nicht weniger als 67 Seiten.<br />
Nein, gelesen habe er noch nicht alle.<br />
Ein zwölfköpfiges, vom Volk gewähltes<br />
Kollegium verwaltet die Insel und kann<br />
selbständig über die alltäglichen administrativen<br />
Abläufe befinden. Aber jeder Entscheid<br />
muss vom Gouverneur abgesegnet<br />
werden. Ihm obliegt es, darauf zu achten,<br />
dass alle Gesetze und Verordnungen mit<br />
Die Himmelsleiter mit 699 Stufen –<br />
der Mont Ventoux für Fussgänger.<br />
der britischen Verfassung vereinbar sind.<br />
Die internationale Politik spielt in den<br />
Alltag hinein. Zwar gehört St. Helena –<br />
wie alle britischen Aussenterritorien mit<br />
Ausnahme von Gibraltar – nicht zur EU<br />
und das Brexit-Theater ist den Menschen<br />
Am 5. Mai 2021<br />
jährt sich der<br />
200. Todestag<br />
Napoleons.<br />
Diana’s Peak, der höchste Punkt der Insel St. Helena.<br />
Die felsigen Küsten von St. Helena: Egg Island.<br />
herzlich egal. Aber die Franzosen haben<br />
1858 den Briten für 7100 Pfund Longwood<br />
House samt Umgebung und ein paar<br />
napoleonische Erinnerungsorte abgekauft.<br />
Insgesamt 14 Hektaren. Beim Longwood<br />
House wird täglich die französische Flagge<br />
hochgezogen. Zuständig ist der französische<br />
Konsul von Kapstadt, und der lässt<br />
sich hier auf der Insel von einem Honorarkonsul<br />
vertreten: Seit einer gefühlten<br />
Ewigkeit (seit 1987) übt Michel Dancoisne-Martineau<br />
das Amt aus und begegnet<br />
dem britischen Gouverneur auf Augenhöhe.<br />
Darauf ist Rücksicht zu nehmen. Seufzend<br />
denkt der Stellvertreter der britischen<br />
Krone an die anstehenden Feierlichkeiten<br />
rund um den 200. Todestag Napoleons am<br />
5. Mai 2021, die noch in seine vierjährige<br />
Amtszeit fallen werden. «Bereits haben<br />
sich mehrere grosse Kreuzfahrtschiffe angemeldet.»<br />
Nach wie vor hätte der Gouverneur<br />
das Recht, die prächtige weisse<br />
Paradeuniform zu tragen. Allerdings hat<br />
die britische Regierung kürzlich den finanziellen<br />
Zuschuss für das Schneidern<br />
des Ehrengewandes gestrichen. Selbst<br />
wenn die Uniform bezahlt würde, der<br />
Gouverneur, würdig-bescheiden wie er ist,<br />
würde sie nicht tragen. Was aber, wenn bei<br />
den Empfängen, Feiern und Paraden rund<br />
um die napoleonischen Festivitäten erwartet<br />
wird, dass der Inhaber der britischen<br />
Staatsgewalt in Uniform auftritt? «Ach,<br />
dann werde ich wohl die alte Uniform in<br />
unserem Museum entstauben lassen…»<br />
Wie wird man eigentlich Gouverneur<br />
von St. Helena? Dr. Rushbrook hat sein<br />
Berufsleben dem Dienst seiner Majestät<br />
in der britischen Staats-Administration<br />
gewidmet. Er mag spezielle Orte und<br />
diente unter anderem auch in Hongkong.<br />
«Die Gouverneursstellen werden intern<br />
ausgeschrieben. Ich habe mich einfach<br />
beworben.» Das Wohl der Insel liegt ihm<br />
sehr am Herzen. Wer ein Anliegen hat, bekommt<br />
eine Audienz und kann sein Herz<br />
ausschütten. Und eine Sorge beschäftigt<br />
ihn täglich. Im Garten seines Amtssitzes<br />
lebt Jonathan. Jonathan ist eine Schildkröte,<br />
die 188 Jahre alt ist. Mit ziemlicher<br />
Sicherheit das älteste Landlebewesen auf<br />
Erden. Jedem Gouverneur wird vor dem<br />
Amtsantritt eindringlich ans Herz gelegt,<br />
ja dafür Sorge zu tragen, dass das berühmte<br />
hochbetagte Tier nicht das Zeitliche<br />
segnet. «Sollte das in meiner Amtszeit<br />
passieren, dann würde man sich für immer<br />
an mich nur als den Gouverneur erinnern,<br />
in dessen Amtszeit Jonathan verstorben<br />
ist…» Jeden Sonntag kommt der<br />
Tierarzt, achtet darauf, dass Jonathan die<br />
richtige Diät bekommt und untersucht<br />
ihn. «Wenn er mir dann sagt, Jonathan<br />
sei okay, fällt mir sein Stein vom Herzen.»<br />
Und so freut er sich sehr über meine Abschiedsworte<br />
(«God save the Queen and<br />
Jonathan») und ergänzt, ganz treuer Diener<br />
seiner Majestät: «Danke, ja, genau in<br />
dieser Reihenfolge…»<br />
21
Wussten Sie schon?<br />
Wussten Sie schon?<br />
1<br />
Jünger und Jüngerinnen, Apostel und Apostelinnen:<br />
Haben nur Männer die Lehren Jesu<br />
verkündet?<br />
2<br />
Nicht nur ein Luxusgut:<br />
Weshalb schliefen Menschen<br />
früher in Himmelbetten?<br />
Wir sagen heute nicht einfach nur Kaminfeger.<br />
Wir sagen Kaminfeger und<br />
Kaminfegerin. Wir sagen nicht einfach<br />
nur Lehrer, sondern Lehrer und<br />
Lehrerin. Überall verwenden wir heute<br />
sowohl die männliche als auch die weibliche<br />
Form.<br />
Überall? Na ja, wenn es ins Negative geht,<br />
sind wir nicht ganz so pingelig. Bei Verbrechern<br />
wird nicht verlangt, dass wir da auch<br />
noch die weibliche Form nennen. Es gibt<br />
noch ein paar andere Beispiele.<br />
Nicht in diese Kategorie fällt eine andere<br />
«Berufsbezeichnung». Nämlich diejenige<br />
der Jünger und der Apostel. Und wir fragen<br />
uns zurecht, weshalb dies so ist. Tatsächlich<br />
waren im frühen Christentum<br />
viele Frauen an der Verbreitung der Lehren<br />
von Jesus Christus beteiligt. Wurden sie in<br />
der urchristlichen Gemeinde ursprünglich<br />
sogar als gleichrangig angesehen? So jedenfalls<br />
könnte man Galater 3.28 aus dem<br />
Paulusbrief deuten, der da heisst: «Da ist<br />
nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave<br />
noch Freier, da ist nicht Mann noch<br />
Frau; denn ihr alle seid einer in Christus<br />
Jesus.»<br />
In späteren Jahrhunderten änderte sich die<br />
Auslegung allerdings. Apostelinnen wurden<br />
nachträglich zu Dienerinnen erklärt<br />
oder zu Männern umgedeutet. So wie im<br />
Fall von Junia. Paulus bezeichnet sie im<br />
Römerbrief (ca. 56 n.Chr.) als herausragende<br />
Apostelin, also als eine Gesandt von<br />
Jesus. Auch in den darauffolgenden Jahrhunderten<br />
spricht man mit Hochachtung<br />
von ihr. Aber im 13. Jahrhundert erscheint<br />
Junia in Texten auf einmal als Junias – also<br />
als Mann.<br />
Nicht besser erging es Maria Magdalena.<br />
Anders als die männlichen Jünger floh sie<br />
nicht, als Jesus gekreuzigt wurde. Laut den<br />
Evangelien beobachtete sie seine Auferstehung<br />
und wurde von ihm aufgefordert,<br />
dieses Ereignis weiter zu erzählen, – also<br />
als Apostelin tätig zu werden. Noch im 3.<br />
Früher verkündeten<br />
im Christentum<br />
auch Frauen<br />
das Wort Gottes.<br />
Jahrhundert beriefen sich christliche Gemeinden<br />
auf sie. Später wird aber ihre Figur<br />
mit einer anderen Maria Magdalena, einer<br />
stadtbekannten Sünderin vermischt.<br />
Luxuriös und pompös – so stellen wir<br />
uns Himmelbetten vor. Und sie sind es<br />
auch.<br />
Doch sie entstanden aus Raumnot. Im<br />
Mittelalter hatten selbst wohlhabende<br />
Menschen meistens nicht genügend beheizbaren<br />
Platz für die grossen Familien.<br />
Da behalf man sich mit dem Himmelbett.<br />
An den vier Pfosten waren zusätzlich zum<br />
«Himmel» auch Vorhänge befestigt.<br />
Damit konnte man ein abgeschlossenes<br />
Schlafgemach zumindest simulieren und<br />
etwas Privatheit herstellen in einem Raum,<br />
den man mit anderen Personen teilte. Die<br />
geschlossenen Vorhänge sorgten für etwas<br />
Wärme im unbeheizten Zimmer. Zudem<br />
verhinderte der Himmel, dass Insekten<br />
aus den Ritzen der Zimmerdecke auf das<br />
Kissen fielen.<br />
Beim begüterten Adel ging man bald einmal<br />
dazu über, die Schlafstatt prunkvoll<br />
zu gestalten. Man verwendete edle Hölzer<br />
und wertvolle Stoffe, und die repräsentativen<br />
Lager wurden dafür verwendet, Freunde<br />
zu empfangen.<br />
Der Ausdruck «auf die hohe Kante legen»<br />
hat ebenfalls mit den Himmelbetten zu<br />
tun. Der Himmel erwies sich nämlich als<br />
gute Ablage für private Schätze, Schmuck<br />
und Geld, der so vor fremden Augen und<br />
Fingern versteckt wurde.<br />
Ein Himmelbett aus dem Mittelalter<br />
«Die heilige Maria Magdalena» von Pompeo Girolamo Batoni (1742)<br />
Bilder: shutterstock.com | Oleg Golovnev<br />
Grosse Wirkung:<br />
Warum wärmen dicke<br />
Socken so effizient?<br />
3<br />
Die Füsse und Hände sind nun wirklich<br />
nicht unsere grössten Körperteile.<br />
Doch im Winter gibt es kaum etwas<br />
Wohligeres, als in dicke Wollsocken zu<br />
schlüpfen. Ist das nicht merkwürdig?<br />
Nein, denn dies hat mit der Wärmezirkulation<br />
in unserem Körper zu tun. Unsere<br />
Füsse sind genau wie unsere Hände die<br />
Sensoren des Körpers. Hier findet sehr viel<br />
Wärme- und Kälteaustausch statt. Relativ<br />
zu ihrer Grösse bieten Hände und Füsse<br />
die meiste Hautoberfläche. Deshalb fühlt<br />
es sich gut an, nach einem heissen Tag im<br />
Büro die Schuhe auszuziehen. Im Winter<br />
sorgen Wollsocken und Handschuhe<br />
mehr als andere Kleidungsstücke für ein<br />
Wärmegefühl. Denn die Blutzirkulation<br />
wird dort am meisten aufgewärmt.<br />
Ein kleiner Tipp: Wer wegen seiner Arbeit<br />
keine Handschuhe tragen kann, dem können<br />
Pulswärmer helfen.<br />
22<br />
23
Stromlinien-Autos<br />
Das<br />
typische<br />
Ferrari-Rot<br />
kann man auch<br />
in seinem Buch<br />
bestaunen.<br />
Ausstellung im Hotel Meilenstein<br />
Michel Zumbrunn<br />
zeigt die Schönheit<br />
der Stromlinien-Autos<br />
Sein Leben ist die Fotografie. Und die Classic Cars, die er in<br />
Szene setzt. Die schönsten Autos der Welt hatte er alle schon<br />
vor der Linse. Seinen Stil erkennt man sofort. Kein anderer<br />
setzt die Schönheit von Autos gekonnter dar als er. Ab dem<br />
17. September stellt er unter dem Titel «Stromlinie» seine<br />
Werke im Hotel Meilenstein in Langenthal aus.<br />
Bruno Wüthrich (Text) | Michel Zumbrunn und Marcel Bieri (Bilder)<br />
Und wie ging es weiter?<br />
Ich wurde dann gebeten, mal vorbei zu<br />
kommen und man zeigte mir die Fotogras’<strong>Positive</strong><br />
| <strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
Wir treffen uns im Foyer des Hotel Meilenstein.<br />
Ich bin etwas zu früh dran, aber<br />
mein Interviewgast ist schon da. Seine 84<br />
Jahre sieht man ihm nicht an, aber man<br />
merkt bald, dass dieser Mann weit gereist<br />
ist und viel gesehen hat. Vor allem hat er<br />
viele Autos gesehen und er kennt viele Geschichten<br />
über sie. Seine Worte wählt er<br />
mit Bedacht. Seine Sätze wären – müsste<br />
man sie nicht vom Schweizer- ins Hochdeutsche<br />
übersetzen – absolut druckreif.<br />
Für s‘<strong>Positive</strong> erzählt Michel Zumbrunn<br />
aus seinem Leben und wie es dazu kam,<br />
dass er die schönsten Classic Cars der Welt<br />
fotografierte.<br />
s‘<strong>Positive</strong>: Wie kamen Sie zur Autofotografie?<br />
Michel Zumbrunn: Eine Zürcher Agentur<br />
hatte von der Amag das Mandat, die<br />
ersten Porsches in der Schweiz zu bewerben<br />
und erteilte mir den Auftrag, dieses<br />
Auto zu fotografieren. Also waren meine<br />
ersten Autobilder gleichzeitig die ersten<br />
Aufnahmen, die in der Schweiz von Porsche<br />
erschienen. Damals, 1962/63 noch in<br />
schwarz-weiss.<br />
Wie gingen Sie vor?<br />
Ich machte die Aufnahmen auf einem Hügel<br />
im Kanton Zürich, damit ich möglichst viel<br />
Himmel, aber keinen Hintergrund hatte.<br />
Wie ging es dann weiter?<br />
Dann kamen auch Peugeot, Fiat und Renault<br />
mit ihren damals modernen Autos.<br />
Ich mietete jeweils das Studio Maur in<br />
der Nähe von Zürich. Dies war das erste<br />
grosse Studio, gross genug, um Autos zu<br />
fotografieren. Mein eigenes Studio befand<br />
sich damals an der Krähbühlstrasse beim<br />
Zoo. Es war gut genug für Werbung und<br />
Modeaufnahmen, aber um Autos zu fotografieren<br />
war es zu klein. Schliesslich kam<br />
der Auftrag von Roth-Händle...<br />
...was hatte eine Tabakfirma mit Autos<br />
zu tun?<br />
Gute Frage, denn es war damals die grösste<br />
Tabakmanufaktur Europas. Diese schrieb<br />
einen internationalen Wettbewerb aus für<br />
ein Werbekonzept, mit welchem Zigaretten<br />
beworben werden sollten, ohne dass<br />
das Produkt gezeigt wird. Roth-Händle<br />
fürchtete sich, dass der deutsche Staat die<br />
Zigarettenwerbung bald verbieten könnte.<br />
Haben sie gewonnen?<br />
Eine Zürcher Werbe-Agentur gewann mit<br />
der Idee, die schönsten Classic Cars der<br />
Welt zu zeigen.<br />
Mein eigenes<br />
Studio war damals<br />
zu klein, um Autos<br />
zu fotografieren.<br />
24<br />
25
Stromlinien-Autos<br />
Stromlinien-Autos<br />
fie eines Schweizer Fotografen von einem<br />
Oldtimer auf einer Lackfolie, alles glänzte<br />
und hinter dem Wagen war Rauch zu sehen.<br />
Insgesamt eine Inszenierung, die mir<br />
nicht gefiel. Ob ich dies auch machen könne,<br />
wurde ich gefragt, und ich antwortete,<br />
dass ich es wohl anders machen würde.<br />
Daraufhin organisierte mir die Agentur einen<br />
Oldtimer, und ich machte in meinem<br />
neuen Studio in Fällanden eine Testaufnahme.<br />
Daraufhin wurde mir der Auftrag<br />
erteilt.<br />
Und so fotografierten Sie die schönsten<br />
Autos der Welt.<br />
Ja, dafür wurde ich bis nach Kalifornien<br />
geschickt. Roth-Händle brauchte dann die<br />
Aufnahmen zwei Jahre lang für ihre Plakate<br />
sowie Inserate und Wanderausstellungen<br />
in Deutschland mit den Classic Cars<br />
im Original vor Ort.<br />
Oft werden bis<br />
zu zehn Lampen<br />
benötigt, um das<br />
perfekte Bild zu<br />
erhalten.<br />
Da ja die Autos nicht alle zu Ihnen<br />
transferiert werden konnten, mussten<br />
Sie wohl oder übel um die ganze Welt<br />
reisen, um sie zu fotografieren. Welches<br />
Equipment war dazu notwendig?<br />
Ich nahm mein mobiles Studio, das ich<br />
immer noch habe, mit auf die Reise. Insgesamt<br />
wiegt das Equipment ca. 700 Kilo.<br />
Dazu gehören Generatoren, diverse Lampen,<br />
ein Aluminiumgerüst mit vier schweren<br />
Sockeln und einem weissen, nahtlosen<br />
Tuch, dem Himmel, 6x9 Meter.<br />
Wie lange lief die Kampagne?<br />
Nach zwei Jahren wurde sie beendet, weil<br />
das Werbeverbot für Zigaretten dann<br />
doch nicht kam. Ich war jedoch bereits ein<br />
drittes Mal um die ganze Welt gereist, um<br />
neue Aufnahmen zu machen. Die Agentur<br />
fand dann in der Motorenölfirma Veedol<br />
Michel Zumbrunn zeigt sein Ferrari-Buch<br />
einen neuen Abnehmer für die Bilder.<br />
Diese Firma ging jedoch lediglich ein Jahr<br />
später in Konkurs und blieb mir sämtliche<br />
Honorare schuldig. Dafür sicherte ich mir<br />
aber alle Bildrechte.<br />
Wie konnten sie die Bildrechte dann<br />
verwenden?<br />
Ich erhielt den Tipp, dass in Paris zwei<br />
Journalisten daran waren, das Magazin<br />
«Automobiles Classiques» zu kreieren.<br />
Einer dieser beiden Journalisten besuchte<br />
mich dann in Zürich und gemeinsam<br />
schauten wir uns die Archiv-Bilder an.<br />
Danach wurden 25 Jahre lang, in jeder<br />
<strong>Ausgabe</strong>, Studio-Bilder von mir gezeigt.<br />
Leider wurde das Magazin dann eingestellt.<br />
Ihre Bilder inszenieren Sie immer vor<br />
einem dunklen Hintergrund.<br />
Es sind immer ein schwarzes Tuch, das den<br />
Hintergrund bildet, und ein grauer Teppich,<br />
der dem Asphalt gleicht, welche als<br />
Kulisse dienen. Alles andere ist eine Frage<br />
der Beleuchtung. Oft werden bis zu zehn<br />
Lampen benötigt, um das perfekte Bild zu<br />
erhalten.<br />
Gab es weitere Interessenten?<br />
Ja, die gab es. Es meldeten sich diverse Verlage.<br />
Zum Beispiel «Motor Klassik» aus<br />
Deutschland, «Octane» aus England,<br />
«White Star» aus Mailand, «Merrell Publishers»<br />
in London, welche 4 Bücher zum<br />
Thema «Auto Legends» publizierten.<br />
War es Ihr Jugendtraum, Fotograf zu<br />
werden?<br />
Ich machte als Jugendlicher Aufnahmen<br />
von Pferden bei Springkonkurrenzen und<br />
verdiente mir so ein Taschengeld. Deshalb<br />
richtete ich mir zuhause bei meinen<br />
Eltern eine Dunkelkammer ein. Mit dem<br />
Taschengeld konnte ich Kameras kaufen<br />
und damit mein Hobby ausbauen. Doch<br />
eigentlich wollte ich nach Abschluss der<br />
Mittelschule Architekt werden. Irgendwie<br />
hatte ich dann aber keine Lust mehr und<br />
wollte als Kameramann zum Film. Das<br />
war in den späten 1950er-Jahren.<br />
Klappte es mit dem Film?<br />
Max Dora war der erste Schweizer Filmproduzent,<br />
der professionell Filme gemacht<br />
hatte. Ich besuchte ihn in seinem Büro in<br />
Zürich und ich erzählte ihm, dass ich Kameramann<br />
werden wolle. Er erklärte mir, dass<br />
wir in der Schweiz noch nicht so weit seien,<br />
dass er einen Kameramann fest anstellen<br />
könne. Sein Kameramann sei hauptberuflich<br />
Coiffeur und die Kamera-Arbeit sei nur<br />
ein Nebenerwerb. Und auch der Film-Elektriker<br />
arbeite lediglich nebenbei beim Film.<br />
Wenn ich wolle, könne ich in seiner nächsten<br />
Produktion «Oberstadtgass» als Kofferträger<br />
und Kabelleger mitarbeiten – er<br />
würde mich für drei Monate engagieren.<br />
Sie sind dann nicht beim Film geblieben.<br />
Nein. Max Dora empfahl mir, zuvor eine<br />
Lehre als Fotograf zu machen. Er habe mir<br />
Zur Person<br />
Michel Zumbrunn wurde 1935<br />
in Bern geboren. Die Schulen<br />
besuchte er in Zürich. Nach<br />
der Matura plante er eigentlich,<br />
Archtiket zu werden,<br />
machte aber dann doch sein<br />
Hobby zum Beruf. Nach seiner<br />
Ausbildung zum Fotografen<br />
und einer Reise durch Südamerika<br />
arbeitete er zunächst<br />
als Werbe- und Modefortograf.<br />
Michel Zumbrunns<br />
Durchbruch als Autofotograf<br />
erfolgte 1982 durch einen<br />
Grossauftrag des Tabakwaren-Herstellers<br />
Roth-Händle.<br />
eine gute Adresse – er empfahl mir Felix<br />
Guniat, den damals besten Werbe-Fotografen<br />
der Schweiz, bei dem ich dann<br />
tatsächlich meine Lehre machen konnte.<br />
Dank meiner Matura musste ich nur zwei<br />
statt vier Jahre in die Lehre.<br />
Was hat die Digitalisierung für einen<br />
Einfluss auf die heutige Fotografie?<br />
Den Beruf des Fotografen, so wie ich ihn<br />
noch gelernt habe, ist am aussterben. Heute<br />
wird nur noch geknipst. Das ist eigentlich<br />
tragisch. Zum Glück hatte ich bereits<br />
vor dreissig Jahren meinem Sohn gesagt:<br />
werde nie Fotograf! Er ist heute ein erfolgreicher<br />
Kameramann. Der Beruf des Fotografen<br />
hat sich dramatisch verändert. Das<br />
gepflegte Atelier braucht es nicht mehr.<br />
Heute geht man einfach hinaus, knipst etwas<br />
und bearbeitet es dann am Computer.<br />
Alles ist heute manipuliert.<br />
Nun stellen Sie ab de 7. September Ihre<br />
Werke im Hotel Meilenstein aus. Wie<br />
kam dies zustande?<br />
Das hat die Werbeagentur Creafactory in<br />
Zug arrangiert. Ich selbst kannte Markus<br />
Bösiger vorher nicht. Wir haben aber einen<br />
Kaffee zusammen getrunken und ich habe<br />
ihm mein neues FERRARI-Buch gezeigt.<br />
Er war beeindruckt und meint, dass es eine<br />
gute Ausstellung werden könnte.<br />
Dieser Meinung sind wir ebenfalls. Die<br />
Kulisse mit den vielen schönen Autos<br />
stimmt. Dazu Ihre Bilder.<br />
Ich habe auch schon ein Motto ausgewählt:<br />
die «Stromlinie». Damit können wir auch<br />
den jungen Leuten zeigen, was man bereits<br />
vor 100 Jahren in Sachen «Stromlinie» realisiert<br />
hatte.<br />
Sie sind 84 Jahre alt. Sind Sie immer noch<br />
aktiv?<br />
Ja sicher.<br />
Und bereisen Sie für Ihre Arbeit immer<br />
noch die ganze Welt?<br />
Meine letzte grosse Übung war in Nordengland.<br />
Da war ich zehn Tage bei einem<br />
Sammler und fotografierte seltene Classic<br />
Cars. Zuvor flog ich aber auch fünf Mal<br />
nach Kalifornien zu Arturo Keller. Er ist<br />
wahrscheinlich der grösste und wichtigste<br />
Autosammler der Welt. Sein Grossvater<br />
wurde in Aarau geboren und wanderte<br />
dann später nach Mexiko aus.<br />
Wie gross ist die Arturo Keller Sammlung?<br />
Ich fotografierte dort über 200 von den<br />
seltensten und schönsten Autos der Welt.<br />
Insgesamt dauerte diese Arbeit über zwei<br />
Jahre lang. Jedes Mal, wenn ich nach Kalifornien<br />
flog, richtete ich dort mein mobiles<br />
Studio ein. Es sollen demnächst 5 Bände à<br />
je 200 Seiten erscheinen.<br />
Das war wohl sehr eindrücklich.<br />
Ja, das war das Eindrücklichste, was ich als<br />
Fotograf erlebt habe. Ich hatte ja zuvor schon<br />
viel Schönes gesehen. Aber was da alles zusammen<br />
kam, ist absolut unglaublich. Beispielsweise<br />
besitzt er Mercedes-Kompressoren, die<br />
es nicht mal mehr im Mercedes-Museum in<br />
Stuttgart gibt. Wenn die dort gezeigt werden<br />
sollen, müssen sie diese in Kalifornien holen.<br />
Er besitzt auch ein Unikat eines Bentley mit<br />
einer besonderen Geschichte.<br />
Die müssen Sie uns erzählen.<br />
Der griechische Banker und Reeder André<br />
Embirico erteilte der Firma Bentley 1938<br />
den Auftrag, für ihn ein Stromlinien-Auto<br />
zu bauen. Dazu muss man wissen, dass zu<br />
diesem Zeitpunkt sämtliche Bentleys alles<br />
andere als stromlinienförmig designt waren<br />
– das waren viereckige Luxus-Kisten. Bentley<br />
wusste nicht, wie sie reagieren sollten.<br />
Doch dann gab ihnen jemand die Adresse<br />
eines Pariser Zahnarztes. Dieser hatte eine<br />
eigene Praxis, zeichnete jedoch an den Wochenenden<br />
und an den Abenden für sich<br />
selbst Stromlinienautos. Diese Zeichnungen<br />
hatte nie jemand gesehen und es war ein<br />
reiner Zufall, dass seine Adresse zu Bentley<br />
nach England gelangte. Doch Bentley nahm<br />
Kontakt auf und beauftragte den Zahnarzt<br />
Charles Paulin, für sie ein Stromlinienauto<br />
Lateral T Top<br />
zu zeichnen. Das Auto wurde dann gebaut<br />
und an André Embirico ausgeliefert – es ist<br />
heute in der Sammlung von Arturo Keller.<br />
Classic Cars zu<br />
fotografieren ist<br />
meine Passion.<br />
Was würden Sie gerne noch fotografieren?<br />
Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht<br />
beantworten. Ich habe schon so viele edle Autos<br />
gesehen, welche eigentlich Teil unserer<br />
Kultur sind. Ich bin jedoch dankbar, wenn<br />
ich noch etwas weiter fotografieren darf.<br />
Welche Autos fahren Sie selbst?<br />
(Lacht laut heraus) Das ist eine andere Geschichte.<br />
Wenn ein Sammler möchte, dass<br />
ich auch den Motor fotografiere, muss ich<br />
jeweils fragen, von welcher Seite ich fotografieren<br />
soll. Denn ich würde wohl einfach<br />
die aus meiner Sicht attraktivere Seite<br />
wählen, und das wäre dann möglicherweise<br />
völlig falsch. Ich muss mich da jeweils<br />
beraten lassen, weil ich mich technisch<br />
nicht auskenne. Oder anders ausgedrückt:<br />
ist die Haube geöffnet, bin ich am Ende.<br />
Ich bin also nur am Design interessiert.<br />
Sie wollen damit sagen, dass Sie keinen<br />
teuren Wagen und auch keinen Oldtimer<br />
fahren.<br />
Würde ich einen Oldtimer fahren wollen,<br />
müsste ich auch daran herum schrauben.<br />
Aber das kann ich nicht. Ich fuhr jahrelang<br />
einen Citroën Break. Darin konnte<br />
ich mein Material gut transportieren.<br />
Dann hatte ich zwei Mal hintereinander<br />
einen Renault Espace und heute fahre ich<br />
einen Subaru. Alles reine Nutzfahrzeuge!<br />
Dann bedeuten Ihnen diese schönen<br />
Autos gar nicht so viel?<br />
Doch! Classic Cars zu fotografieren ist<br />
meine Passion.<br />
26<br />
27
Sport<br />
Torhüter Nr. 1<br />
in Langenthal:<br />
Philipp<br />
Wüthrich<br />
National League<br />
und Swiss League<br />
Die ganze Eishockey-Meisterschaft in ein<br />
paar Fragen – und Prognosen.<br />
Klaus Zaugg (Text) | Pius Koller (Bilder)<br />
28<br />
29
Eishockey Prognosen<br />
Kunst Werk Wolle Plus<br />
National League<br />
Am Freitag, den 12. September beginnt die Eishockey-<br />
Meisterschaft in der National League und in der<br />
Swiss League. Wir beantworten ein paar Fragen und<br />
wagen uns aufs Glatteis der Prognose. Was bei einem<br />
so unberechenbaren Sport, der auf rutschiger Unterlage<br />
gespielt wird, besonders riskant ist.<br />
Verkaufs - Ausstellung 6. - 7. September <strong>2019</strong><br />
Amacher Silvia / Brügger Simona / Eugster Ruth / Faenzi Yvonne / Véliz Carolina<br />
Häusler Marianne / Jäggi Therese / Kämpf Christine / Kantsjö Ann-Sofie / Leutert Anna<br />
Nünlist Karin / Risi Adelheid / Schweizer Regina / Soltermann Sabrina / Sommer Nicole<br />
Siegenthaler Madeleine / Stalder Esther / Stooss Monika / Voigt Maria / Wyss-Ceppi Pierina<br />
Die Spycher-Handwerk AG, Huttwil lädt Sie zur<br />
Ausstellung „KunstWerkWolle PLUS“ auf ihrem<br />
Areal an der Bäch 4 ein. Wollschaffende und Kreative<br />
aus der ganzen Schweiz stellen ihre Kreationen<br />
aus den Sparten Filzen, Spinnen, Stricken und<br />
Weben aus. Sei dies Kleider, Jacken, Schals, Hüte,<br />
Stiefel, Accessoires, Dekorationen, Schmuck, usw.<br />
Bereichert wird die Ausstellung durch die Blumendekorationen<br />
von der Blumeninsel Huttwil AG.<br />
Am Freitag Abend findet die Traditionelle Modeschau<br />
mit anschliessendem Apéro statt.<br />
Der Laden ist während der Ausstellung geöffnet<br />
und wartet mit den neuen Winterkollektionen auf.<br />
freier Eintritt!<br />
Wo? Spycher - Handwerk AG<br />
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Wann? Fr.<br />
10.00 – 21.30 Uhr<br />
Sa. 10.00 – 17.00 Uhr<br />
Freitag ab 19.00 Uhr<br />
Modeschau und Apéro!<br />
Herbst-/Winterkollektion<br />
Die Modeschau am Freitag wird mit der<br />
Herbst/Winter-Kollektion der Wollkleider aus<br />
dem Laden vom Spycher-Handwerk ergänzt.<br />
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s’<strong>Positive</strong> | <strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
HC Ambri-Piotta: Tanzt<br />
Ambri auf zu vielen<br />
Hochzeiten?<br />
Ja. Die letzten Kalorien<br />
in den Energietanks und die Anzahl der<br />
verletzten Spieler sind im langen Zermürbungskampf<br />
um die letzten Playoffplätze<br />
zwei entscheidende Faktoren. Selbst der<br />
SCB, das Mass aller meisterlichen Dinge,<br />
verzichtet aus diesem Grund auf den Spengler<br />
Cup. Mark Lüthi hat einmal gesagt, die<br />
Denk- und Spielpause über die Festtage sei<br />
von unschätzbarem Wert. Ambri tanzt mit<br />
der Champions Lea gue, der Meisterschaft,<br />
dem Cup und dem Spengler Cup auf zu<br />
vielen Hochzeiten. Die Belastung muss<br />
trotz eines Farmteams auf zu wenig Schultern<br />
verteilt werden, die Mitläufer sind auf<br />
Dauer überfordert, die besten Spieler müssen<br />
zu stark belastet werden. Das führt zu<br />
höherer Verletzungsanfälligkeit. So gesehen<br />
ist die Spengler Cup-Teilnahme, dieser<br />
Tanz auf zu vielen Hochzeiten, ein Fehler.<br />
Aber andererseits ist der Spengler Cup eine<br />
einmalige Werbeplattform für Ambri (und<br />
den Vorsitzenden Filippo Lombardi), die<br />
einfach genützt werden muss. Der Preis dafür<br />
ist halt das Verpassen der Playoffs.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 10<br />
EHC Biel: Ist Biel reif<br />
für den Titel?<br />
Ja. Biel ist noch nicht<br />
dazu in der Lage, die Liga<br />
zu dominieren und noch nicht gut genug,<br />
um aus eigener Kraft Meister zu werden.<br />
Aber Biel ist gut genug, um günstige Umstände<br />
zum Titel nutzen zu können. Diese<br />
Biel ist gut genug,<br />
um günstige<br />
Umstände nützen<br />
zu können.<br />
Umstände sind so günstig wie noch nicht<br />
oft seit der Einführung der Playoffs (1986):<br />
Meister Bern ist ein alternder Titan, der<br />
ZSC ein nervöser Meisterkandidat, Lugano<br />
scheint vergessen zu haben, wie man<br />
Meister wird, Zug hat so stark aufgerüstet,<br />
dass der ultimative Erwartungsdruck<br />
zur Belastung wird, und Lausanne weiss<br />
noch nicht, wie man Meister wird. Hinzu<br />
kommt: Biel muss die Gunst der Stunde<br />
nutzen: Jonas Hiller hört nach der Saison<br />
auf, Damien Brunner ist bereits 33 und<br />
Beat Forster gar schon 36. Niemand vermag<br />
zu sagen, wie lange Trainer Antti Törmänen<br />
mit seinem antiautoritären Führungsstil<br />
die Autorität zu wahren vermag.<br />
Biel ist wegen der besonders günstigen<br />
Umstände also reif für den Titel. Es kann<br />
Jahre dauern, bis die Umstände wieder so<br />
ideal sein werden.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 6<br />
SC Bern: Niklas Schlegel<br />
wie Leonardo Genoni?<br />
Nein. Man muss doch<br />
Niklas Schlegel eine Chance<br />
geben und darf ihn nicht ständig mit<br />
seinem Vorgänger Leonardo Genoni vergleichen<br />
und in Frage stellen! Richtig<br />
– und doch barer Unsinn. Wenn Niklas<br />
Schlegel dazu in der Lage wäre, Leonardo<br />
Genoni zu ersetzen, dann ist Zugs Sportchef<br />
Reto Kläy ein Narr: es gäbe ja dann<br />
keinen Grund, den SCB-Meistergoalie<br />
zu verpflichten, mit einem Fünfjahresvertrag<br />
auszustatten und zum bestbezahlten<br />
NL-Torhüter zu machen. Ja, Kari Jalonen<br />
ist der Architekt der ruhmreichen Jahre<br />
mit drei Qualifikations-Siegen und zwei<br />
Titeln. Ja, Leonardo Genoni profitierte<br />
in Bern auch von der exzellenten Defensiv-Organisation<br />
(«Jalonen-Riegel») und<br />
ja, der SCB hat eine formidable Leistungskultur<br />
und mehrere charismatische Leitwölfe,<br />
die Meister können. Aber ohne Leonardo<br />
Genoni wären Kari Jalonens Taktik<br />
und Simon Mosers Leaderqualitäten nicht<br />
meisterlich veredelt worden. Niklas Schlegel<br />
ist in Bern so wenig der neue Leonardo<br />
Genoni wie Enzo Corvi in Davos oben der<br />
neue Reto von Arx.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 3<br />
HC Davos: Christian<br />
Wohlwend wie Arno Del<br />
Curto?<br />
Nein. Er ist Engadiner. Wie<br />
Arno Del Curto. Er war zu wenig gut für<br />
die grosse Spielerkarriere. Wie Arno Del<br />
Curto. Er kommt als U20-Nationaltrainer<br />
nach Davos. Wie Arno Del Curto. Also ist<br />
Nando Eggenberger ist einer der<br />
jungen Wilden beim HC Davos<br />
Christian Wohlwend logischerweise der<br />
neue Arno Del Curto. Nein, ist er nicht.<br />
Christian Wohlwend ist sogar ein «Anti-Arno».<br />
Arno Del Curto war ein «Diktator».<br />
Ein Machtrainer, immer eifersüchtig<br />
darauf bedacht, alles unter Kontrolle zu<br />
haben. Er vereinigte auf sich alle wichtigen<br />
Funktionen: Coach, Trainer, Sommertrainer,<br />
Sportdirektor, Kommunikationschef.<br />
30<br />
31
Eishockey Prognosen<br />
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Seine Assistenten waren mit Ausnahme<br />
von Torhütertrainer Marcel Kull Statisten<br />
ohne jeden Einfluss. Alles drehte sich in<br />
Davos um die Wünsche von Arno Del Curto.<br />
Aber dieser zentralistische Führungsstil<br />
ist heute nicht mehr möglich. Christian<br />
Wohlwend ist im Vergleich zu seinem<br />
Der Führungsstil<br />
von Arno Del<br />
Curto ist heute<br />
nicht mehr<br />
möglich.<br />
Vorgänger ein Basisdemokrat. Er verteilt<br />
Macht und Verantwortung auf zwei Assistenten,<br />
einen Video-, Athletik- und Goalie-Coach.<br />
Damit wird er Energien freisetzen,<br />
die durch Arno Del Curtos absoluten<br />
Machtanspruch zuletzt blockiert waren.<br />
Prognose Qualifikation : Platz 7<br />
HC Fribourg-Gottéron:<br />
Ist Reto Berra ein grosser<br />
Torhüter?<br />
Nein. Reto Berra ist ein<br />
würdiger Verwalter des Erbes von Dino<br />
Stecher. Dino Stecher? Nun, das war der<br />
hochtalentierte, sensible Goalie, der von<br />
1987 bis 1994 die ruhmreichsten Jahre der<br />
Klubgeschichte prägte und das Spektakel<br />
absichern musste, das vorne Slawa Bykow<br />
und Andrej Chomutow zelebrierten. 1992,<br />
1993 und 1994 hexte er Gottéron ins Finale<br />
und heute managt er die Eishalle des Sportzentrums<br />
Huttwil (Campus Perspektiven).<br />
Aber in der Erinnerung lebt er als der Torhüter<br />
fort, der drei Finals verlor. Reto Berra<br />
war zwar schon letzte Saison bei Gottéron.<br />
Aber erst jetzt ist er der wahre Erbe Dino<br />
Stechers. Er hat den Vertrag vorzeitig bis<br />
2024 verlängert, verknüpft dadurch seine<br />
Karriere für immer mit diesem Klub und<br />
ist Gottérons teuerster Einzelspieler der<br />
Geschichte. Er ist zum Mittelpunkt des<br />
Universums Gottéron geworden und zu<br />
Recht sind die Erwartungen hoch. Aber<br />
wie Dino Stecher gilt er als freundlicher<br />
Titan mit einem zerbrechlichen Selbstvertrauen<br />
Wie Dino Stecher ist Reto Berra ein<br />
guter, aber kein grosser Torhüter. Grosse<br />
Torhüter hexen ihre Teams zu Titeln.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 4<br />
HC Genf-Servette: Gibt es<br />
das wahre Servette noch?<br />
Nein. Erst einmal müssen<br />
wir die Frage nach dem<br />
wahren Servette beantworten. Das wahre<br />
Servette ist ein raues, taktisch exzellent<br />
geschultes Team mit einem charismatischen<br />
Coach, der es versteht, fehlendes Talent<br />
(weil das Geld für den Einkauf dieses<br />
Talentes fehlt) durch Taktik, Disziplin,<br />
Härte, Leidenschaft und Schlauheit zu<br />
kompensieren. Die DNA dieses Klubs ist<br />
nordamerikanisch und Chris McSorley ist<br />
der Poster Boy dieses Hockeyunternehmens.<br />
Die Fans sagen in den gegnerischen<br />
Stadien seit Jahren: «Chris McSorley<br />
kommt, da wird was los sein.» Servette<br />
ohne Chris McSorley als Trainer ist wie die<br />
Rolling Stones ohne Mike Jagger auf der<br />
Bühne. Natürlich gibt es ein Servette ohne<br />
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33
Eishockey Prognosen<br />
Eishockey Prognosen<br />
Chris McSorley – aber es ist nicht mehr<br />
das wahre Servette. Ich verneige mich vor<br />
dem neuem Trainer Patrick Emond. Aber<br />
er wird Mühe haben, mehr Autorität zu<br />
entwickeln als sein charismatischer Assistent<br />
Louis Matte. Ein Gastspiel der Genfer<br />
ohne Chris McSorley ist kein Grund mehr,<br />
den Jassabend mit Kollegen abzusagen und<br />
ins Stadion zu gehen.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 11<br />
SCL Tigers: Die Playoffs<br />
auf sicher?<br />
Nein. Erst ganz am Schluss<br />
verspielte Langnau die Qualifikation<br />
für die Champions League und<br />
erst in der 7. Viertelfinalpartie gegen Lausanne<br />
das erste NL-Halbfinale der Klubgeschichte.<br />
Die Spielstärke der Mannschaft<br />
konnte Sportchef Marco Bayer auf dem<br />
Transfermarkt verteidigen. Erfolgstrainer<br />
Heinz Ehlers, beide Goalies und die zwei<br />
wichtigsten Ausländer (Harri Pesonen,<br />
Chris DiDomenico) sind geblieben. Also<br />
kann Langnau die letzte Saison wiederholen<br />
und hat die Playoffs auf sicher. Oder?<br />
Nein, ganz und gar nicht. Die Emmentaler<br />
sind dem Tabellenende fast so nahe wie<br />
den Playoffs. Den SCL Tigers ist die perfekte<br />
Saison gelungen. Alles passte. Chris<br />
DiDomenico erfüllte die himmelhohen<br />
Erwartungen («Jesus Chris»), Damiano<br />
Ciaccio hexte nach der Verletzung von<br />
Ivars Punnenovs das Team allein in die<br />
Playoffs und die Schlüsselspieler blieben<br />
weitgehend von Verletzungen verschont.<br />
Vom ersten Spieltag an standen die Langnauer<br />
auf einem Playoffplatz und Hektik<br />
kam gar nie auf. Es ist fast unmöglich, eine<br />
so perfekte Saison zu wiederholen. Langnau<br />
hat die Playoffs nicht auf sicher.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 8<br />
HC Lausanne: Gut genug<br />
für den Titel?<br />
Ja. Für Lausanne gilt das<br />
gleiche wie für Biel: die Umstände<br />
für den Titel (für Lau sanne wäre es<br />
der erste der Geschichte) sind einmalig<br />
günstig. In erster Linie wegen der Schwächen<br />
der Titanen und erst in zweiter Linie<br />
wegen der eigenen Spielstärke. Ja, die Lausanner<br />
sind sogar stärker, als sie selbst ahnen.<br />
Trainer Ville Peltonen hat als Zauberlehrling<br />
das gleiche meisterliche, extrem ergebnisorientierte<br />
und spektakelignorierende<br />
Spielsystem eingefuchst wie sein einstiger<br />
Hexenmeister Kari Jalonen in Bern. Seine<br />
Mannschaft ist so ausgeglichen besetzt wie<br />
der SCB, die ZSC Lions oder Biel und nominell<br />
nicht viel schwächer als Zug. Und<br />
die Energie, die das gesamte Unternehmen<br />
aus dem neuen Hockeytempel, aus der Begeisterung<br />
des Publikums gewinnen wird,<br />
ist ein nicht zu unterschätzender Faktor.<br />
Lausanne ein heimlicher Titelkandidat?<br />
Ja, wenn wir alle soeben aufgeführten Faktoren<br />
berücksichtigen. Nein, wenn wir sehen,<br />
wer im Tor steht: Tobias Stephan hat<br />
in seiner ganzen Karriere noch nie einen<br />
Titel gewonnen.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 2<br />
Der «Hockey-<br />
Luxuswolf» kann<br />
nicht im Schafspelz<br />
der Bescheiden<br />
heit daherkommen.<br />
HC Lugano: Bescheidenheit<br />
als Schlüssel zum<br />
Glück?<br />
Nein. Kann Lugano bescheiden<br />
sein? Wenn wir die Spielerliste<br />
durchgehen, dann ist die Antwort auf diese<br />
Frage ganz einfach: Lugano bleibt inzwischen<br />
gar nichts anderes als die Bescheidenheit.<br />
Die Mannschaft ist eine der nominell<br />
schwächsten (bescheidensten) seit der<br />
Rückkehr in die höchste Liga im Frühjahr<br />
1982. Die zwei charismatischsten Einzelspieler<br />
sind gegangen: Grégory Hofmann,<br />
der beste Torschütze der Liga, nach Zug<br />
und Torhüter Elvis Merzlikins, der Held<br />
zweier Finals, nach Nordamerika. Beide<br />
sind nicht ersetzt worden. Die Leitwölfe<br />
bekommen graue Haare: Alessandro Chiesa<br />
ist 32, Linus Klasen 33, Raffaele Sannitz<br />
35 und Julien Vauclair gar schon 39. Und<br />
Sami Kappanen hat als Coach ausser dem<br />
Spengler Cup noch nie etwas gewonnen.<br />
Da bleibt nur Bescheidenheit. Aber Lugano<br />
hat eine Glanz & Gloria-DNA und<br />
steht für Klasse und Glamour. Der «Hockey-Luxuswolf»<br />
kann nicht im Schafspelz<br />
der Bescheidenheit daherkommen,<br />
Bescheidenheit ist nicht der Schlüssel zum<br />
Glück. Der Widerspruch zwischen der eigenen<br />
Identität und sportlicher Wirklichkeit<br />
macht Lugano zum Kandidaten für Platz 9.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 9<br />
Lakers: Wieder auf<br />
dem letzten Platz?<br />
Ja. Die Lakers können<br />
sich noch nicht von<br />
ihrer Vergangenheit lösen. Sie stürzten<br />
sportlich und finanziell ab, als sie glaubten,<br />
Titanen zu sein und erst der Abstieg<br />
(2015) führte zu einem Neuanfang. Nun<br />
prägt Vernunft die Strategie. Die Fehler<br />
der Vergangenheit sollen vermieden<br />
werden. Und so scheuen die Lakers seit<br />
dem Wiederaufstieg im Frühjahr 2018<br />
die grossen Investitionen und hüten sich<br />
vor hohen Erwartungen wie der Teufel<br />
vor dem geweihten Wasser. Sie beteiligen<br />
sich mit einer Mannschaft an der Meisterschaft<br />
der höchsten Liga, die auf dem<br />
Papier eigentlich eine für die zweithöchste<br />
ist. Nur Torhüter Melvin Nyffeler genügt<br />
höchsten NL-Ansprüchen. Mit Vernunft<br />
sind in jüngster Zeit nur die SCL Tigers<br />
und Ambri vom Tabellenende weg und<br />
in die Playoffs gekommen. Beide mit aussergewöhnlichen<br />
Trainern (Luca Cereda,<br />
Heinz Ehlers) und mit einer perfekten<br />
Saison. Die Lakers haben keinen Trainer<br />
wie Luca Cereda und Heinz Ehlers. Der<br />
letzte Platz ist daher für die Lakers erneut<br />
reserviert.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 12<br />
ZSC Lions: Grosse Namen,<br />
kleine Mannschaft?<br />
Ja. Der Meister hat die<br />
Playoffs letzte Saison verpasst<br />
– also waren es grosse Namen und<br />
eine kleine Mannschaft. Die Namen sind<br />
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s’<strong>Positive</strong> | <strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
seither nicht kleiner geworden, auch nicht<br />
auf der Trainerposition: Rikard Grönborg,<br />
in den letzten drei Jahren zweimal<br />
Weltmeister und der teuerste Trainer ausserhalb<br />
der KHL und der NHL, ersetzt<br />
Arno Del Curto. Sein Auftrag, aus den<br />
grossen, teuren Namen in seiner Kabine<br />
eine grosse Mannschaft formen. Und<br />
zwar in kurzer Zeit. Schafft er das bis<br />
Weihnachten nicht, dann wird auch er gefeuert.<br />
Die vorletzte Saison (2017/18) hat<br />
gezeigt, dass in Zürich alles vom Geschick<br />
des Trainers im Umgang mit grossen Namen<br />
abhängt: Hans Kossmann rockte<br />
vom 7. Platz aus zum Titel und die Spieler,<br />
die Rikard Grönborg zur Verfügung<br />
stehen, sind mindestens so gut wie die<br />
meisterlichen Helden aus dem Frühjahr<br />
2018. Aber keine andere Mannschaft ist<br />
Gregory<br />
Hofmann<br />
wechselte vom<br />
HC Lugano zum<br />
EV Zug.<br />
so schwierig zu führen wie die ZSC Lions<br />
und die Nähe von Sportchef Sven Leuenberger<br />
zur Kabine und seine Lust mit guten<br />
Ratschlägen nicht zu geizen, machen<br />
den Job für den Trainer auch nicht einfacher.<br />
Prognose : Qualifikation Platz 5<br />
EV Zug: Wird Zug<br />
überschätzt?<br />
Nein. Zug hat das Finale<br />
gegen den SC Bern<br />
verloren und nun von den Bernern Leonardo<br />
Genoni und von Lugano Gregory<br />
Hofmann geholt. Der Finalverlierer verstärkt<br />
sich mit dem besten Torhüter und<br />
dem besten Torschützen der Liga. Der<br />
Präsident ist Milliardär, im gleichen Stadionkomplex<br />
ist das Farmteam beheimatet,<br />
die zweitbeste Mannschaft der Liga ist<br />
mit den besten Spielern der Liga verstärkt<br />
worden und Trainer Dan Tangnes gilt<br />
nach seiner ersten Saison in Zug als Jürgen<br />
Klopp des Eishockeys. Mehr geht nicht.<br />
Zug kann gar nicht überschätzt werden.<br />
Alles andere als ein überlegener Qualifikationssieg<br />
und der zweite Meistertitel<br />
nach 1998 wäre schmähliches Versagen.<br />
Und das ist das Problem: diese berechtigte<br />
Erwartungshaltung wird für die Zuger zu<br />
einer Belastung, die gar nicht überschätzt<br />
werden kann – unter diesen Voraussetzungen<br />
die Meisterschaft zu gewinnen ist<br />
ähnlich schwierig, wie den Titel zu verteidigen.<br />
Und das ist in diesem Jahrhundert<br />
erst den ZSC Lions (2001) und dem SCB<br />
(2017) gelungen.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 1<br />
34<br />
35
Eishockey Prognosen<br />
Swiss League<br />
HC Ajoie: Götterdämmerung<br />
für Gary Sheehan?<br />
Nein. Ajoie ist im Viertelfinale<br />
überraschend an<br />
Thurgau gescheitert. Ein Versagen, das<br />
einen Trainer eigentlich in Bedrängnis<br />
bringt. Logisch wäre daher eine Götterdämmerung,<br />
also der Anfang vom Ende<br />
der «Ära Gary Sheehan». Aber der eingebürgerte<br />
Kanadier, der mit seiner Hockeyphilosophie<br />
an den grossen Arno Del Curto<br />
mahnt, sitzt weiterhin fest im Sattel. Er<br />
hat das Team nach den verpassten Playoffs<br />
von 2014 übernommen, seither einen Titel<br />
plus zwei Halbfinals eingefahren und<br />
beginnt nun die 6. Saison. Eine verlorene<br />
erste Playoff-Runde hat seine Autorität<br />
nicht erschüttert. Das seit Jahren bewährte<br />
«Ajoie-Prinzip» (ein kluger Präsident,<br />
ein solider Goalie, ein umsichtiger Verteidigungsminister<br />
und zwei gute Ausländer,<br />
die eine halbe Stunde Eiszeit aushalten)<br />
wird ihm eine sorglose Qualifikation bescheren.<br />
Es gibt keine Götterdämmerung<br />
für Gary Sheehan.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 6<br />
HC La Chaux-de-Fonds:<br />
Für immer welsch?<br />
Ja. Am 11. November 2017<br />
hat Serge Pelleiter das Team<br />
vom gefeuerten Alex Reinhard übernommen<br />
und erstmals seit 2011 zum Qualifikationssieg<br />
und zum ersten Finale seit<br />
2009 geführt. Trotzdem ist er, der neusten<br />
Mode folgend, durch den Schweden Mikael<br />
Kvarnstörm ersetzt worden. Die letzte<br />
Wahrheit steht im Welschland halt nicht<br />
immer auf der Resultattafel. Denn die Resultate<br />
hätten zu einer Vertragsverlängerung<br />
führen müssen. Serge Pelletier wurde<br />
vorgeworfen, er habe im Final (0:4 gegen<br />
Langenthal) versagt – und dabei ist vergessen<br />
worden, dass sein Team ganz einfach<br />
an Philip Wüth rich scheiterte. Langenthals<br />
Goalie hat das Finale «verfälscht».<br />
Da war der Trainer machtlos. Wer boshaft<br />
ist, sagt: dieser Trainerwechsel ist typisch<br />
welsch, typisch La Chaux-dem Fonds. Der<br />
sechsfache Meister (1968 bis 1973) war, ist<br />
und bleibt welsch. Für immer.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 4<br />
GCK Lions: Können die<br />
GCK Lions noch Playoff?<br />
Nein. Inzwischen haben<br />
die Zürcher sechsmal in<br />
Serie die Playoffs verpasst. Sportliche Ausreden<br />
gibt es keine. Die Mannschaft war<br />
nominell jede Saison gut genug für den<br />
8. Platz und der Faktor, «nur» ein Farmteam<br />
zu sein, ist nichts als eine faule Ausrede.<br />
2003 gelang der Qualifikationssieg und<br />
das Farmteam der Zuger hat soeben zum<br />
zweiten Mal hintereinander die Playoffs<br />
geschafft. Der Misserfolg des Farmteams<br />
ist ein Zeichen für die ungenügende Leis-<br />
Der sechsfache<br />
Meister (1968 bis<br />
1973) war, ist und<br />
bleibt welsch.<br />
Für immer.<br />
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der ZSC Lions. Nun sollen ein neuer Trainer<br />
(Michael Liniger) und ein neuer Leitwolf<br />
(Rappis Captain Antonio Rizello) die<br />
Leistungskultur verbessern. Aber Playoffs,<br />
also das Siegen, wenn gesiegt werden muss,<br />
können die GCK Lions nicht mehr. Sie haben<br />
zuletzt die alles entscheidenden Partien<br />
um die Playoff-Qualifikation verloren.<br />
Sie müssen Playoffs erst wieder lernen.<br />
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Nein. In den drei Jahren<br />
seiner Existenz hat Zugs Farmteam<br />
zweimal die Playoffs erreicht. Das ist die<br />
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Eishockey Prognosen<br />
Eishockey Prognosen<br />
Hedlund davon, dass er mit Josh Holden<br />
einen Leitwolf und oben beim EVZ mit<br />
Harold Kreis einen Trainer hatte, der die<br />
Talente des Farmteams ignorierte. Letzte<br />
Saison hatten die Zuger mit Jason O’Leary<br />
einen Meistertrainer (2017 mit Langenthal)<br />
an der Bande. Aber in der neuen<br />
Saison ist es mit der Herrlichkeit vorbei:<br />
die besten Talente spielen beim EVZ in<br />
der höchsten Liga, wer nicht NL-Potenzial<br />
hat, ist wegtransferiert worden. Als<br />
einziges Team beschäftigen die Zuger nur<br />
einen konkurrenzfähigen Ausländer – der<br />
zweite (Nielsen) sitzt bloss die Wartezeit<br />
ab, bis er Lizenzschweizer wird. Mit dem<br />
jüngsten Team der Liga kann das Ziel nur<br />
noch Klassenerhalt heissen.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 12<br />
HCB Ticino Rockets: Die<br />
Lakers der Swiss League?<br />
Ja. In den drei Jahren ihres<br />
Bestehens haben die Rockets<br />
– das Farmteam von Ambri und Lugano –<br />
die SL-Meisterschaft dreimal hintereinander<br />
völlig chancenlos auf dem letzten Platz<br />
beendet. Sie haben sich inzwischen so ans<br />
Verlieren und den letzten Platz in der Swiss<br />
League gewöhnt wie die Lakers jahrelang<br />
und letzte Saison erneut in der höchsten<br />
Liga. Auf den ersten Blick ist eine Besserung<br />
in Sicht: zum ersten Mal ist ausländisches<br />
Personal angestellt worden, mit Alex<br />
Reinhard kommt erstmals ein erfahrener<br />
Trainer und durch die Zusammenarbeit<br />
mit Lausanne und Davos ist das sportliche<br />
Fundament erheblich verbreitert worden.<br />
Das erstmalige Vermeiden des letzten Platzes<br />
ist ein realistisches Ziel – Zugs Farmteam<br />
ist nominell auch nicht besser – aber<br />
mehr ist nicht möglich. Die Rockets bleiben<br />
– wie die Lakers in der höchsten Liga<br />
– ein Verliererteam.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 11<br />
EHC Olten: Kann Olten<br />
Aufstieg?<br />
Ja. 1988 hat Olten zum letzten<br />
Mal die zweithöchste<br />
Liga gewonnen, 1993 gelang hinter Davos<br />
letztmals der Aufstieg. Nun haben die<br />
Oltner nach einem Vierteljahrhundert der<br />
Irrungen und Wirrungen endlich wieder<br />
ein Aufstiegsteam. Die Hockeystadt<br />
Olten rockt. Die Neuzuzüge (Philipp<br />
Rytz, Dion Knelsen) und Trainer Fredrik<br />
Söderström – der neusten Mode entsprechend<br />
ein Schwede – haben bei ihren<br />
letzten Arbeitgebern in Langenthal, Rapperswil-Jona<br />
und Storhamar bewiesen,<br />
dass sie Meister können. Vieles spricht<br />
dafür, dass der Trainerposten und die<br />
beiden Ausländerpositionen erstmals seit<br />
Menschengedenken so gut besetzt sind,<br />
dass während der Saison keine Wechsel<br />
notwendig sind. Eigentlich haben die Oltner<br />
nur zwei ernsthafte Konkurrenten im<br />
Kampf um die Rückkehr in die höchste<br />
Liga: den EHC Kloten in den Playoffs<br />
und die Rapperswil-Jona Lakers in der Liga-Qualifikation.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 1<br />
Fabian Sutter vom EHC Kloten<br />
EHC Kloten: Ist Kloten<br />
jetzt ein richtiger B-Klub?<br />
Nein. Kloten hat von 1962<br />
bis 2018 ununterbrochen in<br />
der höchsten Liga gespielt. Der EHC Kloten<br />
ist in seiner DNA, in seinem Selbstverständnis<br />
ein NL-Klub geblieben und<br />
unterschätzt nach wie vor die Swiss League.<br />
Deshalb ist die ganze erste Saison<br />
nach dem Abstieg mit einem überforderten<br />
Trainer ein verlorenes Jahr. Sportchef<br />
Felix Hollenstein hat diesen Irrtum zwar<br />
Der EHC Kloten<br />
steckt zwischen<br />
den zwei höchsten<br />
Ligen fest.<br />
korrigiert, Langenthals Meistertrainer<br />
Per Hanberg, einen besseren Goalie und<br />
bessere Ausländer geholt. Aber nach wie<br />
vor haben zu viele Spieler ihre ruhmreiche<br />
NL-Vergangenheit im Kopf, aber in den<br />
Händen und Beinen nur noch mässiges<br />
SL-Niveau. Kloten steckt immer noch im<br />
Niemandsland zwischen der höchsten und<br />
zweithöchsten Liga. Der EHC Kloten ist<br />
kein NL-Klub mehr. Aber eben auch noch<br />
nicht ganz in der SL angekommen und<br />
nach wie vor eine Spur zu hoffärtig und zu<br />
wenig bissig, um ein richtiger SL-Klub zu<br />
sein. Für einen Spitzenplatz reicht es trotzdem.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 2<br />
s’<strong>Positive</strong> | <strong>Ausgabe</strong> 8 | <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
HC Sierre: Kann Sierre<br />
Visp herausfordern?<br />
Ja. Sierre, der Vize-Meister<br />
von 1973 hinter La Chauxde-Fonds<br />
musste 1991 die höchste Liga aus<br />
sportlichen und 2013 die zweithöchste<br />
Liga aus finanziellen Gründen verlassen<br />
und in der 3. Liga neu anfangen. Mit drei<br />
Aufstiegen in sechs Jahren sind die Walliser<br />
in die SL zurückgekehrt. Die enge Zusammenarbeit<br />
mit Servette (Partnerteam,<br />
nicht Farmteam) trägt Früchte, Servette-Verteidiger-Titan<br />
Goran Bezina verbringt<br />
den Karriere-Spätherbst in Sierre<br />
und ist ein Grund, warum der Aufsteiger<br />
konkurrenzfähig sein und um die Playoffs<br />
spielen wird. In den Derbys ist Sierre dazu<br />
in der Lage, Visp herauszufordern und im<br />
eigenen, baufälligen Stadion (die Valascia<br />
der SL) – in einem noch schlimmeren Zustand<br />
als der Schoren – kann jeder Gegner<br />
besiegt werden. Und wenn’s nicht funktioniert,<br />
kann ja Chris McSorley mal als<br />
Gasttrainer bei Coach Dany Gelinas vorbeischauen.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 8<br />
EHC Visp: Ist Visp ein<br />
künftiger A-Klub?<br />
Ja. Visp ist 1962 Schweizer<br />
Meister geworden. Die<br />
Rückkehr in die höchste Liga ist seit dem<br />
Abstieg von 1972 in die NLB und 1985 in<br />
die 1. Liga ein ewiger Traum. 1999 ist der<br />
Klub aus der Heimat von Ex FIFA-Präsident<br />
Sepp Blatter in die zweithöchste<br />
Liga zurückgekehrt und 2011 und 2014<br />
Meister geworden. Mit dem Einzug in<br />
den neuerbauten Hockeytempel ist der<br />
erste Schritt für die Rückkehr in die NL<br />
gemacht. Ja, Visp ist ein künftiger NL-<br />
Klub. Aber der Weg auf die grosse Bühne<br />
ist weit und unter dem aktuellen sportlichen<br />
Führungspersonal nicht möglich.<br />
Die Mannschaft ist noch nicht einmal<br />
gut genug für den SL-Titel. Trainer Matti<br />
Alatalo – ein notorischer Verlierer – kann<br />
sich nach zwei Viertelfinal-Pleiten nur im<br />
Amt halten, weil er mit Sportchef Bruno<br />
Aegerter befreundet ist. Niederlagen gegen<br />
Aufsteiger und Erzrivale Sierre können<br />
ihn noch vor dem Saisonende aus<br />
dem Amt fegen.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 5<br />
HC Thurgau: Ein neuer<br />
Titan?<br />
Ja. In den letzten Jahren<br />
hat sich nach den Pleiten<br />
von Basel und Martigny die Hierarchie<br />
in der SL mehr oder weniger gefestigt:<br />
Visp, Ajoie, La Chaux-de-Fonds, Langenthal,<br />
Olten und die Absteiger aus der NL<br />
(Langnau, die Lakers, jetzt Kloten) besetzen<br />
die ersten sechs Plätze. Die Farmteams<br />
haben weder Publikum noch Tradition<br />
und Substanz, um sich in der oberen Tabellenhälfte<br />
festzusetzen und Winterthur<br />
und Aufsteiger Sierre werden wohl nicht<br />
über die Rolle eines Farbtupfers hinauskommen.<br />
Aber Thurgau hat in den letzten<br />
Jahren mit beharrlicher Arbeit das Fundament<br />
für eine grosse Zukunft errichtet.<br />
Der erste Halbfinal seit dem Wiederaufstieg<br />
von 2007 ist der Beginn einer neuen<br />
Ära. Thurgau kann unter Stefan Mair,<br />
dem Heinz Ehlers des armen Mannes ein<br />
neuer SL-Titan werden. Auf Augenhöhe<br />
mit Kloten, Olten, Langenthal, La Chauxde-Fonds<br />
und Ajoie.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 7<br />
Visps Einzug in<br />
den neuen<br />
Hockeytempel<br />
als erster Schritt<br />
des Aufstieg.<br />
EHC Winterthur: Ist Trainer<br />
Michel Zeiter ein Verlierer?<br />
Ja. Er führte als meisterlicher<br />
Leitwolf die ZSC Lions zu Beginn dieses<br />
Jahrhunderts zeitweise als Captain in<br />
meisterliche Höhen und stürmte in weissen<br />
Schlittschuhen in den Status einer Legende.<br />
Aber als Trainer ist Michel Zeiter der charismatischste<br />
Verlierer unseres Hockeys. In<br />
Visp gefeuert, bei den Lakers als Nothelfer<br />
abgestiegen und bei Winterthur sportlich<br />
notorisch erfolglos: er kam mit der Mannschaft<br />
in drei Anläufen nie auch nur in die<br />
Nähe der Playoffs. In Winterthur hat er sein<br />
Hockey-Disneyland gefunden. Hier spielen<br />
die Resultate keine Rolle. Die Fans sind<br />
nach dem Motto «Wir sind in der SL, also<br />
sind wir» sieglos glücklich und der mit Michel<br />
Zeiter befreundete Sponsor sorgt für<br />
Stefan Tschannen vom SC Langenthal<br />
schwarze Zahlen. Aber nun ist der Abstieg<br />
wieder möglich und Michel Zeiter steht vor<br />
der grössten Herausforderung seiner Trainerkarriere:<br />
er sollte Spiele gewinnen.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 10<br />
SC Langenthal: Kehrt Kevin<br />
Schläpfer an die Bande<br />
zurück?<br />
Nein. Für Meister Langenthal<br />
beginnt eine neue Ära mit neuem ausländischen<br />
Personal, einem neuen Trainer<br />
und einem neuen Sportchef – und dieser<br />
Sportchef ist berühmter als die Spieler und<br />
der Trainer: Kevin Schläpfer, in Biel zum<br />
Hockeygott aufgestiegen und in Kloten<br />
wieder auf irdisches Mass zurückgestutzt<br />
– hat wohlweislich die Offerte der Lakers<br />
ausgeschlagen und ist lieber in Langenthal<br />
Sportchef geworden. Aus zwei Gründen<br />
kehrt er nicht an die Bande zurück. Erstens<br />
weil es nicht notwendig sein wird: Jeff<br />
Campbell war als Ausländer ein charismatischer<br />
Leitwolf und er ist es jetzt auch als<br />
Trainer. Zweitens weiss Kevin Schläpfer,<br />
dass er mit einer Rückkehr an die Bande<br />
seine Karrierechancen als Sportchef ruinieren<br />
würde: niemand stellt gerne einen<br />
Sportchef ein, der noch in seiner ersten<br />
Saison seinen Trainer feuert und selbst das<br />
Traineramt übernimmt.<br />
Prognose Qualifikation: Platz 3<br />
38<br />
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In eigener Sache<br />
Leserbriefe.<br />
Programmgestaltung bei Radio SRF<br />
Ich stimme Herrn Hadorn bezüglich Französisch-Unterricht an den<br />
Schulen vollkommen zu. Aber das sollte man auch den Programmgestaltern<br />
bei Radio SRF sagen!<br />
Ich habe einmal einen Morgen lang hingehört: Über drei Viertel aller<br />
Songs waren anglo-amerikanischer Art. Einzelne dieser englischen Titel,<br />
teilweise über 80 Jahre alt, wurden sogar mehrmals pro Tag ausgestrahlt.<br />
Vergebens wartete ich auf wunderschöne Musik aus der<br />
Schweiz.<br />
Die alten Interpreten aus der Schweiz werden von unseren Programmgestaltern<br />
«totgeschwiegen». Weil sie veraltet sind?<br />
Die Songs aus den USA und Grossbritanien sind ebenso alt oder älter.<br />
Zudem hat Musik kein Verfalldatum.<br />
Oder weil die RadiohörerInnen jung sind? Stimmt schon lange nicht<br />
mehr! Die «alten» heutigen dauerhaften Radiohörer und –hörerinnen<br />
sind inzwischen in der Überzahl, auch infolge der Überalterung, und<br />
weil sie nicht ständig an den Handy’s hängen.<br />
Dies trifft auch auf meine fünf Stammtisch-Kollegen zu, die ebenfalls<br />
das Fastnurnochenglische schon lange satt haben.<br />
Joseph Arnold, 4665 Küngoldingen<br />
Veranstaltungshinweis<br />
Orgelkonzert<br />
Rainer Walker spielt Werke von<br />
Gilles Binchois, Hans Leo Hassler,<br />
Correa de Arauxo, Gourg<br />
Muffat und José Lidon.<br />
Sonntag, 1. September <strong>2019</strong>,<br />
17.00 Uhr<br />
Schreiben Sie uns, wenn Sie s’Negative im «s’<strong>Positive</strong>» finden.<br />
Oder auch, wenn Sie nur <strong>Positive</strong>s finden, aber trotzdem etwas loswerden wollen: redaktor@spositive.ch<br />
Ihre Meinung interessiert uns !<br />
Sind Sie mit etwas nicht einverstanden?<br />
Haben Sie Fragen, die auch andere Leser<br />
interessieren könnten? Oder haben<br />
Sie eine Ergänzung zu einem Artikel?<br />
Dann schreiben Sie uns. Wir reservieren<br />
Platz für Sie. Oder möchten Sie über ein<br />
Thema, das wir noch nicht gebracht haben,<br />
mehr erfahren? Wir können Ihnen zwar<br />
keinen Artikel darüber garantieren. Aber<br />
prüfen werden wir Ihren Vorschlag<br />
ganz bestimmt.<br />
Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt,<br />
wenn wir die Möglichkeit zu Leserreaktionen<br />
bieten. Möglich, dass keine<br />
einzige kommt.<br />
Ebenfalls möglich, dass wir nicht alle Ihre<br />
E-Mails und Briefe publizieren können,<br />
und deshalb eine Auswahl treffen müssen.<br />
Werden Sie bitte nicht zu lang. Sonst<br />
müssten wir Ihren Beitrag eventuell kürzen.<br />
Beiträge mit beleidigendem, diffamierendem,<br />
rassistischem und sexistischem<br />
Inhalt werden nicht veröffentlicht.<br />
Wir freuen uns auf Ihr Feedback.<br />
Schreiben Sie uns...<br />
per E-Mail an<br />
redaktor@spositive.ch<br />
per Post an:<br />
Redaktion «s’<strong>Positive</strong>»<br />
Feedback<br />
St. Urbanstrasse 31 | 4914 Roggwil<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Tom Küffer<br />
<br />
<br />
Marc Gerber<br />
<br />
<br />
Daniel Thürler<br />
<br />
<br />
Alfred Mosimann<br />
<br />
<br />
Steve Grant<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
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Geniessen Sie das Jubiläumsfest «125 Jahre IBL» gemeinsam mit uns.<br />
Für Gross und Klein gibt es Allerlei zum Anfassen, Selbermachen und Entdecken.<br />
Für Spannung, Spiel und Spass ist gesorgt!<br />
Das Geburtstagsfest findet bei jedem Wetter statt. Bei Regen wird der Erlebnisrundgang<br />
im Parkhotel Langenthal an der Weststrasse 90 aufgestellt. Alle Informationen zum Fest<br />
und zum Standort bei unsicherer Wetterlage<br />
ib-langenthal.ch/geburtstag<br />
Spitalgasse<br />
SAMSTAG, 14. SEPTEMBER <strong>2019</strong><br />
von 10.00 – 17.00 Uhr mitten in Langenthal<br />
in der unteren Marktgasse und auf dem Wuhrplatz<br />
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